Damis. Das ist lustig! Der Schulmeister also lobt den Pfarr, und der
Pfarr, nicht unerkenntlich zu sein, lobt den Schulmeister. Wenn mein
Vater zugegen waere, so wuerde er gewiss sagen: Manus manum lavat. Hast
du ihm die alberne Gewohnheit nicht angemerkt, dass er bei aller
Gelegenheit ein lateinisches Spruechelchen mit einflickt? Der alte
Idiote denkt, weil er so einen gelehrten Sohn hat, muesse er doch auch
zeigen, dass er einmal durch die Schule gelaufen sei.
Anton. Hab ich's doch gedacht, dass es etwas Albernes sein muesse; denn
manchmal mitten in der Rede murmelt er etwas her, wovon ich kein Wort
verstehe.
Damis. Doch schliesse nur nicht daraus, dass alles albern sei, was du
nicht verstehst. Ich wuerde sonst viel albernes Zeug wissen.--Aber, o
himmlische Gelehrsamkeit, wieviel ist dir ein Sterblicher schuldig,
der dich besitzt! Und wie bejammernswuerdig ist es, dass dich die
wenigsten in deinem Umfange kennen! Der Theolog glaubt dich bei einer
Menge heiliger Sprueche, fuerchterlicher Erzaehlungen und einiger uebel
angebrachten Figuren zu besitzen. Der Rechtsgelehrte bei einer
unseligen Geschicklichkeit, unbrauchbare Gesetze abgestorbner Staaten,
zum Nachteile der Billigkeit und Vernunft, zu verdrehen und die
fuerchterlichsten Urtel in einer noch fuerchterlichern Sprache
vorzutragen. Der Arzt endlich glaubt sich wirklich deiner bemaechtiget
zu haben, wann er durch eine Legion barbarischer Woerter die Gesunden
krank und die Kranken noch kraenker machen kann. Aber, o betrogene
Toren! die Wahrheit laesst euch nicht lange in diesem sie schimpfenden
Irrtume. Es kommen Gelegenheiten, wo ihr selbst erkennet, wie
mangelhaft euer Wissen sei; voll tollen Hochmuts beurteilet ihr
alsdann alle menschliche Erkenntnis nach der eurigen und ruft wohl gar
in einem Tone, welcher alle Sterbliche zu bejammern scheinet, aus:
Unser Wissen ist Stueckwerk! Nein, glaube mir, mein lieber Anton: der
Mensch ist allerdings einer allgemeinen Erkenntnis faehig. Es leugnen,
heisst ein Bekenntnis seiner Faulheit oder seines maessigen Genies
ablegen. Wenn ich erwaege, wieviel ich schon nach meinen wenigen
Jahren verstehe, so werde ich von dieser Wahrheit noch mehr ueberzeugt.
Lateinisch, Griechisch, Hebraeisch, Franzoesisch, Englisch,
Italienisch--das sind sechs Sprachen, die ich alle vollkommen besitze:
und bin erst zwanzig Jahr alt!
Anton. Sachte! Sie haben eine vergessen; die deutsche--
Damis. Es ist wahr, mein lieber Anton; das sind also sieben Sprachen;
und ich bin erst zwanzig Jahr alt!
Anton. Pfui doch, Herr! Sie haben mich oder sich selbst zum besten.
Sie werden doch das, dass Sie Deutsch koennen, nicht zu Ihrer
Gelehrsamkeit rechnen? Es war ja mein Ernst nicht.--
Damis. Und also denkst du wohl selber Deutsch zu koennen?
Anton. Ich? ich? nicht Deutsch! Es waere ein verdammter Streich, wenn
ich Kalmuckisch redete und wuesste es nicht.
Damis. Unter koennen und koennen ist ein Unterschied. Du kannst
Deutsch, das ist: du kannst deine Gedanken mit Toenen ausdruecken, die
einem Deutschen verstaendlich sind; das ist, die ebendie Gedanken in
ihm erwecken, die du bei dir hast. Du kannst aber nicht Deutsch, das
ist: du weisst nicht, was in dieser Sprache gemein oder niedrig, rauh
oder annehmlich, undeutlich oder verstaendlich, alt oder gebraeuchlich