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Der junge Gelehrte
Gotthold Ephraim Lessing
The Project Gutenberg EBook of Der junge Gelehrte, by Gotthold Ephraim Lessing
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Title: Der junge Gelehrte
Author: Gotthold Ephraim Lessing
Release Date: November, 2005 [EBook #9369]
[This file was first posted on September 25, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: US-ASCII
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER JUNGE GELEHRTE ***
E-text prepared by Delphine Lettau and Mike Pullen
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Der junge Gelehrte
Ein Lustspiel in drei Aufzuegen
Gotthold Ephraim Lessing
Verfertigt im Jahre 1747
Personen:
Chrysander, ein alter Kaufmann Damis, der junge Gelehrte, Chrysanders
Sohn Valer Juliane Anton, Bedienter des Damis Lisette
Der Schauplatz ist die Studierstube des Damis.
Erster Aufzug
Erster Auftritt
Damis (am Tische unter Buechern). Anton.
Damis. Die Post also ist noch nicht da?
Anton. Nein.
Damis. Noch nicht? Hast du auch nach der rechten gefragt? Die Post
von Berlin--
Anton. Nun ja doch; die Post von Berlin; sie ist noch nicht da! Wenn
sie aber nicht bald koemmt, so habe ich mir die Beine abgelaufen. Tun
Sie doch, als ob sie Ihnen, wer weiss was, mitbringen wuerde! Und ich
wette, wenn's hoch koemmt, so ist es eine neue Scharteke oder eine
Zeitung oder sonst ein Wisch.--
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Damis. Nein, mein guter Anton; dasmal moechte es etwas mehr sein. Ah!
wann du es wuesstest--
Anton. Will ich's denn wissen? Es wuerde mir weiter doch nichts
helfen, als dass ich einmal wieder ueber Sie lachen koennte. Das ist mir
gewiss etwas Seltnes?--Haben Sie mich sonst noch wohin zu schicken?
Ich habe ohnedem auf dem Ratskeller eine kleine Verrichtung;
vielleicht ist's ein Gang? Nu?
Damis (erzuernt). Nein, Schurke!
Anton. Da haben wir's! Er hat alles gelesen, nur kein
Komplimentierbuch.--Aber besinnen Sie sich. Etwa in den Buchladen?
Damis. Nein, Schurke!
Anton. Ich muss das Schurke so oft hoeren, dass ich endlich selbst
glauben werde, es sei mein Taufname.--Aber zum Buchbinder?
Damis. Schweig, oder--
Anton. Oder zum Buchdrucker? Zu diesen dreien, Gott sei Dank! weiss
ich mich, wie das Faerbepferd um die Rolle.
Damis. Sieht denn der Schlingel nicht, dass ich lese? Will er mich
noch laenger stoeren?
Anton (beiseite). St! Er ist im Ernste boese geworden. Lenk ein,
Anton.--Aber, sagen Sie mir nur, was lesen Sie denn da fuer ein Buch?
Potz Stern, was das fuer Zeug ist! Das verstehen Sie? Solche
Krakelfuesse, solche fuerchterliche Zickzacke, die kann ein Mensch lesen?
Wann das nicht wenigstens Fausts Hoellenzwang ist--Ach, man weiss es ja
wohl, wie's den Leuten geht, die alles lernen wollen. Endlich
verfuehrt sie der boese Geist, dass sie auch hexen lernen.--
Damis (nimmt sein muntres Wesen wieder an). Du guter Anton! Das ist
ein Buch in hebraeischer Sprache.--Des Ben Maimon Jad chasaka.
Anton. Ja doch; wer's nur glauben wollte! Was Hebraeisch ist, weiss
ich endlich auch. Ist es nicht mit der Grundsprache, mit der
Textsprache, mit der heiligen Sprache einerlei? Die warf unser Pfarr,
als ich noch in die Schule ging, mehr als einmal von der Kanzel. Aber
so ein Buch, wahrhaftig! hatte er nicht; ich habe alle seine Buecher
beguckt; ich musste sie ihm einmal von einem Boden auf den andern
raeumen helfen.
Damis. Ha! ha! ha! das kann wohl sein. Es ist Wunders genug, wenn
ein Geistlicher auf dem Lande nur den Namen davon weiss. Zwar, im
Vertrauen, mein lieber Anton, die Geistlichen ueberhaupt sind schlechte
Helden in der Gelehrsamkeit.
Anton. Nu, nu, bei allen trifft das wohl nicht ein. Der Magister in
meinem Dorfe wenigstens gehoert unter die Ausnahme. Versichert! der
Schulmeister selber hat mir es mehr als einmal gesagt, dass er ein sehr
gelehrter Mann waere. Und dem Schulmeister muss ich das glauben; denn
wie mir der Herr Pfarr oft gesagt hat, so ist er keiner von den
schlechten Schulmeistern; er versteht ein Wort Latein und kann davon
urteilen.
Damis. Das ist lustig! Der Schulmeister also lobt den Pfarr, und der
Pfarr, nicht unerkenntlich zu sein, lobt den Schulmeister. Wenn mein
Vater zugegen waere, so wuerde er gewiss sagen: Manus manum lavat. Hast
du ihm die alberne Gewohnheit nicht angemerkt, dass er bei aller
Gelegenheit ein lateinisches Spruechelchen mit einflickt? Der alte
Idiote denkt, weil er so einen gelehrten Sohn hat, muesse er doch auch
zeigen, dass er einmal durch die Schule gelaufen sei.
Anton. Hab ich's doch gedacht, dass es etwas Albernes sein muesse; denn
manchmal mitten in der Rede murmelt er etwas her, wovon ich kein Wort
verstehe.
Damis. Doch schliesse nur nicht daraus, dass alles albern sei, was du
nicht verstehst. Ich wuerde sonst viel albernes Zeug wissen.--Aber, o
himmlische Gelehrsamkeit, wieviel ist dir ein Sterblicher schuldig,
der dich besitzt! Und wie bejammernswuerdig ist es, dass dich die
wenigsten in deinem Umfange kennen! Der Theolog glaubt dich bei einer
Menge heiliger Sprueche, fuerchterlicher Erzaehlungen und einiger uebel
angebrachten Figuren zu besitzen. Der Rechtsgelehrte bei einer
unseligen Geschicklichkeit, unbrauchbare Gesetze abgestorbner Staaten,
zum Nachteile der Billigkeit und Vernunft, zu verdrehen und die
fuerchterlichsten Urtel in einer noch fuerchterlichern Sprache
vorzutragen. Der Arzt endlich glaubt sich wirklich deiner bemaechtiget
zu haben, wann er durch eine Legion barbarischer Woerter die Gesunden
krank und die Kranken noch kraenker machen kann. Aber, o betrogene
Toren! die Wahrheit laesst euch nicht lange in diesem sie schimpfenden
Irrtume. Es kommen Gelegenheiten, wo ihr selbst erkennet, wie
mangelhaft euer Wissen sei; voll tollen Hochmuts beurteilet ihr
alsdann alle menschliche Erkenntnis nach der eurigen und ruft wohl gar
in einem Tone, welcher alle Sterbliche zu bejammern scheinet, aus:
Unser Wissen ist Stueckwerk! Nein, glaube mir, mein lieber Anton: der
Mensch ist allerdings einer allgemeinen Erkenntnis faehig. Es leugnen,
heisst ein Bekenntnis seiner Faulheit oder seines maessigen Genies
ablegen. Wenn ich erwaege, wieviel ich schon nach meinen wenigen
Jahren verstehe, so werde ich von dieser Wahrheit noch mehr ueberzeugt.
Lateinisch, Griechisch, Hebraeisch, Franzoesisch, Englisch,
Italienisch--das sind sechs Sprachen, die ich alle vollkommen besitze:
und bin erst zwanzig Jahr alt!
Anton. Sachte! Sie haben eine vergessen; die deutsche--
Damis. Es ist wahr, mein lieber Anton; das sind also sieben Sprachen;
und ich bin erst zwanzig Jahr alt!
Anton. Pfui doch, Herr! Sie haben mich oder sich selbst zum besten.
Sie werden doch das, dass Sie Deutsch koennen, nicht zu Ihrer
Gelehrsamkeit rechnen? Es war ja mein Ernst nicht.--
Damis. Und also denkst du wohl selber Deutsch zu koennen?
Anton. Ich? ich? nicht Deutsch! Es waere ein verdammter Streich, wenn
ich Kalmuckisch redete und wuesste es nicht.
Damis. Unter koennen und koennen ist ein Unterschied. Du kannst
Deutsch, das ist: du kannst deine Gedanken mit Toenen ausdruecken, die
einem Deutschen verstaendlich sind; das ist, die ebendie Gedanken in
ihm erwecken, die du bei dir hast. Du kannst aber nicht Deutsch, das
ist: du weisst nicht, was in dieser Sprache gemein oder niedrig, rauh
oder annehmlich, undeutlich oder verstaendlich, alt oder gebraeuchlich
ist; du weisst ihre Regeln nicht; du hast keine gelehrte Kenntnis von
ihr.
Anton. Was einem die Gelehrten nicht weismachen wollen! Wenn es nur
auf Ihr "das ist" ankaeme, ich glaube, Sie stritten mir wohl gar noch
ab, dass ich essen koennte.
Damis. Essen? Je nun wahrhaftig, wenn ich es genau nehmen will, so
kannst du es auch nicht.
Anton. Ich? ich nicht essen? Und trinken wohl auch nicht?
Damis. Du kannst essen, das ist: du kannst die Speisen zerschneiden,
in Mund stecken, kauen, herunterschlucken und so weiter. Du kannst
nicht essen, das ist: du weisst die mechanischen Gesetze nicht, nach
welchen es geschiehet; du weisst nicht, welches das Amt einer jeden
dabei taetigen Muskel ist; ob der Digastrikus oder der Masseter, ob der
Pterygoideus internus oder externus, ob der Zygomatikus oder der
Platysmamyodes, ob--
Anton. Ach ob, ob! Das einzige Ob, worauf ich sehe, ist das, ob mein
Magen etwas davon erhaelt und ob mir's bekoemmt.--Aber wieder auf die
Sprache zu kommen. Glauben Sie wohl, dass ich eine verstehe, die Sie
nicht verstehen?
Damis. Du, eine Sprache, die ich nicht verstuende?
Anton. Ja; raten Sie einmal.
Damis. Kannst du etwa Koptisch?
Anton. Foptisch? Nein, das kann ich nicht.
Damis. Chinesisch? Malabarisch? Ich wuesste nicht woher.
Anton. Wie Sie herumraten. Haben Sie meinen Vetter nicht gesehn? Er
besuchte mich vor vierzehn Tagen. Der redete nichts als diese Sprache.
Damis. Der Rabbi, der vor kurzen zu mir kam, war doch wohl nicht dein
Vetter?
Anton. Dass ich nicht gar ein Jude waere! Mein Vetter war ein Wende;
ich kann Wendisch; und das koennen Sie nicht.
Damis (nachsinnend). Er hat recht.--Mein Bedienter soll eine Sprache
verstehen, die ich nicht verstehe? Und noch dazu eine Hauptsprache?
Ich erinnere mich, dass ihre Verwandtschaft mit der hebraeischen sehr
gross sein soll. Wer weiss, wieviel Stammwoerter, die in dieser verloren
sind, ich in jener entdecken koennte!--Das Ding faengt mir an, im Kopfe
herumzugehen!
Anton. Sehen Sie!--Doch wissen Sie was? Wenn Sie mir meinen Lohn
verdoppeln, so sollen Sie bald so viel davon verstehen als ich selbst.
Wir wollen fleissig miteinander wendisch parlieren, und--Kurz,
ueberlegen Sie es. Ich vergesse ueber dem verdammten Plaudern meinen
Gang auf den Ratskeller ganz und gar. Ich bin gleich wieder zu Ihren
Diensten.
Damis. Bleib itzt hier; bleib hier.
Anton. Aber Ihr Herr Vater koemmt. Hoeren Sie? Wir koennten doch nicht
weiterreden. (Geht ab.)
Damis. Wenn mich doch mein Vater ungestoert lassen wollte. Glaubt er
denn, dass ich so ein Muessiggaenger bin wie er?
Zweiter Auftritt
Damis. Chrysander.
Chrysander. Immer ueber den verdammten Buechern! Mein Sohn, zuviel ist
zuviel. Das Vergnuegen ist so noetig als die Arbeit.
Damis. O Herr Vater, das Studieren ist mir Vergnuegens genug. Wer
neben den Wissenschaften noch andere Ergoetzungen sucht, muss die wahre
Suessigkeit derselben noch nicht geschmeckt haben.
Chrysander. Das sage nicht! Ich habe in meiner Jugend auch studiert;
ich bin bis auf das Mark der Gelehrsamkeit gekommen. Aber dass ich
bestaendig ueber den Buechern gelegen haette, das ist nicht wahr. Ich
ging spazieren; ich spielte; ich besuchte Gesellschaften; ich machte
Bekanntschaft mit Frauenzimmern. Was der Vater in der Jugend getan
hat, kann der Sohn auch tun; soll der Sohn auch tun. A bove majori
discat arare minor! wie wir Lateiner reden. Besonders das
Frauenzimmer lass dir, wie wir Lateiner reden, de meliori empfohlen
sein! Das sind Narren, die einen jungen Menschen vor das Frauenzimmer
aerger als vor Skorpionen warnen; die es ihm, wie wir Lateiner reden,
cautius sanguine viperino zu fliehen befehlen.--
Damis. Cautius sanguine viperino? Ja, das ist noch Latein! Aber wie
heisst die ganze Stelle?
Cur timet flavum Tiberim tangere? cur olivum Sanguine viperino Cautius
vitat?--
Oh, ich hoere schon, Herr Vater, Sie haben auch nicht aus der Quelle
geschoepft! Denn sonst wuerden Sie wissen, dass Horaz in ebender Ode die
Liebe als eine sehr nachteilige Leidenschaft beschreibt, und das
Frauenzimmer--
Chrysander. Horaz! Horaz! Horaz war ein Italiener und meinet das
italienische Frauenzimmer. Ja vor dem italienischen warne ich dich
auch! das ist gefaehrlich! Ich habe einen guten Freund, der in seiner
Jugend--Doch still! man muss kein Aergernis geben.--Das deutsche
Frauenzimmer hingegen, o das deutsche! mit dem ist es ganz anders
beschaffen.--Ich wuerde der Mann nicht geworden sein, der ich doch bin,
wenn mich das Frauenzimmer nicht vollends zugestutzt haette. Ich
daechte, man saehe mir's an. Du hast tote Buecher genug gelesen; guck
einmal in ein lebendiges!
Damis. Ich erstaune--
Chrysander. O du wirst noch mehr erstaunen, wenn du erst tiefer
hineingehen wirst. Das Frauenzimmer, musst du wissen, ist fuer einen
jungen Menschen eine neue Welt, wo man so viel anzugaffen, so viel zu
bewundern findet--
Damis. Hoeren Sie mich doch! Ich erstaune, will ich sagen, Sie eine
Sprache fuehren zu hoeren, in der wahrhaftig diejenigen Vorschriften
nicht ausgedruckt waren, die Sie mir mit auf die hohe Schule gaben.
Chrysander. Quae, qualis, quanta! Jetzt und damals! Tempora
mutantur! wie wir Lateiner sagen.
Damis. Tempora mutantur? Ich bitte Sie, legen Sie doch die
Vorurteile des Poebels ab. Die Zeiten aendern sich nicht. Denn lassen
Sie uns einmal sehen: was ist die Zeit?--
Chrysander. Schweig! die Zeit ist ein Ding, das ich mir mit deinem
unnuetzen Geplaudre nicht will verderben lassen. Meine damaligen
Vorschriften waren nach dem damaligen Masse deiner Erfahrung und deines
Verstandes eingerichtet. Nun aber traue ich dir von beiden so viel zu,
dass du Ergoetzlichkeiten nicht zu Beschaeftigungen machen wirst. Aus
diesem Grunde rate ich dir also--
Damis. Ihre Reden haben einigen Schein der Wahrheit. Allein ich
dringe tiefer. Sie werden es gleich sehen. Der Status Controversiae
ist--
Chrysander. Ei, der Status Controversiae mag meinetwegen in Barbara
oder in Celarent sein. Ich bin nicht hergekommen mit dir zu
disputieren, sondern--
Damis. Die Kunstwoerter des Disputierens zu lernen? Wohl! Sie muessen
also wissen, dass weder Barbara noch Celarent den Statum--
Chrysander. Ich moechte toll werden! Bleib Er mir, Herr Informator,
mit den Possen weg, oder--
Damis. Possen? diese seltsamen Benennungen sind zwar Ueberbleibsel der
scholastischen Philosophie, das ist wahr; aber doch solche
Ueberbleibsel--
Chrysander. Ueber die ich die Geduld verlieren werde, wann du mich
nicht bald anhoerst. Ich komme in der ernsthaftesten Sache von der
Welt zu dir,--denn was ist ernsthafter als heiraten?--und du--
Damis. Heiraten? Des Heiratens wegen zu mir? zu mir?
Chrysander. Ha! ha! Macht dich das aufmerksam? Also ausculta et
perpende!
Damis. Ausculta et perpende? ausculta et perpende? Ein gluecklicher
Einfall--
Chrysander. Oh, ich habe Einfaelle--
Damis. Den ich da bekomme!
Chrysander. Du?
Damis. Ja, ich. Wissen Sie, wo sich dieses ausculta et perpende
herschreibt? Eben mache ich die Entdeckung; aus dem Homer. O was
finde ich nicht alles in meinem Homer?
Chrysander. Du und dein Homer, ihr seid ein paar Narren!
Damis. Ich und Homer? Homer und ich? wir beide? Hi! hi! hi! Gewiss,
Herr Vater? O ich danke, ich danke. Ich und Homer! Homer und ich!
--Aber hoeren Sie nur: sooft Homer--er war wirklich kein Narr, so wenig
wie ich--sooft er, sag ich, seine Helden den Soldaten zur Tapferkeit
ermuntern oder in dem Kriegsrate eine Beratschlagung anheben laesst;
sooft ist auch der Anfang ihrer Rede: Hoeret, was ich vortragen werde,
und ueberlegt es! Zum Exempel in der Odyssee:
"Keklute dae nun meu, Ithakhsioi, oti ken eipo." [Greek]
Und darauf folgt denn auch oft:
"Oy eiath' oi d' ara tau mala men chluon, aed' epithonto," [Greek]
das ist: so sprach er, und sie gehorchten dem, was sie gehoeret hatten.
Chrysander. Gehorchten sie ihm? Nu, das ist vernuenftig! Homer mag
doch wohl kein Narr sein. Sieh zu, dass ich von dir auch widerrufen
kann. Denn wieder zur Sache: ich kenne, mein Sohn--
Damis. Einen kleinen Augenblick Geduld, Herr Vater. Ich will mich
nur hinsetzen und diese Anmerkung aufschreiben.
Chrysander. Aufschreiben? was ist hier aufzuschreiben? Wem liegt
daran, ob das Spruechelchen aus dem Homer oder aus dem Gesangbuche ist?
Damis. Der gelehrten Welt liegt daran; meiner und Homers Ehre lieget
daran! Denn ein Halbhundert solche Anmerkungen machen einen
Philologen. Und sie ist neu, muss ich Ihnen sagen, sie ist ganz neu.
Chrysander. So schreib sie ein andermal auf.
Damis. Wenn sie mir aber wieder entfiele? Ich wuerde untroestlich sein.
Haben Sie wenigstens die Guetigkeit, mich wieder daran zu erinnern.
Chrysander. Gut, das will ich tun; hoere mir nur jetzt zu. Ich kenne,
mein Sohn, ein recht allerliebstes Frauenzimmer; und ich weiss, du
kennst es auch. Haettest du wohl Lust--
Damis. Ich soll ein Frauenzimmer, ein liebenswuerdiges Frauenzimmer
kennen? Oh, Herr Vater, wenn das jemand hoerte, was wuerde er von
meiner Gelehrsamkeit denken?--Ich ein liebenswuerdiges Frauenzimmer?--
Chrysander. Nun wahrhaftig; ich glaube nicht, dass ein Gastwirt so
erschrecken kann, wenn man ihm schuld gibt, er kenne den oder jenen
Spitzbuben, als du erschrickst, weil du ein Frauenzimmer kennen sollst.
Ist denn das ein Schimpf?
Damis. Wenigstens ist es keine Ehre, besonders fuer einen Gelehrten.
Mit wem man umgeht, dessen Sitten nimmt man nach und nach an. Jedes
Frauenzimmer ist eitel, hoffaertig, geschwaetzig, zaenkisch und
zeitlebens kindisch, es mag so alt werden, als es will. Jedes
Frauenzimmer weiss kaum, dass es eine Seele hat, um die es unendlich
mehr besorgt sein sollte als um den Koerper. Sich ankleiden,
auskleiden und wieder anders ankleiden; vor dem Spiegel sitzen, seinen
eignen Reiz bewundern; auf ausgekuenstelte Mienen sinnen; mit
neugierigen Augen muessig an dem Fenster liegen: unsinnige Romane lesen
und aufs hoechste zum Zeitvertreibe die Nadel zur Hand nehmen: das sind
seine Beschaeftigungen; das ist sein Leben. Und Sie glauben, dass ein
Gelehrter, ohne Nachteil seines guten Namens, solche naerrische
Geschoepfe weiter als ihrer aeusserlichen Gestalt nach kennen duerfe?
Chrysander. Mensch, Mensch! deine Mutter kehrt sich im Grabe um.
Bedenke doch, dass sie auch ein Frauenzimmer war! Bedenke doch, dass
die Dinger von Natur nun einmal nicht anders sind! Obschon, wie wir
Lateiner zu reden pflegen, nulla regula sine exceptione. Und so eine
Exzeption ist sicherlich das Maedchen, das ich jetzt im Kopfe habe und
das du kennst.--
Damis. Nein, nein! ich schwoere es Ihnen zu; unsere Muhmen ausgenommen
und Julianen--
Chrysander. Und Julianen? bene!--
Damis. Und ihr Maedchen ausgenommen, kenne ich kein einziges Weibsbild.
Ja, der Himmel soll mich strafen, wenn ich mir jemals in den Sinn
kommen lasse, mehrere kennenzulernen!
Chrysander. Je nun, auch das! wie du willst! Genug, Julianen, die
kennst du.
Damis. Leider!
Chrysander. Und eben Juliane ist es, ueber die ich deine Gedanken
vernehmen moechte.--
Damis. Ueber Julianen? meine Gedanken ueber Julianen? O Herr Vater,
wenn Sie noch meine Gedanken ueber Erinnen oder Korinnen, ueber
Telesillen oder Praxillen verlangten--
Chrysander. Schocktausend! was sind das fuer Illen? Den Augenblick
schwur er, er kenne kein Frauenzimmer, und nun nennt er ein halb
Dutzend Menscher.--
Damis. Menscher? Herr Vater!
Chrysander. Ja, Herr Sohn, Menscher! Die Endung gibt's gewiss nicht?
Netrix, Lotrix, Meretrix.--
Damis. Himmel, Menscher! griechische beruehmte Dichterinnen Menscher
zu nennen!--
Chrysander. Ja, ja, Dichterinnen! das sind mir eben die rechten.
Lotrix, Meretrix, Poetrix--
Damis. Poetrix? O wehe, meine Ohren! Poetria muessten Sie sagen: oder
Poetris--
Chrysander. Is oder ix, Herr Buchstabenkraemer!
Dritter Auftritt
Chrysander. Damis. Lisette.
Lisette. Hurtig herunter in die Wohnstube, Herr Chrysander! Man will
Sie sprechen.
Chrysander. Nun, was fuer ein Narr muss mich jetzo stoeren? Wer ist es
denn?
Lisette. Soll ich alle Narren kennen?
Chrysander. Was sagst du? Du hast ein unglueckliches Maul, Lisette.
Einen ehrlichen Mann einen Narren zu schimpfen? Denn ein ehrlicher
Mann muss es doch sein; was wollte er sonst bei mir?
Lisette. Nu, nu; verzeihen Sie immer meinem Maule den Fehler des
Ihrigen.
Chrysander. Den Fehler des meinigen?
Lisette. O gehen Sie doch! der ehrliche Mann wartet.
Chrysander. Lass ihn warten. Habe ich doch den Narren nicht kommen
heissen.--Ich werde gleich wieder da sein, mein Sohn.
Lisette (beiseite). Ich muss doch sehen, ob ich aus dem wunderlichen
Einfall meiner Jungfer etwas machen kann.
Vierter Auftritt
Lisette. Damis.
Damis. Nun? geht Lisette nicht mit?
Lisette. Ich bin Ihre gehorsamste Dienerin. Wenn Sie befehlen, so
werde ich gehorchen. Aber nur eines moechte ich erst wissen. Sagen
Sie mir, um des Himmels willen, wie koennen Sie bestaendig so allein
sein? Was machen Sie denn den ganzen Tag auf Ihrer Studierstube?
Werden Ihnen denn nicht alle Augenblicke zu Stunden?
Damis. Ach, was nutzen die Fragen? Fort! fort!
Lisette. Ueber den Buechern koennen Sie doch unmoeglich die ganze Zeit
liegen. Die Buecher, die toten Gesellschafter! Nein, ich lobe mir das
Lebendige; und das ist auch Mamsell Julianens Geschmack. Zwar dann
und wann lesen wir auch; einen irrenden Ritter, eine Banise, und so
etwas Gutes; aber laenger als eine Stunde halten wir es hintereinander
nicht aus. Ganze Tage damit zuzubringen wie Sie, hilf Himmel! in den
ersten dreien waeren wir tot. Und vollends nicht ein Wort dabei zu
reden wie Sie; das waere unsre Hoelle. Ein Vorzug des ganzen maennlichen
Geschlechts kann es nicht sein, weil ich Mannspersonen kenne, die so
fluechtig und noch fluechtiger sind als wir. Es muessen nur sehr wenig
grosse Geister diese besondere Gaben besitzen.--
Damis. Lisette spricht so albern eben nicht. Es ist schade, dass ein
so guter Mutterwitz nicht durch die Wissenschaften ausgebessert wird.
Lisette. Sie machen mich schamrot. Bald duerfte ich mich dafuer raechen
und Ihnen die Lobeserhebungen nacheinander erzaehlen, die Ihnen von der
gestrigen Gartengesellschaft gemacht wurden. Doch ich will Ihre
Bescheidenheit nicht beleidigen. Ich weiss, die Gelehrten halten auf
diese Tugend allzuviel.
Damis. Meine Lobeserhebungen? meine?
Lisette. Ja, ja, die Ihrigen.
Damis. O besorge Sie nichts, meine liebe Lisette. Ich will sie als
die Lobeserhebungen eines andern betrachten, und so kann meine
Bescheidenheit zufrieden sein. Erzaehle Sie mir sie nur. Bloss wegen
Ihrer lebhaften und ungekuenstelten Art, sich auszudruecken, wuensche ich
sie zu hoeren.
Lisette. O meine Art ist wohl keine von den besten. Es hat mir ein
Lehrmeister wie Sie gefehlt. Doch ich will Ihrem Befehle gehorchen.
Sie wissen doch wohl, wer die Herren waren, die gestern bei Ihrem
Herrn Vater im Garten schmauseten?
Damis. Nein, wahrhaftig nicht. Weil ich nicht dabeisein wollte, so
habe ich mich auch nicht darum bekuemmert. Hoffentlich aber werden es
Leute gewesen sein, die selbst lobenswuerdig sind, dass man sich also
auf ihr Lob etwas einbilden kann.
Lisette. Das sind sie so ziemlich. Was wuerde es Ihnen aber
verschlagen, wenn sie es auch nicht waeren? Sie wollen ja Ihre
Lobeserhebungen aus Bescheidenheit als fremde betrachten. Und haengt
denn die Wahrheit von dem Munde desjenigen ab, der sie vortraegt?
Hoeren Sie nur--
Damis. Himmel! ich hoere meinen Vater wiederkommen. Um Gottes willen,
liebe Lisette, dass er nicht merkt, dass Sie sich so lange bei mir
aufgehalten hat. Geh Sie hurtig unterdessen in das Kabinett.
Fuenfter Auftritt
Damis. Chrysander.
Chrysander. Der verzweifelte Valer! er haette mir zu keiner
ungelegnern Zeit kommen koennen. Muss ihn denn der Henker eben heute
von Berlin zurueckfuehren? Und muss er sich denn eben gleich bei mir
anmelden lassen? Hui dass--Nein, Herr Valer, damit kommen Sie zu spaet.
--Nun mein Sohn--(Damis steht zerstreut, als in tiefen Gedanken.)
Hoerst du, mein Sohn?
Damis. Ich hoere; ich hoere alles.
Chrysander. Kurz, du merkst doch, wo ich vorhin hinauswollte? Einem
Klugen sind drei Worte genug. Sapienti sat! sagen wir Lateiner.
--Antworte doch--
Damis (noch immer als in Gedanken). Was ist da zu antworten?--
Chrysander. Was da zu antworten ist?--Das will ich dir sagen.
--Antworte, dass du mich verstanden; dass dir mein Antrag lieb ist; dass
dir Juliane gefaellt; dass du mir in allem gehorchen willst.--Nun,
antwortest du das?--
Damis. Ich will gleich sehn--(Indem er in der angenommenen
Zerstreuung nach einem Buche greift.)
Chrysander. Was kann in dem Buche davon stehen?--Antworte aus dem
Herzen und nicht aus dem Buche.--Ex libro doctus quilibet esse potest;
sagen wir Lateiner.--
Damis (als ob er in dem Buche laese). Vollkommen recht! Aber nun wie
weiter?--
Chrysander. Das weitere gibt sich, wie 's Griechische. Du sagst ja;
sie sagt ja; damit wird Verloebnis; und bald darauf wird Hochzeit; und
alsdenn--Du wirst schon sehen, wie's alsdenn weitergeht.--
Damis. Wenn nun aber diese Voraussetzung--(Immer noch als ob er laese.)
Chrysander. Ei, ich setze nichts voraus, was im geringsten
zweifelhaft waere. Juliane ist eine Waise; ich bin ihr Vormund; ich
bin dein Vater; was muss mir angelegner sein, als euch beide gluecklich
zu machen? Ihr Vater war mein Freund und war ein ehrlicher Mann,
obgleich ein Narr. Er haette einen honetten Bankerott machen koennen;
seine Glaeubiger wuerden aufs Drittel mit sich haben akkordieren lassen;
und er war so einfaeltig und bezahlte bis auf den letzten Heller. Wie
ist mir denn? hast du ihn nicht gekannt?
Damis. Von Person nicht. Aber seine Lebensumstaende sind mir ganz
wohl bewusst. Ich habe sie, ich weiss nicht in welcher Biographie,
gelesen'
Chrysander. Gelesen? gedruckt gelesen?
Damis. Ja, ja; gelesen. Er ward gegen die Mitte des vorigen
Jahrhunderts geboren und ist, etwa vor zwanzig Jahren, als
Generalsuperintendent in Pommern gestorben. In orientalischen
Sprachen war seine vornehmste Staerke. Allein seine Buecher sind nicht
alle gleich gut. Dieses ist noch eines von den besten. Eine
besondere Gewohnheit soll der Mann an sich gehabt haben--
Chrysander. Von wem sprichst denn du?
Damis. Sie fragen mich ja, ob mir der Verfasser dieses Buchs bekannt
waere?
Chrysander. Ich glaube, du traeumest; oder es geht gar noch etwas
Aergers in deinem Gehirne vor. Ich frage dich, ob du Julianens Vater
noch gekannt hast?
Damis. Verzeihen Sie mir, wann ich ein wenig zerstreut geantwortet
habe! Ich dachte eben nach,--warum wohl die Rabbinen--das Schurek
M'lo Pum heissen.
Chrysander. Mit dem verdammten Schurek! Gib doch auf das acht, was
der Vater mit dir spricht!--(Er nimmt ihm das Buch aus der Hand.) Du
hast ihn also nicht gekannt? Ich besinne mich; es ist auch nicht wohl
moeglich. Als er starb, war Juliane noch sehr jung. Ich nahm sie
gleich nach seinem Tode in mein Haus, und Gott sei Dank! sie hat viel
Wohltaten hier genossen. Sie ist schoen, sie ist tugendhaft; wem
sollte ich sie also lieber goennen als dir? Was meinst du?--Antworte
doch! Stehst du nicht da, als wenn du schliefest!--
Damis. Ja, ja, Herr Vater. Nur eins ist noch dabei zu erwaegen.--
Chrysander. Du hast recht; freilich ist noch eins dabei zu erwaegen:
ob du dich naemlich geschickt befindest, bald ein oeffentliches Amt
anzunehmen, weil doch--
Damis. Wie? geschickt? geschickt? Sie zweifeln also an meiner
Geschicklichkeit?--Wie ungluecklich bin ich, dass ich Ihnen nicht
sogleich die unwidersprechlichsten Beweise geben kann! Doch es soll
noch diesen Abend geschehen. Glauben Sie mir, noch diesen Abend.--Die
verdammte Post! Ich weiss auch nicht, wo sie bleibt.
Chrysander. Beruhige dich nur, mein Sohn. Die Frage geschahe eben
aus keinem Misstrauen, sondern bloss weil ich glaube, es schicke sich
nicht, eher zu heiraten, als bis man ein Amt hat; so wie es sich,
sollte ich meinen, auch nicht wohl schickt, eher ein Amt anzunehmen,
als bis man weiss, woher man die Frau bekommen will.
Damis. Ach, was heiraten? was Frau? Erlauben Sie mir, dass ich Sie
allein lasse. Ich muss ihn gleich wieder auf die Post schicken. Anton!
Anton! Doch es ist mit dem Schlingel nichts anzufangen; ich muss nur
selbst gehen.
Sechster Auftritt
Anton. Chrysander.
Anton. Rufte mich nicht Herr Damis? Wo ist er? was soll ich?
Chrysander. Ich weiss nicht, was ihm im Kopfe steckt. Er ruft dich;
er will dich auf die Post schicken; er besinnt sich, dass mit dir
Schlingel nichts anzufangen ist, und geht selber. Sage mir nur,
willst du zeitlebens ein Esel bleiben?
Anton. Gemach, Herr Chrysander! ich nehme an den Torheiten Ihres
Sohnes keinen Teil. Mehr als zwoelfmal habe ich ihm heute schon auf
die Post laufen muessen. Er verlangt Briefe von Berlin. Ist es meine
Schuld, dass sie nicht kommen?
Chrysander. Der wunderliche Heilige! Du bist aber nun schon so lange
um ihn; solltest du nicht sein Gemuet, seine Art zu denken ein wenig
kennen?
Anton. Ha! ha! das koemmt darauf hinaus, was wir Gelehrten die
Kenntnis der Gemueter nennen? Darin bin ich Meister; bei meiner Ehre!
Ich darf nur ein Wort mit einem reden; ich darf ihn nur ansehen: husch,
habe ich den ganzen Menschen weg! Ich weiss sogleich, ob er
vernuenftig oder eigensinnig, ob er freigebig oder ein Knicker--
Chrysander. Ich glaube gar, du zeigst auf mich?
Anton. O kehren Sie sich an meine Haende nicht!--Ob er--
Chrysander. Du sollst deine Kunst gleich zeigen! Ich habe meinem
Sohne eine Heirat vorgeschlagen: nun sage einmal, wenn du ihn kennst,
was wird er tun?
Anton. Ihr Herr Sohn? Herr Damis? Verzeihen Sie mir, bei dem geht
meine Kunst, meine sonst so wohl versuchte Kunst, betteln.
Chrysander. Nu, Schurke, so geh mit und prahle nicht!
Anton. Die Gemuetsart eines jungen Gelehrten kennen wollen und etwas
daraus schliessen wollen, ist unmoeglich; und was unmoeglich ist, Herr
Chrysander--das ist unmoeglich.
Chrysander. Und wieso?
Anton. Weil er gar keine hat.
Chrysander. Gar keine?
Anton. Nein, nicht gar keine; sondern alle Augenblicke eine andre.
Die Buecher und die Exempel, die er liest, sind die Winde, nach welchen
sich der Wetterhahn seiner Gedanken richtet. Nur bei dem Kapitel vom
Heiraten stehenzubleiben, weil das einmal auf dem Tapete ist, so
besinne ich mich, dass--Denn vor allen Dingen muessen Sie wissen, dass
Herr Damis nie etwas vor mir verborgen hat. Ich bin von jeher sein
Vertrauter gewesen und von jeher der, mit dem er sich immer am
liebsten abgegeben hat. Ganze Tage, ganze Naechte haben wir manchmal
auf der Universitaet miteinander disputiert. Und ich weiss nicht, er
muss doch so etwas an mir finden; etwa eine Eigenschaft, die er an
andern nicht findet--
Chrysander. Ich will dir sagen, was das fuer eine Eigenschaft ist:
deine Dummheit! Es ergoetzt ihn, wenn er sieht, dass er gelehrter ist
als du. Bist du nun vollends ein Schalk und widersprichst ihm nicht
und lobst ihn ins Gesicht und bewunderst ihn--
Anton. Je verflucht! da verraten Sie mir ja meine ganze Politik! Wie
schlau ein alter Kaufmann nicht ist!
Chrysander. Aber vergiss das Hauptwerk nicht! Vom Heiraten--
Anton. Ja darueber hat er schon Teufelsgrillen im Kopfe gehabt. Zum
Exempel: ich weiss die Zeit, da er gar nicht heiraten wollte.
Chrysander. Gar nicht? so muss ich noch heiraten. Ich werde doch
meinen Namen nicht untergehen lassen? Der Boesewicht! Aber warum denn
nicht?
Anton. Darum: weil es einmal Gelehrte gegeben hat, die geglaubt haben,
der ehelose Stand sei fuer einen Gelehrten der schicklichste. Gott
weiss, ob diese Herren allzu geistlich oder allzu fleischlich sind
gesinnt gewesen! Als ein kuenftiger Hagestolz hatte er sich schon auf
verschiedene sinnreiche Entschuldigungen gefasst gemacht.--
Chrysander. Auf Entschuldigungen? kann sich so ein ruchloser Mensch,
der dieses heilige Sakrament--Denn im Vorbeigehen zu sagen, ich bin
mit unsern Theologen gar nicht zufrieden, dass sie den Ehestand fuer
kein Sakrament wollen gelten lassen--der, sage ich, dieses heilige
Sakrament verachtet, kann der sich noch unterstehen, seine
Gottlosigkeit zu entschuldigen? Aber, Kerl, ich glaube, du machst mir
etwas weis; denn nur vorhin schien er ja meinen Vorschlag zu billigen.
Anton. Das ist unmoeglich richtig zugegangen. Wie stellte er sich
dabei an? Lassen Sie sehen; stand er etwa da, als wenn er vor den
Kopf geschlagen waere? sahe er etwa steif auf die Erde? legte er etwa
die Hand an die Stirne? griff er etwa nach einem Buche, als wenn er
darin lesen wollte? liess er Sie etwa ungestoert fortreden?
Chrysander. Getroffen! du malst ihn, als ob du ihn gesehen haettest.
Anton. O da sieht es windig aus! Wann er es so macht, will er haben,
dass man ihn fuer zerstreut halten soll. Ich kenne seine Mucken. Er
hoert alsdenn alles, was man ihm sagt; allein die Leute sollen glauben,
er habe es vor vielem Nachsinnen nicht gehoert. Er antwortet zuweilen
auch; wenn man ihm aber seine Antwort wieder vorlegt, so wird er
nimmermehr zugestehen, dass sie auf das gegangen sei, was man von ihm
hat wissen wollen.
Chrysander. Nun, wer noch nicht gestehen will, dass zu viel
Gelehrsamkeit den Kopf verwirre, der verdient es selber zu erfahren.
Gott sei Dank, dass ich in meiner Jugend gleich das rechte Mass zu
treffen wusste! Omne nimium vertitur in vitulum: sagen wir Lateiner
sehr spasshaft.--Aber Gott sei dem Boesewichte gnaedig, wann er auf dem
Vorsatze verharret! Wann er behauptet, es sei nicht noetig, zu
heiraten und Kinder zu zeugen, will er mir damit nicht zu verstehn
geben, es sei auch nicht noetig gewesen, dass ich ihn gezeugt habe? Der
undankbare Sohn!
Anton. Es ist wahr, kein groesster Undank kann unter der Sonne sein,
als wenn ein Sohn die viele Muehe nicht erkennen will, die sein Vater
hat ueber sich nehmen muessen, um ihn in die Welt zu setzen.
Chrysander. Nein; gewiss, an mir soll der heilige Ehestand seinen
Verteidiger finden!
Anton. Der Wille ist gut; aber lauter solche Verteidiger wuerden die
Konsumtionsakzise ziemlich geringe machen.
Chrysander. Wieso?
Anton. Bedenken Sie es selbst! drei Weiber, und von der dritten kaum
einen Sohn.
Chrysander. Kaum? was willst du mit dem, kaum' sagen, Schlingel?
Anton. Hui, dass Sie etwas Schlimmers darunter verstehn als ich.
Chrysander. Zwar im Vertrauen, Anton: wenn die Weiber vor zwanzig
Jahren so gewesen waeren, wie die Weiber jetzo sind, ich wuerde auf
wunderbare Gedanken geraten. Er hat gar zu wenig von mir! Doch die
Weiber vor zwanzig Jahren waren so frech noch nicht wie die jetzigen;
so treulos noch nicht, wie sie heutzutage sind; so luestern noch nicht--
Anton. Ist das gewiss? Nun wahrhaftig, so hat man meiner Mutter
unrecht getan, die vor 33 Jahren von ihrem Manne, der mein Vater nicht
sein wollte, geschieden wurde! Doch das ist ein Punkt, woran ich
nicht gern denke. Die Grillen Ihres Herrn Sohns sind lustiger.
Chrysander. Aergerlicher, sprich! Aber sage mir, was waren denn
seine Entschuldigungen?
Anton. Seine Entschuldigungen waren Einfaelle, die auf seinem Miste
nicht gewachsen waren. Er sagte zum Exempel, solange er unter vierzig
Jahren sei und ihn jemand um die Ursache fragen wuerde, warum er nicht
heirate, wolle er antworten, er sei zum Heiraten noch zu jung. Waere
er aber ueber vierzig Jahr, so wolle er sprechen, nunmehr sei er zum
Heiraten zu alt. Ich weiss nicht, wie der Gelehrte hiess, der auch so
soll gesagt haben.--Ein anderer Vorwand war der: er heiratete deswegen
nicht, weil er alle Tage willens waere, ein Moench zu werden; und wuerde
deswegen kein Moench, weil er alle Tage gedaechte zu heiraten.
Chrysander. Was? nun will er auch gar ein Moench werden? Da sieht man,
wohin so ein boeses Gemuet, das keine Ehrfurcht fuer den heiligen
Ehestand hat, verfallen kann! Das haette ich nimmermehr in meinem
Sohne gesucht!
Anton. Sorgen Sie nicht! bei Ihrem Sohne ist alles nur ein Uebergang.
Er hatte den Einfall in der Lebensbeschreibung eines Gelehrten gelesen;
er hatte Geschmack daran gefunden und sogleich beschlossen, ihn bei
Gelegenheit als den seinen anzubringen. Bald aber ward die Grille von
einer andern verjagt, so wie etwann, so wie etwann--Schade, dass ich
kein Gleichnis dazu finden kann! Kurz, sie ward verjagt. Er wollte
nunmehr heiraten, und zwar einen rechten Teufel von einer Frau.
Chrysander. Wenn doch den Einfall mehr Narren haben wollten, damit
andre ehrliche Maenner mit boesen Weibern verschont blieben.
Anton. Ja, meinte er: es wuerde doch huebsch klingen, wenn es einmal
von ihm heissen koennte: unter die Zahl der Gelehrten, welche der Himmel
mit boesen Weibern gestraft hat, gehoeret auch der beruehmte Damis;
gleichwohl kann sich die gelehrte Welt nicht ueber ihn beklagen, dass
ihn dieses Hauskreuz nur im geringsten abgehalten haette, ihr mit
unzaehlbaren gelehrten Schriften zu dienen.
Chrysander. Mit Schriften! ja, die mir am teuersten zu stehen kommen.
Was fuer Rechnungen habe ich nicht schon an die Buchdrucker bezahlen
muessen! Der Boesewicht!
Anton. Geduld! er hat auch erst angefangen zu schreiben! Es wird
schon besser kommen.
Chrysander. Besser? vielleicht damit man ihn endlich einmal auch
unter die zaehlen kann, die ihren Vater arm geschrieben haben!
Anton. Warum nicht? wenn es ihm Ehre braechte--
Chrysander. Die verdammte Ehre!
Anton. Um die tut ein junger Gelehrter alles! Wann es auch nach
seinem Tode heissen sollte: unter diejenigen Gelehrten, die zum Teufel
gefahren sind, gehoert auch der beruehmte Damis! was schadet das? Genug,
er heisst gelehrt; er heisst beruehmt--
Chrysander. Kerl, du erschreckst mich! Aber du, der du weit aelter
bist als er, kannst du ihn nicht dann und wann zurechte weisen?--
Anton. Oh, Herr Chrysander! Sie wissen wohl, dass ich keinen Gehalt
als Hofmeister bekomme. Und dazu meine Dummheit--
Chrysander. Ja, die du annimmst, um ihn desto duemmer zu machen.
Anton (beiseite). St! der kennt mich.--Aber glauben Sie, dass ihm mit
der boesen Frau ein Ernst war? Nichts weniger! Eine Stunde darauf
wollte er sich eine gelehrte Frau aussuchen.
Chrysander. Nun, das waere doch noch etwas Kluges!
Anton. Etwas Kluges? Nach meiner unvorgreiflichen Meinung ist es
gleich der duemmste Einfall, den er hat haben koennen. Eine gelehrte
Frau! bedenken Sie doch! eine gelehrte Frau; eine Frau wie Ihr Herr
Sohn! Zittern und Entsetzen moechte einem ehrlichen Kerl ankommen.
Wahrhaftig! ehe ich mir eine Gelehrte aufhaengen liess'--
Chrysander. Narre, Narre! sie gehen unter andern Leuten, als du bist,
reissend weg. Wann ihrer nur viel waeren, wer weiss, ob ich mir nicht
selbst eine waehlte.
Anton. Kennen Sie Karlinen?
Chrysander. Karlinen? Nein.
Anton. Meinen ehemaligen Kameraden? meinen guten Freund? kennen Sie
den nicht?
Chrysander. Nein doch, nein.
Anton. Er trug ein hechtgraues Kleid mit roten Aufschlaegen und auf
seiner Sonntagsmontur rote und blaue Achselbaender. Sie muessen ihn bei
mir gesehen haben. Er hatte eine etwas lange Nase. Sie war ein
Erbstueck; denn er wollte aus der Geschichte wissen, dass schon sein
Ururaeltervater, der ehedem einem gewissen Turnier als Stallknecht
beigewohnt, eine ebenso lange gehabt habe. Sein einziger Fehler war,
dass er etwas krumme Beine hatte. Besinnen Sie sich nun?
Chrysander. Soll ich denn alle das Lumpengesindel kennen, das du
kennst? Und was willst du denn mit ihm?
Anton. Sie kennen ihn also im Ernste nicht? Oh! da kennen Sie einen
sehr grossen Geist weniger. Ich will Sie zu seiner Bekanntschaft
verhelfen; ich gelte etwas bei ihm.
Chrysander. Ich glaube, du schwaermst manchmal so gut als mein Sohn.
Wie koemmst du denn auf die Possen?
Anton. Eben der Karlin, will ich sagen--Oh! es ist aergerlich, dass Sie
ihn nicht kennen.--Eben der Karlin, sage ich, hat einmal bei einem
Herrn gedient, der eine gelehrte Frau hatte. Der verzweifelte
Vogel--er sah gut aus, und wie nun der Appetit sich nach dem Stande
nicht richtet--kurz, er musste sie naeher gekannt haben. Wo haette er
sonst so viel Verstand her? Endlich merkte es auch sein Herr, dass er
bei der Frau in die Schule ging. Er bekam seinen Abschied, ehe er
sich's versah. Die arme Frau!
Chrysander. Ach schweig! ich mag weder deine noch meines Sohnes
Grillen laenger mit anhoeren.
Anton. Noch eine hoeren Sie; und zwar die, welche zuletzt seine
Leibgrille ward: er wollte mehr als eine Frau heiraten.
Chrysander. Aber eine nach der andern.
Anton. Nein, wenigstens ein halb Dutzend auf einmal. Der Bibel, der
Obrigkeit und dem Gebrauche zum Trutze! Er las damals gleich ein
Buch--
Chrysander. Die verdammten Buecher! Kurz, ich will nicht weiter hoeren.
Es soll ihm schon vergehen, mehr als eine zu nehmen, wenn er nur
erst die genommen hat, die ich jetzt fuer ihn im Kopfe habe. Und was
meinest du wohl, Anton? quid putas? wie wir Lateiner reden; wird er's
tun?
Anton. Vielleicht; vielleicht nicht. Wenn ich wuesste, was er fuer ein
Buch zuletzt gelesen haette, und wenn ich dieses Buch selbst lesen
koennte, und wenn--
Chrysander. Ich sehe schon, ich werde deine Hilfe noetig haben. Du
bist zwar ein Gauner, aber ich weiss auch, man koemmt jetzt mit
Betruegern weiter als mit ehrlichen Leuten.
Anton. Ei, Herr Chrysander, fuer was halten Sie mich?
Chrysander. Ohne Komplimente, Herr Anton! ich verspreche dir eine
Belohnung, die deinen Verdiensten gemaess sein soll, wenn du meinen Sohn
quovis modo, wie wir Lateiner reden, durch Wahrheiten oder durch Luegen,
durch Ernst oder durch Schraubereien, vel sic vel aliter, wie wir
Lateiner reden, Julianen zu heiraten bereden kannst.
Anton. Wen? Julianen?
Chrysander. Julianen; illam ipsam.
Anton. Unsere Mamsell Juliane? Ihr Muendel? Ihre Pflegetochter?
Chrysander. Kennst du eine andre?
Anton. Das ist unmoeglich, oder das, was ich von ihr gehoert habe, muss
nicht wahr sein.
Chrysander. Gehoert? so? hast du etwas von ihr gehoert? doch wohl
nichts Boeses.
Anton. Nichts Gutes war es freilich nicht.
Chrysander. Ei! ich habe auf das Maedchen so grosse Stuecken gehalten.
Sie wird doch nicht etwa mit einem jungen Kerl--he?
Anton. Wann es nichts mehr waere! so ein klein Fehlerchen entschuldigt
die Mode. Aber, es ist noch etwas weit Aergers fuer eine gute Jungfer,
die gerne nicht laenger Jungfer sein moechte.
Chrysander. Noch etwas weit Aergers? ich versteh dich nicht.
Anton. Und Sie sind gleichwohl ein Kaufmann?
Chrysander. Noch etwas weit Aergers? Ich habe immer geglaubt,
Eingezogenheit und gute Sitten waeren das Vornehmste--
Anton. Nicht mehr! nicht mehr! vor zwanzig Jahren wohl, wie Sie
vorher selbst weislich erinnerten.
Chrysander. Nun so erklaere dich deutlicher. Ich habe nicht Lust,
deine naerrischen Gedanken zu erraten.
Anton. Und nichts ist doch leichter. Mit einem Worte: sie soll kein
Geld haben. Man hat mir gesagt, in Ansehung ihres Vaters, der Ihr
guter Freund gewesen waere, haetten Sie Julianen, von ihrem neunten
Jahre an, zu sich genommen und aus Barmherzigkeit erzogen.
Chrysander. Da hat man dir nun wohl keine Luegen gesagt; gleichwohl
aber soll sie doch kein andrer haben als mein Sohn, wann nur er--Denn
sieh, Anton, ich muss dir das ganze Raetsel erklaeren.--Es liegt nur an
mir, Julianen in kurzer Zeit reich zu machen.
Anton. Ja, durch Ihr eigen Geld; und auf diese Art koennten Sie auch
mich wohl reich machen. Wollen Sie so gut sein?
Chrysander. Nein, nicht durch mein eigen Geld.--Kannst du schweigen?
Anton. Versuchen Sie es.
Chrysander. Hoere also; mit Julianens Vermoegen steht es so: ihr Vater
kam durch einen Prozess, den er endlich doch musste liegenlassen, kurz
vor seinem Tode um alle das Seine. Jetzt nun ist mir ein gewisses
Dokument in die Haende gefallen, das er lange vergebens suchte und das
dem ganzen Handel ein ander Ansehen gibt. Es koemmt nur darauf an, dass
ich so viel Geld hergebe, den Prozess wieder anzufangen. Das Dokument
selbst habe ich bereits an meinen Advokaten nach Dresden geschickt.--
Anton. Gott sei Dank! dass Sie wieder zum Kaufmanne werden! Vorhin
haette ich bald nicht gewusst, was ich aus Ihnen machen sollte.--Aber
Julianens Einwilligung haben Sie doch schon?
Chrysander. Oh! das gute Kind will mir, wie es spricht, in allem
gehorchen. Unterdessen hat sich doch schon Valer auf sie gespitzt.
Er hat mir vor einiger Zeit auch seine Gedanken deshalb eroeffnet. Ehe
ich das Dokument bekam--
Anton. Ja, da war uns an Julianen so viel nicht gelegen. Sie machten
ihm also Hoffnung?
Chrysander. Freilich! Er ist heute von Berlin wieder zurueckgekommen
und hat sich auch schon bei mir melden lassen. Ich besorge, ich
besorge--Doch wenn mein Sohn nur will--Und diesen, Anton, du
verstehest mich--Ein Narr ist auf viel Seiten zu fassen; und ein Mann
wie du kann auf viel Seiten fassen.--Du wirst sehen, dass ich
erkenntlich bin.
Anton. Und Sie, dass ich ganz zu Ihren Diensten bin, zumal wenn mich
die Erkenntlichkeit zuerst herausfordert und--
Siebenter Auftritt
Anton. Chrysander. Juliane.
Juliane. Kommen Sie doch, Herr Chrysander, kommen Sie doch hurtig
herunter. Herr Valer ist schon da, Ihnen seine Aufwartung zu machen.
Chrysander. Tut Sie doch ganz froehlich, mein Jungferchen!
Anton (sachte zu Chrysandern). Hui! dass Valer schon den Vogel
gefangen hat.
Chrysander. Das waere mir gelegen.
(Anton und Chrysander gehen ab.)
Achter Auftritt
Juliane. Lisette.
Lisette (guckt aus dem Kabinett). Bst! bst! bst!
Juliane. Nun, wem gilt das? Lisette? bist du's? Was machst du denn
hier?
Lisette. Ja, das werden Sie wohl nimmermehr glauben, dass ich und
Damis schon so weit miteinander gekommen sind, dass er mich verstecken
muss. Schon kann ich ihn um einen Finger wickeln! Noch eine
Unterredung wie vorhin, so habe ich ihn im Sacke.
Juliane. Und also haette ich wohl, in allem Scherze, einen recht guten
Einfall gehabt? Wollte doch der Himmel, dass die Verbindung, die sein
Vater zwischen uns--
Lisette. Ach, sein Vater! der Schalk, der Geizhals! Jetzt habe ich
ihn kennenlernen.
Juliane. Was gibst du ihm fuer Titel? Seine Guetigkeit ist nur gar zu
gross. Seine Wohltaten vollkommen zu machen, traegt er mir die Hand
seines Sohnes und mit ihr sein ganzes Vermoegen an. Aber wie
ungluecklich bin ich dabei!--Dankbarkeit und Liebe, Liebe gegen den
Valer, und Dankbarkeit--
Lisette. Noch vor einer Minute, war ich in ebendem Irrtume. Aber
glauben Sie mir nur, ich weiss es nunmehr aus seinem Munde: nicht aus
Freundschaft fuer Sie, sondern aus Freundschaft fuer Ihr Vermoegen will
er diese Verbindung treffen.
Juliane. Fuer mein Vermoegen? du schwaermst. Was habe ich denn, das ich
nicht von ihm haette?
Lisette. Kommen Sie, kommen Sie. Hier ist der Ort nicht, viel zu
schwatzen. Ich will Ihnen alles erzaehlen, was ich gehoert habe.
Zweiter Aufzug
Erster Auftritt
Lisette. Valer. Juliane.
Lisette (noch innerhalb der Szene). Nur hier herein; Herr Damis ist
ausgegangen. Sie koennen hier schon ein Woertchen miteinander im
Vertrauen reden.
Juliane. Ja, Valer, mein Entschluss ist gefasst. Ich bin ihm zu viel
schuldig; er hat durch seine Wohltaten das groesste Recht ueber mich
erhalten. Es koste mir, was es wolle; ich muss die Heirat eingehen,
weil es Chrysander verlangt. Oder soll ich etwa die Dankbarkeit der
Liebe aufopfern? Sie sind selbst tugendhaft, Valer, und Ihr Umgang
hat mich edler denken gelehrt. Mich Ihrer wert zu zeigen, muss ich
meine Pflicht, auch mit dem Verluste meines Glueckes, erfuellen.
Lisette. Eine wunderbare Moral! wahrhaftig!
Valer. Aber wo bleiben Versprechung, Schwur, Treue? Ist es erlaubt,
um eine eingebildete Pflicht zu erfuellen, einer andern, die uns
wirklich verbindet, entgegen zu handeln?
Juliane. Ach, Valer, Sie wissen es besser, was zu solchen
Versprechungen gehoert. Missbrauchen Sie meine Schwaeche nicht. Die
Einwilligung meines Vaters war nicht dabei.
Valer. Was fuer eines Vaters?--
Juliane. Desjenigen, dem ich fuer seine Wohltaten diese Benennung
schuldig bin. Oder halten Sie es fuer keine Wohltaten, der Armut und
allen ihren unseligen Folgen entrissen zu werden? Ach, Valer, ich
wuerde Ihr Herz nicht besitzen, haette nicht Chrysanders Sorgfalt mich
zur Tugend und Anstaendigkeit bilden lassen.
Valer. Wohltaten hoeren auf, Wohltaten zu sein, wenn man sucht, sich
fuer sie bezahlt zu machen. Und was tut Chrysander anders, da er Sie,
allzu gewissenhafte Juliane, nur deswegen mit seinem Sohne verbinden
will, weil er ein Mittel sieht, Ihnen wieder zu dem groessten Teile
Ihres vaeterlichen Vermoegens zu verhelfen?
Juliane. Fussen Sie doch auf eine so wunderbare Nachricht nicht. Wer
weiss, was Lisette gehoert hat?
Lisette. Nichts, als was sich vollkommen mit seiner uebrigen
Auffuehrung reimt. Ein Mann, der seine Wohltaten schon ausposaunet,
der sie einem jeden auf den Fingern vorzurechnen weiss, sucht etwas
mehr als das blosse Gotteslohn. Und waere es etwa die erste Traene, die
Ihnen aus Verdruss, von einem so eigennuetzig freigebigen Manne
abzuhaengen, entfahren ist?
Valer. Lisette hat recht!--Aber ich empfinde es leider; Juliane liebt
mich nicht mehr.
Juliane. Sie liebt Sie nicht mehr? Dieser Verdacht fehlte noch,
ihren Kummer vollkommen zu machen. Wann Sie wuessten, wieviel es ihr,
gegen die Ratschlaege der Liebe taub zu sein, koste; wann Sie wuessten,
Valer--ach, die misstrauischen Mannspersonen!
Valer. Legen Sie die Furcht eines Liebhabers, dessen ganzes Glueck auf
dem Spiele steht, nicht falsch aus. Sie lieben mich also noch? und
wollen sich einem andern ueberlassen?
Juliane. Ich will? Koennten Sie mich empfindlicher martern? Ich
will?--Sagen Sie: ich muss.
Valer. Sie muessen?--Noch ist nie ein Herz gezwungen worden als
dasjenige, dem es lieb ist, den Zwang zu seiner Entschuldigung machen
zu koennen--
Juliane. Ihre Vorwuerfe sind so fein, so fein! dass ich Sie vor Verdruss
verlassen werde.
Valer. Bleiben Sie, Juliane; und sagen Sie mir wenigstens, was ich
dabei tun soll?
Juliane. Was ich tue; dem Schicksale nachgeben.
Valer. Ach, lassen Sie das unschuldige Schicksal aus dem Spiele!
Juliane. Das unschuldige? und ich werde also wohl die Schuldige sein?
Halten Sie mich nicht laenger--
Lisette. Wann ich mich nun nicht bald dazwischenlege, so werden sie
sich vor lauter Liebe zanken.--Was Sie tun sollen, Herr Valer? eine
grosse Frage! Himmel und Hoelle rege machen, damit die gute Jungfer
nicht muss! Den Vater auf andre Gedanken bringen; den Sohn auf Ihre
Seite ziehen.--Mit dem Sohne zwar hat es gute Wege; den ueberlassen Sie
nur mir. Der gute Damis! Ich bin ohne Zweifel das erste Maedchen, das
ihm schmeichelt, und hoffe dadurch auch das erste zu werden, das von
ihm geschmeichelt wird. Wahrhaftig; er ist so eitel, und ich bin so
geschickt, dass ich mich wohl noch zu seiner Frau an ihm loben wollte,
wenn der verzweifelte Vater nicht waere!--Sehen Sie, Herr Valer, der
Einfall ist von Mamsell Julianen! Erfinden Sie nun eine Schlinge fuer
den Vater--
Juliane. Was sagst du, Lisette? von mir? O Valer, glauben Sie solch
rasendes Zeug nicht! Habe ich dir etwas anders befohlen, als ihm
einen schlechten Begriff von mir beizubringen?
Lisette. Ja, recht; einen schlechten von Ihnen--und wenn es moeglich
waere, einen desto bessern von mir.
Juliane. Nein, es ist mit euch nicht auszuhalten--
Valer. Erklaeren Sie wenigstens, liebste Juliane--
Juliane. Erklaeren? und was? Vielleicht, dass ich Ihnen in die Arme
rennen will und wann ich auch alle Tugenden beleidigen sollte? dass ich
mich mit einer Begierde, mit einem Eifer die Ihrige zu werden bemuehen
will, die mich in Ihren Augen notwendig einmal veraechtlich machen
muessen? Nein, Valer--
Lisette. Hoeren Sie denn nicht, dass sie uns gern freie Hand lassen
will? Sie macht es wie die schoene Aspasia--oder wie hiess die
Prinzessin in dem dicken Romane? Zwei Ritter machten auf sie Anspruch.
Schlagt euch miteinander, sagte die schoene Aspasia; wer den andern
ueberwindet, soll mich haben. Gleichwohl aber war sie dem Ritter in
der blauen Ruestung guenstiger als dem andern--
Juliane. Ach, die Naerrin, mit ihrem blauen Ritter--(Reisst sich los
und geht ab.)
Zweiter Auftritt
Lisette. Valer.
Lisette. Ha! ha! ha!
Valer. Mir ist nicht laecherlich, Lisette.
Lisette. Nicht? Ha! ha! ha!
Valer. Ich glaube, du lachst mich aus.
Lisette. Oh, so lachen Sie mit! Oder ich muss noch einmal darueber
lachen, dass Sie nicht lachen wollen. Ha! ha! ha!
Valer. Ich moechte verzweifeln! In der Ungewissheit, ob sie mich noch
liebt--
Lisette. Ungewissheit? Sind denn alle Mannspersonen so schwer zu
ueberreden? Werden sie denn alle zu solchen aengstlichen Zweiflern,
sobald sie die Liebe ein wenig erhitzt? Lassen Sie Ihre Grillen
fahren, Herr Valer, oder ich lache aufs neue. Spannen Sie vielmehr
Ihren Verstand an, etwas auszusinnen, um den alten Chrysander--
Valer. Chrysander traut mir nicht und kann mir nicht trauen. Er
kennt meine Neigung zu Julianen. Alle mein Zureden wuerde umsonst sein;
er wuerde den Eigennutz, die Quelle davon, gar bald entdecken. Und
wenn ich auch eine voellige Anwerbung tun wollte; was wuerde es helfen?
Er ist deutsch genug, mir gerade ins Gesicht zu sagen, dass ich seinem
Sohne hier nachstehen muesse, welcher wegen der Wohltaten des Vaters
das groesste Recht auf Julianen habe.--Was soll ich also anfangen?
Lisette. Mit den wunderlichen Leuten, die nur ueberall den ebenen Weg
gehen wollen! Hoeren Sie, was mir eingefallen ist. Das Dokument, oder
wie der Quark heisst, ist das einzige, was Chrysandern zu dieser Heirat
Lust macht, so dass er es schon an seinen Advokaten geschickt hat. Wie
wenn man von diesem Advokaten einen Brief unterschieben koennte, in
welchem--in welchem--
Valer. In welchem er ihm die Gueltigkeit des Dokuments verdaechtig
macht; willst du sagen? Der Einfall ist so unrecht nicht! Aber--wenn
ihm nun einmal der Advokate ganz das Gegenteil schreibt, so ist ja
unser Betrug am Tage.
Lisette. Was fuer ein Einwurf! Freilich muessen Sie ihn stimmen. Es
ist von jeher gebraeuchlich gewesen, dass es sich ein Liebhaber etwas
muss kosten lassen.
Valer. Wenn nun aber der Advokat ehrlich ist?
Lisette. Tun Sie doch, als ob Sie seit vier Wochen erst in der Welt
waeren. Wie die Geschenke so ist der Advokat. Kommen gar keine, so
ist der niedertraechtigste Betrueger der redlichste Mann. Kommen welche,
aber nur kleine, so haelt das Gewissen noch so ziemlich das
Gleichgewicht. Es steigen alsdenn wohl Versuchungen bei ihm auf;
allein die kleinste Betrachtung schlaegt sie wieder nieder. Kommen
aber nur recht ansehnliche, so ist gar bald der ehrlichste Advokat
nicht mehr der ehrlichste. Er legt die Ehrlichkeit mit den
geschenkten Goldstuecken in den Schatz, wo jene eher zu rosten anfaengt
als diese. Ich kenne die Herren!
Valer. Dein Urteil ist zu allgemein. Nicht alle Personen von
einerlei Stande sind auf einerlei Art gesinnet. Ich kenne
verschiedene alte rechtschaffene Sachwalter--
Lisette. Was wollen Sie mit Ihren alten? Es ist eben, als wenn Sie
sagten, die grossen runden Aufschlaege, die kleinen spitzen Knoepfe, die
erschrecklichen Halskrausen, aus welchen man Schiffssegel machen
koennte, die viereckigten breiten Schuhe, die tiefen Taschen, kurz, die
ganze Tracht, wie sich etwa Ihre Paten an Ehrentagen moegen
ausstaffiert haben, waeren noch jetzt Mode, weil man noch manchmal hier
und da einige gebueckte zitternde Maennerchen ueber die Gassen so
schleichen sieht. Lassen Sie nur noch die und Ihr paar alte
rechtschaffene Advokaten sterben; die Mode und die Redlichkeit werden
einen Weg nehmen.
Valer. Man hoert doch gleich, wenn das Frauenzimmer am beredtesten ist!
Lisette. Sie meinen etwa, wenn es ans Laestern geht? O wahrhaftig!
des blossen Laesterns wegen habe ich so viel nicht geplaudert. Meine
vornehmste Absicht war, Ihnen beizubringen, wieviel ueberall das Geld
tun koenne und was fuer ein vortreffliches Spiel ein Liebhaber in den
Haenden hat, wenn er gegen alle freigebig ist, gegen die Gebieterin,
gegen den Advokaten und--Dero Dienerin. (Sie macht eine Verbeugung.)
Valer. Verlass dich auf meine Erkenntlichkeit. Ich verspreche dir
eine recht ansehnliche Ausstattung, wenn wir gluecklich sind--
Lisette. Ei, wie fein! Eine Ausstattung? Sie hoffen doch wohl nicht,
dass ich uebrigbleiben werde?
Valer. Wann du das befuerchtest, so verspreche ich dir den Mann darzu.
--Doch komm nur; Juliane wird ohne Zweifel auf uns warten. Wir wollen
gemeinschaftlich unsre Sachen weiter ueberlegen.
Lisette. Gehen Sie nur voran; ich muss noch hier verziehen, um meinem
jungen Gelehrten--
Valer. Er wird vielleicht schon unten bei dem Vater sein.
Lisette. Wir muessen uns alleine sprechen. Gehen Sie nur! Sie haben
ihn doch wohl noch nicht gesprochen?
Valer. Was wollte ich nicht darum geben, wenn ich es ganz und gar
ueberhoben sein koennte! Seinetwegen wuerde ich dieses Haus fliehen,
aerger als ein Tollhaus, wenn nicht ein angenehmerer Gegenstand--
Lisette. So gehen Sie doch, und lassen Sie den angenehmern Gegenstand
nicht laenger auf sich warten.
(Valer geht ab.)
Dritter Auftritt
Anton. Lisette.
Anton. Nu? was will die! in meines Herrn Studierstube? Jetzt ging
Valer heraus; vor einer Weile Juliane; und du bist noch da? Ich
glaube gar, ihr habt eure Zusammenkuenfte hier. Warte, Lisette! das
will ich meinem Herrn sagen. Ich will mich schon raechen; noch fuer das
Gestrige; besinnst du dich?
Lisette. Ich glaube, du keifst? Was willst du mit deinem Gestrigen?
Anton. Eine Maulschelle vergisst sich wohl bei dem leicht, der sie
gibt, aber der, dem die Zaehne davon gewackelt haben, der denkt eine
Zeitlang daran. Warte nur! warte!
Lisette. Wer heisst dich, mich kuessen?
Anton. Potz Stern, wie gemein wuerden die Maulschellen sein; wenn alle
die welche bekommen sollten, die euch kuessen wollen.--Jetzt soll dich
mein Herr dafuer wacker--
Lisette. Dein Herr? der wird mir nicht viel tun.
Anton. Nicht? Wievielmal hat er es nicht gesagt, dass so ein heiliger
Ort, als eine Studierstube ist, von euch unreinen Geschoepfen nicht
muesse entheiliget werden? Der Gott der Gelehrsamkeit--warte, wie
nennt er ihn?--Apollo--koenne kein Weibsbild leiden. Schon der Geruch
davon waere ihm zuwider. Er fliehe davor wie der Stoesser vor den Tauben.
--Und du denkst, mein Herr wuerde es so mit ansehen, dass du ihm den
lieben Gott von der Stube treibest?
Lisette. Ich glaube gar, du Narre denkst, der liebe Gott sei nur bei
euch Mannspersonen? Schweig, oder--
Anton. Ja, so eine wie gestern vielleicht?
Lisette. Noch eine bessre! der Pinsel haette gestern mehr als eine
verdient. Er koemmt zu mir; es ist finster; er will mich kuessen; ich
stosse ihn zurueck, er koemmt wieder; ich schlage ihn aufs Maul, es tut
ihm weh; er laesst nach; er schimpft; er geht fort--Ich moechte dir
gleich noch eine geben, wenn ich daran gedenke.
Anton. Ich haette es also wohl abwarten sollen, wie oft du deine
Karesse haettest wiederholen wollen?
Lisette. Gesetzt, es waeren noch einige gefolgt, so wuerden sie doch
immer schwaecher und schwaecher geworden sein. Vielleicht haetten sich
die letztern gar--doch so ein dummer Teufel verdient nichts.
Anton. Was hoer ich? ist das dein Ernst, Lisette? Bald haette ich Lust,
die Maulschelle zu vergessen und mich wieder mit dir zu vertragen.
Lisette. Halte es, wie du willst. Was ist mir jetzt an deiner Gunst
gelegen? Ich habe ganz ein ander Wildbret auf der Spur.
Anton. Ein anders? au weh, Lisette! Das war wieder eine Ohrfeige,
die ich so bald nicht vergessen werde! Ein anders? Ich daechte, du
haettest an einem genug, das dir selbst ins Netz gelaufen ist.
Lisette. Und drum eben ist nichts dran.--Aber sage mir, wo bleibt
dein Herr?
Anton. Danke du Gott, dass er so lange bleibt; und mache, dass du hier
fortkoemmst. Wann er dich trifft, so bist du in Gefahr,
herausgepruegelt zu werden.
Lisette. Dafuer lass mich sorgen! Wo ist er denn? ist er von der Post
noch nicht wieder zurueck?
Anton. Woher weisst du denn, dass er auf die Post gegangen ist?
Lisette. Genug, ich weiss es. Er wollte dich erst schicken. Aber wie
kam es denn, dass er selbst ging? Ha! ha! ha! "Es ist mit dem
Schlingel nichts anzufangen." Wahrhaftig, das Lob macht mich ganz
verliebt in dich.
Anton. Wer Henker muss dir das gesagt haben?
Lisette. O niemand; sage mir nur, ist er wieder da?
Anton. Schon laengst; unten ist er bei seinem Vater.
Lisette. Und was machen sie miteinander?
Anton. Was sie machen? sie zanken sich.
Lisette. Der Sohn will gewiss den Vater von seiner Geschicklichkeit
ueberfuehren?
Anton. Ohne Zweifel muss es so etwas sein. Damis ist ganz ausser sich:
er laesst den Alten kein Wort aufbringen: er rechnet ihm tausend Buecher
her, die er gesehen; tausend, die er gelesen hat; andere tausend, die
er schreiben will, und hundert kleine Buecherchen, die er schon
geschrieben hat. Bald nennt er ein Dutzend Professores, die ihm sein
Lob schriftlich, mit untergedrucktem Siegel, nicht umsonst, gegeben
haetten; bald ein Dutzend Zeitungsschreiber, die eine vortreffliche
Posaune fuer einen jungen Gelehrten sind, wenn man ein silbernes
Mundstueck darauf steckt; bald ein Dutzend Journalisten, die ihn alle
zu ihrem Mitarbeiter flehentlich erbeten haben. Der Vater sieht ganz
erstaunt; er ist um die Gesundheit seines Sohnes besorgt; er ruft
einmal ueber das andre: Sohn, erhitze dich doch nicht so! schone deine
Lunge! ja doch, ich glaub es! gib dich zufrieden! es war so nicht
gemeint!
Lisette. Und Damis?--
Anton. Und Damis laesst nicht nach. Endlich greift sich der Vater an;
er ueberschreit ihn mit Gewalt und besaenftiget ihn mit einer Menge
solcher Lobsprueche, die in der Welt niemand verdient hat, verdient,
noch verdienen wird. Nun wird der Sohn wieder vernuenftig, und nun--ja
nun schreiten sie zu einem andern Punkte, zu einer andern Sache,--zu--
Lisette. Wozu denn?
Anton. Gott sei Dank, mein Maul kann schweigen!
Lisette. Du willst mir es nicht sagen?
Anton. Nimmermehr! ich bin zwar sonst ein schlechter Kerl; aber wenn
es auf die Verschwiegenheit ankoemmt--
Lisette. Lerne ich dich so kennen?
Anton. Ich daechte, das sollte dir lieb sein, dass ich schweigen kann;
und besonders von Heiratssachen oder was dem anhaengig ist--
Lisette. Weisst du nichts mehr? O das habe ich laengst gewusst.
Anton. Wie schoen sie mich ueber den Toelpel stossen will. Also waere es
ja nicht noetig, dass ich dir es sagte?--
Lisette. Freilich nicht! aber mich fuer dein schelmisches Misstrauen zu
raechen, weiss ich schon, was ich tun will. Du sollst es gewiss nicht
mehr wagen, gegen ein Maedchen von meiner Profession verschwiegen zu
sein! Besinnst du dich, wie du von deinem Herrn vor kurzem gesprochen
hast?
Anton. Besinnen? ein Mann, der in Geschaeften sitzt, der einen Tag
lang so viel zu reden hat wie ich, soll sich der auf allen Bettel
besinnen?
Lisette. Seinen Herrn verleumden, ist etwas mehr, sollte ich meinen.
Anton. Was? verleumden?
Lisette. Ha, ha! Herr Mann, der in Geschaeften sitzt, besinnen Sie
sich nun? Was haben Sie vorhin gegen seinen Vater von ihm geredt?
Anton. Das Maedel muss den Teufel haben, oder der verzweifelten Alte
hat geplaudert. Aber hoere, Lisette, weisst du es gewiss, was ich gesagt
habe? Was war es denn? Lass einmal hoeren.
Lisette. Du sollst alles hoeren, wenn ich es deinem Herrn erzaehlen
werde.
Anton. O wahrhaftig, ich glaube, du machst Ernst daraus. Du wirst
mir doch meinen Kredit bei meinem Herrn nicht verderben wollen? Wenn
du wirklich etwas weisst, so sei keine Naerrin!--Dass ihr Weibsvolk doch
niemals Spass versteht! Ich habe dir eine Ohrfeige vergeben, und du
willst dich, einer kleinen Neckerei wegen, raechen? Ich will dir ja
alles sagen.
Lisette. Nun so sage--
Anton. Aber du sagst doch nichts?--
Lisette. Je mehr du sagen wirst, je weniger werde ich sagen.
Anton. Was wird es sonst viel sein, als dass der Vater dem Sohne
nochmals die Heirat mit Julianen vorschlug? Damis schien ganz
aufmerksam zu sein, und--weiter kann ich dir nichts sagen.
Lisette. Weiter nichts? Gut, gut, dein Herr soll alles erfahren.
Anton. Um des Himmels willen, Lisette; ich will dir es nur gestehn.
Lisette. Nun so gesteh!
Anton. Ich will dir es nur gestehen, dass ich wahrhaftig nichts mehr
gehoert habe. Ich wurde eben weggeschickt. Nun weisst du wohl, wenn
man nicht zugegen ist, so kann man nicht viel hoeren--
Lisette. Das versteht sich. Aber was meinst du, wird Damis sich dazu
entschlossen haben?
Anton. Wenn er sich noch nicht dazu entschlossen hat, so will ich
mein Aeusserstes anwenden, dass er es noch tut. Ich soll fuer meine Muehe
bezahlt werden, Lisette; und du weisst wohl, wenn ich bezahlt werde,
dass alsdenn auch du--
Lisette. Ja, ja, auch ich verspreche dir's; du sollst redlich bezahlt
werden!--Unterstehe dich!--
Anton. Wie?
Lisette. Habe einmal das Herz!--
Anton. Was?
Lisette. Dummkopf! meine Jungfer will deinen Damis nicht haben--
Anton. Was tut das?--
Lisette. Folglich ist mein Wille, dass er sie auch nicht bekommen soll.
Anton. Folglich, wenn sie mein Herr wird haben wollen, so wird mein
Wille sein muessen, dass er sie bekommen soll.
Lisette. Hoere doch! du willst mein Mann werden und einen Willen fuer
dich haben? Buerschchen, das lass dir nicht einkommen! Dein Wille muss
mein Wille sein, oder--
Anton. St! potz Element! er koemmt; hoerst du? er koemmt! Nun sieh ja,
wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. Verstecke dich wenigstens;
verstecke dich! Er bringt sonst mich und dich um.
Lisette (beiseite). Halt, ich will beide betruegen!--Wo denn aber hin?
wohin? in das Kabinett?
Anton. Ja, ja, nur unterdessen hinein. Vielleicht geht er bald
wieder fort.--Und ich, ich will mich geschwind hieher setzen--(Er
setzt sich an den Tisch, nimmt ein Buch in die Hand und tut, als ob er
den Damis nicht gewahr wuerde.)
Vierter Auftritt
Anton. Damis.
Anton (vor sich). Ja, die Gelehrten--wie gluecklich sind die Leute
nicht!--Ist mein Vater nicht ein Esel gewesen, dass er mich nicht auch
auf ihre Profession getan hat! Zum Henker, was muss es fuer eine Lust
sein, wenn man alles in der Welt weiss, so wie mein Herr!--Potz Stern,
die Buecher alle zu verstehn!--Wenn man nur darunter sitzt, man mag
darin lesen oder nicht, so ist man schon ein ganz andrer Mensch!--Ich
fuehl's, wahrhaftig ich fuehl's, der Verstand duftet mir recht daraus
entgegen.--Gewiss, er hat recht; ohne die Gelehrsamkeit ist man nichts
als eine Bestie.--Ich dumme Bestie!--(Beiseite.) Nun, wie lange wird
er mich noch schimpfen lassen?--Wir sind doch naerrisch gepaaret, ich
und mein Herr!--Er gibt dem Gelehrtesten und ich dem Ungelehrtesten
nichts nach.--Ich will auch noch heute anfangen zu lesen.--Wenn ich
ein Loch von achtzig Jahren in die Welt lebe, so kann ich schon noch
ein ganzer Kerl werden.--Nur frisch angefangen! Da sind Buecher genug!
--Ich will mir das kleinste aussuchen; denn anfangs muss man sich nicht
uebernehmen.--Ha! da finde ich ein allerliebstes Buechelchen.--In so
einem muss es sich mit Lust studieren lassen.--Nur frisch angefangen,
Anton!--Es wird doch gleichviel sein, ob hinten oder vorne?--Wahrhaftig,
es waere eine Schande fuer meinen so erstaunlich, so erschrecklich, so
abscheulich gelehrten Herrn, wenn er laenger einen so dummen Bedienten
haben sollte--
Damis (indem er sich ihm vollends naehert). Ja freilich waere es eine
Schande fuer ihn.
Anton. Hilf Himmel! mein Herr--
Damis. Erschrick nur nicht! Ich habe alles gehoert--
Anton. Sie haben alles gehoert?--ich bitte tausendmal um Verzeihung,
wenn ich etwas Unrechtes gesprochen habe.--Ich war so eingenommen, so
eingenommen von der Schoenheit der Gelehrsamkeit--verzeihen Sie mir
meinen dummen Streich--, dass ich selbst noch gelehrt werden wollte.
Damis. Schimpfe doch nicht selbst den kluegsten Einfall, den du
zeitlebens gehabt hast.
Anton. Vor zwanzig Jahren moechte er klug genug gewesen sein.
Damis. Glaube mir, noch bist du zu den Wissenschaften nicht zu alt.
Wir koennen in unsrer Republik schon mehrere aufweisen, die sich
gleichfalls den Musen nicht eher in die Arme geworfen haben.
Anton. Nicht in die Arme allein, ich will mich ihnen in den Schoss
werfen.--Aber in welcher Stadt sind die Leute?
Damis. In welcher Stadt?
Anton. Ja; ich muss hin, sie kennenzulernen. Sie muessen mir sagen,
wie sie es angefangen haben.--
Damis. Was willst du mit der Stadt?
Anton. Sie denken etwa, ich weiss nicht, was eine Republik
ist?--Sachsen, zum Exempel--Und eine Republik hat ja mehr wie eine
Stadt? nicht?
Damis. Was fuer ein Idiote! Ich rede von der Republik der Gelehrten.
Was geht uns Gelehrten Sachsen, was Deutschland, was Europa an? Ein
Gelehrter, wie ich bin, ist fuer die ganze Welt; er ist ein Kosmopolit:
er ist eine Sonne, die den ganzen Erdball erleuchten muss--
Anton. Aber sie muss doch wo liegen, die Republik der Gelehrten.
Damis. Wo liegen? dummer Teufel! die gelehrte Republik ist ueberall.
Anton. Ueberall? und also ist sie mit der Republik der Narren an
einem Orte? Die, hat man mir gesagt, ist auch ueberall.
Damis. Ja freilich sind die Narren und die Klugen, die Gelehrten und
die Ungelehrten ueberall untermengt, und zwar so, dass die letztern
immer den groessten Teil ausmachen. Du kannst es an unserm Hause sehen.
Mit wieviel Toren und Unwissenden findest du mich nicht hier umgeben?
Einige davon wissen nichts, und wissen es, dass sie nichts wissen.
Unter diese gehoerst du. Sie wollten aber doch gern etwas lernen, und
deswegen sind sie noch die ertraeglichsten. Andre wissen nichts und
wollen auch nichts wissen; sie halten sich bei ihrer Unwissenheit fuer
gluecklich; sie scheuen das Licht der Gelehrsamkeit--
Anton. Das Eulengeschlecht!
Damis. Noch andre aber wissen nichts und glauben doch etwas zu wissen;
sie haben nichts, gar nichts gelernt, und wollen doch den Schein
haben, als haetten sie etwas gelernt. Und diese sind die
allerunertraeglichsten Narren, worunter, die Wahrheit zu bekennen, auch
mein Vater gehoert.
Anton. Sie werden doch Ihren Vater, bedenken Sie doch, Ihren Vater,
nicht zu einem Erznarren machen?
Damis. Lerne distinguieren! Ich schimpfe meinen Vater nicht,
insofern er mein Vater ist, sondern insofern ich ihn als einen
betrachten kann, der den Schein der Gelehrsamkeit unverdienterweise an
sich reissen will. Insofern verdient er meinen Unwillen. Ich habe es
ihm schon oft zu verstehen gegeben, wie aergerlich er mir ist, wenn er,
als ein Kaufmann, als ein Mann, der nichts mehr als gute und schlechte
Waren, gutes und falsches Geld kennen darf und hoechstens das letzte
fuer das erste wegzugeben wissen soll; wenn der, sage ich, mit seinen
Schulbrocken, bei welchen ich doch noch immer etwas erinnern muss, so
prahlen will. In dieser Absicht ist er ein Narr, er mag mein Vater
sein, oder nicht.
Anton. Schade! ewig schade! dass ich das insofern und in Absicht nicht
als ein Junge gewusst habe. Mein Vater haette mir gewiss nicht so viel
Pruegel umsonst geben sollen. Er haette sie alle richtig wiederbekommen;
nicht insofern als mein Vater, sondern insofern als einer, der mich
zuerst geschlagen haette. Es lebe die Gelehrsamkeit!--
Damis. Halt! ich besinne mich auf einen Grundsatz des natuerlichen
Rechts, der diesem Gedanken vortrefflich zustatten koemmt. Ich muss
doch den Hobbes nachsehen!--Geduld! daraus will ich gewiss eine schoene
Schrift machen!
Anton. Um zu beweisen, dass man seinen Vater wiederpruegeln duerfe?--
Damis. Certo respectu allerdings. Nur muss man sich wohl in acht
nehmen, dass man, wenn man ihn schlaegt, nicht den Vater, sondern den
Aggressor zu schlagen sich einbildet; denn sonst--
Anton. Aggressor? Was ist das fuer ein Ding?
Damis. So heisst der, welcher ausschlaegt--
Anton. Ha, ha! nun versteh ich's. Zum Exempel; Ihnen, mein Herr,
stiesse wieder einmal eine kleine gelehrte Raserei zu, die sich meinem
Buckel durch eine Tracht Schlaege empfindlich machte: so waeren Sie--wie
heisst es?--der Aggressor; und ich, ich wuerde berechtiget sein, mich
ueber den Aggressor zu erbarmen, und ihm--
Damis. Kerl, du bist toll!--
Anton. Sorgen Sie nicht; ich wollte meine Gedanken schon so zu
richten wissen, dass der Herr unterdessen beiseite geschafft wuerde--
Damis. Nun wahrhaftig, das waere ein merkwuerdiges Exempel, in was fuer
verderbliche Irrtuemer man verfallen kann, wenn man nicht weiss, aus
welcher Disziplin diese oder jene Wahrheit zu entscheiden ist. Die
Pruegel, die ein Bedienter von seinem Herrn bekommt, gehoeren nicht in
das Recht der Natur, sondern in das buergerliche Recht. Wenn sich ein
Bedienter vermietet, so vermietet er auch seinen Buckel mit. Diesen
Grundsatz merke dir.
Anton. Aus dem buergerlichen Rechte ist er? O das muss ein garstiges
Recht sein. Aber ich sehe es nun schon! die verzweifelte
Gelehrsamkeit, sie kann ebenso leicht zu Pruegeln verhelfen als dafuer
schuetzen. Was wollte ich nicht darum geben, wenn ich mich auf alle
ihre waechserne Nasen so gut verstuende als Sie--O Herr Damis, erbarmen
Sie sich meiner Dummheit!
Damis. Nun wohl, wenn es dein Ernst ist, so greife das Werk an. Es
erfreut mich, der Gelehrsamkeit durch mein Exempel einen Proselyten
gemacht zu haben. Ich will dich redlich mit meinem Rate und meinen
Lehren unterstuetzen. Bringst du es zu etwas, so verspreche ich dir,
dich in die gelehrte Welt selbst einzufuehren und mit einem besondern
Werke dich ihr anzukuendigen. Vielleicht ergreife ich die Gelegenheit,
etwas de Eruditis sero ad literas admissis oder de Opsimathia oder
auch de studio senili zu schreiben, und so wirst du auf einmal beruehmt.
--Doch lass einmal sehen, ob ich mir von deiner Lehrbegierde viel zu
versprechen habe? Welch Buch hattest du vorhin in Haenden?
Anton. Es war ein ganz kleines--
Damis. Welches denn?--
Anton. Es war so allerliebst eingebunden, mit Golde auf dem Ruecken
und auf dem Schnitte. Wo legte ich's doch hin? Da! da!
Damis. Das hattest du? das?
Anton. Ja, das!
Damis. Das?
Anton. Bin ich an das unrechte gekommen? weil es so huebsch klein war--
Damis. Ich haette dir selbst kein bessres vorschlagen koennen.
Anton. Das dacht' ich wohl, dass es ein schoen Buch sein muesse. Wuerde
es wohl sonst einen so schoenen Rock haben?
Damis. Es ist ein Buch, das seinesgleichen nicht hat. Ich habe es
selbst geschrieben. Siehst du?--Auctore Damide!
Anton. Sie selbst? Nu, nu, habe ich's doch immer gehoert, dass man die
leiblichen Kinder besser in Kleidung haelt als die Stiefkinder. Das
zeugt von der vaeterlichen Liebe.
Damis. Ich habe mich in diesem Buche, so zu reden, selbst uebertroffen.
Sooft ich es wieder lese, sooft lerne ich auch etwas Neues daraus.
Anton. Aus Ihrem eignen Buche?
Damis. Wundert dich das?--Ach verdammt! nun erinnere ich mich erst:
mein Gott, das arme Maedchen! Sie wird doch nicht noch in dem
Kabinette stecken (Er geht darauf los.)
Anton. Um Gottes willen, wo wollen Sie hin?
Damis. Was fehlt dir? ins Kabinett. Hast du Lisetten gesehen?
Anton. Nun bin ich verloren!--Nein, Herr Damis, nein; so wahr ich
lebe, sie ist nicht drinne.
Damis. Du hast sie also sehen herausgehen? Ist sie schon lange fort?
Anton. Ich habe sie, so wahr ich ehrlich bin, nicht sehen hereingehen.
Sie ist nicht drinne; glauben Sie mir nur, sie ist nicht drinne--
Fuenfter Auftritt
Lisette. Damis. Anton.
Lisette. Allerdings ist sie noch drinne--
Anton. O das Rabenaas!
Damis. So lange hat Sie sich hier versteckt gehalten? Arme Lisette!
das war mein Wille gar nicht. Sobald mein Vater aus der Stube gewesen
waere, haette Sie immer wieder herausgehen koennen.
Lisette. Ich wusste doch nicht, ob ich recht taete. Ich wollte also
lieber warten, bis mich der, der mich versteckt hatte, selbst wieder
hervorkommen hiess--
Anton. Zum Henker, von was fuer einem Verstecken reden die? (Sachte
zu Lisetten.) So, du feines Tierchen? hat dich mein Herr selbst schon
einmal versteckt? Nun weiss ich doch, wie ich die gestrige Ohrfeige
auslegen soll. Du Falsche!
Lisette. Schweig; sage nicht ein Wort, dass ich zuvor bei dir gewesen
bin, oder--du weisst schon--
Damis. Was schwatzt ihr denn beide da zusammen? Darf ich es nicht
hoeren?
Lisette. Es war nichts; ich sagte ihm bloss, er solle heruntergehen,
dass, wenn meine Jungfer nach mir fragte, er unterdessen sagen koennte,
ich sei ausgegangen. Juliane ist misstrauisch; sie suchte mich doch
wohl hier, wenn sie mich brauchte.
Damis. Das ist vernuenftig. Gleich, Anton, geh!
Anton. Das verlangst du im Ernste, Lisette?
Lisette. Freilich; fort, lass uns allein.
Damis. Wirst du bald gehen?
Anton. Bedenken Sie doch selbst, Herr Damis; wann Sie nun ihr
Geplaudre werden ueberdruessig sein, und das wird gar bald geschehen,
wer soll sie Ihnen denn aus der Stube jagen helfen, wenn ich nicht
dabei bin?
Lisette. Warte, ich will dein Laestermaul--
Damis. Lass dich unbekuemmert! Wann sie mir beschwerlich faellt, wird
sie schon selbst so vernuenftig sein und gehen.
Anton. Aber betrachten Sie nur: ein Weibsbild in Ihrer Studierstube!
Was wird Ihr Gott sagen? Er kann ja das Ungeziefer nicht leiden.
Lisette. Endlich werde ich dich wohl zur Stube hinausschmeissen muessen?
Anton. Das waere mir gelegen.--Die verdammten Maedel! auch bei dem
Teufel koennen sie sich einschmeicheln. (Geht ab.)
Sechster Auftritt
Lisette. Damis
Damis. Und wo blieben wir denn vorhin?
Lisette. Wo blieben wir? bei dem, was ich allezeit am liebsten hoere
und wovon ich allezeit am liebsten rede, bei Ihrem Lobe. Wenn es nur
nicht eine so gar kitzliche Sache waere, einen ins Gesicht zu loben!
--Ich kann Ihnen unmoeglich die Marter antun.
Damis. Aber ich beteure Ihr nochmals, Lisette: es ist mir nicht um
mein Lob zu tun! Ich moechte nur gern hoeren, auf was fuer verschiedene
Art verschiedene Personen einerlei Gegenstand betrachtet haben.
Lisette. Jeder lobte dasjenige an Ihnen, was er an sich
Lobenswuerdiges zu finden glaubte. Zum Exempel, der kleine dicke Mann
mit der ernsthaften Miene, der so selten lacht, der aber, wenn er
einmal zu lachen anfaengt, mit dem erschuetterten Bauche den ganzen
Tisch ueber den Haufen wirft--
Damis. Und wer ist das? Aus Ihrer Beschreibung, Lisette, kann ich es
nicht erraten--O es ist mit den Beschreibungen eine kitzliche Sache!
Es gehoert nicht wenig dazu, sie so einzurichten, dass man, gleich bei
dem ersten Anblicke, das Beschriebene erkennen kann. Ueber nichts
aber muss ich mehr lachen, als wenn ich bei diesem und jenem grossen
Philosophen, wahrhaftig bei Maennern, die schon einer ganzen Sekte
ihren Namen gegeben haben, oefters Beschreibungen anstatt Erklaerungen
antreffe. Das macht, die guten Herren haben mehr Einbildungskraft als
Beurteilung. Bei der Erklaerung muss der Verstand in das Innere der
Dinge eindringen; bei der Beschreibung aber darf man bloss auf die
aeusserlichen Merkmale, auf das--
Lisette. Wir kommen von unsrer Sache, Herr Damis. Ihr Lob--
Damis. Jawohl; fahr Sie nur fort, Lisette. Von wem wollte Sie vorhin
reden?
Lisette. Je, sollten Sie denn den kleinen Mann nicht kennen? Er
blaeset immer die Backen auf--
Damis. Sie meint vielleicht den alten Ratsherrn?
Lisette. Ganz recht, aber seinen Namen--
Damis. Was liegt an dem?--
Lisette. "Ja, Herr Chrysander", sagte also der Ratsherr, an dessen
Namen nichts gelegen ist, "Ihr Herr Sohn kann einmal der beste
Ratsherr von der Welt werden, wenn er sich nur darauf applizieren will."
Es gehoert ein aufgeweckter Geist dazu; den hat er: eine fixe Zunge;
die hat er: eine tiefe Einsicht in die Staatskunst; die hat er: eine
Geschicklichkeit, seine Gedanken zierlich auf das Papier zu bringen;
die hat er: eine verschlagne Aufmerksamkeit auf die geringsten
Bewegungen unruhiger Buerger; die hat er: und wenn er sie nicht hat--o
die Uebung--die Uebung! Ich weiss ja, wie mir es anfangs ging. Freilich
kann man die Geschicklichkeit zu einem so schweren Amte nicht gleich
mit auf die Welt bringen--
Damis. Der Narr! es ist zwar wahr, dass ich alle diese
Geschicklichkeiten besitze; allein mit der Haelfte derselben koennte ich
Geheimter Rat werden, und nicht bloss--
Siebenter Auftritt
Anton. Lisette. Damis.
Damis. Nun, was willst du schon wieder?
Anton. Mamsell Juliane weiss es nun, dass Lisette ausgegangen ist.
Fuerchten Sie sich nur nicht; sie wird uns nicht ueberraschen--
Damis. Wer hiess dich denn wiederkommen?
Anton. Sollte ich wohl meinen Herrn allein lassen? Und dazu, es
ueberfiel mich auf einmal so eine Angst, so eine Bangigkeit; die Ohren
fingen mir an zu klingen und besonders das linke--Lisette! Lisette!
Lisette. Was willst du denn?
Anton (sachte zu Lisetten). Was habt ihr denn beide allein gemacht?
Was gilt's, es ging auf meine Unkosten!
Lisette. O pack dich--Ich weiss nicht, was der Narre will.
Damis. Fort, Anton! es ist die hoechste Zeit; du musst wieder auf die
Post sehen. Ich weiss auch gar nicht, wo sie so lange bleibt.--Wird's
bald?
Anton. Lisette, komm mit!
Damis. Was soll denn Lisette mit?
Anton. Und was soll sie denn bei Ihnen?
Damis. Unwissender!
Anton. Ja freilich ist es mein Unglueck, dass ich es nicht weiss.
(Sachte zu Lisetten.) Rede nur wenigstens ein wenig laut, damit ich
hoere, was unter euch vorgeht--Ich werde horchen--(Gehet ab.)
Achter Auftritt
Lisette. Damis.
Lisette. Lassen Sie uns ein wenig sachte reden. Sie wissen wohl, man
ist vor dem Horcher nicht sicher.
Damis. Jawohl; fahr Sie also nur sachte fort.
Lisette. Sie kennen doch wohl des Herrn Chrysanders Beichtvater?
Damis. Beichtvater? soll ich denn alle solche Handwerksgelehrte
kennen?
Lisette. Wenigstens schien er Sie sehr wohl zu kennen. "Ein guter
Prediger", fiel er der dicken Rechtsgelehrsamkeit ins Wort, "sollte
Herr Damis gewiss auch werden. Eine schoene Statur; eine starke
deutliche Stimme; ein gutes Gedaechtnis; ein feiner Vortrag; eine
anstaendige Dreistigkeit; ein reifer Verstand, der ueber seine Meinungen
tuerkenmaessig zu halten weiss: alle diese Eigenschaften glaube ich, in
einem ziemlich hohen Grade, bei ihm bemerkt zu haben. Nur um einen
Punkt ist mir bange. Ich fuerchte, ich fuerchte, er ist auch ein wenig
von der Freigeisterei angesteckt."--"Ei, was Freigeisterei?" schrie
der schon halb trunkene Medikus. "Die Freigeister sind brave Leute!
Wird er deswegen keinen Kranken kurieren koennen? Wenn es nach mir
geht, so muss er ein Medikus werden. Griechisch kann er, und
Griechisch ist die halbe Medizin. (Indem sie allmaehlich wieder lauter
spricht.) Freilich das Herz, das dazu gehoert, kann sich niemand geben.
Doch das koemmt von sich selbst, wenn man erst eine Weile praktiziert
hat."--"Nu", fiel ihm ein alter Kaufmann in die Rede, "so muss es mit
den Herrn Medizinern wohl sein wie mit den Scharfrichtern. Wenn die
zum ersten Male koepfen, so zittern und beben sie; je oefter sie aber
den Versuch wiederholen, desto frischer geht es."--Und auf diesen
Einfall ward eine ganze Viertelstunde gelacht; in einem fort, in einem
fort; sogar das Trinken ward darueber vergessen.
Neunter Auftritt
Lisette. Damis. Anton.
Anton. Herr, die Post wird heute vor neun Uhr nicht kommen. Ich habe
gefragt; Sie koennen sieh darauf verlassen.
Damis. Musst du uns aber denn schon wieder stoeren, Idiote?
Anton. Es soll mir recht lieb sein, wann ich Sie nur noch zur rechten
Zeit gestoert habe.
Damis. Was willst du mit deiner rechten Zeit?
Anton. Ich will mich gegen Lisetten schon deutlicher erklaeren. Darf
ich ihr etwas ins Ohr sagen?
Lisette. Was wirst du mir ins Ohr zu sagen haben?
Anton. Nur ein Wort. (Sachte.) Du denkst, ich habe nicht gehorcht?
Sagtest du nicht: du haettest nicht Herz genug dazu? doch wenn du nur
erst das Ding eine Weile wuerdest praktizierst haben--O ich habe alles
gehoert--Kurz, wir sind geschiedne Leute! Du Unverschaemte, Garstige--
Lisette. Sage nur, was du willst?
Damis. Gleich, geh mir wieder aus den Augen! Und komme mir nicht
wieder vors Gesicht, bis ich dich rufen werde oder bis du mir Briefe
von Berlin bringst!--Ich kann sie kaum erwarten. So macht es die
uebermaessige Freude! Zwar sollte ich Hoffnung sagen, weil jene nur auf
das Gegenwaertige und diese auf das Zukuenftige geht. Doch hier ist das
Zukuenftige schon so gewiss als das Gegenwaertige. Ich brauche die
Sprache der Propheten, die ihrer Sachen doch unmoeglich so gewiss sein
konnten.--Die ganze Akademie muesste blind sein.--Nun, was stehst du
noch da? Wirst du gehen?
Zehnter Auftritt
Lisette. Damis.
Lisette. Da sehen Sie! so lobten Sie die Leute.
Damis. Ah, wann die Leute nicht besser loben koennen, so moechten sie
es nur gar bleiben lassen. Ich will mich nicht ruehmen, aber doch so
viel kann ich mir ohne Hochmut zutrauen: ich will meiner Braut die
Wahl lassen, ob sie lieber einen Doktor der Gottesgelahrtheit oder der
Rechte oder der Arzneikunst zu ihrem Manne haben will. In allen drei
Fakultaeten habe ich disputiert; in allen dreien habe ich--
Lisette. Sie sprechen von einer Braut? heiraten Sie denn wirklich?
Damis. Hat Sie denn auch schon davon gehoert, Lisette?
Lisette. Koemmt denn wohl ohn' unsereiner irgend in einem Hause eine
Heirat zustande? Aber eingebildet haette ich mir es nimmermehr, dass
Sie sich fuer Julianen entschliessen wuerden! fuer Julianen!
Damis. Groesstenteils tue ich es dem Vater zu Gefallen, der auf die
ausserordentlichste Weise deswegen in mich dringt. Ich weiss wohl, dass
Juliane meiner nicht wert ist. Allein soll ich einer solchen
Kleinigkeit wegen, als eine Heirat ist, den Vater vor den Kopf stossen?
Und dazu habe ich sonst einen Einfall, der mir ganz wohl lassen wird.
Lisette. Freilich ist Juliane Ihrer nicht wert; und wenn nur alle
Leute die gute Mamsell so kennten als ich--
Eilfter Auftritt
Anton. Damis. Lisette.
Anton (vor sich). Ich kann die Leute unmoeglich so alleine lassen.
--Herr Valer fragt, ob Sie in Ihrer Stube sind? Sind Sie noch da,
Herr Damis?
Damis. Sage mir nur, Unwissender, hast du dir es denn heute recht
vorgesetzt, mir beschwerlich zu fallen?
Lisette. So lassen Sie ihn nur da, Herr Damis. Er bleibt doch nicht
weg--
Anton. Ja, jetzt soll ich dableiben; jetzt, da es schon vielleicht
vorbei ist, was ich nicht hoeren und sehen sollte.
Damis. Was soll denn vorbei sein?
Anton. Das werden Sie wohl wissen.
Lisette (sachte). Jetzt, Anton, hilf mir, Julianen bei deinem Herrn
recht schwarz machen. Willst du?
Anton. Ei ja doch! zum Danke vielleicht--
Lisette. So schweig wenigstens.--Notwendig, Herr Damis, muessen Sie
mit Julianen uebel fahren. Ich bedaure Sie im voraus. Der ganze
Erdboden traegt kein aergeres Frauenzimmer--
Anton. Glauben Sie es nicht, Herr Damis; Juliane ist ein recht gut
Kind. Sie koennen mit keiner in der Welt besser fahren. Ich wuensche
Ihnen im voraus Glueck.
Lisette. Wahrhaftig! du musst gegen deinen Herrn sehr redlich gesinnt
sein, dass du ihm eine so unertraegliche Plage an den Hals schwatzen
willst.
Anton. Noch weit redlicher musst du gegen deine Mamsell sein, dass du
ihr einen so guten Ehemann, als Herr Damis werden wird, missgoennest.
Lisette. Einen guten Ehemann? Nun wahrhaftig, ein guter Ehemann, das
ist auch alles, was sie sich wuenscht. Ein Mann, der alles gut sein
laesst--
Anton. Ho! ho! alles? Hoeren Sie, Herr Damis, fuer was Sie Lisette
ansieht? Aus der Ursache moechtest du wohl selbst gern seine Frau
sein? Alles? ei! unter das alles, gehoert wohl auch--? du verstehst
mich doch?
Damis. Aber im Ernste, Lisette; glaubt Sie wirklich, dass Ihre Jungfer
eine recht boese Frau werden wird? Hat sie in der Tat viel schlimme
Eigenschaften?
Lisette. Viel? Sie hat sie alle, die man haben kann; auch nicht die
ausgenommen, die einander widersprechen.
Damis. Will Sie mir nicht ein Verzeichnis davon geben?
Lisette. Wo soll ich anfangen?--Sie ist albern--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Und ich sage: Luegen!
Lisette. Sie ist zaenkisch--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Und ich sage: Luegen!
Lisette. Sie ist eitel--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Luegen! sag ich.
Lisette. Sie ist keine Wirtin--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Luegen!
Lisette. Sie wird Sie durch uebertriebenen Staat, durch bestaendige
Ergoetzlichkeiten und Schmausereien, um alle das Ihrige bringen--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Luegen!
Lisette. Sie wird Ihnen die Sorge um eine Herde Kinder auf den Hals
laden--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Das tun die besten Weiber am ersten!
Lisette. Aber um Kinder, die aus der rechten Quelle nicht geholt sind.
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Und zwar Kleinigkeit nach der Mode!
Lisette. Kleinigkeit? aber was denken Sie denn, Herr Damis?
Damis. Ich denke, dass Juliane nicht arg genug sein kann. Ist sie
albern? ich bin desto klueger; ist sie zaenkisch? ich bin desto
gelassener; ist sie eitel? ich bin desto philosophischer gesinnt;
vertut sie? sie wird aufhoeren, wenn sie nichts mehr hat; ist sie
fruchtbar? so mag sie sehen, was sie vermag, wann sie es mit mir um
die Wette sein will. Ein jedes mache sich ewig, womit es kann; das
Weib durch Kinder, der Mann durch Buecher.
Anton. Aber merken Sie denn nicht, dass Lisette ihre Ursachen haben
muss, Julianen so zu verleumden?
Damis. Ach freilich merk ich es. Sie goennt mich ihr und beschreibt
sie mir also vollkommen nach meinem Geschmacke. Sie hat es ohne
Zweifel geschlossen, dass ich ihre Mamsell nur eben deswegen, weil sie
das unertraeglichste Frauenzimmer ist, heiraten will.
Lisette. Nur deswegen? nur deswegen? und das haette ich geschlossen?
Ich muesste Sie fuer irre im Kopfe gehalten haben. Ueberlegen Sie doch
nur--
Damis. Das geht zu weit, Lisette! Traut Sie mir keine Ueberlegung zu?
Was ich gesagt habe, ist die Frucht einer nur allzu scharfen
Ueberlegung. Ja, es ist beschlossen: ich will die Zahl der ungluecklich
scheinenden Gelehrten, die sich mit boesen Weibern vermaehlt haben,
vermehren. Dieser Vorsatz ist nicht von heute.
Anton. Nein, wahrhaftig!--Was aber der Teufel nicht tun kann! Wer
haette es sich jetzt sollen traeumen lassen, jetzt da es Ernst werden
soll? Ich muss lachen; Lisette wollte ihn von der Heirat abziehen und
hat ihm nur mehr dazu beredt; und ich, ich wollte ihn dazu bereden und
haette ihn bald davon abgezogen.
Damis. Einmal soll geheiratet sein. Auf eine recht gute Frau darf
ich mir nicht Rechnung machen; also waehle ich mir eine recht schlimme.
Eine Frau von der gemeinen Art, die weder kalt noch warm, weder recht
gut noch recht schlimm ist, taugt fuer einen Gelehrten nichts, ganz und
gar nichts! Wer wird sich nach seinem Tode um sie bekuemmern?
Gleichwohl verdient er es doch, dass sein ganzes Haus mit ihm
unsterblich bleibe. Kann ich keine Frau haben, die einmal ihren Platz
in einer Abhandlung de bonis Eruditorum uxoribus findet, so will ich
wenigstens eine haben, mit welcher ein fleissiger Mann seine Sammlung
de malis Eruditorum uxoribus vermehren kann. Ja, ja; ich bin es
ohnehin meinem Vater, als der einzige Sohn, schuldig, auf die
Erhaltung seines Namens mit der aeussersten Sorgfalt bedacht zu sein.
Lisette. Kaum kann ich mich von meinem Erstaunen erholen--Ich habe
Sie, Herr Damis, fuer einen so grossen Geist gehalten--
Damis. Und das nicht mit Unrecht. Doch eben hierdurch glaube ich den
staerksten Beweis davon zu geben.
Lisette. Ich moechte platzen!--Ja, ja, den staerksten Beweis, dass
niemand schwerer zu fangen ist als ein junger Gelehrter; nicht sowohl
wegen seiner Einsicht und Verschlagenheit als wegen seiner Narrheit.
Damis. Wie, so naseweis, Lisette? Ein junger Gelehrter?--ein junger
Gelehrter?--
Lisette. Ich will Ihnen die Verweise ersparen. Valer soll gleich von
allem Nachricht bekommen. Ich bin Ihre Dienerin.
Zwoelfter Auftritt
Anton. Damis.
Anton. Da sehen Sie! Nun laeuft sie fort, da Sie nach ihrer Pfeife
nicht tanzen wollen.--
Damis. Mulier non Homo! bald werde ich auch dieses Paradoxon fuer wahr
halten. Wodurch zeigt man, dass man ein Mensch ist? Durch den
Verstand. Wodurch zeigt man, dass man Verstand hat? Wann man die
Gelehrten und die Gelehrsamkeit gehoerig zu schaetzen weiss. Dieses kann
kein Weibsbild, und also hat es keinen Verstand, und also ist es kein
Mensch. Ja, wahrhaftig ja; in diesem Paradoxo liegt mehr Wahrheit als
in zwanzig Lehrbuechern.
Anton. Wie ist mir denn? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie Herr
Valer gesucht hat? Wollen Sie nicht gehen und ihn sprechen?
Damis. Valer? ich will ihn erwarten. Die Zeiten sind vorbei, da ich
ihn hochschaetzte. Er hat seit einigen Jahren die Buecher beiseite
gelegt; er hat sich das Vorurteil in den Kopf setzen lassen, dass man
sich vollends durch den Umgang und durch die Kenntnis der Welt
geschickt machen muesse, dem Staate nuetzliche Dienste zu leisten. Was
kann ich mehr tun als ihn bedauern? Doch ja, endlich werde ich mich
auch seiner schaemen muessen. Ich werde mich schaemen muessen, dass ich
ihn ehemals meiner Freundschaft wert geschaetzt habe. O wie ekel muss
man in der Freundschaft sein! Doch was hat geholfen, dass ich es bis
auf den hoechsten Grad gewesen bin? Umsonst habe ich mich vor der
Bekanntschaft aller mittelmaessigen Koepfe gehuetet; umsonst habe ich mich
bestrebt, nur mit Genies, nur mit originellen Geistern umzugehen:
dennoch musste mich Valer, unter der Larve eines solchen, hintergehen.
O Valer! Valer!
Anton. Laut genug, wenn er es hoeren soll.
Damis. Ich haette ueber sein kaltsinniges Kompliment bersten moegen!
Von was unterhielt er mich? von nichtswuerdigen Kleinigkeiten. Und
gleichwohl kam er von Berlin, und gleichwohl haette er mir die
allerangenehmste Neuigkeit zuerst berichten koennen. O Valer! Valer!
Anton. St! wahrhaftig er koemmt. Sehen Sie, dass er sich nicht dreimal
rufen laesst?
Dreizehnter Auftritt
Damis. Valer. Anton.
Valer. Verzeihen Sie, liebster Freund, dass ich Sie in Ihrer gelehrten
Ruhe stoere--
Anton. Wenn er doch gleich sagte, Faulheit.
Damis. Stoeren? Ich sollte glauben, dass Sie mich zu stoeren kaemen?
Nein, Valer, ich kenne Sie zu wohl; Sie kommen, mir die angenehmsten
Neuigkeiten zu hinterbringen, die der Aufmerksamkeit eines Gelehrten,
der seine Belohnung erwartet, wuerdig sind.--Einen Stuhl, Anton!
--Setzen Sie sich.
Valer. Sie irren sich, liebster Freund. Ich komme, Ihnen die
Unbestaendigkeit Ihres Vaters zu klagen; ich komme, eine Erklaerung von
Ihnen zu verlangen, von welcher mein ganzes Glueck abhaengen wird.--
Damis. Oh! ich konnte es Ihnen gleich ansehen, dass Sie vorhin die
Gegenwart meines Vaters abhielt, sich mit mir vertraulicher zu
besprechen und mir Ihre Freude ueber die Ehre zu bezeigen, die mir der
billige Ausspruch der Akademie--
Valer. Nein, allzu gelehrter Freund; lassen Sie uns einen Augenblick
von etwas minder Gleichgueltigem reden.
Damis. Von etwas minder Gleichgueltigem? Also ist Ihnen meine Ehre
gleichgueltig? Falscher Freund!--
Valer. Ihnen wird diese Benennung zukommen, wann Sie mich laenger von
dem, was fuer ein zaertliches Herz das wichtigste ist, abbringen werden.
Ist es wahr, dass Sie Julianen heiraten wollen? dass Ihr Vater dieses
allzu zaertliche Frauenzimmer durch Bande der Dankbarkeit binden will,
in seiner Wahl minder frei zu handeln? Habe ich Ihnen jemals aus
meiner Neigung gegen Julianen ein Geheimnis gemacht? Haben Sie mir
nicht von jeher versprochen, meiner Liebe behilflich zu sein?
Damis. Sie ereifern sich, Valer; und vergessen, dass ein Weibsbild die
Ursache ist. Schlagen Sie sich diese Kleinigkeit aus dem Sinne--Sie
muessen in Berlin gewesen sein, da die Akademie den Preis auf dieses
Jahr ausgeteilet hat. Die Monaden sind die Aufgabe gewesen. Sollten
Sie nicht etwa gehoert haben, dass die Devise--
Valer. Wie grausam sind Sie, Damis! So antworten Sie mir doch!
Damis. Und Sie wollen mir nicht antworten? Besinnen Sie sich; sollte
nicht die Devise Unum est necessarium sein gekroent worden? Ich
schmeichle mir wenigstens--
Valer. Bald schmeichle ich mir nun mit nichts mehr, da ich Sie so
ausschweifend sehe. Bald werde ich nun auch glauben muessen, dass die
Nachricht, die ich fuer eine Spoetterei von Lisetten gehalten habe,
gegruendet sei. Sie halten Julianen fuer Ihrer unwert, Sie halten sie
fuer die Schande ihres Geschlechts, und eben deswegen wollen Sie sie
heiraten? Was fuer ein ungeheurer Einfall!
Damis. Ha! ha! ha!
Valer. Ja, lachen Sie nur, Damis, lachen Sie nur! Ich bin ein Tor,
dass ich einen Augenblick solchen Unsinn von Ihnen habe glauben koennen.
Sie haben Lisetten zum besten gehabt oder Lisette mich. Nein, nur in
ein zerruettetes Gehirn kann ein solcher Entschluss kommen! Ihn zu
verabscheuen braucht man nur vernuenftig zu denken und lange nicht edel,
wie Sie doch zu denken gewohnt sind. Aber loesen Sie mir, ich bitte
Sie, dieses marternde Raetsel!
Damis. Bald werden Sie mich, Valer, auf Ihr Geschwaetze aufmerksam
gemacht haben. So verlangen Sie doch in der Tat, dass ich meinen Ruhm
Ihrer toerichten Neigung nachsetzen soll? Meinen Ruhm!--Doch
wahrhaftig, ich will vielmehr glauben, dass Sie scherzen. Sie wollen
versuchen, ob ich in meinen Entschliessungen auch wankelhaft bin.
Valer. Ich scherzen? der Scherz sei verflucht, der mir hier in den
Sinn kommt!--
Damis. Desto lieber ist mir es, wann Sie endlich ernsthaft reden
wollen. Was ich Ihnen sage: die Schrift mit der Devise Unum est
necessarium--
Vierzehnter Auftritt
Chrysander. Damis. Valer. Anton.
Chrysander (mit einem Zeitungsblatte in der Hand). Nun, nicht wahr,
Herr Valer? mein Sohn ist nicht von der Heirat abzubringen? Sehen Sie,
dass nicht sowohl ich als er auf diese Heirat dringt?
Damis. Ich? ich auf die Heirat dringen?
Chrysander. St! st! st!
Damis. Ei was st, st? Meine Ehre leidet hierunter. Koennte man nicht
auf die Gedanken kommen, wer weiss was mir an einer Frau gelegen sei?
Chrysander. St! st! st!
Valer. Oh! brauchen Sie doch keine Umstaende. Ich sehe es ja wohl;
Sie sind mir beide entgegen. Was fuer ein Unglueck hat mich in dieses
Haus fuehren muessen! Ich muss eine liebenswuerdige Person antreffen; ich
muss ihr gefallen und muss doch endlich, nach vieler Hoffnung, alle
Hoffnung verlieren. Damis, wenn ich jemals einiges Recht auf Ihre
Freundschaft gehabt habe--
Damis. Aber, nicht wahr, Valer? einer Sache wegen muss man auf die
Berlinische Akademie recht boese sein? Bedenken Sie doch, sie will
kuenftig die Aufgaben zu dem Preise zwei Jahr vorher bekanntmachen.
Warum denn zwei Jahr? war es nicht an einem genug? Haelt sie denn die
Deutschen fuer so langsame Koepfe? Seit ihrer Erneuerung habe ich jedes
Jahr meine Abhandlung mit eingeschickt; aber, ohne mich zu ruehmen,
laenger als acht Tage habe ich ueber keine zugebracht.
Chrysander. Wisst ihr denn aber auch, ihr lieben Leute, was in den
Niederlanden vorgegangen ist? Ich habe hier eben die neuste Zeitung.
Sie haben sich die Koepfe wacker gewaschen. Doch die Alliierten, ich
bin in der Tat recht boese auf sie. Haben sie nicht wieder einen
wunderbaren Streich gemacht!--
Anton. Nun, da reden alle drei etwas anders! Der spricht von der
Liebe; der von seinen Abhandlungen; der vom Kriege. Wenn ich auch
etwas Besonders reden soll, so werde ich vom Abendessen reden. Vom
Mittage an bis auf den Abend um sechs Uhr zu fasten sind keine
Narrenspossen.
Valer. Unglueckliche Liebe!
Damis. Die unbesonnene Akademie!
Chrysander. Die dummen Alliierten!
Anton. Die vierte Stimme fehlt noch: die langsamen Bratenwender!
Funfzehnter Auftritt
Lisette. Damis. Valer. Chrysander. Anton.
Lisette. Nun, Herr Chrysander? ich glaubte, Sie haetten die Herren zu
Tische rufen wollen? Ich sehe aber, Sie wollen selbst gerufen sein.
Es ist schon aufgetragen.
Anton. Das war die hoechste Zeit! dem Himmel sei Dank!
Chrysander. Es ist wahr; es ist wahr; ich haette es bald vergessen.
Der Zeitungsmann hielt mich auf der Treppe auf. Kommen Sie, Herr
Valer; wir wollen die jetzigen Staatsgeschaefte ein wenig miteinander
bei einem Glaeschen ueberlegen. Schlagen Sie sich Julianen aus dem
Kopfe. Und du, mein Sohn, du magst mit deiner Braut schwatzen. Du
wirst gewiss eine wackre Frau an ihr haben; nicht so eine Xanthippe
wie--
Damis. Xanthippe? wie verstehen Sie das? Sind Sie etwa auch noch in
dem poebelhaften Vorurteile, dass Xanthippe eine boese Frau gewesen sei?
Chrysander. Willst du sie etwa fuer eine gute halten? Du wirst doch
nicht die Xanthippe verteidigen? Pfui! das heisst einen Abc-Schnitzer
machen. Ich glaube, ihr Gelehrten, je mehr ihr lernt, je mehr vergesst
ihr.
Damis. Ich behaupte aber, dass man kein einzig tuechtiges Zeugnis fuer
Ihre Meinung anfuehren kann. Das ist das erste, was die ganze Sache
verdaechtig macht; und zum andern--
Lisette. Das ewige Geplaudre!
Chrysander. Lisette hat recht! Mein Sohn, contra principia negantem,
non est disputandum. Kommt! Kommt!
(Chrysander, Damis und Anton gehen ab.)
Valer. Nun ist alles fuer mich verloren, Lisette. Was soll ich
anfangen?
Lisette. Ich weiss keinen Rat; wann nicht der Brief--
Valer. Dieser Betrug waere zu arg, und Juliane will ihn nicht zugeben.
Lisette. Ei, was Betrug? Wenn der Betrug nuetzlich ist, so ist er
auch erlaubt. Ich sehe es wohl, ich werde es selbst tun muessen.
Kommen Sie nur fort, und fassen Sie wieder Mut.
Dritter Aufzug
Erster Auftritt
Lisette. Anton.
Lisette. So warte doch, Anton.
Anton. Ei, lass mich zufrieden. Ich mag mit dir nichts zu tun haben.
Lisette. Wollen wir uns also nicht wieder versoehnen? Willst du nicht
tun, was ich dich gebeten habe?
Anton. Dir sollte ich etwas zu Gefallen tun?
Lisette. Anton, lieber Anton, goldner Anton, tu es immer. Wie leicht
kannst du nicht dem Alten den Brief geben und ihm sagen, der
Posttraeger habe ihn gebracht?
Anton. Geh! du Schlange! Wie sie nun schmeicheln kann!--Halte mich
nicht auf. Ich soll meinem Herrn ein Buch bringen. Lass mich gehen.
Lisette. Deinem Herrn ein Buch? Was will er denn mit dem Buche bei
Tische?
Anton. Die Zeit wird ihm lang; und will er nicht muessige Weile haben,
so muss er sich doch wohl etwas zu tun machen.
Lisette. Die Zeit wird ihm lang? bei Tische? Wenn es noch in der
Kirche waere. Reden sie denn nichts?
Anton. Nicht ein Wort. Ich bin ein Schelm, wenn es auf einem
Totenmahle so stille zugehen kann.
Lisette. Wenigstens wird der Alte reden.
Anton. Der redt, ohne zu reden. Er isst und redt zugleich; und ich
glaube, er gaebe wer weiss was darum, wenn er noch dazu trinken koennte,
und das alles dreies auf einmal. Das Zeitungsblatt liegt neben dem
Teller; das eine Auge sieht auf den und das andre auf jenes. Mit dem
einen Backen kaut er, und mit dem andern redt er. Da kann es freilich
nun nicht anders sein, die Worte muessen auf dem Gekauten sitzenbleiben,
sodass man ihn mit genauer Not noch murmeln hoert.
Lisette. Was machen aber die uebrigen?
Anton. Die uebrigen? Valer und Juliane sind wie halb tot. Sie essen
nicht und reden nicht; sie sehen einander an; sie seufzen; sie
schlagen die Augen nieder; sie schielen bald nach dem Vater, bald nach
dem Sohne; sie werden weiss; sie werden rot. Der Zorn und die
Verzweiflung sieht beiden aus den Augen.--Aber juchhe! so recht!
Siehst du, dass es nicht nach deinem Kopfe gehen muss? Mein Herr soll
Julianen haben, und wenn--
Lisette. Ja, dein Herr! Was macht aber der?
Anton. Lauter dumme Streiche. Er kritzelt mit der Gabel auf dem
Teller; haengt den Kopf; bewegt das Maul, als ob er mit sich selbst
redte; wackelt mit dem Stuhle; stoesst einmal ein Weinglas um; laesst es
liegen; tut, als wenn er nichts merkte, bis ihm der Wein auf die
Kleider laufen will; nun faehrt er auf und spricht wohl gar, ich haette
es umgegossen.--Doch genug geplaudert; er wird auf mich fluchen, wo
ich ihm das Buch nicht bald bringe. Ich muss es doch suchen. Auf dem
Tische, zur rechten Hand, soll es liegen. Ja zur rechten Hand; welche
rechte Hand meint er denn? Trete ich so, so ist das die rechte Hand;
trete ich so, so ist sie das; trete ich so, so ist sie das; und das
wird sie, wenn ich so trete. (Tritt an alle vier Seiten des Tisches.)
Sage mir doch, Lisette, welches ist denn die rechte rechte Hand?
Lisette. Das weiss ich so wenig als du. Schade auf das Buch; er mag
es selbst holen. Aber Anton, wir vergessen das Wichtigste; den Brief--
Anton. Koemmst du mir schon wieder mit deinem Briefe? Denkt doch;
deinetwegen soll ich meinen Herrn betruegen?
Lisette. Es soll aber dein Schade nicht sein.
Anton. So? ist es mein Schade nicht, wann ich das, was mir Chrysander
versprochen hat, muss sitzenlassen?
Lisette. Dafuer aber verspricht dich Valer schadlos zu halten.
Anton. Wo verspricht er mir es denn?
Lisette. Wunderliche Haut! ich verspreche es dir an seiner Statt.
Anton. Und wenn du es auch an seiner Statt halten sollst, so werde
ich viel bekommen. Nein, nein; ein Sperling in der Hand ist besser
als eine Taube auf dem Dache.
Lisette. Wann du die Taube gewiss fangen kannst, so wird sie doch
besser sein als der Sperling?
Anton. Gewiss fangen! als wenn sich alles fangen liesse! Nicht wahr,
wann ich die Taube haschen will, so muss ich den Sperling aus der Hand
fliegen lassen?
Lisette. So lass ihn fliegen.
Anton. Gut! und wann sich nun die Taube auch davonmacht? Nein, nein,
Jungfer, so dumm ist Anton nicht.
Lisette. Was du fuer kindische Umstaende machst! Bedenke doch, wie
gluecklich du sein kannst.
Anton. Wie denn? lass doch hoeren.
Lisette. Valer hat versprochen, mich auszustatten. Was sind so einem
Kapitalisten tausend Taler?
Anton. Auf die machst du dir Rechnung?
Lisette. Wenigstens. Dich wuerde er auch nicht leer ausgehen lassen,
wann du mir behilflich waerest. Ich haette alsdenn Geld; du haettest
auch Geld: koennten wir nicht ein allerliebstes Paar werden?
Anton. Wir? ein Paar? Wenn dich mein Herr nicht versteckt haette.
Lisette. Tust du nicht recht albern! Ich habe dir ja alles erzaehlt,
was unter uns vorgegangen ist. Dein Herr, das Buecherwuermchen!
Anton. Ja, auch das sind verdammte Tiere, die Buecherwuermer. Es ist
schon wahr, ein Maedel wie du, mit tausend Talern, die ist wenigstens
tausend Taler wert; aber nur das Kabinett--das Kabinett--
Lisette. Hoere doch einmal auf, Anton, und lass dich nicht so lange
bitten.
Anton. Warum willst du aber dem Alten den Brief nicht selbst geben?
Lisette. Ich habe dir ja gesagt, was darin steht. Wie leicht koennte
Chrysander nicht argwoehnen--
Anton. Ja, ja, mein Aeffchen, ich merk es schon; du willst die
Kastanien aus der Asche haben und brauchst Katzenpfoten dazu.
Lisette. Je nun, mein liebes Katerchen, tu es immer!
Anton. Wie sie es einem ans Herze legen kann! Liebes Katerchen! Gib
nur her, den Brief; gib nur!
Lisette. Da, mein unvergleichlicher Anton--
Anton. Aber es hat doch mit der Ausstattung seine Richtigkeit?--
Lisette. Verlass dich drauf--
Anton. Und mit meiner Belohnung obendrein?--
Lisette. Desgleichen.
Anton. Nun wohl, der Brief ist uebergeben!
Lisette. Aber so bald als moeglich--
Anton. Wenn du willst, jetzt gleich. Komm!--Potz Stern! wer
koemmt?--Zum Henker, es ist Damis.
Zweiter Auftritt
Damis. Anton. Lisette.
Damis. Wo bleibt denn der Schlingel mit dem Buche?
Anton. Ich wollte gleich, ich wollte--Lisette und--Kurz, ich kann es
nicht finden, Herr Damis.
Damis. Nicht finden? Ich habe dir ja gesagt, auf welcher Hand es
liegt.
Anton. Auf der rechten, haben Sie wohl gesagt; aber nicht auf welcher
rechten? Und das wollte ich Sie gleich fragen kommen.
Damis. Dummkopf, kannst du nicht so viel erraten, dass ich von der
Seite rede, an welcher ich sitze?
Anton. Es ist auch wahr, Lisette; und darueber haben wir uns den Kopf
zerbrochen! Herr Damis ist doch immer klueger als wir! (Indem er ihm
hinterwaerts einen Moench sticht.) Nun will ich es wohl finden. Weiss
eingebunden, roten Schnitt, nicht? Gehen Sie nur, ich will es gleich
bringen.
Damis. Ja, nun ist es Zeit, da wir schon vom Tische aufgestanden sind.
Anton. Schon aufgestanden? Zum Henker, ich bin noch nicht satt.
Sind sie schon alle, alle aufgestanden?
Damis. Mein Vater wird noch sitzen und die Zeitung auswendig lernen,
damit er morgen in seinem Kraenzchen den Staatsmann spielen kann. Geh
geschwind, wenn du glaubst, von seinen politischen Brocken satt zu
werden. Was will aber Lisette hier?
Lisette. Bin ich jetzt nicht ebensowohl zu leiden als vorhin?
Damis. Nein, wahrhaftig nein. Vorhin glaubte ich, Lisette haette
wenigstens so viel Verstand, dass ihr Plaudern auf eine Viertelstunde
ertraeglich sein koennte; aber ich habe mich geirrt. Sie ist so dumm
wie alle uebrige im Hause.
Lisette. Ich habe die Ehre, mich im Namen aller uebrigen zu bedanken.
Anton. Verzweifelt! das geht ja jetzt aus einem ganz andern Tone!
Gott gebe, dass sie sich recht zanken! Aber zuhoeren mag ich
nicht--Lisette, ich will immer gehen.
Lisette (sachte). Den Brief vergiss nicht; geschwind!
Damis. So! hast du Lisetten um Urlaub zu bitten? Ich befehle dir:
bleib da. Ich wuesste nicht, wohin du zu gehen haettest.
Anton. Auf die Post, Herr Damis; auf die Post!
Damis. Doch, es ist wahr; nun so geh! geh!
Dritter Auftritt
Damis. Lisette.
Damis. Lisette kann sich nur auch gleich mit fortmachen. Will denn
meine Stube heute gar nicht leer werden? Bald ist der da, bald jener;
bald die, bald jene. Soll ich denn nicht einen Augenblick allein
sein? (Setzt sich an seinen Tisch.) Die Musen verlangen Einsamkeit,
und nichts verjagt sie eher als der Tumult. Ich habe so viele und
wichtige Verrichtungen, dass ich nicht weiss, wo ich zuerst anfangen
soll; und gleichwohl stoert man mich. Mit der Heirat, mit einer so
nichtswuerdigen Sache, ist der groesste Teil des Nachmittags
daraufgegangen; soll mir denn auch der Abend durch das ewige Hin- und
Wiederlaufen entrissen werden? Ich glaube, dass in keinem Hause der
Muessiggang so herrschen kann als in diesem.
Lisette. Und besonders auf dieser Stube.
Damis. Auf dieser Stube? Ungelehrte! Unwissende!
Lisette. Ist das geschimpft oder gelobt?
Damis. Was fuer eine niedertraechtige Seele! die Unwissenheit, die
Ungelehrsamkeit fuer keinen Schimpf zu halten! fuer keinen Schimpf? So
moechte ich doch die Begriffe wissen, die eine so unsinnige Schwaetzerin
von Ehre und Schande hat. Vielleicht, dass bei ihr die Gelehrsamkeit
ein Schimpf ist?
Lisette. Wahrhaftig, wann sie durchgaengig von dem Schlage ist wie bei
Ihnen--
Damis. Nein, das ist sie nicht. Die wenigsten haben es so weit
gebracht--
Lisette. Dass man nicht unterscheiden kann, ob sie naerrisch oder
gelehrt sind?--
Damis. Ich moechte aus der Haut fahren--
Lisette. Tun Sie das, und fahren Sie in eine kluegere.
Damis. Wie lange soll ich noch den Beleidigungen der nichtswuerdigsten
Kreatur ausgesetzt sein?--Tausend wuerden sich gluecklich preisen, wenn
sie nur den zehnten Teil meiner Verdienste haetten. Ich bin erst
zwanzig Jahr alt; und wie viele wollte ich finden, die dieses Alter
beinahe dreimal auf sich haben und gleichwohl mit mir--Doch ich rede
umsonst. Was kann es mir fuer Ehre bringen, eine Unsinnige von meiner
Geschicklichkeit zu ueberfuehren? Ich verstehe sieben Sprachen
vollkommen und bin erst zwanzig Jahr alt. In dem ganzen Umfange der
Geschichte und in allen mit ihr verwandten Wissenschaften bin ich ohne
gleichem--
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Wie stark ich in der Weltweisheit bin, bezeugt die hoechste
Wuerde, die ich schon vor drei Jahren darin erhalten habe. Noch
unwidersprechlicher wird es die Welt jetzt aus meiner Abhandlung von
den Monaden erkennen.--Ach, die verwuenschte Post!--
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Von meiner mehr als demosthenischen Beredsamkeit kann meine
satirische Lobrede auf den Nix der Nachwelt eine ewige Probe geben.
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Freilich! Auch in der Poesie darf ich meine Hand nach dem
unvergaenglichsten Lorbeer ausstrecken. Gegen mich kriecht Milton, und
Haller ist gegen mich ein Schwaetzer. Meine Freunde, welchen ich sonst
zum oeftern meine Versuche, wie ich sie zu nennen belieben vorgelesen
habe, wollen jetzt gar nichts mehr davon hoeren und versichern mich
allezeit auf das aufrichtigste, dass sie schon genugsam von meiner mehr
als goettlichen Ader ueberzeugt waeren.
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Kurz, ich bin ein Philolog, ein Geschichtskundiger, ein
Weltweiser, ein Redner, ein Dichter--
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt! Ein Weltweiser ohne
Bart und ein Redner, der noch nicht muendig ist! schoene Raritaeten!
Damis. Fort! den Augenblick aus meiner Stube!
Lisette. Den Augenblick? Ich moechte gar zu gern die schoene Ausrufung:
und Sie sind erst zwanzig Jahr alt! noch einmal anbringen. Haben Sie
nichts mehr an sich zu ruehmen? O noch etwas! Wollen Sie nicht? Nun
so will ich es selbst tun. Hoeren Sie recht zu, Herr Damis: Sie sind
noch nicht klug und sind schon zwanzig Jahr alt!
Damis. Was? wie? (Steht zornig auf.)
Lisette. Leben Sie wohl! Leben Sie wohl!
Damis. Himmel! was muss man von den ungelehrten Bestien erdulden! Ist
es moeglich von einem unwissenden Weibsbilde--
Vierter Auftritt
Chrysander. Anton. Damis.
Chrysander. Das ist ein verfluchter Brief, Anton! Ei! ei! mein Sohn,
mein Sohn, post coenam stabis, vel passus mille meabis. Du wirst doch
nicht schon wieder sitzen?
Damis. Ein andrer, der nichts zu tun hat, mag sich um dergleichen
barbarische Gesundheitsregeln bekuemmern. Wichtige Beschaeftigungen--
Chrysander. Was willst du von wichtigen Beschaeftigungen reden?
Damis. Ich nicht, Herr Vater? Die meisten von den Buechern, die Sie
hier auf dem Tische sehen, warten teils auf meine Noten, teils auf
meine Uebersetzung, teils auf meine Widerlegung, teils auf meine
Verteidigung, teils auch auf mein blosses Urteil.
Chrysander. Lass sie warten! Jetzt--
Damis. Jetzt kann ich freilich nicht alles auf einmal verrichten.
Wann ich nur erst mit dem Wichtigsten werde zustande sein. Sie
glauben nicht, was mir hier eine gewisse Untersuchung fuer Nachschlagen
und Kopfbrechen kostet. Noch eine einzige Kleinigkeit fehlt mir, so
habe ich es bewiesen, dass sich Kleopatra die Schlangen an den Arm, und
nicht an die Brust, gesetzt hat--
Chrysander. Die Schlangen taugen nirgends viel. Mir waere beinahe
jetzt auch eine in Busen gekrochen; aber noch ist es Zeit. Hoere
einmal, mein Sohn; hier habe ich einen Brief bekommen, der mich--
Damis. Wie? einen Brief? einen Brief? Ach, lieber Anton! einen
Brief? Liebster Herr Vater, einen Brief? von Berlin? Lassen Sie mich
nicht laenger warten; wo ist er? Nicht wahr, nunmehr werden Sie
aufhoeren an meiner Geschicklichkeit zu zweifeln? Wie gluecklich bin
ich! Anton, weisst du es auch schon, was darin steht?
Chrysander. Was schwaermst du wieder? Der Brief ist nicht von Berlin;
er ist von meinem Advokaten aus Dresden, und nach dem, was er schreibt,
kann aus deiner Heirat mit Julianen nichts werden.
Damis. Nichtswuerdiger Kerl! so bist du noch nicht wieder auf der Post
gewesen?
Anton. Ich habe es Ihnen ja gesagt, dass vor neun Uhr fuer mich auf der
Post nichts zu tun ist.
Damis. Ah, verberabilissime, non fur, sed trifur! Himmel! dass ich
vor Zorn sogar des Plautus Schimpfwoerter brauchen muss. Wird dir denn
ein vergebner Gang gleich den Hals kosten?
Anton. Schimpften Sie mich? Weil ich es nicht verstanden habe, so
mag es hingehen.
Chrysander. Aber sage mir nur, Damis; nicht wahr, du hast doch einen
kleinen Widerwillen gegen Julianen? Wenn das ist, so will ich dich
nicht zwingen. Du musst wissen, dass ich keiner von den Vaetern bin--
Damis. Ist die Heirat schon wieder auf dem Tapete? Wann Sie doch
wegen meines Widerwillens unbesorgt sein wollten. Genug, ich heirate
sie--
Chrysander. Das heisst so viel, du wolltest dich meinetwegen zwingen?
Das will ich durchaus nicht. Wenn du gleich mein Sohn bist, so bist
du doch ein Mensch; und jeder Mensch wird frei geboren; er muss machen
koennen, was er will; und--kurz--ich gebe dir dein Wort wieder zurueck.
Damis. Wieder zurueck? und vor einigen Stunden konnte ich mich nicht
hurtig genug entschliessen? Wie soll ich das verstehen?
Chrysander. Das sollst du so verstehen, dass ich es ueberlegt habe und
dass, weil dir Juliane nicht gefaellt, sie mir auch nicht ansteht; dass
ich ihre wahren Umstaende in diesem Briefe wieder gefunden habe und
dass--Du siehst es ja, dass ich den Brief nur jetzt gleich bekommen habe.
Ich weiss zwar wahrhaftig nicht, was ich davon denken soll? Die Hand
meines Advokaten ist es nicht--
(Damis setzt sich wieder an den Tisch.)
Anton. Nicht? oh! die Leutchen muessen mehr als eine Hand zu schreiben
wissen.
Chrysander. Zu geschwind ist es beinahe auch. Kaum sind es acht Tage,
dass ich ihm geschrieben habe. Sollte er das Ding in der kurzen Zeit
schon haben untersuchen koennen? Von wem hast du denn den Brief
bekommen, Anton?
Anton. Von Lisetten.
Chrysander. Und Lisette?
Anton. Von dem Brieftraeger, ohne Zweifel.
Chrysander. Aber warum bringt denn der Kerl die Briefe nicht mir
selbst?
Anton. Sie werden sich doch in den Haenden, wodurch sie gehen, nicht
veraendern koennen?
Chrysander. Man weiss nicht--Gleichwohl aber lassen sich die Gruende,
die er anfuehrt, hoeren. Ich muss also wohl den sichersten Weg nehmen
und dir, mein Sohn--Aber, ich glaube gar, du hast dich wieder an den
Tisch gesetzt und studierst?
Damis. Mein Gott! ich habe zu tun, ich habe sogar viel zu tun.
Chrysander. Drum mit einem Worte, damit ich dich nicht um die Zeit
bringe: die Heirat mit Julianen war nichts als ein Gedanke, den du
wieder vergessen kannst. Wann ich es recht ueberlege, so hat doch
Valer das groesste Recht auf sie.
Damis. Sie betruegen sich, wenn Sie glauben, dass ich nunmehr davon
abgehen werde.--Ich habe alles wohl ueberleget, und ich muss es Ihnen
nur mit ganz trocknen Worten sagen, dass eine boese Frau mir helfen soll,
meinen Ruhm unsterblich zu machen; oder vielmehr, dass ich eine boese
Frau, an die man nicht denken wuerde, wann sie keinen Gelehrten gehabt
haette, mit mir zugleich unsterblich machen will. Der Charakter eines
solchen Eheteufels wird auf den meinigen ein gewisses Licht werfen--
Chrysander. Nun wohl, wohl; so nimm dir eine boese Frau; nur aber eine
mit Gelde, weil an einer solchen die Bosheit noch ertraeglich ist. Von
der Gattung war meine erste selige Frau. Um die zwanzigtausend Taler,
die ich mit ihr bekam, haette ich des boesen Feindes Schwester heiraten
wollen--Du musst mich nur recht verstehen: ich meine es nicht nach den
Worten.--Wann sie aber boese sein soll, deine Frau, was willst du mit
Julianen?--Hoere, ich kenne eine alte Witwe, die schon vier Maenner ins
Grab gezankt hat; sie hat ihr feines Auskommen: ich daechte, das waere
deine Sache; nimm die! Ich habe dir das Maul einmal waessrig gemacht,
ich muss dir also doch etwas darein geben. Wann es einmal eine
Xanthippe sein soll, so kannst du keine bessre finden.
Damis. Mit Ihrer Xanthippe! ich habe es Ihnen ja schon mehr als
einmal gesagt, dass Xanthippe keine boese Frau gewesen ist. Haben Sie
meine Beweisgruende schon wieder vergessen?
Chrysander. Ei was? mein Beweis ist das Abc-Buch. Wer so ein Buch
hat schreiben koennen, das so allgemein geworden ist, der muss es gewiss
besser verstanden haben als du. Und kurz, mir liegt daran, dass
Xanthippe eine boese Frau gewesen ist. Ich koennte mich nicht
zufriedengeben, wenn ich meine erste Frau so oft sollte gelobt haben.
Schweig also mit deinen Narrenspossen; ich mag von dir nicht besser
unterrichtet sein.
Damis. So wird uns gedankt, wenn wir die Leute aus ihren Irrtuemern
helfen wollen.
Chrysander. Seit wenn ist denn das Ei klueger als die Henne? he? Herr
Doktor, vergess Er nicht, dass ich Vater bin und dass es auf den Vater
ankoemmt, wenn der Sohn heiraten soll. Ich will an Julianen nicht mehr
gedacht wissen--
Damis. Und warum nicht?
Chrysander. Soll ich meinem einzigen Sohne ein armes Maedchen
aufhaengen? Du bist nicht wert, dass ich fuer dich so besorgt bin. Du
weisst ja, dass sie nichts im Vermoegen hat.
Damis. Hatte sie vorhin, da ich sie heiraten sollte, mehr als jetzt?
Chrysander. Das verstehst du nicht. Ich wusste wohl, was ich vorhin
tat: aber ich weiss auch, was ich jetzt tue.
Damis. Gut, desto besser ist es, wann sie kein Geld hat. Man wird
mir also nicht nachreden koennen, die boese Frau des Geldes wegen
genommen zu haben; man wird es zugestehen muessen, dass ich keine andere
Absicht gehabt als die, mich in den Tugenden zu ueben, die bei
Erduldung eines solchen Weibes noetig sind.
Chrysander. Eines solchen Weibes! Wer hat dir denn gesagt, dass
Juliane eine boese Frau werden wird?
Damis. Wenn ich nicht, wie wir Gelehrten zu reden pflegen, a priori
davon ueberfuehrt waere, so wuerde ich es schon daraus schliessen koennen,
weil Sie daran zweifeln.
Chrysander. Fein naseweis, mein Sohn! fein naseweis! Ich habe
Julianen auferzogen; sie hat viel Wohltaten bei mir genossen; ich habe
ihr alles Gute beigebracht: wer von ihr Uebels spricht, der spricht es
zugleich von mir. Was? ich sollte nicht ein Frauenzimmer zu ziehen
wissen? Ich sollte ein Maedchen, das unter meiner Aufsicht gross
geworden ist, nicht so weit gebracht haben, dass es einmal eine
rechtschaffne wackre Frau wuerde? Reich habe ich sie freilich nicht
machen koennen; ich bin der Wohltat selbst noch benoetigt. Aber dass ich
sie nicht tugendhaft, nicht verstaendig gemacht haette, das kann mir nur
einer nachreden, der so dumm ist als du, mein Sohn. Nimm mir es nicht
uebel, dass ich mit der Sprache herausruecke. Du bist so ein
eingemachter Narre, so ein Stockfisch--nimm mir's nicht uebel, mein
Sohn--so ein ueberstudierter Pickelhering--aber nimm mir's nicht uebel--
Damis (beiseite). Bald sollte ich glauben, dass sein erster Handel mit
eingesalznen Fischen gewesen sei.--Schon gut, Herr Vater; von
Julianens Tugend will ich nichts sagen; die Tugend ist oft eine Art
von Dummheit. Aber was ihren Verstand anbelangt, von dem werden Sie
mir erlauben, dass ich ihn noch immer in Zweifel ziehe. Ich bin nun
schon eine ziemliche Zeit wieder hier; ich habe mir auch manchmal die
Muehe genommen, ein paar Worte mit ihr zu sprechen: hat sie aber wohl
jemals an meine Gelehrsamkeit gedacht? Ich mag nicht gelobt sein; so
eitel bin ich nicht; nur muss man den Leuten ihr Recht widerfahren
lassen--
Fuenfter Auftritt
Chrysander. Damis. Valer.
Chrysander. Gut, gut, Herr Valer, Sie kommen gleich zur rechten
Stunde.
Damis. Was will der unertraegliche Mensch wieder?
Valer. Ich komme, Abschied von Ihnen beiden zu nehmen--
Chrysander. Abschied? so zeitig? warum denn?
Valer. Ich glaube nicht, dass Sie im Ernste fragen.
Chrysander. Gott weiss es, Herr Valer; in dem allerernstlichstem
Ernste. Ich lasse Sie wahrhaftig nicht.
Valer. Um mich noch empfindlicher zu martern? Sie wissen, wie lieb
mir die Person allezeit gewesen ist, die Sie mir heute entreissen.
Doch das Unglueck waere klein, wenn es mich nur allein traefe. Sie
wollen noch dazu diese geliebte Person mit einem verbinden, der sie
ebenso sehr hasst, als ich sie verehre? Meine ganze Seele ist voller
Verzweiflung, und von nun an werde ich weder hier noch irgendswo in
der Welt wieder ruhig werden. Ich gehe, um mich--
Chrysander. Nicht gehen, Herr Valer, nicht gehen! Dem Uebel ist
vielleicht noch abzuhelfen.
Valer. Abzuhelfen? Sie beschimpfen mich, wenn Sie glauben, dass ich
jemals diesen Streich ueberwinden werde. Er wuerde fuer ein minder
zaertliches Herz, als das meinige ist, toedlich sein.
Damis. Was fuer ein Gewaesche! (Setzt sich an seinen Tisch.)
Valer. Wie gluecklich sind Sie, Damis! Lernen Sie wenigstens Ihr
Glueck erkennen; es ist der geringste Dank, den Sie dem Himmel schuldig
sind. Juliane wird die Ihrige--
Chrysander. Ei, wer sagt denn das? Sie soll noch zeitig genug die
Ihrige werden, Herr Valer, nur Geduld!
Valer. Halten Sie inne mit Ihren kalten Verspottungen--
Chrysander. Verspottungen? Sie muessen mich schlecht kennen. Was ich
sage, das sag ich. Ich habe die Sache nun besser ueberlegt; ich sehe,
Juliane schickt sich fuer meinen Sohn nicht und er sich noch viel
weniger fuer Julianen. Sie lieben sie; Sie haben laengst bei mir um sie
angehalten; wer am ersten koemmt, der muss am ersten mahlen. Ich habe
eben mit meinem Sohne davon geredt--Sie kennen ihn ja--
Valer. Himmel, was hoer ich? Ist es moeglich? welche glueckliche
Veraenderung! Erlauben Sie, dass ich Sie tausendmal umfange. Soll ich
also doch noch gluecklich sein? O Chrysander! o Damis!
Chrysander. Reden Sie mit ihm und setzen Sie ihm den Kopf ein wenig
zurechte. Ich will zu Julianen gehen und ihr meinen veraenderten
Entschluss hinterbringen. Sie wird mir es doch nicht uebelnehmen?
Valer. Uebel? Sie werden ihr das Leben wiedergeben, so wie Sie es
mir wiedergegeben haben.
Chrysander. Ei, kann ich das? (Geht ab.)
Sechster Auftritt
Damis. Valer. Anton.
Valer. Und in welchem Tone soll ich nun mit Ihnen reden, liebster
Freund? Das erneuerte Versprechen Ihres Vaters berechtigte mich, Sie
ganz und gar zu uebergehen. Ich habe gewonnen, sobald Chrysander
Julianen zu zwingen aufhoert. Doch wie angenehm soll es mir sein, wann
ich ihren Besitz zum Teil auch Ihnen werde verdanken koennen.
Damis. Anton!
Anton (koemmt). Was soll der? ist Ihnen die Post wieder eingefallen?
Damis. Gleich geh! sie muss notwendig da sein.
Anton. Aber ich sage Ihnen, dass sie bei so uebeln Wetter vor zehn Uhr
nicht kommen kann.
Damis. Gibst du abermals eine Stunde zu? Kurz, geh! und koemmst du
leer wieder, so sieh dich vor!
Anton. Wenn ich diese Nacht nicht sanft schlafe, so glaube ich
zeitlebens nicht mehr, dass die Muedigkeit etwas dazu helfen kann.
(Gehet ab.)
Siebenter Auftritt
Damis. Valer.
Valer. So? anstatt zu antworten, reden Sie mit dem Bedienten?
Damis. Verzeihen Sie, Valer; Sie haben also mit mir gesprochen? Ich
habe den Kopf so voll; es ist mir unmoeglich, auf alles zu hoeren.
Valer. Und Sie wollen sich auch bei mir verstellen? Ich weiss die
Zeit noch sehr wohl, da ich in ebendem wunderbaren Wahne stand, es
liesse gelehrt, so zerstreut als moeglich und auf nichts als auf sein
Buch aufmerksam zu tun. Doch glauben Sie nur, der muss sehr einfaeltig
sein, den Sie mit diesen Gaukeleien hintergehen wollen.
Damis. Und Sie muessen noch einfaeltiger sein, dass Sie glauben koennen,
ein jeder Kopf sei so gedankenleer als der Ihrige. Und verdient denn
Ihr Geschwaetz, dass ich darauf hoere? Sie haben ja gewonnen, sobald
Chrysander Julianen zu zwingen aufhoert; Sie sind ja berechtiget, mich
zu uebergehen--
Valer. Das muss doch eine besondere Art der Zerstreuung sein, in
welcher man des andern Reden gleichwohl so genau hoeret, dass man sie
von Wort zu Wort wiederholen kann.
Damis. Ihre Spoetterei ist sehr trocken. (Sieht wieder auf sein Buch.)
Valer. Doch aber zu empfinden?--Was fuer eine Marter ist es, mit einem
Menschen von Ihrer Art zu tun zu haben? Es gibt deren wenige--
Damis. Das sollte ich selbst glauben.
Valer. Es wuerden sich aber mehrere finden, wenn selbst--
Damis. Ganz recht; wenn die wahre Gelehrsamkeit nicht so schwer zu
erlangen, die natuerliche Faehigkeit dazu gemeiner und ein unermuedeter
Fleiss nicht so etwas Beschwerliches waeren--
Valer. Ha! ha! ha!
Damis. Das Lachen eines wahren Idioten!
Valer. Sie reden von Ihrer Gelehrsamkeit, und ich, mit Vergebung,
wollte von Ihrer Torheit reden. Hierin, meinte ich, wuerden Sie
mehrere Ihresgleichen finden, wenn selbst diese Torheit ihren Sklaven
nicht zur Last werden muesste.
Damis. Verdienen Sie also, dass ich Ihnen antworte? (Sieht wieder in
sein Buch.)
Valer. Und verdienen Sie wohl, dass ich noch Freundes genug bin, mit
Ihnen ohne Verstellung zu reden? Glauben Sie mir, Sie werden Ihre
Torheiten bei mehreren Verstande bereuen--
Damis. Bei mehreren Verstande? (Spoettisch.)
Valer. Werden Sie darueber ungehalten? Das ist wunderbar! Ihr Koerper
kann, Ihren Jahren nach, noch nicht ausgewachsen haben, und Sie
glauben, dass Ihre Seele gleichwohl schon zu ihrer moeglichen
Vollkommenheit gelanget sei? Ich wuerde den fuer meinen Feind halten,
welcher mir den Vorzug, taeglich zu mehrerm Verstande zu kommen,
streitig machen wollte.
Damis. Sie!
Valer. Sie werden so spoettisch, mein Herr Nebenbuhler--Doch da ist
sie selbst! (Laeuft ihr entgegen.) Ah, Juliane--
Achter Auftritt
Juliane. Damis. Valer.
Juliane. Ach, Valer, welche glueckliche Veraenderung!--
Damis (indem er sich auf dem Stuhle umwendet). Die Ehre, Sie hier zu
sehen, Mademoiselle, habe ich ohne Zweifel einem Irrtume zu danken?
Sie glauben vielleicht, in Ihr Schlafzimmer zu kommen--
Juliane. Dieser Irrtum waere unvergeblich! Nein! mein Herr, es
geschieht auf Befehl Ihres Herrn Vaters, dass ich diesen heiligen Ort
betrete. Ich komme, Ihnen einen Kauf aufzusagen und mich bei Ihrer
Muse zu entschuldigen, dass ich beinahe in die Gefahr gekommen waere,
ihr einen so liebenswuerdigen Geist abspenstig zu machen.
Valer. O wie entzueckt bin ich, schoenste Juliane, Sie auf einmal
wieder in Ihrer Heiterkeit zu sehen.
Damis. Wenn ich das Gewaesche eines Frauenzimmers recht verstehe, so
kommen Sie, ein Paktum aufzuheben, welches doch alle Requisita hat,
die zu einem unumstoesslichen Pakto erfordert werden.
Juliane. Und wann ich das Galimathias eines jungen Gelehrten
verstehen darf, so haben Sie es getroffen.
Damis. Mein Vater ist ein Idiote. Koemmt es denn nur auf ihn oder auf
Sie, Mademoiselle, an, einen Vertrag, der an meinem Teil fest bestehet,
ungueltig zu machen?--Es wird sich alles zeigen; nur wollte ich bitten,
mich jetzt ungestoert zu lassen--(Wendet sich wieder an den Tisch.)
Valer. Was fuer ein Bezeigen! hat man jemals einem Frauenzimmer, auf
dessen Besitz man Anspruch macht, so begegnet?
Damis. Und ist man jemals einem beschaeftigten Gelehrten so ueberlaestig
gewesen? Diese verdriessliche Gesellschaft loszuwerden, muss ich nur
selbst meine vier Waende verlassen. (Geht ab.)
Neunter Auftritt
Valer. Juliane.
Juliane. Und wir lachen ihm nicht nach?
Valer. Nein, Juliane; eine bessere Freude mag uns jetzt erfuellen; und
beinahe gehoert eine Art von Grausamkeit dazu, sich ueber einen so
klaeglichen Toren lustig zu machen. Wie soll ich Ihnen die Regungen
meines Herzens beschreiben, jetzt, da man ihm alle seine
Glueckseligkeit wiedergegeben hat? Ich beschwoere Sie, Juliane, wann
Sie mich lieben, so verlassen Sie noch heute mit mir dieses
gefaehrliche Haus. Setzen Sie sich nicht laenger der Ungestuemigkeit
eines veraenderlichen Alten, der Raserei eines jungen Pedanten und der
Schwaeche Ihrer eignen allzu zaertlichen Denkungsart aus. Sie sind mir
in einem Tage genommen und wiedergegeben worden; lassen Sie ihn den
ersten und den letzten sein, der so grausam mit uns spielen darf!
Juliane. Fassen Sie sich, Valer. Wir wollen lieber nichts tun, was
uns einige Vorwuerfe von Chrysandern zuziehen koennte. Sie sehen, er
ist auf dem besten Wege, und ich liebe ihn ebensosehr, als ich den
Damis verachte. Durch das Misstrauen, wodurch ich mich auf einmal
seiner Vorsorge entzoege, wuerde ich ihm fuer seine Wohltaten schlecht
danken--
Valer. Noch immer reden Sie von Wohltaten? Ich werde nicht eher
ruhig, als bis ich Sie von diesen gefaehrlichen Banden befreiet habe.
Erlauben Sie mir, dass ich sie sogleich gaenzlich vernichte und dem
alten Eigennuetzigen--
Juliane. Nennen Sie ihn anders, Valer; er ist das nicht; und schon
seine Veraenderung zeigt es, dass Lisette falsch gehoert oder uns
hintergangen hat. Zwar weiss ich nicht, wem ich diese Veraenderung
zuschreiben soll--(Nachsinnend.)
Valer. Warum auf einmal so in Gedanken? Die Ursache, die ihn bewogen
hat, mag sein, welche es will; ich weiss doch gewiss, dass es eine Fuegung
des Himmels ist.
Juliane. Des Himmels oder Lisettens. Auf einmal faellt mir ein, was
Sie mir von einem Briefe gesagt haben. Sollte wohl Lisettens allzu
grosse Dienstfertigkeit--
Valer. Welche Einbildung, liebste Juliane! Sie weiss es ja, dass Ihre
Tugend in diesen kleinen Betrug nicht willigen wollen.
Juliane. Gleichwohl, je mehr ich nachdenke--
Valer. Wenn es nun auch waere, wollten Sie denn deswegen--
Juliane. Wann es nun auch waere? wie?
Zehnter Auftritt
Lisette. Valer. Juliane.
Juliane. Du koemmst als gerufen, Lisette.
Lisette. Nun, gehen meine Sachen nicht vortrefflich? Wollen Sie es
nicht unten mit anhoeren, wie sich Damis und Chrysander zanken? "Du
sollst sie nicht bekommen; ich muss sie bekommen: ich bin Vater; Sie
haben mir sie versprochen: ich habe mich anders besonnen; ich aber
nicht: so muss es noch geschehen; das ist unmoeglich: unmoeglich oder
nicht; kurz, ich geh nicht ab, ich will es Ihnen aus Buechern beweisen,
dass Sie mir Wort halten muessen: du kannst mit deinen Buechern an den
Galgen gehen."--Was wiederhole ich viel ihre naerrische Reden? Der
Vater hat recht; er handelt klug: er wuerde aber gewiss nicht so klug
handeln, wenn ich nicht vorher so klug gewesen waere.
Juliane. Wie verstehst du das, Lisette?
Lisette. Ich lobe mich nicht gerne selbst. Kurz, meine liebe Mamsell,
Ihr Schutzengel, der bin ich!
Juliane. Der bist du? und wie denn?
Lisette. Dadurch, dass ich einen Betrueger mit seiner Muenze bezahlt
habe. Der alte haessliche--
Juliane. Und also hast du Chrysandern betrogen?
Lisette. Ei, sagen Sie doch das nicht; einen Betrueger betruegt man
nicht, sondern den hintergeht man nur. Hintergangen hab ich ihn.
Valer. Und wie?
Lisette. Schlecht genug, dass Sie es schon wieder vergessen haben.
Ich sollte meinen, erkenntlich zu sein, brauche man ein besser
Gedaechtnis.
Juliane. Du hast ihm also wohl gar den falschen Brief untergeschoben?
Lisette. Behuete Gott! ich habe ihn bloss durch einen erdichteten Brief
auf andere Gedanken zu bringen gesucht; und das ist mir gelungen.
Juliane. Das hast du getan? Und ich sollte mein Glueck einer
Betruegerin zu danken haben? Es mag mir gehen, wie es will; Chrysander
soll es den Augenblick erfahren--
Lisette. Was soll denn das heissen? Ist das mein Dank?
Valer. Besinnen Sie sich, Juliane; verziehen Sie!
Juliane. Unmoeglich, Valer; lassen Sie mich. (Juliane geht ab.)
Eilfter Auftritt
Valer. Lisette.
Valer. Himmel, nun ist alles wieder aus!
Lisette. So mag sie es haben! Gift und Galle moechte ich speien, so
toll bin ich! Fuer meinen guten Willen mich eine Betruegerin zu heissen?
Ich hoffte, sie wuerde mir vor Freuden um den Hals fallen.--Wie wird
der Alte auf mich losziehen! Er jagt mich und Sie zum Hause heraus.
Was wollen Sie nun anfangen?
Valer. Ja, was soll ich nun anfangen, Lisette?
Lisette. Ich glaube, Sie antworten mir mit meiner eignen Frage? Das
ist bequem. Mein guter Rat hat ein Ende. Ich will mich bald wieder
in so etwas mengen!
Valer. Zu was fuer einer ungelegnen Zeit kamst du aber auch, Lisette?
Ich hatte dir es gesagt, dass Juliane in diesen Streich nicht willigen
wollte. Haettest du nicht noch einige Zeit schweigen koennen?
Lisette. Konnte ich denn vermuten, dass sie so uebertrieben eigensinnig
sein wuerde? Sie koennen sich leicht einbilden, wie es mit unsereiner
ist: ich haette nicht wieviel nehmen und es gegen sie laenger verbergen
wollen, wem sie ihr Glueck zu danken habe. Die Freude ist schwatzhaft,
und--Ach, ich moechte gleich--
Zwoelfter Auftritt
Anton. Valer. Lisette.
Anton (mit Briefen in der Hand). Ha! ha! haltet ihr wieder Konferenz!
Wenn es mein Herr wuesste, dass in seiner eignen Stube die schlimmsten
Anschlaege wider ihn geschmiedet werden, er wuerde dich, Lisette--Aber,
wie steht ihr denn da beisammen? Herr Valer scheint betruebt: du bist
erhitzt, erhitzt wie ein Zinshahn. Habt ihr euch geschlagen, oder
habt ihr euch sonst eine Motion gemacht? Ei, ei, Lisette!
hoere--(sachte zu Lisetten) du hast dich doch der Ausstattung wegen mit
ihm nicht ueberworfen? Hat er sein Wort etwa zurueckgezogen? Das waere
ein verfluchter Streich. (Laut.) Nein, nein, Herr Valer, was man
verspricht, das muss man halten. Sie hat Ihnen redlich gedienet und
ich auch. Zum Henker! glauben Sie denn, dass es einmal einer ehrlichen
Seele keine Gewissensbisse verursachen muss, wenn sie ihre Herrschaft
fuer null und nichts betrogen hat? Ich lasse mich nicht vexieren; und
meine Forderung wenigstens--Hol' mich dieser und jener! ich nehm einen
Advokaten an, einen rechten Bullenbeisser von einem Advokaten, der
Ihnen gewiss so viel soll zu schaffen machen--
Lisette. Ach Narre, schweig!
Valer. Was will er denn? Mit wem sprichst du denn?
Anton. Potz Stern! mit unserm Schuldmanne sprech ich. Das koennen Sie
ja wohl am Tone hoeren.
Valer. Wer ist denn dein Schuldmann?
Anton. Kommt es nun da heraus, dass Sie die Schuld leugnen wollen?
Hoeren Sie: mein Advokat bringt Sie zum Schwur--
Valer. Lisette, weisst denn du, was er will?
Lisette. Der Schwaermer! ich brauchte ihn vorhin zu Ueberbringung des
Briefes und versprach ihm, wenn die Sache gut ausfallen sollte, eine
Belohnung von Ihnen.
Valer. Weiter ist es nichts?
Anton. Ich daechte doch, das waere genug. Und wie haelt es denn mit
Lisettens Ausstattung? Ich muss mich um ihr Vermoegen so gut als um das
meinige bekuemmern, weil es doch meine werden soll.
Valer. Seid unbesorgt; wenn ich mein Glueck mache, so will ich das
eurige gewiss nicht vergessen.
Anton. Gesetzt aber, Sie machten es nicht? Und was versprochen ist,
ist doch versprochen.
Valer. Auch alsdenn will ich euern Eifer nicht unbelohnt lassen.
Anton. Ach, das sind Komplimente, Komplimente!
Lisette. So hoer einmal auf!
Anton. Bist du nicht eine Naerrin; ich rede ja fuer dich mit.
Lisette. Es ist aber ganz unnoetig.
Anton. Unnoetig? habt ihr euch denn nicht gezankt?
Lisette. Warum nicht gar?
Anton. Hat er sein Versprechen nicht zurueckgezogen?
Lisette. Nein doch.
Anton. O so verzeihen Sie mir, Herr Valer. Die Galle kann einem
ehrlichen Manne leicht ueberlaufen. Ich bin ein wenig hitzig, zumal in
Geldsachen. Fuerchten Sie sich fuer den Advokaten nur nicht--
Valer. Und ich kann in einer so marternden Ungewissheit hier noch
verziehen? Ich muss sie sprechen; vielleicht hat sie es noch nicht
getan--
Lisette. Hat sie es aber getan, so kommen Sie dem Alten ja nicht zu
nahe!
Valer. Ich habe von dem ganzen Handel nichts gewusst.
Lisette. Desto schlimmer alsdenn fuer mich. Gehen Sie nur.
Dreizehnter Auftritt
Anton. Lisette.
Anton. Desto schlimmer fuer dich? Was ist denn desto schlimmer fuer
dich? Warum soll er denn dem Alten nicht zu nahe kommen? Was habt
ihr denn wieder!
Lisette. Je, der verfluchte Brief!
Anton. Was fuer ein Brief?
Lisette. Den ich dir vorhin gab.
Anton. Was ist denn mit dem?
Lisette. Es ist alles umsonst; meine Muehe ist vergebens.
Anton. Wie denn so? So wahr ich lebe, ich habe ihn richtig bestellt.
Mache keine Possen und schiebe die Schuld etwa auf mich!
Lisette. Richtig uebergeben ist er wohl; er tat auch schon seine
Wirkung. Aber Juliane hat uns selbst einen Strich durch die Rechnung
gemacht. Sie will es durchaus entdecken, dass es ein falscher Brief
gewesen sei, und hat es vielleicht auch schon getan.
Anton. Was zum Henker, sie selbst? Da werden wir ankommen! Siehst
du; nun ist der Sperling und die Taube weg. Und was das schlimmste ist:
da ich die Taube habe fangen wollen, so bin ich darueber mit der Nase
ins Weiche gefallen. Oder deutlicher und ohne Gleichnis mit dir zu
reden: die versprochene Belohnung bei dem Alten hab ich verloren, die
eingebildete bei Valeren entgeht mir auch, und aller Profit, den ich
dabei machen werde, ist, nebst einem gnaedigen Rippenstosse, ein Pack
dich zum Teufel!--Will Sie mich alsdenn noch, Jungfer Lisette?--Oh,
Sie muss mich. Ich will Sie die Leute lehren ungluecklich machen--
Lisette. Es wird mir gewiss besser gehen? Wir wandern miteinander,
und wenn wir nur einmal ein Paar sind, so magst du sehen, wie du mich
ernaehrest.
Anton. Ich dich ernaehren? bei der teuren Zeit? Wenn ich noch koennte
mit dir herumziehen, wie der mit dem grossen Tiere, das ein Horn auf
der Nase hat.
Lisette. Sorge nicht, in ein Tier mit einem Horne will ich dich bald
verwandeln. Es wird alsdenn doch wohl einerlei sein, ob du mit mir
oder ich mit dir herumziehe.
Anton. Nu wahrhaftig, mit dir weiss man doch noch, woran man ist.
--Aber, damit wir nicht eins ins andre reden, wo ist denn nun mein
Herr? Da sind endlich seine verdammten Briefe!
Lisette. Siehst du ihn?
Anton. Nein; aber wo mir recht ist, jetzt hoer ich ihn.
Lisette. Lass ihn nur kommen; toll will ich ihn noch machen, zu guter
Letzt.
Vierzehnter Auftritt
Anton. Lisette. Damis (koemmt ganz tiefsinnig; Lisette schleicht
hinter ihm her und macht seine Grimassen nach).
Anton. Halt! ich will ihn noch ein wenig zappeln lassen und ihm die
Briefe nicht gleich geben. (Steckt sie ein.) Wie so tiefsinnig, Herr
Damis? was steckt Ihnen wieder im Kopfe?
Damis. Halt dein Maul!
Anton. Kurz geantwortet! Aber soll sich denn ein Bedienter nicht um
seinen Herrn bekuemmern? Es waere doch ganz billig, wann ich auch wuesste,
worauf Sie daechten. Eine blinde Henne findet auch manchmal ein
Koernchen, und vielleicht koennte ich Ihnen--
Damis. Schweig!
Anton. Die Antwort war noch kuerzer. Wenn sie stufenweise so abnimmt,
so will ich einmal sehen, was uebrigbleiben wird.--Was zaehlen Sie denn
an den Fingern? Was hat Ihnen denn der arme Nagel getan, dass Sie ihn
so zerreissen? (Er wird Lisetten gewahr.)--Und, zum Henker, was ist
denn das fuer ein Affe? Koemmst du von Sinnen?
Lisette. Halt dein Maul!
Anton. Um des Himmels willen geh! Wann mein Herr aus seinem Schlafe
erwacht und dich sieht--
Lisette. Schweig!
Anton. Willst du mich oder meinen Herrn zum besten haben? So sehen
Sie doch einmal hinter sich, Herr Damis!
Damis (geht einigemal tiefsinnig auf und nieder; Lisette in gleichen
Stellungen hinter ihm her; und wann er sich umwendet, schleicht sie
sich hurtig herum, dass er sie nicht gewahr wird). Meiner
Hochzeitfackel Brand Sei von mir jetzt selbst gesungen!
Anton. Ho! ho! Sie machen Verse? Komm, Lisette, nun muessen wir ihn
allein lassen. Bei solcher Gelegenheit hat er mich selbst schon, mehr
als einmal, aus der Stube gestossen. Komm nur; er ruft uns gewiss
selbst wieder, sobald er fertig ist, und vielleicht das ganze Haus
dazu.
Lisette (indem sich Damis umwendet, bleibt sie starr vor ihm stehen
und nimmt seinen Ton an). Meiner Hochzeitfackel Brand Sei von mir
jetzt selbst gesungen!
(Damis tut, als ob er sie nicht gewahr wuerde, und stoesst auf sie.)
Damis. Was ist das?
Lisette. Was ist das?
(Beide, als ob sie zu sich selbst kaemen.)
Damis. Unwissender, niedertraechtiger Kerl! habe ich dir nicht oft
genug gesagt, keine Seele in meine Stube zu lassen als aufs hoechste
meinen Vater? Was will denn die hier?
Lisette. Unwissender, niedertraechtiger Kerl! hast du mir es nicht oft
genug gesagt, dass ich mich aus der Stube fortmachen soll? Kannst du
dir denn aber nicht einbilden, dass die, welche im Kabinette hat sein
duerfen, auch Erlaubnis haben werde, in der Stube zu sein? Unwissender,
niedertraechtiger Kerl!
Anton. Wem soll ich nun antworten?
Damis. Gleich stosse sie zur Stube hinaus!
Anton. Stossen? mit Gewalt?
Damis. Wenn sie nicht in gutem gehen will--
Anton. Lisette, geh immer in gutem--
Lisette. Sobald es mir gelegen sein wird.
Damis. Stoss sie heraus, sag ich!
Anton. Komm, Lisette, gib mir die Hand; ich will dich ganz ehrbar
herausfuehren.
Lisette. Grobian, wer wird denn ein Frauenzimmer mit der blossen Hand
fuehren wollen?
Anton. O ich weiss auch zu leben!--In Ermanglung eines Handschuhs
also--(er nimmt den Zipfel von der Weste)--werde ich die Ehre haben--
Damis. Ich seh wohl, ich soll mich selbst ueber sie machen--(Geht auf
sie los.)
Lisette. Ha! ha! ha! so weit wollte ich Sie nur gern bringen. Adieu!
Funfzehnter Auftritt
Anton. Damis.
Damis. Nun sind alle Gedanken wieder fort! Das Feuer ist verraucht;
die Einbildungskraft ist zerstreut. Der Gott, der uns begeistern muss,
hat mich verlassen--Verdammte Kreatur! was fuer Verdruss hat sie mir
heute nicht schon gemacht! wie spoettisch ist sie mit mir umgegangen!
Himmel! in meiner Tiefsinnigkeit mir alles so laecherlich nachzuaeffen.
Anton. Sie sahen es ja aber nicht.
Damis. Ich sah es nicht?
Anton. Ja? ist's moeglich? und Sie stellten sich nur so?
Damis. Schweig, Idiote!--Ich will sehen, ob ich mich wieder in die
Entzueckung setzen kann--
Anton. Tun Sie das lieber nicht; die Verse koennen unmoeglich geraten,
wobei man so finster aussieht.--Darf man aber nicht wissen, was es
werden wird? ein Abendlied oder ein Morgenlied?
Damis. Dummkopf!
Anton. Ein Busslied?
Damis. Einfaltspinsel!
Anton. Ein Tischlied? auch nicht?--Ein Sterbelied werden Sie doch
nicht machen? So wahr ich ehrlich bin, wenn ich auch noch so ein
grosser Poet waere, das bliebe von mir ungemacht. Sterben ist der
abgeschmackteste Streich, den man sich selbst spielt. Er verdient
nicht einen Vers, geschweige ein Lied.
Damis. Ich muss Mitleiden mit deiner Unwissenheit haben. Du kennst
keine andre Arten von Gedichten, als die du im Gesangbuche gefunden
hast.
Anton. Es wird gewiss noch andre geben? So lassen Sie doch hoeren, was
Sie machen.
Damis. Ich mache--ein Epithalamium--
Anton. Ein Epithalamium? Potz Stern, das ist ein schwer Ding! Damit
koennen Sie wirklich zurechte kommen? Da gehoert Kunst dazu--Aber, Herr
Damis, im Vertrauen, was ist denn das ein Epith--pitha--thlamium?
Damis. Wie kannst du es denn schwer nennen, wenn du noch nicht weisst,
was es ist?
Anton. Ei nun, das Wort ist ja schon schwer genug. Sagen Sie mir nur
ein wenig mit einem andern Namen, was es ist.
Damis. Ein Epithalamium ist ein Thalassio.
Anton. So, so! nun versteh ich's; ein Epithalamium ist ein--wie hiess
es?--
Damis. Thalassio.
Anton. Ein Thalassio; und das koennen Sie machen? Wenigstens werden
Sie viel Zeit dazu brauchen--Aber, hoeren Sie doch, wenn mich nun
jemand fragt, was ein Thalassio ist, was muss ich ihm wohl antworten?
Damis. Auch das weisst du nicht, was ein Thalassio ist?
Anton. Ich fuer mein Teil weiss es wohl. Ein Thalassio ist ein--wie
hiess das vorige Wort?
Damis. Epithalamium.
Anton. Ist ein Epithalamium. Und ein Epithalamium ist ein Thalassio.
Nicht wahr, ich habe es gut behalten? Aber das moechte nur andern
Leuten nicht deutlich sein, welche beide Worte nicht verstehen.
Damis. Je nun, so sage ihnen, Thalassio sei ein Hymenaeus.
Anton. Zum Henker! das heisst Leute vexieren. Ein Epithalamium ist
ein Thalassio, und ein Thalassio ist ein Hymenaeus. Und so umgekehrt,
ein Hym--Hym--Die Namen mag sonst einer merken!
Damis. Recht! recht! ich sehe doch, dass du anfaengst einen Begriff von
Sachen zu bekommen.
Anton. Ich einen Begriff hiervon? so wahr ich ehrlich bin! Sie irren
sich. Der Kobold muesste mir's eingeblasen haben, wenn ich wuesste, was
die kauderwelschen Worte heissen sollen. Sagen Sie mir doch ihren
deutschen Namen; oder haben sie keinen?
Damis. Sie haben zwar einen, allein er ist lange nicht von der
Annehmlichkeit und dem Nachdrucke der griechischen oder lateinischen.
Sage einmal selbst, ob ein Hochzeitgedichte nicht viel kahler klingt
als ein Epithalamium, ein Hymenaeus, ein Thalassio.
Anton. Mir nicht; wahrhaftig mir nicht! denn jenes versteh ich und
dieses nicht. Ein Hochzeitgedichte haben Sie also machen wollen?
Warum sagten Sie das nicht gleich?--Oh! in Hochzeitgedichten habe ich.
eine Belesenheit, die erstaunend ist. Ich muss Ihnen nur sagen, wie
ich dazu gekommen bin. Mein weiland seliger Vater hatte einen
Vetter--und gewissermassen war es also auch mein Vetter--
Damis. Was wird das fuer ein Gewaesche werden?
Anton. Sie wollen es nicht abwarten? Gut! Der Schade ist Ihre.
--Weiter also: Verse auf eine Hochzeit wollten Sie machen? aber auf
was denn fuer eine?
Damis. Welche Frage! auf meine eigne.
Anton. Sie heiraten also Julianen noch? Der Alte will es ja nicht?--
Damis. Ah der!
Anton. Es ist schon wahr; was hat sich ein Sohn um den Vater zu
bekuemmern? Aber sagen Sie mir doch: schickt es sich denn, dass man auf
seine eigne Hochzeit Verse macht?
Damis. Gewoehnlich ist es freilich nicht; aber desto besser! Geister
wie ich lieben das Besondre.
Anton (beiseite). St! jetzt will ich ihm einen Streich spielen!
--(Laut.) Hoeren Sie nur, Herr Damis, ich werde es selbst gern sehen,
wenn Sie Julianen heiraten.
Damis. Wieso?
Anton. Ich weiss nicht, ob ich mich unterstehen darf, es Ihnen zu
sagen. Ich habe--ich habe selbst--
Damis. Nur heraus mit der Sprache!
Anton. Ich habe selbst versucht, Verse auf Ihre Hochzeit zu machen,
und deswegen wollte ich nun nicht gern, dass meine Muehe verloren waere.
Damis. Das wird etwas Schoenes sein!
Anton. Freilich! denn das ist mein Fehler; ich mache entweder etwas
Rechtes oder gar nichts.
Damis. Gib doch her! vielleicht kann ich deine Reime verbessern, dass
sie alsdenn mir und dir Ehre machen.
Anton. Hoeren Sie nur, ich will sie Ihnen vorlesen. (Er sucht einen
Zettel aus der Tasche.) Ganz bin ich noch nicht fertig, muss ich Ihnen
sagen. Der Anfang aber, aus dem auch allenfalls das Ende werden kann,
klingt so--Ruecken Sie mir doch das Licht ein wenig naeher!--Du, o edle
Fertigkeit, Zu den vorgesetzten Zwecken Tuecht'ge Mittel--
Damis. Halt! du bist ein elender Stuemper! Ha! ha! ha! Das du o
steht ganz vergebens. Edle Fertigkeit sagt nichts weniger, und Du, o
edle Fertigkeit nichts mehr. Deleatur ergo du o! Damit aber nicht
zwei Silben fehlen, so verstaerke das Beiwort edel, nach Art der
Griechen, und sage ueberedel. Ich weiss zwar wohl, ueberedel ist ein
neues Wort; aber ich weiss auch, dass neue Woerter dasjenige sind, was
die Poesie am meisten von der Prose unterscheiden muss. Solche
Vorteilchen merke dir! Du musst dich durchaus bestreben, etwas
Unerhoertes, etwas Ungesagtes zu sagen. Verstehst du mich, dummer
Teufel?
Anton. Ich will es hoffen.
Damis. Also heisst dein erster Vers
ueberedle Fertigkeit
usw. Nun lies weiter!
Anton. Zu den vorgesetzten Zwecken Tuecht'ge Mittel zu entdecken Und
sich dann zur rechten Zeit Ihrer Kraefte zu bedienen, Wirst, so lange,
bis die Welt In ihr erstes Cha- Cha- Chaos faellt, Wie die Pappelbaeume
gruenen.
Aber, Herr Damis, koennen Sie mir nicht sagen, was ich hier muss gedacht
haben? Verflucht! das ist schoen; ich verstehe mich selbst nicht mehr.
Das erste Cha--Chaos;--ich daechte, ich haette das Wort noch nie in
meinen Mund genommen, so fuerchterlich klingt es mir.
Damis. Zeige doch--
Anton. Warten Sie, warten Sie! ich will es Ihnen noch einmal vorlesen.
Damis. Nein, nein; weise mir nur den Zettel her.
Anton. Sie koennen es unmoeglich lesen. Ich habe gar zu schlecht
geschrieben; kein Buchstabe steht gerade; sie hocken einer auf den
andern, als ob sie Junge hecken wollten.
Damis. O so gib her!
Anton (gibt ihm den Zettel mit Zittern). Zum Henker, es ist seine
eigne Hand!
Damis (betrachtet ihn einige Zeit). Was soll das heissen? (Steht
zornig auf.) Verfluchter Verraeter, wo hast du dieses Blatt her?
Anton. Nicht so zornig; nicht so zornig!
Damis. Wo hast du es her?
Anton. Wollen Sie mich denn erwuergen?
Damis. Wo hast du das Blatt her, frag ich?
Anton. Lassen Sie nur erst nach.
Damis. Gesteh!
Anton. Aus--aus Ihrer--Westentasche.
Damis. Ungelehrte Bestie! ist das deine Treue? Das ist ein Diebstahl;
ein Plagium.
Anton. Zum Henker! des Quarks wegen mich zu einem Diebe zu machen?
Damis. Des Quarks wegen? was? den Anfang eines philosophischen
Lehrgedichts einen Quark zu nennen?
Anton. Sie sagten ja selbst, es tauge nichts.
Damis. Ja, insofern es ein Hochzeitkarmen vorstellen sollte und du
der Verfasser davon waerest. Gleich schaffe die andern Manuskripte,
die du mir sonst entwandt hast, auch herbei! Soll ich meine Arbeit in
fremden Haenden sehen? Soll ich zugeben, dass sich eine haessliche Dohle
mit meinen praechtigen Pfauenfedern ausschmuecke? Mach bald! oder ich
werde andre Massregeln ergreifen.
Anton. Was wollen Sie denn? Ich habe nicht einen Buchstaben mehr von
Ihnen.
Damis. Gleich wende alle Taschen um!
Anton. Warum auch nicht? Wenn ich sie umwende, so faellt ja alles
heraus, was ich darin habe.
Damis. Mach und erzuerne mich nicht!
Anton. Ich will ein Schelm sein, wenn Sie nur ein Staeubchen Papier
bei mir finden. Damit Sie aber doch Ihren Willen haben;--hier ist die
eine; da ist die andre--Was sehen Sie?--Da ist die dritte; die ist
auch leer.--Nun kommt die vierte--(Indem er sie umwendet, fallen die
Briefe heraus.)--Zum Henker, die verfluchten Briefe! die hatte ich
ganz vergessen--(Er will sie geschwind wieder aufheben.)
Damis. Gib her, gib her! was fiel da heraus? Ganz gewiss wird es
wieder etwas von mir sein.
Anton. So wahr ich lebe, es ist nichts von Ihnen. An Sie koennte es
eher noch etwas sein.
Damis. Halte mich nicht auf; ich habe mehr zu tun.
Anton. Halten Sie mich nur nicht auf. Sie wissen ja, dass ich nun
bald wieder auf die Post gehen muss. Ich weiss, es sind Briefe da.
Damis. Nun so geh, so geh! Aber durchaus zeige mir erst, was du so
eilfertig aufhobst. Ich muss es sehen.
Anton. Zum Henker! wenn das ist, so brauche ich nicht auf die Post zu
gehen.
Damis. Wieso?
Anton. Nu, nu! da haben Sie es. Ich will hurtig gehen. (Er gibt ihm
den Brief und will fortlaufen.)
Damis (indem er ihn besieht). Je, Anton, Anton! das ist ja eben der
Brief aus Berlin, welchen ich erwarte. Ich kenn ihn an der Aufschrift.
Anton. Es kann wohl sein, dass er es ist. Aber, Herr Damis, werden
Sie nur--nur nicht ungehalten. Ich hatte es, bei meiner armen Seele!
ganz vergessen--
Damis. Was hast du denn vergessen?
Anton. Dass ich den Brief, beinahe schon eine halbe Stunde, in der
Tasche trage. Mit dem verdammten Plaudern!--
Damis. Weil er nun da ist, so will ich dir den dummen Streich
verzeihen.--Aber, allerliebster Anton, was muessen hierin fuer
unvergleichliche, fuer unschaetzbare Nachrichten stehen! Wie wird sich
mein Vater freuen! Was fuer Ehre, was fuer Lobsprueche!--O Anton!--ich
will dir ihn gleich vorlesen--(Bricht ihn hastig auf.)
Anton. Nur sachte, sonst zerreissen Sie ihn gar. Nun da! sagte ich's
nicht?
Damis. Es schadet nichts; er wird doch noch zu lesen sein.--Vor allen
Dingen muss ich dir sagen, was er betrifft. Du weisst, oder vielmehr du
weisst nicht, dass die Preussische Akademie auf die beste Untersuchung
der Lehre von den Monaden einen Preis gesetzt hat. Es kam mir noch
ganz spaet ein, unsern Philosophen diesen Preis vor dem Maule
wegzufangen. Ich machte mich also geschwind darueber und schrieb eine
Abhandlung, die noch gleich zur rechten Zeit muss gekommen sein.--Eine
Abhandlung, Anton--ich weiss selbst nicht, wo ich sie hergenommen habe,
so gelehrt ist sie. Nun hat die Akademie vor acht Tagen ihr Urteil
ueber die eingeschickten Schriften bekanntgemacht, welches notwendig zu
meiner Ehre muss ausgefallen sein. Ich, ich muss den Preis haben und
kein andrer. Ich habe es einem von meinen Freunden daselbst heilig
eingebunden, mir sogleich Nachricht davon zu geben. Hier ist sie; nun
hoere zu.
"Mein Herr,
"Wie nahe koennen Sie einem Freunde das Antworten legen! Sie drohen mir
mit dem Verluste Ihrer Liebe, wenn Sie nicht von mir die erste
Nachricht erhielten, ob Sie oder ein anderer den akademischen Preis
davongetragen haetten. Ich muss Ihnen also in aller Eil' melden, dass
Sie ihn nicht--(stotternd) bekommen haben und auch--(immer
furchtsamer) nicht haben--bekommen koennen.--"
Was? ich nicht? und wer denn? und warum denn nicht?--
"Erlauben Sie mir aber, dass ich als ein Freund mit Ihnen reden darf."
So rede, Verraeter!
"Ich habe Ihnen unmoeglich den schlimmen Dienst erweisen koennen, Ihre
Abhandlung zu uebergeben.--"
Du hast sie also nicht uebergeben, Treuloser? Himmel, was fuer ein
Donnerschlag!--So soll mich deine Nachlaessigkeit, unwuerdiger Freund,
um die verdienteste Belohnung bringen?--Wie wird er sich entschuldigen,
der Nichtswuerdige?
"Wenn ich es frei gestehen soll, so scheinen Sie etwas ganz anders
getan zu haben, als die Akademie verlangt hat. Sie wollte nicht
untersucht wissen, was das Wort Monas grammatikalisch bedeute? wer es
zuerst gebraucht habe? was es bei dem Xenokrates anzeige? ob die
Monaden des Pythagoras die Atomi des Moschus gewesen? usw. Was ist
ihr an diesen kritischen Kleinigkeiten gelegen, und besonders alsdann,
wann die Hauptsache dabei aus den Augen gesetzt wird? Wie leicht
haette man Ihren Namen mutmassen koennen, und Sie wuerden vielleicht
Spoettereien sein ausgesetzt worden, dergleichen ich nur vor wenig
Tagen in einer gelehrten Zeitung ueber Sie gefunden habe.--"
Was lese ich? kann ich meinen Augen trauen? Ah, verfluchtes Papier!
verfluchte Hand, die dich schrieb! (Wirft den Brief auf die Erde und
tritt mit den Fuessen darauf.)
Anton. Der arme Brief! man muss ihn doch vollends auslesen! (Hebt ihn
auf.) Das Beste koemmt vielleicht noch, Herr Damis. Wo blieben Sie?
Da, da! hoeren Sie nur!
"... gelehrten Zeitung gefunden habe.--Man nennt Sie ein junges
Gelehrtchen, welches ueberall gern glaenzen moechte und dessen
Schreibesucht--"
Damis (reisst ihm den Brief aus der Hand). Verdammter Korrespondent!
--Das ist der Lohn, den dein Brief verdient! (Er zerreisst ihn.) Du
zerreissest mein Herz, und ich zerreisse deine unverschaemte Neuigkeiten.
Wollte Gott, dass ich ein gleiches mit deinem Eingeweide tun koennte!
Aber--(zu Anton) du nichtswuerdige, unwissende Bestie! An alledem bist
du schuld!
Anton. Ich, Herr Damis?
Damis. Ja du! wie lange hast du nicht den Brief in der Tasche
behalten?
Anton. Herr, meine Tasche kann weder schreiben noch lesen: wenn Sie
etwa denken, dass ihn die anders gemacht hat--
Damis. Schweig! Und solche Beschimpfungen kann ich ueberleben?--O ihr
dummen Deutschen! ja freilich, solche Werke, als die meinigen sind,
gehoerig zu schaetzen, dazu werden andre Genies erfordert! Ihr werdet
ewig in eurer barbarischen Finsternis bleiben und ein Spott eurer
witzigen Nachbarn sein!--Ich aber will mich an euch raechen und von nun
an aufhoeren, ein Deutscher zu heissen. Ich will mein undankbares
Vaterland verlassen. Vater, Anverwandte und Freunde, alle, alle
verdienen es nicht, dass ich sie laenger kenne, weil sie Deutsche sind;
weil sie aus dem Volke sind, das ihre groessten Geister mit Gewalt von
sich ausstoesst. Ich weiss gewiss, Frankreich und Engeland werden meine
Verdienste erkennen--
Anton. Herr Damis, Herr Damis, Sie fangen an zu rasen. Ich bin nicht
sicher bei Ihnen; ich werde jemand rufen muessen.
Damis. Sie werden es schon empfinden, die dummen Deutschen, was sie
an mir verloren haben! Morgen will ich Anstalt machen, dieses
unselige Land zu verlassen--
Sechzehnter Auftritt
Chrysander. Damis. Anton.
Anton. Gott sei Dank, dass jemand koemmt!
Chrysander. Das verzweifelte Maedel, die Lisette! Und (zu Anton) du,
du Spitzbube! du sollst dein Brieftraegerlohn auch bekommen, Mich so zu
hintergehen? schon gut!--Mein Sohn, ich habe mich besonnen; du hast
recht; ich kann dir Julianen nun nicht wieder nehmen. Du sollst sie
behalten.
Damis. Schon wieder Juliane? Jetzt, da ich ganz andre Dinge zu
beschliessen habe--Hoeren Sie nur auf damit; ich mag sie nicht.
Chrysander. Es wuerde unrecht sein, wenn ich dir laenger widerstehen
wollte. Ich lasse jedem seine Freiheit; und ich sehe wohl, Juliane
gefaellt dir--
Damis. Mir? eine dumme Deutsche?
Chrysander. Sie ist ein huebsches, tugendhaftes, aufrichtiges Maedchen;
sie wird dir tausend Vergnuegen machen.
Damis. Sie moegen sie loben oder schelten; mir gilt alles gleich. Ich
weiss mich nach Ihrem Willen zu richten, und dieser ist, nicht an sie
zu gedenken.
Chrysander. Nein, nein; du sollst dich ueber meine Haerte nicht
beklagen duerfen.
Damis. Und Sie sich noch weniger ueber meinen Ungehorsam.
Chrysander. Ich will dir zeigen, dass du einen guetigen Vater hast, der
sich mehr nach deinem als nach seinem eignen Willen richtet.
Damis. Und ich will Ihnen zeigen, dass Sie einen Sohn haben, der Ihnen
in allen die schuldige Untertaenigkeit leistet.
Chrysander. Ja, ja; nimm Julianen! Ich gebe dir meinen Segen.
Damis. Nein, nein; ich werde Sie nicht so erzuernen--
Chrysander. Aber was soll denn das Widersprechen? Dadurch erzuernst
du mich!
Damis. Ich will doch nicht glauben, dass Sie sich im Ernste schon zum
drittenmal anders besonnen haben?
Chrysander. Und warum das nicht?
Damis. Oh, dem sei nun, wie ihm wolle! Ich habe mich gleichfalls
geaendert und fest entschlossen, ganz und gar nicht zu heiraten. Ich
muss auf Reisen gehen, und ich werde mich, je eher, je lieber,
davonmachen.
Chrysander. Was? du willst ohne meine Erlaubnis in die Welt laufen?
Anton. Das geht lustig! Der dritte Mann fehlt noch, und den will ich
gleich holen. Damis will Julianen nicht, vielleicht fischt sie Valer.
(Gehet ab.)
Siebzehnter Auftritt
Chrysander. Damis.
Damis. Ja, ja; in zweimal vierundzwanzig Stunden muss ich schon
unterwegens sein.
Chrysander. Aber was ist dir denn in den Kopf gekommen?
Damis. Ich bin es laengst ueberdruessig gewesen, laenger in Deutschland
zu bleiben; in diesem nordischen Sitze der Grobheit und Dummheit; wo
es alle Elemente verwehren, klug zu sein; wo kaum alle hundert Jahr
ein Geist meinesgleichen geboren wird--
Chrysander. Hast du vergessen, dass Deutschland dein Vaterland ist?
Damis. Was Vaterland!
Chrysander. Du Boesewicht, sprich doch lieber gar: was Vater! Aber
ich will dir es zeigen: du musst Julianen nehmen; du hast ihr dein Wort
gegeben und sie dir das ihrige.
Damis. Sie hat das ihrige zurueckgenommen wie ich jetzt das meinige;
also--
Chrysander. Also!--also!--Kurz von der Sache zu reden, glaubst du,
dass ich vermoegend bin, dich zu enterben, wann du mir nicht folgest?
Damis. Tun Sie, was Sie wollen. Nur, wann ich bitten darf, lassen
Sie mich jetzt allein. Ich muss vor meiner Abreise noch zwei Schriften
zustande bringen, die ich meinen Landsleuten, aus Barmherzigkeit, noch
zuruecklassen will. Ich bitte nochmals, lassen Sie mich--
Chrysander. Willst du mich nicht lieber gar zur Tuer hinausstossen?
Achtzehnter Auftritt
Valer. Anton. Chrysander. Damis.
Valer. Wie, Damis? ist es wahr, dass Sie wieder zu sich selbst
gekommen sind?--dass Sie von Julianen abstehen?
Chrysander. Ach, Herr Valer, Sie koennten mir nicht ungelegener kommen.
Bestaerken Sie ihn fein in seinem Trotze. So? Sie verdienten es
wohl, dass ich mich nach Ihrem Wunsche bequemte? Mich auf eine so
gottlose Art hintergehen zu wollen?--Mein Sohn, widersprich mir nicht
laenger, oder--
Damis. Ihre Drohungen sind umsonst. Ich muss mich fremden Laendern
zeigen, die sowohl ein Recht auf mich haben als das Vaterland. Und
Sie verlangen doch nicht, dass ich eine Frau mit herumfuehren soll?
Valer. Damis hat recht, dass er auf das Reisen dringt. Nichts kann
ihm, in seinen Umstaenden, nuetzlicher sein. Lassen Sie ihm seinen
Willen, und mir lassen Sie Julianen, die Sie mir so heilig versprochen
haben.
Chrysander. Was versprochen? Betruegern braucht man sein Wort nicht
zu halten.
Valer. Ich habe es Ihnen schon beschworen, dass einzig und allein
Lisette diesen Betrug hat spielen wollen, ohne die wir von dem
Dokumente gar nichts wissen wuerden.--Wie gluecklich, wann es nie zum
Vorschein gekommen waere! Es ist das grausamste Glueck, das Julianen
hat treffen koennen. Wie gern wuerde sie es aufopfern, wenn sie dadurch
die Freiheit ueber ihr Herz erhalten koennte.
Chrysander. Aufopfern? Herr Valer, bedenken Sie, was das sagen will.
Wir Handelsleute fassen einander gern bei dem Worte.
Valer. Oh, tun Sie es auch hier! Mit Freuden tritt Ihnen Juliane das
Dokument ab. Fangen Sie den Prozess an, wenn Sie wollen; der Vorteil
davon soll ganz Ihnen gehoeren. Juliane haelt dieses fuer das kleinste
Zeichen ihrer Dankbarkeit. Sie glaubt Ihnen noch weit mehr schuldig
zu sein.--
Chrysander. Nu, nu, sie ist mir immer ganz erkenntlich
vorgekommen--Aber was wuerden Sie denn, Valer, als ihr kuenft'ger Mann,
zu dieser Dankbarkeit sagen?
Valer. Denken Sie besser von mir. Ich habe Julianen geliebt, da sie
zu nichts Hoffnung hatte. Ich liebe sie auch noch, ohne die geringste
eigennuetzige Absicht. Und ich bitte Sie: was schenkt man denn einem
ehrlichen Manne, wenn man ihm einen schweren Prozess schenkt?
Chrysander. Valer, ist das Ihr Ernst?
Valer. Fordern Sie noch mehr als das Dokument; mein halbes Vermoegen
ist Ihre.
Chrysander. Da sei Gott vor, dass ich von Ihrem Vermoegen einen Heller
haben wollte! Sie muessen mich nicht fuer so eigennuetzig ansehen.--Wir
sind gute Freunde, und es bleibt bei dem alten: Juliane ist Ihre! Und
wenn das Dokument meine soll, so ist sie um so viel mehr Ihre.
Valer. Kommen Sie, Herr Chrysander, bekraeftigen Sie ihr dieses selbst!
Wie angenehm wird es ihr sein, uns beide vergnuegt machen zu koennen.
Chrysander. Wenn das ist, Damis; so kannst du meinetwegen noch heute
die Nacht fortreisen. Ich will Gott danken, wenn ich dich Narren
wieder aus dem Hause los bin.
Damis. Gehen Sie doch nur, und lassen Sie mich allein.
Valer. Damis, und endlich muss ich Ihnen doch noch mein Glueck
verdanken? Ich tue es mit der aufrichtigsten Zaertlichkeit, ob ich
schon weiss, dass ich die Ursache Ihrer Veraenderung nicht bin.
Damis. Aber die wahre Ursache?--(Zu Anton.) Verfluchter Kerl, hast du
dein Maul nicht halten koennen?--Gehen Sie nur, Valer--
(Indem Chrysander und Valer abgeben wollen, haelt Anton Valeren zurueck.)
Anton (sachte). Nicht so geschwind! Wie steht es mit Lisettens
Ausstattung, Herr Valer? und mit--
Valer. Seid ohne Sorgen; ich werde mehr halten, als ich versprochen
habe.
Anton. Juchhe! nun war die Taube gefangen.
Letzter Auftritt
Damis (an seinem Tische). Anton.
Anton. Noch ein Wort, Herr Damis, habe ich mit Ihnen zu reden.
Damis. Und?--
Anton. Sie wollen auf Reisen gehen?--
Damis. Zur Sache! es ist schon mehr als ein Wort.
Anton. Je nun! meinen Abschied.
Damis. Deinen Abschied? Du denkst vielleicht, dass ich dich
ungelehrten Esel mitnehmen wuerde?
Anton. Nicht? und ich habe also meinen Abschied? Gott sei Dank!
empfangen Sie nun auch den Ihrigen, welcher in einer kleinen Lehre
bestehen soll. Ich habe Ihre Torheiten nun laenger als drei Jahr
angesehen und selber alber genug dabei getan, weil ich weiss, dass ein
Bedienter, wenn sein Herr auch noch so naerrisch ist--
Damis. Unverschaemter Idiote, wirst du mir aus den Augen gehen?
Anton. Je nun! wem nicht zu raten steht, dem steht auch nicht zu
helfen. Bleiben Sie zeitlebens der gelehrte Herr Damis! (Gehet ab.)
Damis. Geh, sag ich, oder!--
(Er wirft ihm sein Buch nach, und das Theater faellt zu.)
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der junge Gelehrte, von Gotthold
Ephraim Lessing.
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Title: Der junge Gelehrte
Author: Gotthold Ephraim Lessing
Release Date: November, 2005 [EBook #9369]
[This file was first posted on September 25, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: US-ASCII
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER JUNGE GELEHRTE ***
E-text prepared by Delphine Lettau and Mike Pullen
This Etext is in German.
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Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
Der junge Gelehrte
Ein Lustspiel in drei Aufzuegen
Gotthold Ephraim Lessing
Verfertigt im Jahre 1747
Personen:
Chrysander, ein alter Kaufmann Damis, der junge Gelehrte, Chrysanders
Sohn Valer Juliane Anton, Bedienter des Damis Lisette
Der Schauplatz ist die Studierstube des Damis.
Erster Aufzug
Erster Auftritt
Damis (am Tische unter Buechern). Anton.
Damis. Die Post also ist noch nicht da?
Anton. Nein.
Damis. Noch nicht? Hast du auch nach der rechten gefragt? Die Post
von Berlin--
Anton. Nun ja doch; die Post von Berlin; sie ist noch nicht da! Wenn
sie aber nicht bald koemmt, so habe ich mir die Beine abgelaufen. Tun
Sie doch, als ob sie Ihnen, wer weiss was, mitbringen wuerde! Und ich
wette, wenn's hoch koemmt, so ist es eine neue Scharteke oder eine
Zeitung oder sonst ein Wisch.--
Damis. Nein, mein guter Anton; dasmal moechte es etwas mehr sein. Ah!
wann du es wuesstest--
Anton. Will ich's denn wissen? Es wuerde mir weiter doch nichts
helfen, als dass ich einmal wieder ueber Sie lachen koennte. Das ist mir
gewiss etwas Seltnes?--Haben Sie mich sonst noch wohin zu schicken?
Ich habe ohnedem auf dem Ratskeller eine kleine Verrichtung;
vielleicht ist's ein Gang? Nu?
Damis (erzuernt). Nein, Schurke!
Anton. Da haben wir's! Er hat alles gelesen, nur kein
Komplimentierbuch.--Aber besinnen Sie sich. Etwa in den Buchladen?
Damis. Nein, Schurke!
Anton. Ich muss das Schurke so oft hoeren, dass ich endlich selbst
glauben werde, es sei mein Taufname.--Aber zum Buchbinder?
Damis. Schweig, oder--
Anton. Oder zum Buchdrucker? Zu diesen dreien, Gott sei Dank! weiss
ich mich, wie das Faerbepferd um die Rolle.
Damis. Sieht denn der Schlingel nicht, dass ich lese? Will er mich
noch laenger stoeren?
Anton (beiseite). St! Er ist im Ernste boese geworden. Lenk ein,
Anton.--Aber, sagen Sie mir nur, was lesen Sie denn da fuer ein Buch?
Potz Stern, was das fuer Zeug ist! Das verstehen Sie? Solche
Krakelfuesse, solche fuerchterliche Zickzacke, die kann ein Mensch lesen?
Wann das nicht wenigstens Fausts Hoellenzwang ist--Ach, man weiss es ja
wohl, wie's den Leuten geht, die alles lernen wollen. Endlich
verfuehrt sie der boese Geist, dass sie auch hexen lernen.--
Damis (nimmt sein muntres Wesen wieder an). Du guter Anton! Das ist
ein Buch in hebraeischer Sprache.--Des Ben Maimon Jad chasaka.
Anton. Ja doch; wer's nur glauben wollte! Was Hebraeisch ist, weiss
ich endlich auch. Ist es nicht mit der Grundsprache, mit der
Textsprache, mit der heiligen Sprache einerlei? Die warf unser Pfarr,
als ich noch in die Schule ging, mehr als einmal von der Kanzel. Aber
so ein Buch, wahrhaftig! hatte er nicht; ich habe alle seine Buecher
beguckt; ich musste sie ihm einmal von einem Boden auf den andern
raeumen helfen.
Damis. Ha! ha! ha! das kann wohl sein. Es ist Wunders genug, wenn
ein Geistlicher auf dem Lande nur den Namen davon weiss. Zwar, im
Vertrauen, mein lieber Anton, die Geistlichen ueberhaupt sind schlechte
Helden in der Gelehrsamkeit.
Anton. Nu, nu, bei allen trifft das wohl nicht ein. Der Magister in
meinem Dorfe wenigstens gehoert unter die Ausnahme. Versichert! der
Schulmeister selber hat mir es mehr als einmal gesagt, dass er ein sehr
gelehrter Mann waere. Und dem Schulmeister muss ich das glauben; denn
wie mir der Herr Pfarr oft gesagt hat, so ist er keiner von den
schlechten Schulmeistern; er versteht ein Wort Latein und kann davon
urteilen.
Damis. Das ist lustig! Der Schulmeister also lobt den Pfarr, und der
Pfarr, nicht unerkenntlich zu sein, lobt den Schulmeister. Wenn mein
Vater zugegen waere, so wuerde er gewiss sagen: Manus manum lavat. Hast
du ihm die alberne Gewohnheit nicht angemerkt, dass er bei aller
Gelegenheit ein lateinisches Spruechelchen mit einflickt? Der alte
Idiote denkt, weil er so einen gelehrten Sohn hat, muesse er doch auch
zeigen, dass er einmal durch die Schule gelaufen sei.
Anton. Hab ich's doch gedacht, dass es etwas Albernes sein muesse; denn
manchmal mitten in der Rede murmelt er etwas her, wovon ich kein Wort
verstehe.
Damis. Doch schliesse nur nicht daraus, dass alles albern sei, was du
nicht verstehst. Ich wuerde sonst viel albernes Zeug wissen.--Aber, o
himmlische Gelehrsamkeit, wieviel ist dir ein Sterblicher schuldig,
der dich besitzt! Und wie bejammernswuerdig ist es, dass dich die
wenigsten in deinem Umfange kennen! Der Theolog glaubt dich bei einer
Menge heiliger Sprueche, fuerchterlicher Erzaehlungen und einiger uebel
angebrachten Figuren zu besitzen. Der Rechtsgelehrte bei einer
unseligen Geschicklichkeit, unbrauchbare Gesetze abgestorbner Staaten,
zum Nachteile der Billigkeit und Vernunft, zu verdrehen und die
fuerchterlichsten Urtel in einer noch fuerchterlichern Sprache
vorzutragen. Der Arzt endlich glaubt sich wirklich deiner bemaechtiget
zu haben, wann er durch eine Legion barbarischer Woerter die Gesunden
krank und die Kranken noch kraenker machen kann. Aber, o betrogene
Toren! die Wahrheit laesst euch nicht lange in diesem sie schimpfenden
Irrtume. Es kommen Gelegenheiten, wo ihr selbst erkennet, wie
mangelhaft euer Wissen sei; voll tollen Hochmuts beurteilet ihr
alsdann alle menschliche Erkenntnis nach der eurigen und ruft wohl gar
in einem Tone, welcher alle Sterbliche zu bejammern scheinet, aus:
Unser Wissen ist Stueckwerk! Nein, glaube mir, mein lieber Anton: der
Mensch ist allerdings einer allgemeinen Erkenntnis faehig. Es leugnen,
heisst ein Bekenntnis seiner Faulheit oder seines maessigen Genies
ablegen. Wenn ich erwaege, wieviel ich schon nach meinen wenigen
Jahren verstehe, so werde ich von dieser Wahrheit noch mehr ueberzeugt.
Lateinisch, Griechisch, Hebraeisch, Franzoesisch, Englisch,
Italienisch--das sind sechs Sprachen, die ich alle vollkommen besitze:
und bin erst zwanzig Jahr alt!
Anton. Sachte! Sie haben eine vergessen; die deutsche--
Damis. Es ist wahr, mein lieber Anton; das sind also sieben Sprachen;
und ich bin erst zwanzig Jahr alt!
Anton. Pfui doch, Herr! Sie haben mich oder sich selbst zum besten.
Sie werden doch das, dass Sie Deutsch koennen, nicht zu Ihrer
Gelehrsamkeit rechnen? Es war ja mein Ernst nicht.--
Damis. Und also denkst du wohl selber Deutsch zu koennen?
Anton. Ich? ich? nicht Deutsch! Es waere ein verdammter Streich, wenn
ich Kalmuckisch redete und wuesste es nicht.
Damis. Unter koennen und koennen ist ein Unterschied. Du kannst
Deutsch, das ist: du kannst deine Gedanken mit Toenen ausdruecken, die
einem Deutschen verstaendlich sind; das ist, die ebendie Gedanken in
ihm erwecken, die du bei dir hast. Du kannst aber nicht Deutsch, das
ist: du weisst nicht, was in dieser Sprache gemein oder niedrig, rauh
oder annehmlich, undeutlich oder verstaendlich, alt oder gebraeuchlich
ist; du weisst ihre Regeln nicht; du hast keine gelehrte Kenntnis von
ihr.
Anton. Was einem die Gelehrten nicht weismachen wollen! Wenn es nur
auf Ihr "das ist" ankaeme, ich glaube, Sie stritten mir wohl gar noch
ab, dass ich essen koennte.
Damis. Essen? Je nun wahrhaftig, wenn ich es genau nehmen will, so
kannst du es auch nicht.
Anton. Ich? ich nicht essen? Und trinken wohl auch nicht?
Damis. Du kannst essen, das ist: du kannst die Speisen zerschneiden,
in Mund stecken, kauen, herunterschlucken und so weiter. Du kannst
nicht essen, das ist: du weisst die mechanischen Gesetze nicht, nach
welchen es geschiehet; du weisst nicht, welches das Amt einer jeden
dabei taetigen Muskel ist; ob der Digastrikus oder der Masseter, ob der
Pterygoideus internus oder externus, ob der Zygomatikus oder der
Platysmamyodes, ob--
Anton. Ach ob, ob! Das einzige Ob, worauf ich sehe, ist das, ob mein
Magen etwas davon erhaelt und ob mir's bekoemmt.--Aber wieder auf die
Sprache zu kommen. Glauben Sie wohl, dass ich eine verstehe, die Sie
nicht verstehen?
Damis. Du, eine Sprache, die ich nicht verstuende?
Anton. Ja; raten Sie einmal.
Damis. Kannst du etwa Koptisch?
Anton. Foptisch? Nein, das kann ich nicht.
Damis. Chinesisch? Malabarisch? Ich wuesste nicht woher.
Anton. Wie Sie herumraten. Haben Sie meinen Vetter nicht gesehn? Er
besuchte mich vor vierzehn Tagen. Der redete nichts als diese Sprache.
Damis. Der Rabbi, der vor kurzen zu mir kam, war doch wohl nicht dein
Vetter?
Anton. Dass ich nicht gar ein Jude waere! Mein Vetter war ein Wende;
ich kann Wendisch; und das koennen Sie nicht.
Damis (nachsinnend). Er hat recht.--Mein Bedienter soll eine Sprache
verstehen, die ich nicht verstehe? Und noch dazu eine Hauptsprache?
Ich erinnere mich, dass ihre Verwandtschaft mit der hebraeischen sehr
gross sein soll. Wer weiss, wieviel Stammwoerter, die in dieser verloren
sind, ich in jener entdecken koennte!--Das Ding faengt mir an, im Kopfe
herumzugehen!
Anton. Sehen Sie!--Doch wissen Sie was? Wenn Sie mir meinen Lohn
verdoppeln, so sollen Sie bald so viel davon verstehen als ich selbst.
Wir wollen fleissig miteinander wendisch parlieren, und--Kurz,
ueberlegen Sie es. Ich vergesse ueber dem verdammten Plaudern meinen
Gang auf den Ratskeller ganz und gar. Ich bin gleich wieder zu Ihren
Diensten.
Damis. Bleib itzt hier; bleib hier.
Anton. Aber Ihr Herr Vater koemmt. Hoeren Sie? Wir koennten doch nicht
weiterreden. (Geht ab.)
Damis. Wenn mich doch mein Vater ungestoert lassen wollte. Glaubt er
denn, dass ich so ein Muessiggaenger bin wie er?
Zweiter Auftritt
Damis. Chrysander.
Chrysander. Immer ueber den verdammten Buechern! Mein Sohn, zuviel ist
zuviel. Das Vergnuegen ist so noetig als die Arbeit.
Damis. O Herr Vater, das Studieren ist mir Vergnuegens genug. Wer
neben den Wissenschaften noch andere Ergoetzungen sucht, muss die wahre
Suessigkeit derselben noch nicht geschmeckt haben.
Chrysander. Das sage nicht! Ich habe in meiner Jugend auch studiert;
ich bin bis auf das Mark der Gelehrsamkeit gekommen. Aber dass ich
bestaendig ueber den Buechern gelegen haette, das ist nicht wahr. Ich
ging spazieren; ich spielte; ich besuchte Gesellschaften; ich machte
Bekanntschaft mit Frauenzimmern. Was der Vater in der Jugend getan
hat, kann der Sohn auch tun; soll der Sohn auch tun. A bove majori
discat arare minor! wie wir Lateiner reden. Besonders das
Frauenzimmer lass dir, wie wir Lateiner reden, de meliori empfohlen
sein! Das sind Narren, die einen jungen Menschen vor das Frauenzimmer
aerger als vor Skorpionen warnen; die es ihm, wie wir Lateiner reden,
cautius sanguine viperino zu fliehen befehlen.--
Damis. Cautius sanguine viperino? Ja, das ist noch Latein! Aber wie
heisst die ganze Stelle?
Cur timet flavum Tiberim tangere? cur olivum Sanguine viperino Cautius
vitat?--
Oh, ich hoere schon, Herr Vater, Sie haben auch nicht aus der Quelle
geschoepft! Denn sonst wuerden Sie wissen, dass Horaz in ebender Ode die
Liebe als eine sehr nachteilige Leidenschaft beschreibt, und das
Frauenzimmer--
Chrysander. Horaz! Horaz! Horaz war ein Italiener und meinet das
italienische Frauenzimmer. Ja vor dem italienischen warne ich dich
auch! das ist gefaehrlich! Ich habe einen guten Freund, der in seiner
Jugend--Doch still! man muss kein Aergernis geben.--Das deutsche
Frauenzimmer hingegen, o das deutsche! mit dem ist es ganz anders
beschaffen.--Ich wuerde der Mann nicht geworden sein, der ich doch bin,
wenn mich das Frauenzimmer nicht vollends zugestutzt haette. Ich
daechte, man saehe mir's an. Du hast tote Buecher genug gelesen; guck
einmal in ein lebendiges!
Damis. Ich erstaune--
Chrysander. O du wirst noch mehr erstaunen, wenn du erst tiefer
hineingehen wirst. Das Frauenzimmer, musst du wissen, ist fuer einen
jungen Menschen eine neue Welt, wo man so viel anzugaffen, so viel zu
bewundern findet--
Damis. Hoeren Sie mich doch! Ich erstaune, will ich sagen, Sie eine
Sprache fuehren zu hoeren, in der wahrhaftig diejenigen Vorschriften
nicht ausgedruckt waren, die Sie mir mit auf die hohe Schule gaben.
Chrysander. Quae, qualis, quanta! Jetzt und damals! Tempora
mutantur! wie wir Lateiner sagen.
Damis. Tempora mutantur? Ich bitte Sie, legen Sie doch die
Vorurteile des Poebels ab. Die Zeiten aendern sich nicht. Denn lassen
Sie uns einmal sehen: was ist die Zeit?--
Chrysander. Schweig! die Zeit ist ein Ding, das ich mir mit deinem
unnuetzen Geplaudre nicht will verderben lassen. Meine damaligen
Vorschriften waren nach dem damaligen Masse deiner Erfahrung und deines
Verstandes eingerichtet. Nun aber traue ich dir von beiden so viel zu,
dass du Ergoetzlichkeiten nicht zu Beschaeftigungen machen wirst. Aus
diesem Grunde rate ich dir also--
Damis. Ihre Reden haben einigen Schein der Wahrheit. Allein ich
dringe tiefer. Sie werden es gleich sehen. Der Status Controversiae
ist--
Chrysander. Ei, der Status Controversiae mag meinetwegen in Barbara
oder in Celarent sein. Ich bin nicht hergekommen mit dir zu
disputieren, sondern--
Damis. Die Kunstwoerter des Disputierens zu lernen? Wohl! Sie muessen
also wissen, dass weder Barbara noch Celarent den Statum--
Chrysander. Ich moechte toll werden! Bleib Er mir, Herr Informator,
mit den Possen weg, oder--
Damis. Possen? diese seltsamen Benennungen sind zwar Ueberbleibsel der
scholastischen Philosophie, das ist wahr; aber doch solche
Ueberbleibsel--
Chrysander. Ueber die ich die Geduld verlieren werde, wann du mich
nicht bald anhoerst. Ich komme in der ernsthaftesten Sache von der
Welt zu dir,--denn was ist ernsthafter als heiraten?--und du--
Damis. Heiraten? Des Heiratens wegen zu mir? zu mir?
Chrysander. Ha! ha! Macht dich das aufmerksam? Also ausculta et
perpende!
Damis. Ausculta et perpende? ausculta et perpende? Ein gluecklicher
Einfall--
Chrysander. Oh, ich habe Einfaelle--
Damis. Den ich da bekomme!
Chrysander. Du?
Damis. Ja, ich. Wissen Sie, wo sich dieses ausculta et perpende
herschreibt? Eben mache ich die Entdeckung; aus dem Homer. O was
finde ich nicht alles in meinem Homer?
Chrysander. Du und dein Homer, ihr seid ein paar Narren!
Damis. Ich und Homer? Homer und ich? wir beide? Hi! hi! hi! Gewiss,
Herr Vater? O ich danke, ich danke. Ich und Homer! Homer und ich!
--Aber hoeren Sie nur: sooft Homer--er war wirklich kein Narr, so wenig
wie ich--sooft er, sag ich, seine Helden den Soldaten zur Tapferkeit
ermuntern oder in dem Kriegsrate eine Beratschlagung anheben laesst;
sooft ist auch der Anfang ihrer Rede: Hoeret, was ich vortragen werde,
und ueberlegt es! Zum Exempel in der Odyssee:
"Keklute dae nun meu, Ithakhsioi, oti ken eipo." [Greek]
Und darauf folgt denn auch oft:
"Oy eiath' oi d' ara tau mala men chluon, aed' epithonto," [Greek]
das ist: so sprach er, und sie gehorchten dem, was sie gehoeret hatten.
Chrysander. Gehorchten sie ihm? Nu, das ist vernuenftig! Homer mag
doch wohl kein Narr sein. Sieh zu, dass ich von dir auch widerrufen
kann. Denn wieder zur Sache: ich kenne, mein Sohn--
Damis. Einen kleinen Augenblick Geduld, Herr Vater. Ich will mich
nur hinsetzen und diese Anmerkung aufschreiben.
Chrysander. Aufschreiben? was ist hier aufzuschreiben? Wem liegt
daran, ob das Spruechelchen aus dem Homer oder aus dem Gesangbuche ist?
Damis. Der gelehrten Welt liegt daran; meiner und Homers Ehre lieget
daran! Denn ein Halbhundert solche Anmerkungen machen einen
Philologen. Und sie ist neu, muss ich Ihnen sagen, sie ist ganz neu.
Chrysander. So schreib sie ein andermal auf.
Damis. Wenn sie mir aber wieder entfiele? Ich wuerde untroestlich sein.
Haben Sie wenigstens die Guetigkeit, mich wieder daran zu erinnern.
Chrysander. Gut, das will ich tun; hoere mir nur jetzt zu. Ich kenne,
mein Sohn, ein recht allerliebstes Frauenzimmer; und ich weiss, du
kennst es auch. Haettest du wohl Lust--
Damis. Ich soll ein Frauenzimmer, ein liebenswuerdiges Frauenzimmer
kennen? Oh, Herr Vater, wenn das jemand hoerte, was wuerde er von
meiner Gelehrsamkeit denken?--Ich ein liebenswuerdiges Frauenzimmer?--
Chrysander. Nun wahrhaftig; ich glaube nicht, dass ein Gastwirt so
erschrecken kann, wenn man ihm schuld gibt, er kenne den oder jenen
Spitzbuben, als du erschrickst, weil du ein Frauenzimmer kennen sollst.
Ist denn das ein Schimpf?
Damis. Wenigstens ist es keine Ehre, besonders fuer einen Gelehrten.
Mit wem man umgeht, dessen Sitten nimmt man nach und nach an. Jedes
Frauenzimmer ist eitel, hoffaertig, geschwaetzig, zaenkisch und
zeitlebens kindisch, es mag so alt werden, als es will. Jedes
Frauenzimmer weiss kaum, dass es eine Seele hat, um die es unendlich
mehr besorgt sein sollte als um den Koerper. Sich ankleiden,
auskleiden und wieder anders ankleiden; vor dem Spiegel sitzen, seinen
eignen Reiz bewundern; auf ausgekuenstelte Mienen sinnen; mit
neugierigen Augen muessig an dem Fenster liegen: unsinnige Romane lesen
und aufs hoechste zum Zeitvertreibe die Nadel zur Hand nehmen: das sind
seine Beschaeftigungen; das ist sein Leben. Und Sie glauben, dass ein
Gelehrter, ohne Nachteil seines guten Namens, solche naerrische
Geschoepfe weiter als ihrer aeusserlichen Gestalt nach kennen duerfe?
Chrysander. Mensch, Mensch! deine Mutter kehrt sich im Grabe um.
Bedenke doch, dass sie auch ein Frauenzimmer war! Bedenke doch, dass
die Dinger von Natur nun einmal nicht anders sind! Obschon, wie wir
Lateiner zu reden pflegen, nulla regula sine exceptione. Und so eine
Exzeption ist sicherlich das Maedchen, das ich jetzt im Kopfe habe und
das du kennst.--
Damis. Nein, nein! ich schwoere es Ihnen zu; unsere Muhmen ausgenommen
und Julianen--
Chrysander. Und Julianen? bene!--
Damis. Und ihr Maedchen ausgenommen, kenne ich kein einziges Weibsbild.
Ja, der Himmel soll mich strafen, wenn ich mir jemals in den Sinn
kommen lasse, mehrere kennenzulernen!
Chrysander. Je nun, auch das! wie du willst! Genug, Julianen, die
kennst du.
Damis. Leider!
Chrysander. Und eben Juliane ist es, ueber die ich deine Gedanken
vernehmen moechte.--
Damis. Ueber Julianen? meine Gedanken ueber Julianen? O Herr Vater,
wenn Sie noch meine Gedanken ueber Erinnen oder Korinnen, ueber
Telesillen oder Praxillen verlangten--
Chrysander. Schocktausend! was sind das fuer Illen? Den Augenblick
schwur er, er kenne kein Frauenzimmer, und nun nennt er ein halb
Dutzend Menscher.--
Damis. Menscher? Herr Vater!
Chrysander. Ja, Herr Sohn, Menscher! Die Endung gibt's gewiss nicht?
Netrix, Lotrix, Meretrix.--
Damis. Himmel, Menscher! griechische beruehmte Dichterinnen Menscher
zu nennen!--
Chrysander. Ja, ja, Dichterinnen! das sind mir eben die rechten.
Lotrix, Meretrix, Poetrix--
Damis. Poetrix? O wehe, meine Ohren! Poetria muessten Sie sagen: oder
Poetris--
Chrysander. Is oder ix, Herr Buchstabenkraemer!
Dritter Auftritt
Chrysander. Damis. Lisette.
Lisette. Hurtig herunter in die Wohnstube, Herr Chrysander! Man will
Sie sprechen.
Chrysander. Nun, was fuer ein Narr muss mich jetzo stoeren? Wer ist es
denn?
Lisette. Soll ich alle Narren kennen?
Chrysander. Was sagst du? Du hast ein unglueckliches Maul, Lisette.
Einen ehrlichen Mann einen Narren zu schimpfen? Denn ein ehrlicher
Mann muss es doch sein; was wollte er sonst bei mir?
Lisette. Nu, nu; verzeihen Sie immer meinem Maule den Fehler des
Ihrigen.
Chrysander. Den Fehler des meinigen?
Lisette. O gehen Sie doch! der ehrliche Mann wartet.
Chrysander. Lass ihn warten. Habe ich doch den Narren nicht kommen
heissen.--Ich werde gleich wieder da sein, mein Sohn.
Lisette (beiseite). Ich muss doch sehen, ob ich aus dem wunderlichen
Einfall meiner Jungfer etwas machen kann.
Vierter Auftritt
Lisette. Damis.
Damis. Nun? geht Lisette nicht mit?
Lisette. Ich bin Ihre gehorsamste Dienerin. Wenn Sie befehlen, so
werde ich gehorchen. Aber nur eines moechte ich erst wissen. Sagen
Sie mir, um des Himmels willen, wie koennen Sie bestaendig so allein
sein? Was machen Sie denn den ganzen Tag auf Ihrer Studierstube?
Werden Ihnen denn nicht alle Augenblicke zu Stunden?
Damis. Ach, was nutzen die Fragen? Fort! fort!
Lisette. Ueber den Buechern koennen Sie doch unmoeglich die ganze Zeit
liegen. Die Buecher, die toten Gesellschafter! Nein, ich lobe mir das
Lebendige; und das ist auch Mamsell Julianens Geschmack. Zwar dann
und wann lesen wir auch; einen irrenden Ritter, eine Banise, und so
etwas Gutes; aber laenger als eine Stunde halten wir es hintereinander
nicht aus. Ganze Tage damit zuzubringen wie Sie, hilf Himmel! in den
ersten dreien waeren wir tot. Und vollends nicht ein Wort dabei zu
reden wie Sie; das waere unsre Hoelle. Ein Vorzug des ganzen maennlichen
Geschlechts kann es nicht sein, weil ich Mannspersonen kenne, die so
fluechtig und noch fluechtiger sind als wir. Es muessen nur sehr wenig
grosse Geister diese besondere Gaben besitzen.--
Damis. Lisette spricht so albern eben nicht. Es ist schade, dass ein
so guter Mutterwitz nicht durch die Wissenschaften ausgebessert wird.
Lisette. Sie machen mich schamrot. Bald duerfte ich mich dafuer raechen
und Ihnen die Lobeserhebungen nacheinander erzaehlen, die Ihnen von der
gestrigen Gartengesellschaft gemacht wurden. Doch ich will Ihre
Bescheidenheit nicht beleidigen. Ich weiss, die Gelehrten halten auf
diese Tugend allzuviel.
Damis. Meine Lobeserhebungen? meine?
Lisette. Ja, ja, die Ihrigen.
Damis. O besorge Sie nichts, meine liebe Lisette. Ich will sie als
die Lobeserhebungen eines andern betrachten, und so kann meine
Bescheidenheit zufrieden sein. Erzaehle Sie mir sie nur. Bloss wegen
Ihrer lebhaften und ungekuenstelten Art, sich auszudruecken, wuensche ich
sie zu hoeren.
Lisette. O meine Art ist wohl keine von den besten. Es hat mir ein
Lehrmeister wie Sie gefehlt. Doch ich will Ihrem Befehle gehorchen.
Sie wissen doch wohl, wer die Herren waren, die gestern bei Ihrem
Herrn Vater im Garten schmauseten?
Damis. Nein, wahrhaftig nicht. Weil ich nicht dabeisein wollte, so
habe ich mich auch nicht darum bekuemmert. Hoffentlich aber werden es
Leute gewesen sein, die selbst lobenswuerdig sind, dass man sich also
auf ihr Lob etwas einbilden kann.
Lisette. Das sind sie so ziemlich. Was wuerde es Ihnen aber
verschlagen, wenn sie es auch nicht waeren? Sie wollen ja Ihre
Lobeserhebungen aus Bescheidenheit als fremde betrachten. Und haengt
denn die Wahrheit von dem Munde desjenigen ab, der sie vortraegt?
Hoeren Sie nur--
Damis. Himmel! ich hoere meinen Vater wiederkommen. Um Gottes willen,
liebe Lisette, dass er nicht merkt, dass Sie sich so lange bei mir
aufgehalten hat. Geh Sie hurtig unterdessen in das Kabinett.
Fuenfter Auftritt
Damis. Chrysander.
Chrysander. Der verzweifelte Valer! er haette mir zu keiner
ungelegnern Zeit kommen koennen. Muss ihn denn der Henker eben heute
von Berlin zurueckfuehren? Und muss er sich denn eben gleich bei mir
anmelden lassen? Hui dass--Nein, Herr Valer, damit kommen Sie zu spaet.
--Nun mein Sohn--(Damis steht zerstreut, als in tiefen Gedanken.)
Hoerst du, mein Sohn?
Damis. Ich hoere; ich hoere alles.
Chrysander. Kurz, du merkst doch, wo ich vorhin hinauswollte? Einem
Klugen sind drei Worte genug. Sapienti sat! sagen wir Lateiner.
--Antworte doch--
Damis (noch immer als in Gedanken). Was ist da zu antworten?--
Chrysander. Was da zu antworten ist?--Das will ich dir sagen.
--Antworte, dass du mich verstanden; dass dir mein Antrag lieb ist; dass
dir Juliane gefaellt; dass du mir in allem gehorchen willst.--Nun,
antwortest du das?--
Damis. Ich will gleich sehn--(Indem er in der angenommenen
Zerstreuung nach einem Buche greift.)
Chrysander. Was kann in dem Buche davon stehen?--Antworte aus dem
Herzen und nicht aus dem Buche.--Ex libro doctus quilibet esse potest;
sagen wir Lateiner.--
Damis (als ob er in dem Buche laese). Vollkommen recht! Aber nun wie
weiter?--
Chrysander. Das weitere gibt sich, wie 's Griechische. Du sagst ja;
sie sagt ja; damit wird Verloebnis; und bald darauf wird Hochzeit; und
alsdenn--Du wirst schon sehen, wie's alsdenn weitergeht.--
Damis. Wenn nun aber diese Voraussetzung--(Immer noch als ob er laese.)
Chrysander. Ei, ich setze nichts voraus, was im geringsten
zweifelhaft waere. Juliane ist eine Waise; ich bin ihr Vormund; ich
bin dein Vater; was muss mir angelegner sein, als euch beide gluecklich
zu machen? Ihr Vater war mein Freund und war ein ehrlicher Mann,
obgleich ein Narr. Er haette einen honetten Bankerott machen koennen;
seine Glaeubiger wuerden aufs Drittel mit sich haben akkordieren lassen;
und er war so einfaeltig und bezahlte bis auf den letzten Heller. Wie
ist mir denn? hast du ihn nicht gekannt?
Damis. Von Person nicht. Aber seine Lebensumstaende sind mir ganz
wohl bewusst. Ich habe sie, ich weiss nicht in welcher Biographie,
gelesen'
Chrysander. Gelesen? gedruckt gelesen?
Damis. Ja, ja; gelesen. Er ward gegen die Mitte des vorigen
Jahrhunderts geboren und ist, etwa vor zwanzig Jahren, als
Generalsuperintendent in Pommern gestorben. In orientalischen
Sprachen war seine vornehmste Staerke. Allein seine Buecher sind nicht
alle gleich gut. Dieses ist noch eines von den besten. Eine
besondere Gewohnheit soll der Mann an sich gehabt haben--
Chrysander. Von wem sprichst denn du?
Damis. Sie fragen mich ja, ob mir der Verfasser dieses Buchs bekannt
waere?
Chrysander. Ich glaube, du traeumest; oder es geht gar noch etwas
Aergers in deinem Gehirne vor. Ich frage dich, ob du Julianens Vater
noch gekannt hast?
Damis. Verzeihen Sie mir, wann ich ein wenig zerstreut geantwortet
habe! Ich dachte eben nach,--warum wohl die Rabbinen--das Schurek
M'lo Pum heissen.
Chrysander. Mit dem verdammten Schurek! Gib doch auf das acht, was
der Vater mit dir spricht!--(Er nimmt ihm das Buch aus der Hand.) Du
hast ihn also nicht gekannt? Ich besinne mich; es ist auch nicht wohl
moeglich. Als er starb, war Juliane noch sehr jung. Ich nahm sie
gleich nach seinem Tode in mein Haus, und Gott sei Dank! sie hat viel
Wohltaten hier genossen. Sie ist schoen, sie ist tugendhaft; wem
sollte ich sie also lieber goennen als dir? Was meinst du?--Antworte
doch! Stehst du nicht da, als wenn du schliefest!--
Damis. Ja, ja, Herr Vater. Nur eins ist noch dabei zu erwaegen.--
Chrysander. Du hast recht; freilich ist noch eins dabei zu erwaegen:
ob du dich naemlich geschickt befindest, bald ein oeffentliches Amt
anzunehmen, weil doch--
Damis. Wie? geschickt? geschickt? Sie zweifeln also an meiner
Geschicklichkeit?--Wie ungluecklich bin ich, dass ich Ihnen nicht
sogleich die unwidersprechlichsten Beweise geben kann! Doch es soll
noch diesen Abend geschehen. Glauben Sie mir, noch diesen Abend.--Die
verdammte Post! Ich weiss auch nicht, wo sie bleibt.
Chrysander. Beruhige dich nur, mein Sohn. Die Frage geschahe eben
aus keinem Misstrauen, sondern bloss weil ich glaube, es schicke sich
nicht, eher zu heiraten, als bis man ein Amt hat; so wie es sich,
sollte ich meinen, auch nicht wohl schickt, eher ein Amt anzunehmen,
als bis man weiss, woher man die Frau bekommen will.
Damis. Ach, was heiraten? was Frau? Erlauben Sie mir, dass ich Sie
allein lasse. Ich muss ihn gleich wieder auf die Post schicken. Anton!
Anton! Doch es ist mit dem Schlingel nichts anzufangen; ich muss nur
selbst gehen.
Sechster Auftritt
Anton. Chrysander.
Anton. Rufte mich nicht Herr Damis? Wo ist er? was soll ich?
Chrysander. Ich weiss nicht, was ihm im Kopfe steckt. Er ruft dich;
er will dich auf die Post schicken; er besinnt sich, dass mit dir
Schlingel nichts anzufangen ist, und geht selber. Sage mir nur,
willst du zeitlebens ein Esel bleiben?
Anton. Gemach, Herr Chrysander! ich nehme an den Torheiten Ihres
Sohnes keinen Teil. Mehr als zwoelfmal habe ich ihm heute schon auf
die Post laufen muessen. Er verlangt Briefe von Berlin. Ist es meine
Schuld, dass sie nicht kommen?
Chrysander. Der wunderliche Heilige! Du bist aber nun schon so lange
um ihn; solltest du nicht sein Gemuet, seine Art zu denken ein wenig
kennen?
Anton. Ha! ha! das koemmt darauf hinaus, was wir Gelehrten die
Kenntnis der Gemueter nennen? Darin bin ich Meister; bei meiner Ehre!
Ich darf nur ein Wort mit einem reden; ich darf ihn nur ansehen: husch,
habe ich den ganzen Menschen weg! Ich weiss sogleich, ob er
vernuenftig oder eigensinnig, ob er freigebig oder ein Knicker--
Chrysander. Ich glaube gar, du zeigst auf mich?
Anton. O kehren Sie sich an meine Haende nicht!--Ob er--
Chrysander. Du sollst deine Kunst gleich zeigen! Ich habe meinem
Sohne eine Heirat vorgeschlagen: nun sage einmal, wenn du ihn kennst,
was wird er tun?
Anton. Ihr Herr Sohn? Herr Damis? Verzeihen Sie mir, bei dem geht
meine Kunst, meine sonst so wohl versuchte Kunst, betteln.
Chrysander. Nu, Schurke, so geh mit und prahle nicht!
Anton. Die Gemuetsart eines jungen Gelehrten kennen wollen und etwas
daraus schliessen wollen, ist unmoeglich; und was unmoeglich ist, Herr
Chrysander--das ist unmoeglich.
Chrysander. Und wieso?
Anton. Weil er gar keine hat.
Chrysander. Gar keine?
Anton. Nein, nicht gar keine; sondern alle Augenblicke eine andre.
Die Buecher und die Exempel, die er liest, sind die Winde, nach welchen
sich der Wetterhahn seiner Gedanken richtet. Nur bei dem Kapitel vom
Heiraten stehenzubleiben, weil das einmal auf dem Tapete ist, so
besinne ich mich, dass--Denn vor allen Dingen muessen Sie wissen, dass
Herr Damis nie etwas vor mir verborgen hat. Ich bin von jeher sein
Vertrauter gewesen und von jeher der, mit dem er sich immer am
liebsten abgegeben hat. Ganze Tage, ganze Naechte haben wir manchmal
auf der Universitaet miteinander disputiert. Und ich weiss nicht, er
muss doch so etwas an mir finden; etwa eine Eigenschaft, die er an
andern nicht findet--
Chrysander. Ich will dir sagen, was das fuer eine Eigenschaft ist:
deine Dummheit! Es ergoetzt ihn, wenn er sieht, dass er gelehrter ist
als du. Bist du nun vollends ein Schalk und widersprichst ihm nicht
und lobst ihn ins Gesicht und bewunderst ihn--
Anton. Je verflucht! da verraten Sie mir ja meine ganze Politik! Wie
schlau ein alter Kaufmann nicht ist!
Chrysander. Aber vergiss das Hauptwerk nicht! Vom Heiraten--
Anton. Ja darueber hat er schon Teufelsgrillen im Kopfe gehabt. Zum
Exempel: ich weiss die Zeit, da er gar nicht heiraten wollte.
Chrysander. Gar nicht? so muss ich noch heiraten. Ich werde doch
meinen Namen nicht untergehen lassen? Der Boesewicht! Aber warum denn
nicht?
Anton. Darum: weil es einmal Gelehrte gegeben hat, die geglaubt haben,
der ehelose Stand sei fuer einen Gelehrten der schicklichste. Gott
weiss, ob diese Herren allzu geistlich oder allzu fleischlich sind
gesinnt gewesen! Als ein kuenftiger Hagestolz hatte er sich schon auf
verschiedene sinnreiche Entschuldigungen gefasst gemacht.--
Chrysander. Auf Entschuldigungen? kann sich so ein ruchloser Mensch,
der dieses heilige Sakrament--Denn im Vorbeigehen zu sagen, ich bin
mit unsern Theologen gar nicht zufrieden, dass sie den Ehestand fuer
kein Sakrament wollen gelten lassen--der, sage ich, dieses heilige
Sakrament verachtet, kann der sich noch unterstehen, seine
Gottlosigkeit zu entschuldigen? Aber, Kerl, ich glaube, du machst mir
etwas weis; denn nur vorhin schien er ja meinen Vorschlag zu billigen.
Anton. Das ist unmoeglich richtig zugegangen. Wie stellte er sich
dabei an? Lassen Sie sehen; stand er etwa da, als wenn er vor den
Kopf geschlagen waere? sahe er etwa steif auf die Erde? legte er etwa
die Hand an die Stirne? griff er etwa nach einem Buche, als wenn er
darin lesen wollte? liess er Sie etwa ungestoert fortreden?
Chrysander. Getroffen! du malst ihn, als ob du ihn gesehen haettest.
Anton. O da sieht es windig aus! Wann er es so macht, will er haben,
dass man ihn fuer zerstreut halten soll. Ich kenne seine Mucken. Er
hoert alsdenn alles, was man ihm sagt; allein die Leute sollen glauben,
er habe es vor vielem Nachsinnen nicht gehoert. Er antwortet zuweilen
auch; wenn man ihm aber seine Antwort wieder vorlegt, so wird er
nimmermehr zugestehen, dass sie auf das gegangen sei, was man von ihm
hat wissen wollen.
Chrysander. Nun, wer noch nicht gestehen will, dass zu viel
Gelehrsamkeit den Kopf verwirre, der verdient es selber zu erfahren.
Gott sei Dank, dass ich in meiner Jugend gleich das rechte Mass zu
treffen wusste! Omne nimium vertitur in vitulum: sagen wir Lateiner
sehr spasshaft.--Aber Gott sei dem Boesewichte gnaedig, wann er auf dem
Vorsatze verharret! Wann er behauptet, es sei nicht noetig, zu
heiraten und Kinder zu zeugen, will er mir damit nicht zu verstehn
geben, es sei auch nicht noetig gewesen, dass ich ihn gezeugt habe? Der
undankbare Sohn!
Anton. Es ist wahr, kein groesster Undank kann unter der Sonne sein,
als wenn ein Sohn die viele Muehe nicht erkennen will, die sein Vater
hat ueber sich nehmen muessen, um ihn in die Welt zu setzen.
Chrysander. Nein; gewiss, an mir soll der heilige Ehestand seinen
Verteidiger finden!
Anton. Der Wille ist gut; aber lauter solche Verteidiger wuerden die
Konsumtionsakzise ziemlich geringe machen.
Chrysander. Wieso?
Anton. Bedenken Sie es selbst! drei Weiber, und von der dritten kaum
einen Sohn.
Chrysander. Kaum? was willst du mit dem, kaum' sagen, Schlingel?
Anton. Hui, dass Sie etwas Schlimmers darunter verstehn als ich.
Chrysander. Zwar im Vertrauen, Anton: wenn die Weiber vor zwanzig
Jahren so gewesen waeren, wie die Weiber jetzo sind, ich wuerde auf
wunderbare Gedanken geraten. Er hat gar zu wenig von mir! Doch die
Weiber vor zwanzig Jahren waren so frech noch nicht wie die jetzigen;
so treulos noch nicht, wie sie heutzutage sind; so luestern noch nicht--
Anton. Ist das gewiss? Nun wahrhaftig, so hat man meiner Mutter
unrecht getan, die vor 33 Jahren von ihrem Manne, der mein Vater nicht
sein wollte, geschieden wurde! Doch das ist ein Punkt, woran ich
nicht gern denke. Die Grillen Ihres Herrn Sohns sind lustiger.
Chrysander. Aergerlicher, sprich! Aber sage mir, was waren denn
seine Entschuldigungen?
Anton. Seine Entschuldigungen waren Einfaelle, die auf seinem Miste
nicht gewachsen waren. Er sagte zum Exempel, solange er unter vierzig
Jahren sei und ihn jemand um die Ursache fragen wuerde, warum er nicht
heirate, wolle er antworten, er sei zum Heiraten noch zu jung. Waere
er aber ueber vierzig Jahr, so wolle er sprechen, nunmehr sei er zum
Heiraten zu alt. Ich weiss nicht, wie der Gelehrte hiess, der auch so
soll gesagt haben.--Ein anderer Vorwand war der: er heiratete deswegen
nicht, weil er alle Tage willens waere, ein Moench zu werden; und wuerde
deswegen kein Moench, weil er alle Tage gedaechte zu heiraten.
Chrysander. Was? nun will er auch gar ein Moench werden? Da sieht man,
wohin so ein boeses Gemuet, das keine Ehrfurcht fuer den heiligen
Ehestand hat, verfallen kann! Das haette ich nimmermehr in meinem
Sohne gesucht!
Anton. Sorgen Sie nicht! bei Ihrem Sohne ist alles nur ein Uebergang.
Er hatte den Einfall in der Lebensbeschreibung eines Gelehrten gelesen;
er hatte Geschmack daran gefunden und sogleich beschlossen, ihn bei
Gelegenheit als den seinen anzubringen. Bald aber ward die Grille von
einer andern verjagt, so wie etwann, so wie etwann--Schade, dass ich
kein Gleichnis dazu finden kann! Kurz, sie ward verjagt. Er wollte
nunmehr heiraten, und zwar einen rechten Teufel von einer Frau.
Chrysander. Wenn doch den Einfall mehr Narren haben wollten, damit
andre ehrliche Maenner mit boesen Weibern verschont blieben.
Anton. Ja, meinte er: es wuerde doch huebsch klingen, wenn es einmal
von ihm heissen koennte: unter die Zahl der Gelehrten, welche der Himmel
mit boesen Weibern gestraft hat, gehoeret auch der beruehmte Damis;
gleichwohl kann sich die gelehrte Welt nicht ueber ihn beklagen, dass
ihn dieses Hauskreuz nur im geringsten abgehalten haette, ihr mit
unzaehlbaren gelehrten Schriften zu dienen.
Chrysander. Mit Schriften! ja, die mir am teuersten zu stehen kommen.
Was fuer Rechnungen habe ich nicht schon an die Buchdrucker bezahlen
muessen! Der Boesewicht!
Anton. Geduld! er hat auch erst angefangen zu schreiben! Es wird
schon besser kommen.
Chrysander. Besser? vielleicht damit man ihn endlich einmal auch
unter die zaehlen kann, die ihren Vater arm geschrieben haben!
Anton. Warum nicht? wenn es ihm Ehre braechte--
Chrysander. Die verdammte Ehre!
Anton. Um die tut ein junger Gelehrter alles! Wann es auch nach
seinem Tode heissen sollte: unter diejenigen Gelehrten, die zum Teufel
gefahren sind, gehoert auch der beruehmte Damis! was schadet das? Genug,
er heisst gelehrt; er heisst beruehmt--
Chrysander. Kerl, du erschreckst mich! Aber du, der du weit aelter
bist als er, kannst du ihn nicht dann und wann zurechte weisen?--
Anton. Oh, Herr Chrysander! Sie wissen wohl, dass ich keinen Gehalt
als Hofmeister bekomme. Und dazu meine Dummheit--
Chrysander. Ja, die du annimmst, um ihn desto duemmer zu machen.
Anton (beiseite). St! der kennt mich.--Aber glauben Sie, dass ihm mit
der boesen Frau ein Ernst war? Nichts weniger! Eine Stunde darauf
wollte er sich eine gelehrte Frau aussuchen.
Chrysander. Nun, das waere doch noch etwas Kluges!
Anton. Etwas Kluges? Nach meiner unvorgreiflichen Meinung ist es
gleich der duemmste Einfall, den er hat haben koennen. Eine gelehrte
Frau! bedenken Sie doch! eine gelehrte Frau; eine Frau wie Ihr Herr
Sohn! Zittern und Entsetzen moechte einem ehrlichen Kerl ankommen.
Wahrhaftig! ehe ich mir eine Gelehrte aufhaengen liess'--
Chrysander. Narre, Narre! sie gehen unter andern Leuten, als du bist,
reissend weg. Wann ihrer nur viel waeren, wer weiss, ob ich mir nicht
selbst eine waehlte.
Anton. Kennen Sie Karlinen?
Chrysander. Karlinen? Nein.
Anton. Meinen ehemaligen Kameraden? meinen guten Freund? kennen Sie
den nicht?
Chrysander. Nein doch, nein.
Anton. Er trug ein hechtgraues Kleid mit roten Aufschlaegen und auf
seiner Sonntagsmontur rote und blaue Achselbaender. Sie muessen ihn bei
mir gesehen haben. Er hatte eine etwas lange Nase. Sie war ein
Erbstueck; denn er wollte aus der Geschichte wissen, dass schon sein
Ururaeltervater, der ehedem einem gewissen Turnier als Stallknecht
beigewohnt, eine ebenso lange gehabt habe. Sein einziger Fehler war,
dass er etwas krumme Beine hatte. Besinnen Sie sich nun?
Chrysander. Soll ich denn alle das Lumpengesindel kennen, das du
kennst? Und was willst du denn mit ihm?
Anton. Sie kennen ihn also im Ernste nicht? Oh! da kennen Sie einen
sehr grossen Geist weniger. Ich will Sie zu seiner Bekanntschaft
verhelfen; ich gelte etwas bei ihm.
Chrysander. Ich glaube, du schwaermst manchmal so gut als mein Sohn.
Wie koemmst du denn auf die Possen?
Anton. Eben der Karlin, will ich sagen--Oh! es ist aergerlich, dass Sie
ihn nicht kennen.--Eben der Karlin, sage ich, hat einmal bei einem
Herrn gedient, der eine gelehrte Frau hatte. Der verzweifelte
Vogel--er sah gut aus, und wie nun der Appetit sich nach dem Stande
nicht richtet--kurz, er musste sie naeher gekannt haben. Wo haette er
sonst so viel Verstand her? Endlich merkte es auch sein Herr, dass er
bei der Frau in die Schule ging. Er bekam seinen Abschied, ehe er
sich's versah. Die arme Frau!
Chrysander. Ach schweig! ich mag weder deine noch meines Sohnes
Grillen laenger mit anhoeren.
Anton. Noch eine hoeren Sie; und zwar die, welche zuletzt seine
Leibgrille ward: er wollte mehr als eine Frau heiraten.
Chrysander. Aber eine nach der andern.
Anton. Nein, wenigstens ein halb Dutzend auf einmal. Der Bibel, der
Obrigkeit und dem Gebrauche zum Trutze! Er las damals gleich ein
Buch--
Chrysander. Die verdammten Buecher! Kurz, ich will nicht weiter hoeren.
Es soll ihm schon vergehen, mehr als eine zu nehmen, wenn er nur
erst die genommen hat, die ich jetzt fuer ihn im Kopfe habe. Und was
meinest du wohl, Anton? quid putas? wie wir Lateiner reden; wird er's
tun?
Anton. Vielleicht; vielleicht nicht. Wenn ich wuesste, was er fuer ein
Buch zuletzt gelesen haette, und wenn ich dieses Buch selbst lesen
koennte, und wenn--
Chrysander. Ich sehe schon, ich werde deine Hilfe noetig haben. Du
bist zwar ein Gauner, aber ich weiss auch, man koemmt jetzt mit
Betruegern weiter als mit ehrlichen Leuten.
Anton. Ei, Herr Chrysander, fuer was halten Sie mich?
Chrysander. Ohne Komplimente, Herr Anton! ich verspreche dir eine
Belohnung, die deinen Verdiensten gemaess sein soll, wenn du meinen Sohn
quovis modo, wie wir Lateiner reden, durch Wahrheiten oder durch Luegen,
durch Ernst oder durch Schraubereien, vel sic vel aliter, wie wir
Lateiner reden, Julianen zu heiraten bereden kannst.
Anton. Wen? Julianen?
Chrysander. Julianen; illam ipsam.
Anton. Unsere Mamsell Juliane? Ihr Muendel? Ihre Pflegetochter?
Chrysander. Kennst du eine andre?
Anton. Das ist unmoeglich, oder das, was ich von ihr gehoert habe, muss
nicht wahr sein.
Chrysander. Gehoert? so? hast du etwas von ihr gehoert? doch wohl
nichts Boeses.
Anton. Nichts Gutes war es freilich nicht.
Chrysander. Ei! ich habe auf das Maedchen so grosse Stuecken gehalten.
Sie wird doch nicht etwa mit einem jungen Kerl--he?
Anton. Wann es nichts mehr waere! so ein klein Fehlerchen entschuldigt
die Mode. Aber, es ist noch etwas weit Aergers fuer eine gute Jungfer,
die gerne nicht laenger Jungfer sein moechte.
Chrysander. Noch etwas weit Aergers? ich versteh dich nicht.
Anton. Und Sie sind gleichwohl ein Kaufmann?
Chrysander. Noch etwas weit Aergers? Ich habe immer geglaubt,
Eingezogenheit und gute Sitten waeren das Vornehmste--
Anton. Nicht mehr! nicht mehr! vor zwanzig Jahren wohl, wie Sie
vorher selbst weislich erinnerten.
Chrysander. Nun so erklaere dich deutlicher. Ich habe nicht Lust,
deine naerrischen Gedanken zu erraten.
Anton. Und nichts ist doch leichter. Mit einem Worte: sie soll kein
Geld haben. Man hat mir gesagt, in Ansehung ihres Vaters, der Ihr
guter Freund gewesen waere, haetten Sie Julianen, von ihrem neunten
Jahre an, zu sich genommen und aus Barmherzigkeit erzogen.
Chrysander. Da hat man dir nun wohl keine Luegen gesagt; gleichwohl
aber soll sie doch kein andrer haben als mein Sohn, wann nur er--Denn
sieh, Anton, ich muss dir das ganze Raetsel erklaeren.--Es liegt nur an
mir, Julianen in kurzer Zeit reich zu machen.
Anton. Ja, durch Ihr eigen Geld; und auf diese Art koennten Sie auch
mich wohl reich machen. Wollen Sie so gut sein?
Chrysander. Nein, nicht durch mein eigen Geld.--Kannst du schweigen?
Anton. Versuchen Sie es.
Chrysander. Hoere also; mit Julianens Vermoegen steht es so: ihr Vater
kam durch einen Prozess, den er endlich doch musste liegenlassen, kurz
vor seinem Tode um alle das Seine. Jetzt nun ist mir ein gewisses
Dokument in die Haende gefallen, das er lange vergebens suchte und das
dem ganzen Handel ein ander Ansehen gibt. Es koemmt nur darauf an, dass
ich so viel Geld hergebe, den Prozess wieder anzufangen. Das Dokument
selbst habe ich bereits an meinen Advokaten nach Dresden geschickt.--
Anton. Gott sei Dank! dass Sie wieder zum Kaufmanne werden! Vorhin
haette ich bald nicht gewusst, was ich aus Ihnen machen sollte.--Aber
Julianens Einwilligung haben Sie doch schon?
Chrysander. Oh! das gute Kind will mir, wie es spricht, in allem
gehorchen. Unterdessen hat sich doch schon Valer auf sie gespitzt.
Er hat mir vor einiger Zeit auch seine Gedanken deshalb eroeffnet. Ehe
ich das Dokument bekam--
Anton. Ja, da war uns an Julianen so viel nicht gelegen. Sie machten
ihm also Hoffnung?
Chrysander. Freilich! Er ist heute von Berlin wieder zurueckgekommen
und hat sich auch schon bei mir melden lassen. Ich besorge, ich
besorge--Doch wenn mein Sohn nur will--Und diesen, Anton, du
verstehest mich--Ein Narr ist auf viel Seiten zu fassen; und ein Mann
wie du kann auf viel Seiten fassen.--Du wirst sehen, dass ich
erkenntlich bin.
Anton. Und Sie, dass ich ganz zu Ihren Diensten bin, zumal wenn mich
die Erkenntlichkeit zuerst herausfordert und--
Siebenter Auftritt
Anton. Chrysander. Juliane.
Juliane. Kommen Sie doch, Herr Chrysander, kommen Sie doch hurtig
herunter. Herr Valer ist schon da, Ihnen seine Aufwartung zu machen.
Chrysander. Tut Sie doch ganz froehlich, mein Jungferchen!
Anton (sachte zu Chrysandern). Hui! dass Valer schon den Vogel
gefangen hat.
Chrysander. Das waere mir gelegen.
(Anton und Chrysander gehen ab.)
Achter Auftritt
Juliane. Lisette.
Lisette (guckt aus dem Kabinett). Bst! bst! bst!
Juliane. Nun, wem gilt das? Lisette? bist du's? Was machst du denn
hier?
Lisette. Ja, das werden Sie wohl nimmermehr glauben, dass ich und
Damis schon so weit miteinander gekommen sind, dass er mich verstecken
muss. Schon kann ich ihn um einen Finger wickeln! Noch eine
Unterredung wie vorhin, so habe ich ihn im Sacke.
Juliane. Und also haette ich wohl, in allem Scherze, einen recht guten
Einfall gehabt? Wollte doch der Himmel, dass die Verbindung, die sein
Vater zwischen uns--
Lisette. Ach, sein Vater! der Schalk, der Geizhals! Jetzt habe ich
ihn kennenlernen.
Juliane. Was gibst du ihm fuer Titel? Seine Guetigkeit ist nur gar zu
gross. Seine Wohltaten vollkommen zu machen, traegt er mir die Hand
seines Sohnes und mit ihr sein ganzes Vermoegen an. Aber wie
ungluecklich bin ich dabei!--Dankbarkeit und Liebe, Liebe gegen den
Valer, und Dankbarkeit--
Lisette. Noch vor einer Minute, war ich in ebendem Irrtume. Aber
glauben Sie mir nur, ich weiss es nunmehr aus seinem Munde: nicht aus
Freundschaft fuer Sie, sondern aus Freundschaft fuer Ihr Vermoegen will
er diese Verbindung treffen.
Juliane. Fuer mein Vermoegen? du schwaermst. Was habe ich denn, das ich
nicht von ihm haette?
Lisette. Kommen Sie, kommen Sie. Hier ist der Ort nicht, viel zu
schwatzen. Ich will Ihnen alles erzaehlen, was ich gehoert habe.
Zweiter Aufzug
Erster Auftritt
Lisette. Valer. Juliane.
Lisette (noch innerhalb der Szene). Nur hier herein; Herr Damis ist
ausgegangen. Sie koennen hier schon ein Woertchen miteinander im
Vertrauen reden.
Juliane. Ja, Valer, mein Entschluss ist gefasst. Ich bin ihm zu viel
schuldig; er hat durch seine Wohltaten das groesste Recht ueber mich
erhalten. Es koste mir, was es wolle; ich muss die Heirat eingehen,
weil es Chrysander verlangt. Oder soll ich etwa die Dankbarkeit der
Liebe aufopfern? Sie sind selbst tugendhaft, Valer, und Ihr Umgang
hat mich edler denken gelehrt. Mich Ihrer wert zu zeigen, muss ich
meine Pflicht, auch mit dem Verluste meines Glueckes, erfuellen.
Lisette. Eine wunderbare Moral! wahrhaftig!
Valer. Aber wo bleiben Versprechung, Schwur, Treue? Ist es erlaubt,
um eine eingebildete Pflicht zu erfuellen, einer andern, die uns
wirklich verbindet, entgegen zu handeln?
Juliane. Ach, Valer, Sie wissen es besser, was zu solchen
Versprechungen gehoert. Missbrauchen Sie meine Schwaeche nicht. Die
Einwilligung meines Vaters war nicht dabei.
Valer. Was fuer eines Vaters?--
Juliane. Desjenigen, dem ich fuer seine Wohltaten diese Benennung
schuldig bin. Oder halten Sie es fuer keine Wohltaten, der Armut und
allen ihren unseligen Folgen entrissen zu werden? Ach, Valer, ich
wuerde Ihr Herz nicht besitzen, haette nicht Chrysanders Sorgfalt mich
zur Tugend und Anstaendigkeit bilden lassen.
Valer. Wohltaten hoeren auf, Wohltaten zu sein, wenn man sucht, sich
fuer sie bezahlt zu machen. Und was tut Chrysander anders, da er Sie,
allzu gewissenhafte Juliane, nur deswegen mit seinem Sohne verbinden
will, weil er ein Mittel sieht, Ihnen wieder zu dem groessten Teile
Ihres vaeterlichen Vermoegens zu verhelfen?
Juliane. Fussen Sie doch auf eine so wunderbare Nachricht nicht. Wer
weiss, was Lisette gehoert hat?
Lisette. Nichts, als was sich vollkommen mit seiner uebrigen
Auffuehrung reimt. Ein Mann, der seine Wohltaten schon ausposaunet,
der sie einem jeden auf den Fingern vorzurechnen weiss, sucht etwas
mehr als das blosse Gotteslohn. Und waere es etwa die erste Traene, die
Ihnen aus Verdruss, von einem so eigennuetzig freigebigen Manne
abzuhaengen, entfahren ist?
Valer. Lisette hat recht!--Aber ich empfinde es leider; Juliane liebt
mich nicht mehr.
Juliane. Sie liebt Sie nicht mehr? Dieser Verdacht fehlte noch,
ihren Kummer vollkommen zu machen. Wann Sie wuessten, wieviel es ihr,
gegen die Ratschlaege der Liebe taub zu sein, koste; wann Sie wuessten,
Valer--ach, die misstrauischen Mannspersonen!
Valer. Legen Sie die Furcht eines Liebhabers, dessen ganzes Glueck auf
dem Spiele steht, nicht falsch aus. Sie lieben mich also noch? und
wollen sich einem andern ueberlassen?
Juliane. Ich will? Koennten Sie mich empfindlicher martern? Ich
will?--Sagen Sie: ich muss.
Valer. Sie muessen?--Noch ist nie ein Herz gezwungen worden als
dasjenige, dem es lieb ist, den Zwang zu seiner Entschuldigung machen
zu koennen--
Juliane. Ihre Vorwuerfe sind so fein, so fein! dass ich Sie vor Verdruss
verlassen werde.
Valer. Bleiben Sie, Juliane; und sagen Sie mir wenigstens, was ich
dabei tun soll?
Juliane. Was ich tue; dem Schicksale nachgeben.
Valer. Ach, lassen Sie das unschuldige Schicksal aus dem Spiele!
Juliane. Das unschuldige? und ich werde also wohl die Schuldige sein?
Halten Sie mich nicht laenger--
Lisette. Wann ich mich nun nicht bald dazwischenlege, so werden sie
sich vor lauter Liebe zanken.--Was Sie tun sollen, Herr Valer? eine
grosse Frage! Himmel und Hoelle rege machen, damit die gute Jungfer
nicht muss! Den Vater auf andre Gedanken bringen; den Sohn auf Ihre
Seite ziehen.--Mit dem Sohne zwar hat es gute Wege; den ueberlassen Sie
nur mir. Der gute Damis! Ich bin ohne Zweifel das erste Maedchen, das
ihm schmeichelt, und hoffe dadurch auch das erste zu werden, das von
ihm geschmeichelt wird. Wahrhaftig; er ist so eitel, und ich bin so
geschickt, dass ich mich wohl noch zu seiner Frau an ihm loben wollte,
wenn der verzweifelte Vater nicht waere!--Sehen Sie, Herr Valer, der
Einfall ist von Mamsell Julianen! Erfinden Sie nun eine Schlinge fuer
den Vater--
Juliane. Was sagst du, Lisette? von mir? O Valer, glauben Sie solch
rasendes Zeug nicht! Habe ich dir etwas anders befohlen, als ihm
einen schlechten Begriff von mir beizubringen?
Lisette. Ja, recht; einen schlechten von Ihnen--und wenn es moeglich
waere, einen desto bessern von mir.
Juliane. Nein, es ist mit euch nicht auszuhalten--
Valer. Erklaeren Sie wenigstens, liebste Juliane--
Juliane. Erklaeren? und was? Vielleicht, dass ich Ihnen in die Arme
rennen will und wann ich auch alle Tugenden beleidigen sollte? dass ich
mich mit einer Begierde, mit einem Eifer die Ihrige zu werden bemuehen
will, die mich in Ihren Augen notwendig einmal veraechtlich machen
muessen? Nein, Valer--
Lisette. Hoeren Sie denn nicht, dass sie uns gern freie Hand lassen
will? Sie macht es wie die schoene Aspasia--oder wie hiess die
Prinzessin in dem dicken Romane? Zwei Ritter machten auf sie Anspruch.
Schlagt euch miteinander, sagte die schoene Aspasia; wer den andern
ueberwindet, soll mich haben. Gleichwohl aber war sie dem Ritter in
der blauen Ruestung guenstiger als dem andern--
Juliane. Ach, die Naerrin, mit ihrem blauen Ritter--(Reisst sich los
und geht ab.)
Zweiter Auftritt
Lisette. Valer.
Lisette. Ha! ha! ha!
Valer. Mir ist nicht laecherlich, Lisette.
Lisette. Nicht? Ha! ha! ha!
Valer. Ich glaube, du lachst mich aus.
Lisette. Oh, so lachen Sie mit! Oder ich muss noch einmal darueber
lachen, dass Sie nicht lachen wollen. Ha! ha! ha!
Valer. Ich moechte verzweifeln! In der Ungewissheit, ob sie mich noch
liebt--
Lisette. Ungewissheit? Sind denn alle Mannspersonen so schwer zu
ueberreden? Werden sie denn alle zu solchen aengstlichen Zweiflern,
sobald sie die Liebe ein wenig erhitzt? Lassen Sie Ihre Grillen
fahren, Herr Valer, oder ich lache aufs neue. Spannen Sie vielmehr
Ihren Verstand an, etwas auszusinnen, um den alten Chrysander--
Valer. Chrysander traut mir nicht und kann mir nicht trauen. Er
kennt meine Neigung zu Julianen. Alle mein Zureden wuerde umsonst sein;
er wuerde den Eigennutz, die Quelle davon, gar bald entdecken. Und
wenn ich auch eine voellige Anwerbung tun wollte; was wuerde es helfen?
Er ist deutsch genug, mir gerade ins Gesicht zu sagen, dass ich seinem
Sohne hier nachstehen muesse, welcher wegen der Wohltaten des Vaters
das groesste Recht auf Julianen habe.--Was soll ich also anfangen?
Lisette. Mit den wunderlichen Leuten, die nur ueberall den ebenen Weg
gehen wollen! Hoeren Sie, was mir eingefallen ist. Das Dokument, oder
wie der Quark heisst, ist das einzige, was Chrysandern zu dieser Heirat
Lust macht, so dass er es schon an seinen Advokaten geschickt hat. Wie
wenn man von diesem Advokaten einen Brief unterschieben koennte, in
welchem--in welchem--
Valer. In welchem er ihm die Gueltigkeit des Dokuments verdaechtig
macht; willst du sagen? Der Einfall ist so unrecht nicht! Aber--wenn
ihm nun einmal der Advokate ganz das Gegenteil schreibt, so ist ja
unser Betrug am Tage.
Lisette. Was fuer ein Einwurf! Freilich muessen Sie ihn stimmen. Es
ist von jeher gebraeuchlich gewesen, dass es sich ein Liebhaber etwas
muss kosten lassen.
Valer. Wenn nun aber der Advokat ehrlich ist?
Lisette. Tun Sie doch, als ob Sie seit vier Wochen erst in der Welt
waeren. Wie die Geschenke so ist der Advokat. Kommen gar keine, so
ist der niedertraechtigste Betrueger der redlichste Mann. Kommen welche,
aber nur kleine, so haelt das Gewissen noch so ziemlich das
Gleichgewicht. Es steigen alsdenn wohl Versuchungen bei ihm auf;
allein die kleinste Betrachtung schlaegt sie wieder nieder. Kommen
aber nur recht ansehnliche, so ist gar bald der ehrlichste Advokat
nicht mehr der ehrlichste. Er legt die Ehrlichkeit mit den
geschenkten Goldstuecken in den Schatz, wo jene eher zu rosten anfaengt
als diese. Ich kenne die Herren!
Valer. Dein Urteil ist zu allgemein. Nicht alle Personen von
einerlei Stande sind auf einerlei Art gesinnet. Ich kenne
verschiedene alte rechtschaffene Sachwalter--
Lisette. Was wollen Sie mit Ihren alten? Es ist eben, als wenn Sie
sagten, die grossen runden Aufschlaege, die kleinen spitzen Knoepfe, die
erschrecklichen Halskrausen, aus welchen man Schiffssegel machen
koennte, die viereckigten breiten Schuhe, die tiefen Taschen, kurz, die
ganze Tracht, wie sich etwa Ihre Paten an Ehrentagen moegen
ausstaffiert haben, waeren noch jetzt Mode, weil man noch manchmal hier
und da einige gebueckte zitternde Maennerchen ueber die Gassen so
schleichen sieht. Lassen Sie nur noch die und Ihr paar alte
rechtschaffene Advokaten sterben; die Mode und die Redlichkeit werden
einen Weg nehmen.
Valer. Man hoert doch gleich, wenn das Frauenzimmer am beredtesten ist!
Lisette. Sie meinen etwa, wenn es ans Laestern geht? O wahrhaftig!
des blossen Laesterns wegen habe ich so viel nicht geplaudert. Meine
vornehmste Absicht war, Ihnen beizubringen, wieviel ueberall das Geld
tun koenne und was fuer ein vortreffliches Spiel ein Liebhaber in den
Haenden hat, wenn er gegen alle freigebig ist, gegen die Gebieterin,
gegen den Advokaten und--Dero Dienerin. (Sie macht eine Verbeugung.)
Valer. Verlass dich auf meine Erkenntlichkeit. Ich verspreche dir
eine recht ansehnliche Ausstattung, wenn wir gluecklich sind--
Lisette. Ei, wie fein! Eine Ausstattung? Sie hoffen doch wohl nicht,
dass ich uebrigbleiben werde?
Valer. Wann du das befuerchtest, so verspreche ich dir den Mann darzu.
--Doch komm nur; Juliane wird ohne Zweifel auf uns warten. Wir wollen
gemeinschaftlich unsre Sachen weiter ueberlegen.
Lisette. Gehen Sie nur voran; ich muss noch hier verziehen, um meinem
jungen Gelehrten--
Valer. Er wird vielleicht schon unten bei dem Vater sein.
Lisette. Wir muessen uns alleine sprechen. Gehen Sie nur! Sie haben
ihn doch wohl noch nicht gesprochen?
Valer. Was wollte ich nicht darum geben, wenn ich es ganz und gar
ueberhoben sein koennte! Seinetwegen wuerde ich dieses Haus fliehen,
aerger als ein Tollhaus, wenn nicht ein angenehmerer Gegenstand--
Lisette. So gehen Sie doch, und lassen Sie den angenehmern Gegenstand
nicht laenger auf sich warten.
(Valer geht ab.)
Dritter Auftritt
Anton. Lisette.
Anton. Nu? was will die! in meines Herrn Studierstube? Jetzt ging
Valer heraus; vor einer Weile Juliane; und du bist noch da? Ich
glaube gar, ihr habt eure Zusammenkuenfte hier. Warte, Lisette! das
will ich meinem Herrn sagen. Ich will mich schon raechen; noch fuer das
Gestrige; besinnst du dich?
Lisette. Ich glaube, du keifst? Was willst du mit deinem Gestrigen?
Anton. Eine Maulschelle vergisst sich wohl bei dem leicht, der sie
gibt, aber der, dem die Zaehne davon gewackelt haben, der denkt eine
Zeitlang daran. Warte nur! warte!
Lisette. Wer heisst dich, mich kuessen?
Anton. Potz Stern, wie gemein wuerden die Maulschellen sein; wenn alle
die welche bekommen sollten, die euch kuessen wollen.--Jetzt soll dich
mein Herr dafuer wacker--
Lisette. Dein Herr? der wird mir nicht viel tun.
Anton. Nicht? Wievielmal hat er es nicht gesagt, dass so ein heiliger
Ort, als eine Studierstube ist, von euch unreinen Geschoepfen nicht
muesse entheiliget werden? Der Gott der Gelehrsamkeit--warte, wie
nennt er ihn?--Apollo--koenne kein Weibsbild leiden. Schon der Geruch
davon waere ihm zuwider. Er fliehe davor wie der Stoesser vor den Tauben.
--Und du denkst, mein Herr wuerde es so mit ansehen, dass du ihm den
lieben Gott von der Stube treibest?
Lisette. Ich glaube gar, du Narre denkst, der liebe Gott sei nur bei
euch Mannspersonen? Schweig, oder--
Anton. Ja, so eine wie gestern vielleicht?
Lisette. Noch eine bessre! der Pinsel haette gestern mehr als eine
verdient. Er koemmt zu mir; es ist finster; er will mich kuessen; ich
stosse ihn zurueck, er koemmt wieder; ich schlage ihn aufs Maul, es tut
ihm weh; er laesst nach; er schimpft; er geht fort--Ich moechte dir
gleich noch eine geben, wenn ich daran gedenke.
Anton. Ich haette es also wohl abwarten sollen, wie oft du deine
Karesse haettest wiederholen wollen?
Lisette. Gesetzt, es waeren noch einige gefolgt, so wuerden sie doch
immer schwaecher und schwaecher geworden sein. Vielleicht haetten sich
die letztern gar--doch so ein dummer Teufel verdient nichts.
Anton. Was hoer ich? ist das dein Ernst, Lisette? Bald haette ich Lust,
die Maulschelle zu vergessen und mich wieder mit dir zu vertragen.
Lisette. Halte es, wie du willst. Was ist mir jetzt an deiner Gunst
gelegen? Ich habe ganz ein ander Wildbret auf der Spur.
Anton. Ein anders? au weh, Lisette! Das war wieder eine Ohrfeige,
die ich so bald nicht vergessen werde! Ein anders? Ich daechte, du
haettest an einem genug, das dir selbst ins Netz gelaufen ist.
Lisette. Und drum eben ist nichts dran.--Aber sage mir, wo bleibt
dein Herr?
Anton. Danke du Gott, dass er so lange bleibt; und mache, dass du hier
fortkoemmst. Wann er dich trifft, so bist du in Gefahr,
herausgepruegelt zu werden.
Lisette. Dafuer lass mich sorgen! Wo ist er denn? ist er von der Post
noch nicht wieder zurueck?
Anton. Woher weisst du denn, dass er auf die Post gegangen ist?
Lisette. Genug, ich weiss es. Er wollte dich erst schicken. Aber wie
kam es denn, dass er selbst ging? Ha! ha! ha! "Es ist mit dem
Schlingel nichts anzufangen." Wahrhaftig, das Lob macht mich ganz
verliebt in dich.
Anton. Wer Henker muss dir das gesagt haben?
Lisette. O niemand; sage mir nur, ist er wieder da?
Anton. Schon laengst; unten ist er bei seinem Vater.
Lisette. Und was machen sie miteinander?
Anton. Was sie machen? sie zanken sich.
Lisette. Der Sohn will gewiss den Vater von seiner Geschicklichkeit
ueberfuehren?
Anton. Ohne Zweifel muss es so etwas sein. Damis ist ganz ausser sich:
er laesst den Alten kein Wort aufbringen: er rechnet ihm tausend Buecher
her, die er gesehen; tausend, die er gelesen hat; andere tausend, die
er schreiben will, und hundert kleine Buecherchen, die er schon
geschrieben hat. Bald nennt er ein Dutzend Professores, die ihm sein
Lob schriftlich, mit untergedrucktem Siegel, nicht umsonst, gegeben
haetten; bald ein Dutzend Zeitungsschreiber, die eine vortreffliche
Posaune fuer einen jungen Gelehrten sind, wenn man ein silbernes
Mundstueck darauf steckt; bald ein Dutzend Journalisten, die ihn alle
zu ihrem Mitarbeiter flehentlich erbeten haben. Der Vater sieht ganz
erstaunt; er ist um die Gesundheit seines Sohnes besorgt; er ruft
einmal ueber das andre: Sohn, erhitze dich doch nicht so! schone deine
Lunge! ja doch, ich glaub es! gib dich zufrieden! es war so nicht
gemeint!
Lisette. Und Damis?--
Anton. Und Damis laesst nicht nach. Endlich greift sich der Vater an;
er ueberschreit ihn mit Gewalt und besaenftiget ihn mit einer Menge
solcher Lobsprueche, die in der Welt niemand verdient hat, verdient,
noch verdienen wird. Nun wird der Sohn wieder vernuenftig, und nun--ja
nun schreiten sie zu einem andern Punkte, zu einer andern Sache,--zu--
Lisette. Wozu denn?
Anton. Gott sei Dank, mein Maul kann schweigen!
Lisette. Du willst mir es nicht sagen?
Anton. Nimmermehr! ich bin zwar sonst ein schlechter Kerl; aber wenn
es auf die Verschwiegenheit ankoemmt--
Lisette. Lerne ich dich so kennen?
Anton. Ich daechte, das sollte dir lieb sein, dass ich schweigen kann;
und besonders von Heiratssachen oder was dem anhaengig ist--
Lisette. Weisst du nichts mehr? O das habe ich laengst gewusst.
Anton. Wie schoen sie mich ueber den Toelpel stossen will. Also waere es
ja nicht noetig, dass ich dir es sagte?--
Lisette. Freilich nicht! aber mich fuer dein schelmisches Misstrauen zu
raechen, weiss ich schon, was ich tun will. Du sollst es gewiss nicht
mehr wagen, gegen ein Maedchen von meiner Profession verschwiegen zu
sein! Besinnst du dich, wie du von deinem Herrn vor kurzem gesprochen
hast?
Anton. Besinnen? ein Mann, der in Geschaeften sitzt, der einen Tag
lang so viel zu reden hat wie ich, soll sich der auf allen Bettel
besinnen?
Lisette. Seinen Herrn verleumden, ist etwas mehr, sollte ich meinen.
Anton. Was? verleumden?
Lisette. Ha, ha! Herr Mann, der in Geschaeften sitzt, besinnen Sie
sich nun? Was haben Sie vorhin gegen seinen Vater von ihm geredt?
Anton. Das Maedel muss den Teufel haben, oder der verzweifelten Alte
hat geplaudert. Aber hoere, Lisette, weisst du es gewiss, was ich gesagt
habe? Was war es denn? Lass einmal hoeren.
Lisette. Du sollst alles hoeren, wenn ich es deinem Herrn erzaehlen
werde.
Anton. O wahrhaftig, ich glaube, du machst Ernst daraus. Du wirst
mir doch meinen Kredit bei meinem Herrn nicht verderben wollen? Wenn
du wirklich etwas weisst, so sei keine Naerrin!--Dass ihr Weibsvolk doch
niemals Spass versteht! Ich habe dir eine Ohrfeige vergeben, und du
willst dich, einer kleinen Neckerei wegen, raechen? Ich will dir ja
alles sagen.
Lisette. Nun so sage--
Anton. Aber du sagst doch nichts?--
Lisette. Je mehr du sagen wirst, je weniger werde ich sagen.
Anton. Was wird es sonst viel sein, als dass der Vater dem Sohne
nochmals die Heirat mit Julianen vorschlug? Damis schien ganz
aufmerksam zu sein, und--weiter kann ich dir nichts sagen.
Lisette. Weiter nichts? Gut, gut, dein Herr soll alles erfahren.
Anton. Um des Himmels willen, Lisette; ich will dir es nur gestehn.
Lisette. Nun so gesteh!
Anton. Ich will dir es nur gestehen, dass ich wahrhaftig nichts mehr
gehoert habe. Ich wurde eben weggeschickt. Nun weisst du wohl, wenn
man nicht zugegen ist, so kann man nicht viel hoeren--
Lisette. Das versteht sich. Aber was meinst du, wird Damis sich dazu
entschlossen haben?
Anton. Wenn er sich noch nicht dazu entschlossen hat, so will ich
mein Aeusserstes anwenden, dass er es noch tut. Ich soll fuer meine Muehe
bezahlt werden, Lisette; und du weisst wohl, wenn ich bezahlt werde,
dass alsdenn auch du--
Lisette. Ja, ja, auch ich verspreche dir's; du sollst redlich bezahlt
werden!--Unterstehe dich!--
Anton. Wie?
Lisette. Habe einmal das Herz!--
Anton. Was?
Lisette. Dummkopf! meine Jungfer will deinen Damis nicht haben--
Anton. Was tut das?--
Lisette. Folglich ist mein Wille, dass er sie auch nicht bekommen soll.
Anton. Folglich, wenn sie mein Herr wird haben wollen, so wird mein
Wille sein muessen, dass er sie bekommen soll.
Lisette. Hoere doch! du willst mein Mann werden und einen Willen fuer
dich haben? Buerschchen, das lass dir nicht einkommen! Dein Wille muss
mein Wille sein, oder--
Anton. St! potz Element! er koemmt; hoerst du? er koemmt! Nun sieh ja,
wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. Verstecke dich wenigstens;
verstecke dich! Er bringt sonst mich und dich um.
Lisette (beiseite). Halt, ich will beide betruegen!--Wo denn aber hin?
wohin? in das Kabinett?
Anton. Ja, ja, nur unterdessen hinein. Vielleicht geht er bald
wieder fort.--Und ich, ich will mich geschwind hieher setzen--(Er
setzt sich an den Tisch, nimmt ein Buch in die Hand und tut, als ob er
den Damis nicht gewahr wuerde.)
Vierter Auftritt
Anton. Damis.
Anton (vor sich). Ja, die Gelehrten--wie gluecklich sind die Leute
nicht!--Ist mein Vater nicht ein Esel gewesen, dass er mich nicht auch
auf ihre Profession getan hat! Zum Henker, was muss es fuer eine Lust
sein, wenn man alles in der Welt weiss, so wie mein Herr!--Potz Stern,
die Buecher alle zu verstehn!--Wenn man nur darunter sitzt, man mag
darin lesen oder nicht, so ist man schon ein ganz andrer Mensch!--Ich
fuehl's, wahrhaftig ich fuehl's, der Verstand duftet mir recht daraus
entgegen.--Gewiss, er hat recht; ohne die Gelehrsamkeit ist man nichts
als eine Bestie.--Ich dumme Bestie!--(Beiseite.) Nun, wie lange wird
er mich noch schimpfen lassen?--Wir sind doch naerrisch gepaaret, ich
und mein Herr!--Er gibt dem Gelehrtesten und ich dem Ungelehrtesten
nichts nach.--Ich will auch noch heute anfangen zu lesen.--Wenn ich
ein Loch von achtzig Jahren in die Welt lebe, so kann ich schon noch
ein ganzer Kerl werden.--Nur frisch angefangen! Da sind Buecher genug!
--Ich will mir das kleinste aussuchen; denn anfangs muss man sich nicht
uebernehmen.--Ha! da finde ich ein allerliebstes Buechelchen.--In so
einem muss es sich mit Lust studieren lassen.--Nur frisch angefangen,
Anton!--Es wird doch gleichviel sein, ob hinten oder vorne?--Wahrhaftig,
es waere eine Schande fuer meinen so erstaunlich, so erschrecklich, so
abscheulich gelehrten Herrn, wenn er laenger einen so dummen Bedienten
haben sollte--
Damis (indem er sich ihm vollends naehert). Ja freilich waere es eine
Schande fuer ihn.
Anton. Hilf Himmel! mein Herr--
Damis. Erschrick nur nicht! Ich habe alles gehoert--
Anton. Sie haben alles gehoert?--ich bitte tausendmal um Verzeihung,
wenn ich etwas Unrechtes gesprochen habe.--Ich war so eingenommen, so
eingenommen von der Schoenheit der Gelehrsamkeit--verzeihen Sie mir
meinen dummen Streich--, dass ich selbst noch gelehrt werden wollte.
Damis. Schimpfe doch nicht selbst den kluegsten Einfall, den du
zeitlebens gehabt hast.
Anton. Vor zwanzig Jahren moechte er klug genug gewesen sein.
Damis. Glaube mir, noch bist du zu den Wissenschaften nicht zu alt.
Wir koennen in unsrer Republik schon mehrere aufweisen, die sich
gleichfalls den Musen nicht eher in die Arme geworfen haben.
Anton. Nicht in die Arme allein, ich will mich ihnen in den Schoss
werfen.--Aber in welcher Stadt sind die Leute?
Damis. In welcher Stadt?
Anton. Ja; ich muss hin, sie kennenzulernen. Sie muessen mir sagen,
wie sie es angefangen haben.--
Damis. Was willst du mit der Stadt?
Anton. Sie denken etwa, ich weiss nicht, was eine Republik
ist?--Sachsen, zum Exempel--Und eine Republik hat ja mehr wie eine
Stadt? nicht?
Damis. Was fuer ein Idiote! Ich rede von der Republik der Gelehrten.
Was geht uns Gelehrten Sachsen, was Deutschland, was Europa an? Ein
Gelehrter, wie ich bin, ist fuer die ganze Welt; er ist ein Kosmopolit:
er ist eine Sonne, die den ganzen Erdball erleuchten muss--
Anton. Aber sie muss doch wo liegen, die Republik der Gelehrten.
Damis. Wo liegen? dummer Teufel! die gelehrte Republik ist ueberall.
Anton. Ueberall? und also ist sie mit der Republik der Narren an
einem Orte? Die, hat man mir gesagt, ist auch ueberall.
Damis. Ja freilich sind die Narren und die Klugen, die Gelehrten und
die Ungelehrten ueberall untermengt, und zwar so, dass die letztern
immer den groessten Teil ausmachen. Du kannst es an unserm Hause sehen.
Mit wieviel Toren und Unwissenden findest du mich nicht hier umgeben?
Einige davon wissen nichts, und wissen es, dass sie nichts wissen.
Unter diese gehoerst du. Sie wollten aber doch gern etwas lernen, und
deswegen sind sie noch die ertraeglichsten. Andre wissen nichts und
wollen auch nichts wissen; sie halten sich bei ihrer Unwissenheit fuer
gluecklich; sie scheuen das Licht der Gelehrsamkeit--
Anton. Das Eulengeschlecht!
Damis. Noch andre aber wissen nichts und glauben doch etwas zu wissen;
sie haben nichts, gar nichts gelernt, und wollen doch den Schein
haben, als haetten sie etwas gelernt. Und diese sind die
allerunertraeglichsten Narren, worunter, die Wahrheit zu bekennen, auch
mein Vater gehoert.
Anton. Sie werden doch Ihren Vater, bedenken Sie doch, Ihren Vater,
nicht zu einem Erznarren machen?
Damis. Lerne distinguieren! Ich schimpfe meinen Vater nicht,
insofern er mein Vater ist, sondern insofern ich ihn als einen
betrachten kann, der den Schein der Gelehrsamkeit unverdienterweise an
sich reissen will. Insofern verdient er meinen Unwillen. Ich habe es
ihm schon oft zu verstehen gegeben, wie aergerlich er mir ist, wenn er,
als ein Kaufmann, als ein Mann, der nichts mehr als gute und schlechte
Waren, gutes und falsches Geld kennen darf und hoechstens das letzte
fuer das erste wegzugeben wissen soll; wenn der, sage ich, mit seinen
Schulbrocken, bei welchen ich doch noch immer etwas erinnern muss, so
prahlen will. In dieser Absicht ist er ein Narr, er mag mein Vater
sein, oder nicht.
Anton. Schade! ewig schade! dass ich das insofern und in Absicht nicht
als ein Junge gewusst habe. Mein Vater haette mir gewiss nicht so viel
Pruegel umsonst geben sollen. Er haette sie alle richtig wiederbekommen;
nicht insofern als mein Vater, sondern insofern als einer, der mich
zuerst geschlagen haette. Es lebe die Gelehrsamkeit!--
Damis. Halt! ich besinne mich auf einen Grundsatz des natuerlichen
Rechts, der diesem Gedanken vortrefflich zustatten koemmt. Ich muss
doch den Hobbes nachsehen!--Geduld! daraus will ich gewiss eine schoene
Schrift machen!
Anton. Um zu beweisen, dass man seinen Vater wiederpruegeln duerfe?--
Damis. Certo respectu allerdings. Nur muss man sich wohl in acht
nehmen, dass man, wenn man ihn schlaegt, nicht den Vater, sondern den
Aggressor zu schlagen sich einbildet; denn sonst--
Anton. Aggressor? Was ist das fuer ein Ding?
Damis. So heisst der, welcher ausschlaegt--
Anton. Ha, ha! nun versteh ich's. Zum Exempel; Ihnen, mein Herr,
stiesse wieder einmal eine kleine gelehrte Raserei zu, die sich meinem
Buckel durch eine Tracht Schlaege empfindlich machte: so waeren Sie--wie
heisst es?--der Aggressor; und ich, ich wuerde berechtiget sein, mich
ueber den Aggressor zu erbarmen, und ihm--
Damis. Kerl, du bist toll!--
Anton. Sorgen Sie nicht; ich wollte meine Gedanken schon so zu
richten wissen, dass der Herr unterdessen beiseite geschafft wuerde--
Damis. Nun wahrhaftig, das waere ein merkwuerdiges Exempel, in was fuer
verderbliche Irrtuemer man verfallen kann, wenn man nicht weiss, aus
welcher Disziplin diese oder jene Wahrheit zu entscheiden ist. Die
Pruegel, die ein Bedienter von seinem Herrn bekommt, gehoeren nicht in
das Recht der Natur, sondern in das buergerliche Recht. Wenn sich ein
Bedienter vermietet, so vermietet er auch seinen Buckel mit. Diesen
Grundsatz merke dir.
Anton. Aus dem buergerlichen Rechte ist er? O das muss ein garstiges
Recht sein. Aber ich sehe es nun schon! die verzweifelte
Gelehrsamkeit, sie kann ebenso leicht zu Pruegeln verhelfen als dafuer
schuetzen. Was wollte ich nicht darum geben, wenn ich mich auf alle
ihre waechserne Nasen so gut verstuende als Sie--O Herr Damis, erbarmen
Sie sich meiner Dummheit!
Damis. Nun wohl, wenn es dein Ernst ist, so greife das Werk an. Es
erfreut mich, der Gelehrsamkeit durch mein Exempel einen Proselyten
gemacht zu haben. Ich will dich redlich mit meinem Rate und meinen
Lehren unterstuetzen. Bringst du es zu etwas, so verspreche ich dir,
dich in die gelehrte Welt selbst einzufuehren und mit einem besondern
Werke dich ihr anzukuendigen. Vielleicht ergreife ich die Gelegenheit,
etwas de Eruditis sero ad literas admissis oder de Opsimathia oder
auch de studio senili zu schreiben, und so wirst du auf einmal beruehmt.
--Doch lass einmal sehen, ob ich mir von deiner Lehrbegierde viel zu
versprechen habe? Welch Buch hattest du vorhin in Haenden?
Anton. Es war ein ganz kleines--
Damis. Welches denn?--
Anton. Es war so allerliebst eingebunden, mit Golde auf dem Ruecken
und auf dem Schnitte. Wo legte ich's doch hin? Da! da!
Damis. Das hattest du? das?
Anton. Ja, das!
Damis. Das?
Anton. Bin ich an das unrechte gekommen? weil es so huebsch klein war--
Damis. Ich haette dir selbst kein bessres vorschlagen koennen.
Anton. Das dacht' ich wohl, dass es ein schoen Buch sein muesse. Wuerde
es wohl sonst einen so schoenen Rock haben?
Damis. Es ist ein Buch, das seinesgleichen nicht hat. Ich habe es
selbst geschrieben. Siehst du?--Auctore Damide!
Anton. Sie selbst? Nu, nu, habe ich's doch immer gehoert, dass man die
leiblichen Kinder besser in Kleidung haelt als die Stiefkinder. Das
zeugt von der vaeterlichen Liebe.
Damis. Ich habe mich in diesem Buche, so zu reden, selbst uebertroffen.
Sooft ich es wieder lese, sooft lerne ich auch etwas Neues daraus.
Anton. Aus Ihrem eignen Buche?
Damis. Wundert dich das?--Ach verdammt! nun erinnere ich mich erst:
mein Gott, das arme Maedchen! Sie wird doch nicht noch in dem
Kabinette stecken (Er geht darauf los.)
Anton. Um Gottes willen, wo wollen Sie hin?
Damis. Was fehlt dir? ins Kabinett. Hast du Lisetten gesehen?
Anton. Nun bin ich verloren!--Nein, Herr Damis, nein; so wahr ich
lebe, sie ist nicht drinne.
Damis. Du hast sie also sehen herausgehen? Ist sie schon lange fort?
Anton. Ich habe sie, so wahr ich ehrlich bin, nicht sehen hereingehen.
Sie ist nicht drinne; glauben Sie mir nur, sie ist nicht drinne--
Fuenfter Auftritt
Lisette. Damis. Anton.
Lisette. Allerdings ist sie noch drinne--
Anton. O das Rabenaas!
Damis. So lange hat Sie sich hier versteckt gehalten? Arme Lisette!
das war mein Wille gar nicht. Sobald mein Vater aus der Stube gewesen
waere, haette Sie immer wieder herausgehen koennen.
Lisette. Ich wusste doch nicht, ob ich recht taete. Ich wollte also
lieber warten, bis mich der, der mich versteckt hatte, selbst wieder
hervorkommen hiess--
Anton. Zum Henker, von was fuer einem Verstecken reden die? (Sachte
zu Lisetten.) So, du feines Tierchen? hat dich mein Herr selbst schon
einmal versteckt? Nun weiss ich doch, wie ich die gestrige Ohrfeige
auslegen soll. Du Falsche!
Lisette. Schweig; sage nicht ein Wort, dass ich zuvor bei dir gewesen
bin, oder--du weisst schon--
Damis. Was schwatzt ihr denn beide da zusammen? Darf ich es nicht
hoeren?
Lisette. Es war nichts; ich sagte ihm bloss, er solle heruntergehen,
dass, wenn meine Jungfer nach mir fragte, er unterdessen sagen koennte,
ich sei ausgegangen. Juliane ist misstrauisch; sie suchte mich doch
wohl hier, wenn sie mich brauchte.
Damis. Das ist vernuenftig. Gleich, Anton, geh!
Anton. Das verlangst du im Ernste, Lisette?
Lisette. Freilich; fort, lass uns allein.
Damis. Wirst du bald gehen?
Anton. Bedenken Sie doch selbst, Herr Damis; wann Sie nun ihr
Geplaudre werden ueberdruessig sein, und das wird gar bald geschehen,
wer soll sie Ihnen denn aus der Stube jagen helfen, wenn ich nicht
dabei bin?
Lisette. Warte, ich will dein Laestermaul--
Damis. Lass dich unbekuemmert! Wann sie mir beschwerlich faellt, wird
sie schon selbst so vernuenftig sein und gehen.
Anton. Aber betrachten Sie nur: ein Weibsbild in Ihrer Studierstube!
Was wird Ihr Gott sagen? Er kann ja das Ungeziefer nicht leiden.
Lisette. Endlich werde ich dich wohl zur Stube hinausschmeissen muessen?
Anton. Das waere mir gelegen.--Die verdammten Maedel! auch bei dem
Teufel koennen sie sich einschmeicheln. (Geht ab.)
Sechster Auftritt
Lisette. Damis
Damis. Und wo blieben wir denn vorhin?
Lisette. Wo blieben wir? bei dem, was ich allezeit am liebsten hoere
und wovon ich allezeit am liebsten rede, bei Ihrem Lobe. Wenn es nur
nicht eine so gar kitzliche Sache waere, einen ins Gesicht zu loben!
--Ich kann Ihnen unmoeglich die Marter antun.
Damis. Aber ich beteure Ihr nochmals, Lisette: es ist mir nicht um
mein Lob zu tun! Ich moechte nur gern hoeren, auf was fuer verschiedene
Art verschiedene Personen einerlei Gegenstand betrachtet haben.
Lisette. Jeder lobte dasjenige an Ihnen, was er an sich
Lobenswuerdiges zu finden glaubte. Zum Exempel, der kleine dicke Mann
mit der ernsthaften Miene, der so selten lacht, der aber, wenn er
einmal zu lachen anfaengt, mit dem erschuetterten Bauche den ganzen
Tisch ueber den Haufen wirft--
Damis. Und wer ist das? Aus Ihrer Beschreibung, Lisette, kann ich es
nicht erraten--O es ist mit den Beschreibungen eine kitzliche Sache!
Es gehoert nicht wenig dazu, sie so einzurichten, dass man, gleich bei
dem ersten Anblicke, das Beschriebene erkennen kann. Ueber nichts
aber muss ich mehr lachen, als wenn ich bei diesem und jenem grossen
Philosophen, wahrhaftig bei Maennern, die schon einer ganzen Sekte
ihren Namen gegeben haben, oefters Beschreibungen anstatt Erklaerungen
antreffe. Das macht, die guten Herren haben mehr Einbildungskraft als
Beurteilung. Bei der Erklaerung muss der Verstand in das Innere der
Dinge eindringen; bei der Beschreibung aber darf man bloss auf die
aeusserlichen Merkmale, auf das--
Lisette. Wir kommen von unsrer Sache, Herr Damis. Ihr Lob--
Damis. Jawohl; fahr Sie nur fort, Lisette. Von wem wollte Sie vorhin
reden?
Lisette. Je, sollten Sie denn den kleinen Mann nicht kennen? Er
blaeset immer die Backen auf--
Damis. Sie meint vielleicht den alten Ratsherrn?
Lisette. Ganz recht, aber seinen Namen--
Damis. Was liegt an dem?--
Lisette. "Ja, Herr Chrysander", sagte also der Ratsherr, an dessen
Namen nichts gelegen ist, "Ihr Herr Sohn kann einmal der beste
Ratsherr von der Welt werden, wenn er sich nur darauf applizieren will."
Es gehoert ein aufgeweckter Geist dazu; den hat er: eine fixe Zunge;
die hat er: eine tiefe Einsicht in die Staatskunst; die hat er: eine
Geschicklichkeit, seine Gedanken zierlich auf das Papier zu bringen;
die hat er: eine verschlagne Aufmerksamkeit auf die geringsten
Bewegungen unruhiger Buerger; die hat er: und wenn er sie nicht hat--o
die Uebung--die Uebung! Ich weiss ja, wie mir es anfangs ging. Freilich
kann man die Geschicklichkeit zu einem so schweren Amte nicht gleich
mit auf die Welt bringen--
Damis. Der Narr! es ist zwar wahr, dass ich alle diese
Geschicklichkeiten besitze; allein mit der Haelfte derselben koennte ich
Geheimter Rat werden, und nicht bloss--
Siebenter Auftritt
Anton. Lisette. Damis.
Damis. Nun, was willst du schon wieder?
Anton. Mamsell Juliane weiss es nun, dass Lisette ausgegangen ist.
Fuerchten Sie sich nur nicht; sie wird uns nicht ueberraschen--
Damis. Wer hiess dich denn wiederkommen?
Anton. Sollte ich wohl meinen Herrn allein lassen? Und dazu, es
ueberfiel mich auf einmal so eine Angst, so eine Bangigkeit; die Ohren
fingen mir an zu klingen und besonders das linke--Lisette! Lisette!
Lisette. Was willst du denn?
Anton (sachte zu Lisetten). Was habt ihr denn beide allein gemacht?
Was gilt's, es ging auf meine Unkosten!
Lisette. O pack dich--Ich weiss nicht, was der Narre will.
Damis. Fort, Anton! es ist die hoechste Zeit; du musst wieder auf die
Post sehen. Ich weiss auch gar nicht, wo sie so lange bleibt.--Wird's
bald?
Anton. Lisette, komm mit!
Damis. Was soll denn Lisette mit?
Anton. Und was soll sie denn bei Ihnen?
Damis. Unwissender!
Anton. Ja freilich ist es mein Unglueck, dass ich es nicht weiss.
(Sachte zu Lisetten.) Rede nur wenigstens ein wenig laut, damit ich
hoere, was unter euch vorgeht--Ich werde horchen--(Gehet ab.)
Achter Auftritt
Lisette. Damis.
Lisette. Lassen Sie uns ein wenig sachte reden. Sie wissen wohl, man
ist vor dem Horcher nicht sicher.
Damis. Jawohl; fahr Sie also nur sachte fort.
Lisette. Sie kennen doch wohl des Herrn Chrysanders Beichtvater?
Damis. Beichtvater? soll ich denn alle solche Handwerksgelehrte
kennen?
Lisette. Wenigstens schien er Sie sehr wohl zu kennen. "Ein guter
Prediger", fiel er der dicken Rechtsgelehrsamkeit ins Wort, "sollte
Herr Damis gewiss auch werden. Eine schoene Statur; eine starke
deutliche Stimme; ein gutes Gedaechtnis; ein feiner Vortrag; eine
anstaendige Dreistigkeit; ein reifer Verstand, der ueber seine Meinungen
tuerkenmaessig zu halten weiss: alle diese Eigenschaften glaube ich, in
einem ziemlich hohen Grade, bei ihm bemerkt zu haben. Nur um einen
Punkt ist mir bange. Ich fuerchte, ich fuerchte, er ist auch ein wenig
von der Freigeisterei angesteckt."--"Ei, was Freigeisterei?" schrie
der schon halb trunkene Medikus. "Die Freigeister sind brave Leute!
Wird er deswegen keinen Kranken kurieren koennen? Wenn es nach mir
geht, so muss er ein Medikus werden. Griechisch kann er, und
Griechisch ist die halbe Medizin. (Indem sie allmaehlich wieder lauter
spricht.) Freilich das Herz, das dazu gehoert, kann sich niemand geben.
Doch das koemmt von sich selbst, wenn man erst eine Weile praktiziert
hat."--"Nu", fiel ihm ein alter Kaufmann in die Rede, "so muss es mit
den Herrn Medizinern wohl sein wie mit den Scharfrichtern. Wenn die
zum ersten Male koepfen, so zittern und beben sie; je oefter sie aber
den Versuch wiederholen, desto frischer geht es."--Und auf diesen
Einfall ward eine ganze Viertelstunde gelacht; in einem fort, in einem
fort; sogar das Trinken ward darueber vergessen.
Neunter Auftritt
Lisette. Damis. Anton.
Anton. Herr, die Post wird heute vor neun Uhr nicht kommen. Ich habe
gefragt; Sie koennen sieh darauf verlassen.
Damis. Musst du uns aber denn schon wieder stoeren, Idiote?
Anton. Es soll mir recht lieb sein, wann ich Sie nur noch zur rechten
Zeit gestoert habe.
Damis. Was willst du mit deiner rechten Zeit?
Anton. Ich will mich gegen Lisetten schon deutlicher erklaeren. Darf
ich ihr etwas ins Ohr sagen?
Lisette. Was wirst du mir ins Ohr zu sagen haben?
Anton. Nur ein Wort. (Sachte.) Du denkst, ich habe nicht gehorcht?
Sagtest du nicht: du haettest nicht Herz genug dazu? doch wenn du nur
erst das Ding eine Weile wuerdest praktizierst haben--O ich habe alles
gehoert--Kurz, wir sind geschiedne Leute! Du Unverschaemte, Garstige--
Lisette. Sage nur, was du willst?
Damis. Gleich, geh mir wieder aus den Augen! Und komme mir nicht
wieder vors Gesicht, bis ich dich rufen werde oder bis du mir Briefe
von Berlin bringst!--Ich kann sie kaum erwarten. So macht es die
uebermaessige Freude! Zwar sollte ich Hoffnung sagen, weil jene nur auf
das Gegenwaertige und diese auf das Zukuenftige geht. Doch hier ist das
Zukuenftige schon so gewiss als das Gegenwaertige. Ich brauche die
Sprache der Propheten, die ihrer Sachen doch unmoeglich so gewiss sein
konnten.--Die ganze Akademie muesste blind sein.--Nun, was stehst du
noch da? Wirst du gehen?
Zehnter Auftritt
Lisette. Damis.
Lisette. Da sehen Sie! so lobten Sie die Leute.
Damis. Ah, wann die Leute nicht besser loben koennen, so moechten sie
es nur gar bleiben lassen. Ich will mich nicht ruehmen, aber doch so
viel kann ich mir ohne Hochmut zutrauen: ich will meiner Braut die
Wahl lassen, ob sie lieber einen Doktor der Gottesgelahrtheit oder der
Rechte oder der Arzneikunst zu ihrem Manne haben will. In allen drei
Fakultaeten habe ich disputiert; in allen dreien habe ich--
Lisette. Sie sprechen von einer Braut? heiraten Sie denn wirklich?
Damis. Hat Sie denn auch schon davon gehoert, Lisette?
Lisette. Koemmt denn wohl ohn' unsereiner irgend in einem Hause eine
Heirat zustande? Aber eingebildet haette ich mir es nimmermehr, dass
Sie sich fuer Julianen entschliessen wuerden! fuer Julianen!
Damis. Groesstenteils tue ich es dem Vater zu Gefallen, der auf die
ausserordentlichste Weise deswegen in mich dringt. Ich weiss wohl, dass
Juliane meiner nicht wert ist. Allein soll ich einer solchen
Kleinigkeit wegen, als eine Heirat ist, den Vater vor den Kopf stossen?
Und dazu habe ich sonst einen Einfall, der mir ganz wohl lassen wird.
Lisette. Freilich ist Juliane Ihrer nicht wert; und wenn nur alle
Leute die gute Mamsell so kennten als ich--
Eilfter Auftritt
Anton. Damis. Lisette.
Anton (vor sich). Ich kann die Leute unmoeglich so alleine lassen.
--Herr Valer fragt, ob Sie in Ihrer Stube sind? Sind Sie noch da,
Herr Damis?
Damis. Sage mir nur, Unwissender, hast du dir es denn heute recht
vorgesetzt, mir beschwerlich zu fallen?
Lisette. So lassen Sie ihn nur da, Herr Damis. Er bleibt doch nicht
weg--
Anton. Ja, jetzt soll ich dableiben; jetzt, da es schon vielleicht
vorbei ist, was ich nicht hoeren und sehen sollte.
Damis. Was soll denn vorbei sein?
Anton. Das werden Sie wohl wissen.
Lisette (sachte). Jetzt, Anton, hilf mir, Julianen bei deinem Herrn
recht schwarz machen. Willst du?
Anton. Ei ja doch! zum Danke vielleicht--
Lisette. So schweig wenigstens.--Notwendig, Herr Damis, muessen Sie
mit Julianen uebel fahren. Ich bedaure Sie im voraus. Der ganze
Erdboden traegt kein aergeres Frauenzimmer--
Anton. Glauben Sie es nicht, Herr Damis; Juliane ist ein recht gut
Kind. Sie koennen mit keiner in der Welt besser fahren. Ich wuensche
Ihnen im voraus Glueck.
Lisette. Wahrhaftig! du musst gegen deinen Herrn sehr redlich gesinnt
sein, dass du ihm eine so unertraegliche Plage an den Hals schwatzen
willst.
Anton. Noch weit redlicher musst du gegen deine Mamsell sein, dass du
ihr einen so guten Ehemann, als Herr Damis werden wird, missgoennest.
Lisette. Einen guten Ehemann? Nun wahrhaftig, ein guter Ehemann, das
ist auch alles, was sie sich wuenscht. Ein Mann, der alles gut sein
laesst--
Anton. Ho! ho! alles? Hoeren Sie, Herr Damis, fuer was Sie Lisette
ansieht? Aus der Ursache moechtest du wohl selbst gern seine Frau
sein? Alles? ei! unter das alles, gehoert wohl auch--? du verstehst
mich doch?
Damis. Aber im Ernste, Lisette; glaubt Sie wirklich, dass Ihre Jungfer
eine recht boese Frau werden wird? Hat sie in der Tat viel schlimme
Eigenschaften?
Lisette. Viel? Sie hat sie alle, die man haben kann; auch nicht die
ausgenommen, die einander widersprechen.
Damis. Will Sie mir nicht ein Verzeichnis davon geben?
Lisette. Wo soll ich anfangen?--Sie ist albern--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Und ich sage: Luegen!
Lisette. Sie ist zaenkisch--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Und ich sage: Luegen!
Lisette. Sie ist eitel--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Luegen! sag ich.
Lisette. Sie ist keine Wirtin--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Luegen!
Lisette. Sie wird Sie durch uebertriebenen Staat, durch bestaendige
Ergoetzlichkeiten und Schmausereien, um alle das Ihrige bringen--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Luegen!
Lisette. Sie wird Ihnen die Sorge um eine Herde Kinder auf den Hals
laden--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Das tun die besten Weiber am ersten!
Lisette. Aber um Kinder, die aus der rechten Quelle nicht geholt sind.
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Und zwar Kleinigkeit nach der Mode!
Lisette. Kleinigkeit? aber was denken Sie denn, Herr Damis?
Damis. Ich denke, dass Juliane nicht arg genug sein kann. Ist sie
albern? ich bin desto klueger; ist sie zaenkisch? ich bin desto
gelassener; ist sie eitel? ich bin desto philosophischer gesinnt;
vertut sie? sie wird aufhoeren, wenn sie nichts mehr hat; ist sie
fruchtbar? so mag sie sehen, was sie vermag, wann sie es mit mir um
die Wette sein will. Ein jedes mache sich ewig, womit es kann; das
Weib durch Kinder, der Mann durch Buecher.
Anton. Aber merken Sie denn nicht, dass Lisette ihre Ursachen haben
muss, Julianen so zu verleumden?
Damis. Ach freilich merk ich es. Sie goennt mich ihr und beschreibt
sie mir also vollkommen nach meinem Geschmacke. Sie hat es ohne
Zweifel geschlossen, dass ich ihre Mamsell nur eben deswegen, weil sie
das unertraeglichste Frauenzimmer ist, heiraten will.
Lisette. Nur deswegen? nur deswegen? und das haette ich geschlossen?
Ich muesste Sie fuer irre im Kopfe gehalten haben. Ueberlegen Sie doch
nur--
Damis. Das geht zu weit, Lisette! Traut Sie mir keine Ueberlegung zu?
Was ich gesagt habe, ist die Frucht einer nur allzu scharfen
Ueberlegung. Ja, es ist beschlossen: ich will die Zahl der ungluecklich
scheinenden Gelehrten, die sich mit boesen Weibern vermaehlt haben,
vermehren. Dieser Vorsatz ist nicht von heute.
Anton. Nein, wahrhaftig!--Was aber der Teufel nicht tun kann! Wer
haette es sich jetzt sollen traeumen lassen, jetzt da es Ernst werden
soll? Ich muss lachen; Lisette wollte ihn von der Heirat abziehen und
hat ihm nur mehr dazu beredt; und ich, ich wollte ihn dazu bereden und
haette ihn bald davon abgezogen.
Damis. Einmal soll geheiratet sein. Auf eine recht gute Frau darf
ich mir nicht Rechnung machen; also waehle ich mir eine recht schlimme.
Eine Frau von der gemeinen Art, die weder kalt noch warm, weder recht
gut noch recht schlimm ist, taugt fuer einen Gelehrten nichts, ganz und
gar nichts! Wer wird sich nach seinem Tode um sie bekuemmern?
Gleichwohl verdient er es doch, dass sein ganzes Haus mit ihm
unsterblich bleibe. Kann ich keine Frau haben, die einmal ihren Platz
in einer Abhandlung de bonis Eruditorum uxoribus findet, so will ich
wenigstens eine haben, mit welcher ein fleissiger Mann seine Sammlung
de malis Eruditorum uxoribus vermehren kann. Ja, ja; ich bin es
ohnehin meinem Vater, als der einzige Sohn, schuldig, auf die
Erhaltung seines Namens mit der aeussersten Sorgfalt bedacht zu sein.
Lisette. Kaum kann ich mich von meinem Erstaunen erholen--Ich habe
Sie, Herr Damis, fuer einen so grossen Geist gehalten--
Damis. Und das nicht mit Unrecht. Doch eben hierdurch glaube ich den
staerksten Beweis davon zu geben.
Lisette. Ich moechte platzen!--Ja, ja, den staerksten Beweis, dass
niemand schwerer zu fangen ist als ein junger Gelehrter; nicht sowohl
wegen seiner Einsicht und Verschlagenheit als wegen seiner Narrheit.
Damis. Wie, so naseweis, Lisette? Ein junger Gelehrter?--ein junger
Gelehrter?--
Lisette. Ich will Ihnen die Verweise ersparen. Valer soll gleich von
allem Nachricht bekommen. Ich bin Ihre Dienerin.
Zwoelfter Auftritt
Anton. Damis.
Anton. Da sehen Sie! Nun laeuft sie fort, da Sie nach ihrer Pfeife
nicht tanzen wollen.--
Damis. Mulier non Homo! bald werde ich auch dieses Paradoxon fuer wahr
halten. Wodurch zeigt man, dass man ein Mensch ist? Durch den
Verstand. Wodurch zeigt man, dass man Verstand hat? Wann man die
Gelehrten und die Gelehrsamkeit gehoerig zu schaetzen weiss. Dieses kann
kein Weibsbild, und also hat es keinen Verstand, und also ist es kein
Mensch. Ja, wahrhaftig ja; in diesem Paradoxo liegt mehr Wahrheit als
in zwanzig Lehrbuechern.
Anton. Wie ist mir denn? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie Herr
Valer gesucht hat? Wollen Sie nicht gehen und ihn sprechen?
Damis. Valer? ich will ihn erwarten. Die Zeiten sind vorbei, da ich
ihn hochschaetzte. Er hat seit einigen Jahren die Buecher beiseite
gelegt; er hat sich das Vorurteil in den Kopf setzen lassen, dass man
sich vollends durch den Umgang und durch die Kenntnis der Welt
geschickt machen muesse, dem Staate nuetzliche Dienste zu leisten. Was
kann ich mehr tun als ihn bedauern? Doch ja, endlich werde ich mich
auch seiner schaemen muessen. Ich werde mich schaemen muessen, dass ich
ihn ehemals meiner Freundschaft wert geschaetzt habe. O wie ekel muss
man in der Freundschaft sein! Doch was hat geholfen, dass ich es bis
auf den hoechsten Grad gewesen bin? Umsonst habe ich mich vor der
Bekanntschaft aller mittelmaessigen Koepfe gehuetet; umsonst habe ich mich
bestrebt, nur mit Genies, nur mit originellen Geistern umzugehen:
dennoch musste mich Valer, unter der Larve eines solchen, hintergehen.
O Valer! Valer!
Anton. Laut genug, wenn er es hoeren soll.
Damis. Ich haette ueber sein kaltsinniges Kompliment bersten moegen!
Von was unterhielt er mich? von nichtswuerdigen Kleinigkeiten. Und
gleichwohl kam er von Berlin, und gleichwohl haette er mir die
allerangenehmste Neuigkeit zuerst berichten koennen. O Valer! Valer!
Anton. St! wahrhaftig er koemmt. Sehen Sie, dass er sich nicht dreimal
rufen laesst?
Dreizehnter Auftritt
Damis. Valer. Anton.
Valer. Verzeihen Sie, liebster Freund, dass ich Sie in Ihrer gelehrten
Ruhe stoere--
Anton. Wenn er doch gleich sagte, Faulheit.
Damis. Stoeren? Ich sollte glauben, dass Sie mich zu stoeren kaemen?
Nein, Valer, ich kenne Sie zu wohl; Sie kommen, mir die angenehmsten
Neuigkeiten zu hinterbringen, die der Aufmerksamkeit eines Gelehrten,
der seine Belohnung erwartet, wuerdig sind.--Einen Stuhl, Anton!
--Setzen Sie sich.
Valer. Sie irren sich, liebster Freund. Ich komme, Ihnen die
Unbestaendigkeit Ihres Vaters zu klagen; ich komme, eine Erklaerung von
Ihnen zu verlangen, von welcher mein ganzes Glueck abhaengen wird.--
Damis. Oh! ich konnte es Ihnen gleich ansehen, dass Sie vorhin die
Gegenwart meines Vaters abhielt, sich mit mir vertraulicher zu
besprechen und mir Ihre Freude ueber die Ehre zu bezeigen, die mir der
billige Ausspruch der Akademie--
Valer. Nein, allzu gelehrter Freund; lassen Sie uns einen Augenblick
von etwas minder Gleichgueltigem reden.
Damis. Von etwas minder Gleichgueltigem? Also ist Ihnen meine Ehre
gleichgueltig? Falscher Freund!--
Valer. Ihnen wird diese Benennung zukommen, wann Sie mich laenger von
dem, was fuer ein zaertliches Herz das wichtigste ist, abbringen werden.
Ist es wahr, dass Sie Julianen heiraten wollen? dass Ihr Vater dieses
allzu zaertliche Frauenzimmer durch Bande der Dankbarkeit binden will,
in seiner Wahl minder frei zu handeln? Habe ich Ihnen jemals aus
meiner Neigung gegen Julianen ein Geheimnis gemacht? Haben Sie mir
nicht von jeher versprochen, meiner Liebe behilflich zu sein?
Damis. Sie ereifern sich, Valer; und vergessen, dass ein Weibsbild die
Ursache ist. Schlagen Sie sich diese Kleinigkeit aus dem Sinne--Sie
muessen in Berlin gewesen sein, da die Akademie den Preis auf dieses
Jahr ausgeteilet hat. Die Monaden sind die Aufgabe gewesen. Sollten
Sie nicht etwa gehoert haben, dass die Devise--
Valer. Wie grausam sind Sie, Damis! So antworten Sie mir doch!
Damis. Und Sie wollen mir nicht antworten? Besinnen Sie sich; sollte
nicht die Devise Unum est necessarium sein gekroent worden? Ich
schmeichle mir wenigstens--
Valer. Bald schmeichle ich mir nun mit nichts mehr, da ich Sie so
ausschweifend sehe. Bald werde ich nun auch glauben muessen, dass die
Nachricht, die ich fuer eine Spoetterei von Lisetten gehalten habe,
gegruendet sei. Sie halten Julianen fuer Ihrer unwert, Sie halten sie
fuer die Schande ihres Geschlechts, und eben deswegen wollen Sie sie
heiraten? Was fuer ein ungeheurer Einfall!
Damis. Ha! ha! ha!
Valer. Ja, lachen Sie nur, Damis, lachen Sie nur! Ich bin ein Tor,
dass ich einen Augenblick solchen Unsinn von Ihnen habe glauben koennen.
Sie haben Lisetten zum besten gehabt oder Lisette mich. Nein, nur in
ein zerruettetes Gehirn kann ein solcher Entschluss kommen! Ihn zu
verabscheuen braucht man nur vernuenftig zu denken und lange nicht edel,
wie Sie doch zu denken gewohnt sind. Aber loesen Sie mir, ich bitte
Sie, dieses marternde Raetsel!
Damis. Bald werden Sie mich, Valer, auf Ihr Geschwaetze aufmerksam
gemacht haben. So verlangen Sie doch in der Tat, dass ich meinen Ruhm
Ihrer toerichten Neigung nachsetzen soll? Meinen Ruhm!--Doch
wahrhaftig, ich will vielmehr glauben, dass Sie scherzen. Sie wollen
versuchen, ob ich in meinen Entschliessungen auch wankelhaft bin.
Valer. Ich scherzen? der Scherz sei verflucht, der mir hier in den
Sinn kommt!--
Damis. Desto lieber ist mir es, wann Sie endlich ernsthaft reden
wollen. Was ich Ihnen sage: die Schrift mit der Devise Unum est
necessarium--
Vierzehnter Auftritt
Chrysander. Damis. Valer. Anton.
Chrysander (mit einem Zeitungsblatte in der Hand). Nun, nicht wahr,
Herr Valer? mein Sohn ist nicht von der Heirat abzubringen? Sehen Sie,
dass nicht sowohl ich als er auf diese Heirat dringt?
Damis. Ich? ich auf die Heirat dringen?
Chrysander. St! st! st!
Damis. Ei was st, st? Meine Ehre leidet hierunter. Koennte man nicht
auf die Gedanken kommen, wer weiss was mir an einer Frau gelegen sei?
Chrysander. St! st! st!
Valer. Oh! brauchen Sie doch keine Umstaende. Ich sehe es ja wohl;
Sie sind mir beide entgegen. Was fuer ein Unglueck hat mich in dieses
Haus fuehren muessen! Ich muss eine liebenswuerdige Person antreffen; ich
muss ihr gefallen und muss doch endlich, nach vieler Hoffnung, alle
Hoffnung verlieren. Damis, wenn ich jemals einiges Recht auf Ihre
Freundschaft gehabt habe--
Damis. Aber, nicht wahr, Valer? einer Sache wegen muss man auf die
Berlinische Akademie recht boese sein? Bedenken Sie doch, sie will
kuenftig die Aufgaben zu dem Preise zwei Jahr vorher bekanntmachen.
Warum denn zwei Jahr? war es nicht an einem genug? Haelt sie denn die
Deutschen fuer so langsame Koepfe? Seit ihrer Erneuerung habe ich jedes
Jahr meine Abhandlung mit eingeschickt; aber, ohne mich zu ruehmen,
laenger als acht Tage habe ich ueber keine zugebracht.
Chrysander. Wisst ihr denn aber auch, ihr lieben Leute, was in den
Niederlanden vorgegangen ist? Ich habe hier eben die neuste Zeitung.
Sie haben sich die Koepfe wacker gewaschen. Doch die Alliierten, ich
bin in der Tat recht boese auf sie. Haben sie nicht wieder einen
wunderbaren Streich gemacht!--
Anton. Nun, da reden alle drei etwas anders! Der spricht von der
Liebe; der von seinen Abhandlungen; der vom Kriege. Wenn ich auch
etwas Besonders reden soll, so werde ich vom Abendessen reden. Vom
Mittage an bis auf den Abend um sechs Uhr zu fasten sind keine
Narrenspossen.
Valer. Unglueckliche Liebe!
Damis. Die unbesonnene Akademie!
Chrysander. Die dummen Alliierten!
Anton. Die vierte Stimme fehlt noch: die langsamen Bratenwender!
Funfzehnter Auftritt
Lisette. Damis. Valer. Chrysander. Anton.
Lisette. Nun, Herr Chrysander? ich glaubte, Sie haetten die Herren zu
Tische rufen wollen? Ich sehe aber, Sie wollen selbst gerufen sein.
Es ist schon aufgetragen.
Anton. Das war die hoechste Zeit! dem Himmel sei Dank!
Chrysander. Es ist wahr; es ist wahr; ich haette es bald vergessen.
Der Zeitungsmann hielt mich auf der Treppe auf. Kommen Sie, Herr
Valer; wir wollen die jetzigen Staatsgeschaefte ein wenig miteinander
bei einem Glaeschen ueberlegen. Schlagen Sie sich Julianen aus dem
Kopfe. Und du, mein Sohn, du magst mit deiner Braut schwatzen. Du
wirst gewiss eine wackre Frau an ihr haben; nicht so eine Xanthippe
wie--
Damis. Xanthippe? wie verstehen Sie das? Sind Sie etwa auch noch in
dem poebelhaften Vorurteile, dass Xanthippe eine boese Frau gewesen sei?
Chrysander. Willst du sie etwa fuer eine gute halten? Du wirst doch
nicht die Xanthippe verteidigen? Pfui! das heisst einen Abc-Schnitzer
machen. Ich glaube, ihr Gelehrten, je mehr ihr lernt, je mehr vergesst
ihr.
Damis. Ich behaupte aber, dass man kein einzig tuechtiges Zeugnis fuer
Ihre Meinung anfuehren kann. Das ist das erste, was die ganze Sache
verdaechtig macht; und zum andern--
Lisette. Das ewige Geplaudre!
Chrysander. Lisette hat recht! Mein Sohn, contra principia negantem,
non est disputandum. Kommt! Kommt!
(Chrysander, Damis und Anton gehen ab.)
Valer. Nun ist alles fuer mich verloren, Lisette. Was soll ich
anfangen?
Lisette. Ich weiss keinen Rat; wann nicht der Brief--
Valer. Dieser Betrug waere zu arg, und Juliane will ihn nicht zugeben.
Lisette. Ei, was Betrug? Wenn der Betrug nuetzlich ist, so ist er
auch erlaubt. Ich sehe es wohl, ich werde es selbst tun muessen.
Kommen Sie nur fort, und fassen Sie wieder Mut.
Dritter Aufzug
Erster Auftritt
Lisette. Anton.
Lisette. So warte doch, Anton.
Anton. Ei, lass mich zufrieden. Ich mag mit dir nichts zu tun haben.
Lisette. Wollen wir uns also nicht wieder versoehnen? Willst du nicht
tun, was ich dich gebeten habe?
Anton. Dir sollte ich etwas zu Gefallen tun?
Lisette. Anton, lieber Anton, goldner Anton, tu es immer. Wie leicht
kannst du nicht dem Alten den Brief geben und ihm sagen, der
Posttraeger habe ihn gebracht?
Anton. Geh! du Schlange! Wie sie nun schmeicheln kann!--Halte mich
nicht auf. Ich soll meinem Herrn ein Buch bringen. Lass mich gehen.
Lisette. Deinem Herrn ein Buch? Was will er denn mit dem Buche bei
Tische?
Anton. Die Zeit wird ihm lang; und will er nicht muessige Weile haben,
so muss er sich doch wohl etwas zu tun machen.
Lisette. Die Zeit wird ihm lang? bei Tische? Wenn es noch in der
Kirche waere. Reden sie denn nichts?
Anton. Nicht ein Wort. Ich bin ein Schelm, wenn es auf einem
Totenmahle so stille zugehen kann.
Lisette. Wenigstens wird der Alte reden.
Anton. Der redt, ohne zu reden. Er isst und redt zugleich; und ich
glaube, er gaebe wer weiss was darum, wenn er noch dazu trinken koennte,
und das alles dreies auf einmal. Das Zeitungsblatt liegt neben dem
Teller; das eine Auge sieht auf den und das andre auf jenes. Mit dem
einen Backen kaut er, und mit dem andern redt er. Da kann es freilich
nun nicht anders sein, die Worte muessen auf dem Gekauten sitzenbleiben,
sodass man ihn mit genauer Not noch murmeln hoert.
Lisette. Was machen aber die uebrigen?
Anton. Die uebrigen? Valer und Juliane sind wie halb tot. Sie essen
nicht und reden nicht; sie sehen einander an; sie seufzen; sie
schlagen die Augen nieder; sie schielen bald nach dem Vater, bald nach
dem Sohne; sie werden weiss; sie werden rot. Der Zorn und die
Verzweiflung sieht beiden aus den Augen.--Aber juchhe! so recht!
Siehst du, dass es nicht nach deinem Kopfe gehen muss? Mein Herr soll
Julianen haben, und wenn--
Lisette. Ja, dein Herr! Was macht aber der?
Anton. Lauter dumme Streiche. Er kritzelt mit der Gabel auf dem
Teller; haengt den Kopf; bewegt das Maul, als ob er mit sich selbst
redte; wackelt mit dem Stuhle; stoesst einmal ein Weinglas um; laesst es
liegen; tut, als wenn er nichts merkte, bis ihm der Wein auf die
Kleider laufen will; nun faehrt er auf und spricht wohl gar, ich haette
es umgegossen.--Doch genug geplaudert; er wird auf mich fluchen, wo
ich ihm das Buch nicht bald bringe. Ich muss es doch suchen. Auf dem
Tische, zur rechten Hand, soll es liegen. Ja zur rechten Hand; welche
rechte Hand meint er denn? Trete ich so, so ist das die rechte Hand;
trete ich so, so ist sie das; trete ich so, so ist sie das; und das
wird sie, wenn ich so trete. (Tritt an alle vier Seiten des Tisches.)
Sage mir doch, Lisette, welches ist denn die rechte rechte Hand?
Lisette. Das weiss ich so wenig als du. Schade auf das Buch; er mag
es selbst holen. Aber Anton, wir vergessen das Wichtigste; den Brief--
Anton. Koemmst du mir schon wieder mit deinem Briefe? Denkt doch;
deinetwegen soll ich meinen Herrn betruegen?
Lisette. Es soll aber dein Schade nicht sein.
Anton. So? ist es mein Schade nicht, wann ich das, was mir Chrysander
versprochen hat, muss sitzenlassen?
Lisette. Dafuer aber verspricht dich Valer schadlos zu halten.
Anton. Wo verspricht er mir es denn?
Lisette. Wunderliche Haut! ich verspreche es dir an seiner Statt.
Anton. Und wenn du es auch an seiner Statt halten sollst, so werde
ich viel bekommen. Nein, nein; ein Sperling in der Hand ist besser
als eine Taube auf dem Dache.
Lisette. Wann du die Taube gewiss fangen kannst, so wird sie doch
besser sein als der Sperling?
Anton. Gewiss fangen! als wenn sich alles fangen liesse! Nicht wahr,
wann ich die Taube haschen will, so muss ich den Sperling aus der Hand
fliegen lassen?
Lisette. So lass ihn fliegen.
Anton. Gut! und wann sich nun die Taube auch davonmacht? Nein, nein,
Jungfer, so dumm ist Anton nicht.
Lisette. Was du fuer kindische Umstaende machst! Bedenke doch, wie
gluecklich du sein kannst.
Anton. Wie denn? lass doch hoeren.
Lisette. Valer hat versprochen, mich auszustatten. Was sind so einem
Kapitalisten tausend Taler?
Anton. Auf die machst du dir Rechnung?
Lisette. Wenigstens. Dich wuerde er auch nicht leer ausgehen lassen,
wann du mir behilflich waerest. Ich haette alsdenn Geld; du haettest
auch Geld: koennten wir nicht ein allerliebstes Paar werden?
Anton. Wir? ein Paar? Wenn dich mein Herr nicht versteckt haette.
Lisette. Tust du nicht recht albern! Ich habe dir ja alles erzaehlt,
was unter uns vorgegangen ist. Dein Herr, das Buecherwuermchen!
Anton. Ja, auch das sind verdammte Tiere, die Buecherwuermer. Es ist
schon wahr, ein Maedel wie du, mit tausend Talern, die ist wenigstens
tausend Taler wert; aber nur das Kabinett--das Kabinett--
Lisette. Hoere doch einmal auf, Anton, und lass dich nicht so lange
bitten.
Anton. Warum willst du aber dem Alten den Brief nicht selbst geben?
Lisette. Ich habe dir ja gesagt, was darin steht. Wie leicht koennte
Chrysander nicht argwoehnen--
Anton. Ja, ja, mein Aeffchen, ich merk es schon; du willst die
Kastanien aus der Asche haben und brauchst Katzenpfoten dazu.
Lisette. Je nun, mein liebes Katerchen, tu es immer!
Anton. Wie sie es einem ans Herze legen kann! Liebes Katerchen! Gib
nur her, den Brief; gib nur!
Lisette. Da, mein unvergleichlicher Anton--
Anton. Aber es hat doch mit der Ausstattung seine Richtigkeit?--
Lisette. Verlass dich drauf--
Anton. Und mit meiner Belohnung obendrein?--
Lisette. Desgleichen.
Anton. Nun wohl, der Brief ist uebergeben!
Lisette. Aber so bald als moeglich--
Anton. Wenn du willst, jetzt gleich. Komm!--Potz Stern! wer
koemmt?--Zum Henker, es ist Damis.
Zweiter Auftritt
Damis. Anton. Lisette.
Damis. Wo bleibt denn der Schlingel mit dem Buche?
Anton. Ich wollte gleich, ich wollte--Lisette und--Kurz, ich kann es
nicht finden, Herr Damis.
Damis. Nicht finden? Ich habe dir ja gesagt, auf welcher Hand es
liegt.
Anton. Auf der rechten, haben Sie wohl gesagt; aber nicht auf welcher
rechten? Und das wollte ich Sie gleich fragen kommen.
Damis. Dummkopf, kannst du nicht so viel erraten, dass ich von der
Seite rede, an welcher ich sitze?
Anton. Es ist auch wahr, Lisette; und darueber haben wir uns den Kopf
zerbrochen! Herr Damis ist doch immer klueger als wir! (Indem er ihm
hinterwaerts einen Moench sticht.) Nun will ich es wohl finden. Weiss
eingebunden, roten Schnitt, nicht? Gehen Sie nur, ich will es gleich
bringen.
Damis. Ja, nun ist es Zeit, da wir schon vom Tische aufgestanden sind.
Anton. Schon aufgestanden? Zum Henker, ich bin noch nicht satt.
Sind sie schon alle, alle aufgestanden?
Damis. Mein Vater wird noch sitzen und die Zeitung auswendig lernen,
damit er morgen in seinem Kraenzchen den Staatsmann spielen kann. Geh
geschwind, wenn du glaubst, von seinen politischen Brocken satt zu
werden. Was will aber Lisette hier?
Lisette. Bin ich jetzt nicht ebensowohl zu leiden als vorhin?
Damis. Nein, wahrhaftig nein. Vorhin glaubte ich, Lisette haette
wenigstens so viel Verstand, dass ihr Plaudern auf eine Viertelstunde
ertraeglich sein koennte; aber ich habe mich geirrt. Sie ist so dumm
wie alle uebrige im Hause.
Lisette. Ich habe die Ehre, mich im Namen aller uebrigen zu bedanken.
Anton. Verzweifelt! das geht ja jetzt aus einem ganz andern Tone!
Gott gebe, dass sie sich recht zanken! Aber zuhoeren mag ich
nicht--Lisette, ich will immer gehen.
Lisette (sachte). Den Brief vergiss nicht; geschwind!
Damis. So! hast du Lisetten um Urlaub zu bitten? Ich befehle dir:
bleib da. Ich wuesste nicht, wohin du zu gehen haettest.
Anton. Auf die Post, Herr Damis; auf die Post!
Damis. Doch, es ist wahr; nun so geh! geh!
Dritter Auftritt
Damis. Lisette.
Damis. Lisette kann sich nur auch gleich mit fortmachen. Will denn
meine Stube heute gar nicht leer werden? Bald ist der da, bald jener;
bald die, bald jene. Soll ich denn nicht einen Augenblick allein
sein? (Setzt sich an seinen Tisch.) Die Musen verlangen Einsamkeit,
und nichts verjagt sie eher als der Tumult. Ich habe so viele und
wichtige Verrichtungen, dass ich nicht weiss, wo ich zuerst anfangen
soll; und gleichwohl stoert man mich. Mit der Heirat, mit einer so
nichtswuerdigen Sache, ist der groesste Teil des Nachmittags
daraufgegangen; soll mir denn auch der Abend durch das ewige Hin- und
Wiederlaufen entrissen werden? Ich glaube, dass in keinem Hause der
Muessiggang so herrschen kann als in diesem.
Lisette. Und besonders auf dieser Stube.
Damis. Auf dieser Stube? Ungelehrte! Unwissende!
Lisette. Ist das geschimpft oder gelobt?
Damis. Was fuer eine niedertraechtige Seele! die Unwissenheit, die
Ungelehrsamkeit fuer keinen Schimpf zu halten! fuer keinen Schimpf? So
moechte ich doch die Begriffe wissen, die eine so unsinnige Schwaetzerin
von Ehre und Schande hat. Vielleicht, dass bei ihr die Gelehrsamkeit
ein Schimpf ist?
Lisette. Wahrhaftig, wann sie durchgaengig von dem Schlage ist wie bei
Ihnen--
Damis. Nein, das ist sie nicht. Die wenigsten haben es so weit
gebracht--
Lisette. Dass man nicht unterscheiden kann, ob sie naerrisch oder
gelehrt sind?--
Damis. Ich moechte aus der Haut fahren--
Lisette. Tun Sie das, und fahren Sie in eine kluegere.
Damis. Wie lange soll ich noch den Beleidigungen der nichtswuerdigsten
Kreatur ausgesetzt sein?--Tausend wuerden sich gluecklich preisen, wenn
sie nur den zehnten Teil meiner Verdienste haetten. Ich bin erst
zwanzig Jahr alt; und wie viele wollte ich finden, die dieses Alter
beinahe dreimal auf sich haben und gleichwohl mit mir--Doch ich rede
umsonst. Was kann es mir fuer Ehre bringen, eine Unsinnige von meiner
Geschicklichkeit zu ueberfuehren? Ich verstehe sieben Sprachen
vollkommen und bin erst zwanzig Jahr alt. In dem ganzen Umfange der
Geschichte und in allen mit ihr verwandten Wissenschaften bin ich ohne
gleichem--
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Wie stark ich in der Weltweisheit bin, bezeugt die hoechste
Wuerde, die ich schon vor drei Jahren darin erhalten habe. Noch
unwidersprechlicher wird es die Welt jetzt aus meiner Abhandlung von
den Monaden erkennen.--Ach, die verwuenschte Post!--
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Von meiner mehr als demosthenischen Beredsamkeit kann meine
satirische Lobrede auf den Nix der Nachwelt eine ewige Probe geben.
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Freilich! Auch in der Poesie darf ich meine Hand nach dem
unvergaenglichsten Lorbeer ausstrecken. Gegen mich kriecht Milton, und
Haller ist gegen mich ein Schwaetzer. Meine Freunde, welchen ich sonst
zum oeftern meine Versuche, wie ich sie zu nennen belieben vorgelesen
habe, wollen jetzt gar nichts mehr davon hoeren und versichern mich
allezeit auf das aufrichtigste, dass sie schon genugsam von meiner mehr
als goettlichen Ader ueberzeugt waeren.
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Kurz, ich bin ein Philolog, ein Geschichtskundiger, ein
Weltweiser, ein Redner, ein Dichter--
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt! Ein Weltweiser ohne
Bart und ein Redner, der noch nicht muendig ist! schoene Raritaeten!
Damis. Fort! den Augenblick aus meiner Stube!
Lisette. Den Augenblick? Ich moechte gar zu gern die schoene Ausrufung:
und Sie sind erst zwanzig Jahr alt! noch einmal anbringen. Haben Sie
nichts mehr an sich zu ruehmen? O noch etwas! Wollen Sie nicht? Nun
so will ich es selbst tun. Hoeren Sie recht zu, Herr Damis: Sie sind
noch nicht klug und sind schon zwanzig Jahr alt!
Damis. Was? wie? (Steht zornig auf.)
Lisette. Leben Sie wohl! Leben Sie wohl!
Damis. Himmel! was muss man von den ungelehrten Bestien erdulden! Ist
es moeglich von einem unwissenden Weibsbilde--
Vierter Auftritt
Chrysander. Anton. Damis.
Chrysander. Das ist ein verfluchter Brief, Anton! Ei! ei! mein Sohn,
mein Sohn, post coenam stabis, vel passus mille meabis. Du wirst doch
nicht schon wieder sitzen?
Damis. Ein andrer, der nichts zu tun hat, mag sich um dergleichen
barbarische Gesundheitsregeln bekuemmern. Wichtige Beschaeftigungen--
Chrysander. Was willst du von wichtigen Beschaeftigungen reden?
Damis. Ich nicht, Herr Vater? Die meisten von den Buechern, die Sie
hier auf dem Tische sehen, warten teils auf meine Noten, teils auf
meine Uebersetzung, teils auf meine Widerlegung, teils auf meine
Verteidigung, teils auch auf mein blosses Urteil.
Chrysander. Lass sie warten! Jetzt--
Damis. Jetzt kann ich freilich nicht alles auf einmal verrichten.
Wann ich nur erst mit dem Wichtigsten werde zustande sein. Sie
glauben nicht, was mir hier eine gewisse Untersuchung fuer Nachschlagen
und Kopfbrechen kostet. Noch eine einzige Kleinigkeit fehlt mir, so
habe ich es bewiesen, dass sich Kleopatra die Schlangen an den Arm, und
nicht an die Brust, gesetzt hat--
Chrysander. Die Schlangen taugen nirgends viel. Mir waere beinahe
jetzt auch eine in Busen gekrochen; aber noch ist es Zeit. Hoere
einmal, mein Sohn; hier habe ich einen Brief bekommen, der mich--
Damis. Wie? einen Brief? einen Brief? Ach, lieber Anton! einen
Brief? Liebster Herr Vater, einen Brief? von Berlin? Lassen Sie mich
nicht laenger warten; wo ist er? Nicht wahr, nunmehr werden Sie
aufhoeren an meiner Geschicklichkeit zu zweifeln? Wie gluecklich bin
ich! Anton, weisst du es auch schon, was darin steht?
Chrysander. Was schwaermst du wieder? Der Brief ist nicht von Berlin;
er ist von meinem Advokaten aus Dresden, und nach dem, was er schreibt,
kann aus deiner Heirat mit Julianen nichts werden.
Damis. Nichtswuerdiger Kerl! so bist du noch nicht wieder auf der Post
gewesen?
Anton. Ich habe es Ihnen ja gesagt, dass vor neun Uhr fuer mich auf der
Post nichts zu tun ist.
Damis. Ah, verberabilissime, non fur, sed trifur! Himmel! dass ich
vor Zorn sogar des Plautus Schimpfwoerter brauchen muss. Wird dir denn
ein vergebner Gang gleich den Hals kosten?
Anton. Schimpften Sie mich? Weil ich es nicht verstanden habe, so
mag es hingehen.
Chrysander. Aber sage mir nur, Damis; nicht wahr, du hast doch einen
kleinen Widerwillen gegen Julianen? Wenn das ist, so will ich dich
nicht zwingen. Du musst wissen, dass ich keiner von den Vaetern bin--
Damis. Ist die Heirat schon wieder auf dem Tapete? Wann Sie doch
wegen meines Widerwillens unbesorgt sein wollten. Genug, ich heirate
sie--
Chrysander. Das heisst so viel, du wolltest dich meinetwegen zwingen?
Das will ich durchaus nicht. Wenn du gleich mein Sohn bist, so bist
du doch ein Mensch; und jeder Mensch wird frei geboren; er muss machen
koennen, was er will; und--kurz--ich gebe dir dein Wort wieder zurueck.
Damis. Wieder zurueck? und vor einigen Stunden konnte ich mich nicht
hurtig genug entschliessen? Wie soll ich das verstehen?
Chrysander. Das sollst du so verstehen, dass ich es ueberlegt habe und
dass, weil dir Juliane nicht gefaellt, sie mir auch nicht ansteht; dass
ich ihre wahren Umstaende in diesem Briefe wieder gefunden habe und
dass--Du siehst es ja, dass ich den Brief nur jetzt gleich bekommen habe.
Ich weiss zwar wahrhaftig nicht, was ich davon denken soll? Die Hand
meines Advokaten ist es nicht--
(Damis setzt sich wieder an den Tisch.)
Anton. Nicht? oh! die Leutchen muessen mehr als eine Hand zu schreiben
wissen.
Chrysander. Zu geschwind ist es beinahe auch. Kaum sind es acht Tage,
dass ich ihm geschrieben habe. Sollte er das Ding in der kurzen Zeit
schon haben untersuchen koennen? Von wem hast du denn den Brief
bekommen, Anton?
Anton. Von Lisetten.
Chrysander. Und Lisette?
Anton. Von dem Brieftraeger, ohne Zweifel.
Chrysander. Aber warum bringt denn der Kerl die Briefe nicht mir
selbst?
Anton. Sie werden sich doch in den Haenden, wodurch sie gehen, nicht
veraendern koennen?
Chrysander. Man weiss nicht--Gleichwohl aber lassen sich die Gruende,
die er anfuehrt, hoeren. Ich muss also wohl den sichersten Weg nehmen
und dir, mein Sohn--Aber, ich glaube gar, du hast dich wieder an den
Tisch gesetzt und studierst?
Damis. Mein Gott! ich habe zu tun, ich habe sogar viel zu tun.
Chrysander. Drum mit einem Worte, damit ich dich nicht um die Zeit
bringe: die Heirat mit Julianen war nichts als ein Gedanke, den du
wieder vergessen kannst. Wann ich es recht ueberlege, so hat doch
Valer das groesste Recht auf sie.
Damis. Sie betruegen sich, wenn Sie glauben, dass ich nunmehr davon
abgehen werde.--Ich habe alles wohl ueberleget, und ich muss es Ihnen
nur mit ganz trocknen Worten sagen, dass eine boese Frau mir helfen soll,
meinen Ruhm unsterblich zu machen; oder vielmehr, dass ich eine boese
Frau, an die man nicht denken wuerde, wann sie keinen Gelehrten gehabt
haette, mit mir zugleich unsterblich machen will. Der Charakter eines
solchen Eheteufels wird auf den meinigen ein gewisses Licht werfen--
Chrysander. Nun wohl, wohl; so nimm dir eine boese Frau; nur aber eine
mit Gelde, weil an einer solchen die Bosheit noch ertraeglich ist. Von
der Gattung war meine erste selige Frau. Um die zwanzigtausend Taler,
die ich mit ihr bekam, haette ich des boesen Feindes Schwester heiraten
wollen--Du musst mich nur recht verstehen: ich meine es nicht nach den
Worten.--Wann sie aber boese sein soll, deine Frau, was willst du mit
Julianen?--Hoere, ich kenne eine alte Witwe, die schon vier Maenner ins
Grab gezankt hat; sie hat ihr feines Auskommen: ich daechte, das waere
deine Sache; nimm die! Ich habe dir das Maul einmal waessrig gemacht,
ich muss dir also doch etwas darein geben. Wann es einmal eine
Xanthippe sein soll, so kannst du keine bessre finden.
Damis. Mit Ihrer Xanthippe! ich habe es Ihnen ja schon mehr als
einmal gesagt, dass Xanthippe keine boese Frau gewesen ist. Haben Sie
meine Beweisgruende schon wieder vergessen?
Chrysander. Ei was? mein Beweis ist das Abc-Buch. Wer so ein Buch
hat schreiben koennen, das so allgemein geworden ist, der muss es gewiss
besser verstanden haben als du. Und kurz, mir liegt daran, dass
Xanthippe eine boese Frau gewesen ist. Ich koennte mich nicht
zufriedengeben, wenn ich meine erste Frau so oft sollte gelobt haben.
Schweig also mit deinen Narrenspossen; ich mag von dir nicht besser
unterrichtet sein.
Damis. So wird uns gedankt, wenn wir die Leute aus ihren Irrtuemern
helfen wollen.
Chrysander. Seit wenn ist denn das Ei klueger als die Henne? he? Herr
Doktor, vergess Er nicht, dass ich Vater bin und dass es auf den Vater
ankoemmt, wenn der Sohn heiraten soll. Ich will an Julianen nicht mehr
gedacht wissen--
Damis. Und warum nicht?
Chrysander. Soll ich meinem einzigen Sohne ein armes Maedchen
aufhaengen? Du bist nicht wert, dass ich fuer dich so besorgt bin. Du
weisst ja, dass sie nichts im Vermoegen hat.
Damis. Hatte sie vorhin, da ich sie heiraten sollte, mehr als jetzt?
Chrysander. Das verstehst du nicht. Ich wusste wohl, was ich vorhin
tat: aber ich weiss auch, was ich jetzt tue.
Damis. Gut, desto besser ist es, wann sie kein Geld hat. Man wird
mir also nicht nachreden koennen, die boese Frau des Geldes wegen
genommen zu haben; man wird es zugestehen muessen, dass ich keine andere
Absicht gehabt als die, mich in den Tugenden zu ueben, die bei
Erduldung eines solchen Weibes noetig sind.
Chrysander. Eines solchen Weibes! Wer hat dir denn gesagt, dass
Juliane eine boese Frau werden wird?
Damis. Wenn ich nicht, wie wir Gelehrten zu reden pflegen, a priori
davon ueberfuehrt waere, so wuerde ich es schon daraus schliessen koennen,
weil Sie daran zweifeln.
Chrysander. Fein naseweis, mein Sohn! fein naseweis! Ich habe
Julianen auferzogen; sie hat viel Wohltaten bei mir genossen; ich habe
ihr alles Gute beigebracht: wer von ihr Uebels spricht, der spricht es
zugleich von mir. Was? ich sollte nicht ein Frauenzimmer zu ziehen
wissen? Ich sollte ein Maedchen, das unter meiner Aufsicht gross
geworden ist, nicht so weit gebracht haben, dass es einmal eine
rechtschaffne wackre Frau wuerde? Reich habe ich sie freilich nicht
machen koennen; ich bin der Wohltat selbst noch benoetigt. Aber dass ich
sie nicht tugendhaft, nicht verstaendig gemacht haette, das kann mir nur
einer nachreden, der so dumm ist als du, mein Sohn. Nimm mir es nicht
uebel, dass ich mit der Sprache herausruecke. Du bist so ein
eingemachter Narre, so ein Stockfisch--nimm mir's nicht uebel, mein
Sohn--so ein ueberstudierter Pickelhering--aber nimm mir's nicht uebel--
Damis (beiseite). Bald sollte ich glauben, dass sein erster Handel mit
eingesalznen Fischen gewesen sei.--Schon gut, Herr Vater; von
Julianens Tugend will ich nichts sagen; die Tugend ist oft eine Art
von Dummheit. Aber was ihren Verstand anbelangt, von dem werden Sie
mir erlauben, dass ich ihn noch immer in Zweifel ziehe. Ich bin nun
schon eine ziemliche Zeit wieder hier; ich habe mir auch manchmal die
Muehe genommen, ein paar Worte mit ihr zu sprechen: hat sie aber wohl
jemals an meine Gelehrsamkeit gedacht? Ich mag nicht gelobt sein; so
eitel bin ich nicht; nur muss man den Leuten ihr Recht widerfahren
lassen--
Fuenfter Auftritt
Chrysander. Damis. Valer.
Chrysander. Gut, gut, Herr Valer, Sie kommen gleich zur rechten
Stunde.
Damis. Was will der unertraegliche Mensch wieder?
Valer. Ich komme, Abschied von Ihnen beiden zu nehmen--
Chrysander. Abschied? so zeitig? warum denn?
Valer. Ich glaube nicht, dass Sie im Ernste fragen.
Chrysander. Gott weiss es, Herr Valer; in dem allerernstlichstem
Ernste. Ich lasse Sie wahrhaftig nicht.
Valer. Um mich noch empfindlicher zu martern? Sie wissen, wie lieb
mir die Person allezeit gewesen ist, die Sie mir heute entreissen.
Doch das Unglueck waere klein, wenn es mich nur allein traefe. Sie
wollen noch dazu diese geliebte Person mit einem verbinden, der sie
ebenso sehr hasst, als ich sie verehre? Meine ganze Seele ist voller
Verzweiflung, und von nun an werde ich weder hier noch irgendswo in
der Welt wieder ruhig werden. Ich gehe, um mich--
Chrysander. Nicht gehen, Herr Valer, nicht gehen! Dem Uebel ist
vielleicht noch abzuhelfen.
Valer. Abzuhelfen? Sie beschimpfen mich, wenn Sie glauben, dass ich
jemals diesen Streich ueberwinden werde. Er wuerde fuer ein minder
zaertliches Herz, als das meinige ist, toedlich sein.
Damis. Was fuer ein Gewaesche! (Setzt sich an seinen Tisch.)
Valer. Wie gluecklich sind Sie, Damis! Lernen Sie wenigstens Ihr
Glueck erkennen; es ist der geringste Dank, den Sie dem Himmel schuldig
sind. Juliane wird die Ihrige--
Chrysander. Ei, wer sagt denn das? Sie soll noch zeitig genug die
Ihrige werden, Herr Valer, nur Geduld!
Valer. Halten Sie inne mit Ihren kalten Verspottungen--
Chrysander. Verspottungen? Sie muessen mich schlecht kennen. Was ich
sage, das sag ich. Ich habe die Sache nun besser ueberlegt; ich sehe,
Juliane schickt sich fuer meinen Sohn nicht und er sich noch viel
weniger fuer Julianen. Sie lieben sie; Sie haben laengst bei mir um sie
angehalten; wer am ersten koemmt, der muss am ersten mahlen. Ich habe
eben mit meinem Sohne davon geredt--Sie kennen ihn ja--
Valer. Himmel, was hoer ich? Ist es moeglich? welche glueckliche
Veraenderung! Erlauben Sie, dass ich Sie tausendmal umfange. Soll ich
also doch noch gluecklich sein? O Chrysander! o Damis!
Chrysander. Reden Sie mit ihm und setzen Sie ihm den Kopf ein wenig
zurechte. Ich will zu Julianen gehen und ihr meinen veraenderten
Entschluss hinterbringen. Sie wird mir es doch nicht uebelnehmen?
Valer. Uebel? Sie werden ihr das Leben wiedergeben, so wie Sie es
mir wiedergegeben haben.
Chrysander. Ei, kann ich das? (Geht ab.)
Sechster Auftritt
Damis. Valer. Anton.
Valer. Und in welchem Tone soll ich nun mit Ihnen reden, liebster
Freund? Das erneuerte Versprechen Ihres Vaters berechtigte mich, Sie
ganz und gar zu uebergehen. Ich habe gewonnen, sobald Chrysander
Julianen zu zwingen aufhoert. Doch wie angenehm soll es mir sein, wann
ich ihren Besitz zum Teil auch Ihnen werde verdanken koennen.
Damis. Anton!
Anton (koemmt). Was soll der? ist Ihnen die Post wieder eingefallen?
Damis. Gleich geh! sie muss notwendig da sein.
Anton. Aber ich sage Ihnen, dass sie bei so uebeln Wetter vor zehn Uhr
nicht kommen kann.
Damis. Gibst du abermals eine Stunde zu? Kurz, geh! und koemmst du
leer wieder, so sieh dich vor!
Anton. Wenn ich diese Nacht nicht sanft schlafe, so glaube ich
zeitlebens nicht mehr, dass die Muedigkeit etwas dazu helfen kann.
(Gehet ab.)
Siebenter Auftritt
Damis. Valer.
Valer. So? anstatt zu antworten, reden Sie mit dem Bedienten?
Damis. Verzeihen Sie, Valer; Sie haben also mit mir gesprochen? Ich
habe den Kopf so voll; es ist mir unmoeglich, auf alles zu hoeren.
Valer. Und Sie wollen sich auch bei mir verstellen? Ich weiss die
Zeit noch sehr wohl, da ich in ebendem wunderbaren Wahne stand, es
liesse gelehrt, so zerstreut als moeglich und auf nichts als auf sein
Buch aufmerksam zu tun. Doch glauben Sie nur, der muss sehr einfaeltig
sein, den Sie mit diesen Gaukeleien hintergehen wollen.
Damis. Und Sie muessen noch einfaeltiger sein, dass Sie glauben koennen,
ein jeder Kopf sei so gedankenleer als der Ihrige. Und verdient denn
Ihr Geschwaetz, dass ich darauf hoere? Sie haben ja gewonnen, sobald
Chrysander Julianen zu zwingen aufhoert; Sie sind ja berechtiget, mich
zu uebergehen--
Valer. Das muss doch eine besondere Art der Zerstreuung sein, in
welcher man des andern Reden gleichwohl so genau hoeret, dass man sie
von Wort zu Wort wiederholen kann.
Damis. Ihre Spoetterei ist sehr trocken. (Sieht wieder auf sein Buch.)
Valer. Doch aber zu empfinden?--Was fuer eine Marter ist es, mit einem
Menschen von Ihrer Art zu tun zu haben? Es gibt deren wenige--
Damis. Das sollte ich selbst glauben.
Valer. Es wuerden sich aber mehrere finden, wenn selbst--
Damis. Ganz recht; wenn die wahre Gelehrsamkeit nicht so schwer zu
erlangen, die natuerliche Faehigkeit dazu gemeiner und ein unermuedeter
Fleiss nicht so etwas Beschwerliches waeren--
Valer. Ha! ha! ha!
Damis. Das Lachen eines wahren Idioten!
Valer. Sie reden von Ihrer Gelehrsamkeit, und ich, mit Vergebung,
wollte von Ihrer Torheit reden. Hierin, meinte ich, wuerden Sie
mehrere Ihresgleichen finden, wenn selbst diese Torheit ihren Sklaven
nicht zur Last werden muesste.
Damis. Verdienen Sie also, dass ich Ihnen antworte? (Sieht wieder in
sein Buch.)
Valer. Und verdienen Sie wohl, dass ich noch Freundes genug bin, mit
Ihnen ohne Verstellung zu reden? Glauben Sie mir, Sie werden Ihre
Torheiten bei mehreren Verstande bereuen--
Damis. Bei mehreren Verstande? (Spoettisch.)
Valer. Werden Sie darueber ungehalten? Das ist wunderbar! Ihr Koerper
kann, Ihren Jahren nach, noch nicht ausgewachsen haben, und Sie
glauben, dass Ihre Seele gleichwohl schon zu ihrer moeglichen
Vollkommenheit gelanget sei? Ich wuerde den fuer meinen Feind halten,
welcher mir den Vorzug, taeglich zu mehrerm Verstande zu kommen,
streitig machen wollte.
Damis. Sie!
Valer. Sie werden so spoettisch, mein Herr Nebenbuhler--Doch da ist
sie selbst! (Laeuft ihr entgegen.) Ah, Juliane--
Achter Auftritt
Juliane. Damis. Valer.
Juliane. Ach, Valer, welche glueckliche Veraenderung!--
Damis (indem er sich auf dem Stuhle umwendet). Die Ehre, Sie hier zu
sehen, Mademoiselle, habe ich ohne Zweifel einem Irrtume zu danken?
Sie glauben vielleicht, in Ihr Schlafzimmer zu kommen--
Juliane. Dieser Irrtum waere unvergeblich! Nein! mein Herr, es
geschieht auf Befehl Ihres Herrn Vaters, dass ich diesen heiligen Ort
betrete. Ich komme, Ihnen einen Kauf aufzusagen und mich bei Ihrer
Muse zu entschuldigen, dass ich beinahe in die Gefahr gekommen waere,
ihr einen so liebenswuerdigen Geist abspenstig zu machen.
Valer. O wie entzueckt bin ich, schoenste Juliane, Sie auf einmal
wieder in Ihrer Heiterkeit zu sehen.
Damis. Wenn ich das Gewaesche eines Frauenzimmers recht verstehe, so
kommen Sie, ein Paktum aufzuheben, welches doch alle Requisita hat,
die zu einem unumstoesslichen Pakto erfordert werden.
Juliane. Und wann ich das Galimathias eines jungen Gelehrten
verstehen darf, so haben Sie es getroffen.
Damis. Mein Vater ist ein Idiote. Koemmt es denn nur auf ihn oder auf
Sie, Mademoiselle, an, einen Vertrag, der an meinem Teil fest bestehet,
ungueltig zu machen?--Es wird sich alles zeigen; nur wollte ich bitten,
mich jetzt ungestoert zu lassen--(Wendet sich wieder an den Tisch.)
Valer. Was fuer ein Bezeigen! hat man jemals einem Frauenzimmer, auf
dessen Besitz man Anspruch macht, so begegnet?
Damis. Und ist man jemals einem beschaeftigten Gelehrten so ueberlaestig
gewesen? Diese verdriessliche Gesellschaft loszuwerden, muss ich nur
selbst meine vier Waende verlassen. (Geht ab.)
Neunter Auftritt
Valer. Juliane.
Juliane. Und wir lachen ihm nicht nach?
Valer. Nein, Juliane; eine bessere Freude mag uns jetzt erfuellen; und
beinahe gehoert eine Art von Grausamkeit dazu, sich ueber einen so
klaeglichen Toren lustig zu machen. Wie soll ich Ihnen die Regungen
meines Herzens beschreiben, jetzt, da man ihm alle seine
Glueckseligkeit wiedergegeben hat? Ich beschwoere Sie, Juliane, wann
Sie mich lieben, so verlassen Sie noch heute mit mir dieses
gefaehrliche Haus. Setzen Sie sich nicht laenger der Ungestuemigkeit
eines veraenderlichen Alten, der Raserei eines jungen Pedanten und der
Schwaeche Ihrer eignen allzu zaertlichen Denkungsart aus. Sie sind mir
in einem Tage genommen und wiedergegeben worden; lassen Sie ihn den
ersten und den letzten sein, der so grausam mit uns spielen darf!
Juliane. Fassen Sie sich, Valer. Wir wollen lieber nichts tun, was
uns einige Vorwuerfe von Chrysandern zuziehen koennte. Sie sehen, er
ist auf dem besten Wege, und ich liebe ihn ebensosehr, als ich den
Damis verachte. Durch das Misstrauen, wodurch ich mich auf einmal
seiner Vorsorge entzoege, wuerde ich ihm fuer seine Wohltaten schlecht
danken--
Valer. Noch immer reden Sie von Wohltaten? Ich werde nicht eher
ruhig, als bis ich Sie von diesen gefaehrlichen Banden befreiet habe.
Erlauben Sie mir, dass ich sie sogleich gaenzlich vernichte und dem
alten Eigennuetzigen--
Juliane. Nennen Sie ihn anders, Valer; er ist das nicht; und schon
seine Veraenderung zeigt es, dass Lisette falsch gehoert oder uns
hintergangen hat. Zwar weiss ich nicht, wem ich diese Veraenderung
zuschreiben soll--(Nachsinnend.)
Valer. Warum auf einmal so in Gedanken? Die Ursache, die ihn bewogen
hat, mag sein, welche es will; ich weiss doch gewiss, dass es eine Fuegung
des Himmels ist.
Juliane. Des Himmels oder Lisettens. Auf einmal faellt mir ein, was
Sie mir von einem Briefe gesagt haben. Sollte wohl Lisettens allzu
grosse Dienstfertigkeit--
Valer. Welche Einbildung, liebste Juliane! Sie weiss es ja, dass Ihre
Tugend in diesen kleinen Betrug nicht willigen wollen.
Juliane. Gleichwohl, je mehr ich nachdenke--
Valer. Wenn es nun auch waere, wollten Sie denn deswegen--
Juliane. Wann es nun auch waere? wie?
Zehnter Auftritt
Lisette. Valer. Juliane.
Juliane. Du koemmst als gerufen, Lisette.
Lisette. Nun, gehen meine Sachen nicht vortrefflich? Wollen Sie es
nicht unten mit anhoeren, wie sich Damis und Chrysander zanken? "Du
sollst sie nicht bekommen; ich muss sie bekommen: ich bin Vater; Sie
haben mir sie versprochen: ich habe mich anders besonnen; ich aber
nicht: so muss es noch geschehen; das ist unmoeglich: unmoeglich oder
nicht; kurz, ich geh nicht ab, ich will es Ihnen aus Buechern beweisen,
dass Sie mir Wort halten muessen: du kannst mit deinen Buechern an den
Galgen gehen."--Was wiederhole ich viel ihre naerrische Reden? Der
Vater hat recht; er handelt klug: er wuerde aber gewiss nicht so klug
handeln, wenn ich nicht vorher so klug gewesen waere.
Juliane. Wie verstehst du das, Lisette?
Lisette. Ich lobe mich nicht gerne selbst. Kurz, meine liebe Mamsell,
Ihr Schutzengel, der bin ich!
Juliane. Der bist du? und wie denn?
Lisette. Dadurch, dass ich einen Betrueger mit seiner Muenze bezahlt
habe. Der alte haessliche--
Juliane. Und also hast du Chrysandern betrogen?
Lisette. Ei, sagen Sie doch das nicht; einen Betrueger betruegt man
nicht, sondern den hintergeht man nur. Hintergangen hab ich ihn.
Valer. Und wie?
Lisette. Schlecht genug, dass Sie es schon wieder vergessen haben.
Ich sollte meinen, erkenntlich zu sein, brauche man ein besser
Gedaechtnis.
Juliane. Du hast ihm also wohl gar den falschen Brief untergeschoben?
Lisette. Behuete Gott! ich habe ihn bloss durch einen erdichteten Brief
auf andere Gedanken zu bringen gesucht; und das ist mir gelungen.
Juliane. Das hast du getan? Und ich sollte mein Glueck einer
Betruegerin zu danken haben? Es mag mir gehen, wie es will; Chrysander
soll es den Augenblick erfahren--
Lisette. Was soll denn das heissen? Ist das mein Dank?
Valer. Besinnen Sie sich, Juliane; verziehen Sie!
Juliane. Unmoeglich, Valer; lassen Sie mich. (Juliane geht ab.)
Eilfter Auftritt
Valer. Lisette.
Valer. Himmel, nun ist alles wieder aus!
Lisette. So mag sie es haben! Gift und Galle moechte ich speien, so
toll bin ich! Fuer meinen guten Willen mich eine Betruegerin zu heissen?
Ich hoffte, sie wuerde mir vor Freuden um den Hals fallen.--Wie wird
der Alte auf mich losziehen! Er jagt mich und Sie zum Hause heraus.
Was wollen Sie nun anfangen?
Valer. Ja, was soll ich nun anfangen, Lisette?
Lisette. Ich glaube, Sie antworten mir mit meiner eignen Frage? Das
ist bequem. Mein guter Rat hat ein Ende. Ich will mich bald wieder
in so etwas mengen!
Valer. Zu was fuer einer ungelegnen Zeit kamst du aber auch, Lisette?
Ich hatte dir es gesagt, dass Juliane in diesen Streich nicht willigen
wollte. Haettest du nicht noch einige Zeit schweigen koennen?
Lisette. Konnte ich denn vermuten, dass sie so uebertrieben eigensinnig
sein wuerde? Sie koennen sich leicht einbilden, wie es mit unsereiner
ist: ich haette nicht wieviel nehmen und es gegen sie laenger verbergen
wollen, wem sie ihr Glueck zu danken habe. Die Freude ist schwatzhaft,
und--Ach, ich moechte gleich--
Zwoelfter Auftritt
Anton. Valer. Lisette.
Anton (mit Briefen in der Hand). Ha! ha! haltet ihr wieder Konferenz!
Wenn es mein Herr wuesste, dass in seiner eignen Stube die schlimmsten
Anschlaege wider ihn geschmiedet werden, er wuerde dich, Lisette--Aber,
wie steht ihr denn da beisammen? Herr Valer scheint betruebt: du bist
erhitzt, erhitzt wie ein Zinshahn. Habt ihr euch geschlagen, oder
habt ihr euch sonst eine Motion gemacht? Ei, ei, Lisette!
hoere--(sachte zu Lisetten) du hast dich doch der Ausstattung wegen mit
ihm nicht ueberworfen? Hat er sein Wort etwa zurueckgezogen? Das waere
ein verfluchter Streich. (Laut.) Nein, nein, Herr Valer, was man
verspricht, das muss man halten. Sie hat Ihnen redlich gedienet und
ich auch. Zum Henker! glauben Sie denn, dass es einmal einer ehrlichen
Seele keine Gewissensbisse verursachen muss, wenn sie ihre Herrschaft
fuer null und nichts betrogen hat? Ich lasse mich nicht vexieren; und
meine Forderung wenigstens--Hol' mich dieser und jener! ich nehm einen
Advokaten an, einen rechten Bullenbeisser von einem Advokaten, der
Ihnen gewiss so viel soll zu schaffen machen--
Lisette. Ach Narre, schweig!
Valer. Was will er denn? Mit wem sprichst du denn?
Anton. Potz Stern! mit unserm Schuldmanne sprech ich. Das koennen Sie
ja wohl am Tone hoeren.
Valer. Wer ist denn dein Schuldmann?
Anton. Kommt es nun da heraus, dass Sie die Schuld leugnen wollen?
Hoeren Sie: mein Advokat bringt Sie zum Schwur--
Valer. Lisette, weisst denn du, was er will?
Lisette. Der Schwaermer! ich brauchte ihn vorhin zu Ueberbringung des
Briefes und versprach ihm, wenn die Sache gut ausfallen sollte, eine
Belohnung von Ihnen.
Valer. Weiter ist es nichts?
Anton. Ich daechte doch, das waere genug. Und wie haelt es denn mit
Lisettens Ausstattung? Ich muss mich um ihr Vermoegen so gut als um das
meinige bekuemmern, weil es doch meine werden soll.
Valer. Seid unbesorgt; wenn ich mein Glueck mache, so will ich das
eurige gewiss nicht vergessen.
Anton. Gesetzt aber, Sie machten es nicht? Und was versprochen ist,
ist doch versprochen.
Valer. Auch alsdenn will ich euern Eifer nicht unbelohnt lassen.
Anton. Ach, das sind Komplimente, Komplimente!
Lisette. So hoer einmal auf!
Anton. Bist du nicht eine Naerrin; ich rede ja fuer dich mit.
Lisette. Es ist aber ganz unnoetig.
Anton. Unnoetig? habt ihr euch denn nicht gezankt?
Lisette. Warum nicht gar?
Anton. Hat er sein Versprechen nicht zurueckgezogen?
Lisette. Nein doch.
Anton. O so verzeihen Sie mir, Herr Valer. Die Galle kann einem
ehrlichen Manne leicht ueberlaufen. Ich bin ein wenig hitzig, zumal in
Geldsachen. Fuerchten Sie sich fuer den Advokaten nur nicht--
Valer. Und ich kann in einer so marternden Ungewissheit hier noch
verziehen? Ich muss sie sprechen; vielleicht hat sie es noch nicht
getan--
Lisette. Hat sie es aber getan, so kommen Sie dem Alten ja nicht zu
nahe!
Valer. Ich habe von dem ganzen Handel nichts gewusst.
Lisette. Desto schlimmer alsdenn fuer mich. Gehen Sie nur.
Dreizehnter Auftritt
Anton. Lisette.
Anton. Desto schlimmer fuer dich? Was ist denn desto schlimmer fuer
dich? Warum soll er denn dem Alten nicht zu nahe kommen? Was habt
ihr denn wieder!
Lisette. Je, der verfluchte Brief!
Anton. Was fuer ein Brief?
Lisette. Den ich dir vorhin gab.
Anton. Was ist denn mit dem?
Lisette. Es ist alles umsonst; meine Muehe ist vergebens.
Anton. Wie denn so? So wahr ich lebe, ich habe ihn richtig bestellt.
Mache keine Possen und schiebe die Schuld etwa auf mich!
Lisette. Richtig uebergeben ist er wohl; er tat auch schon seine
Wirkung. Aber Juliane hat uns selbst einen Strich durch die Rechnung
gemacht. Sie will es durchaus entdecken, dass es ein falscher Brief
gewesen sei, und hat es vielleicht auch schon getan.
Anton. Was zum Henker, sie selbst? Da werden wir ankommen! Siehst
du; nun ist der Sperling und die Taube weg. Und was das schlimmste ist:
da ich die Taube habe fangen wollen, so bin ich darueber mit der Nase
ins Weiche gefallen. Oder deutlicher und ohne Gleichnis mit dir zu
reden: die versprochene Belohnung bei dem Alten hab ich verloren, die
eingebildete bei Valeren entgeht mir auch, und aller Profit, den ich
dabei machen werde, ist, nebst einem gnaedigen Rippenstosse, ein Pack
dich zum Teufel!--Will Sie mich alsdenn noch, Jungfer Lisette?--Oh,
Sie muss mich. Ich will Sie die Leute lehren ungluecklich machen--
Lisette. Es wird mir gewiss besser gehen? Wir wandern miteinander,
und wenn wir nur einmal ein Paar sind, so magst du sehen, wie du mich
ernaehrest.
Anton. Ich dich ernaehren? bei der teuren Zeit? Wenn ich noch koennte
mit dir herumziehen, wie der mit dem grossen Tiere, das ein Horn auf
der Nase hat.
Lisette. Sorge nicht, in ein Tier mit einem Horne will ich dich bald
verwandeln. Es wird alsdenn doch wohl einerlei sein, ob du mit mir
oder ich mit dir herumziehe.
Anton. Nu wahrhaftig, mit dir weiss man doch noch, woran man ist.
--Aber, damit wir nicht eins ins andre reden, wo ist denn nun mein
Herr? Da sind endlich seine verdammten Briefe!
Lisette. Siehst du ihn?
Anton. Nein; aber wo mir recht ist, jetzt hoer ich ihn.
Lisette. Lass ihn nur kommen; toll will ich ihn noch machen, zu guter
Letzt.
Vierzehnter Auftritt
Anton. Lisette. Damis (koemmt ganz tiefsinnig; Lisette schleicht
hinter ihm her und macht seine Grimassen nach).
Anton. Halt! ich will ihn noch ein wenig zappeln lassen und ihm die
Briefe nicht gleich geben. (Steckt sie ein.) Wie so tiefsinnig, Herr
Damis? was steckt Ihnen wieder im Kopfe?
Damis. Halt dein Maul!
Anton. Kurz geantwortet! Aber soll sich denn ein Bedienter nicht um
seinen Herrn bekuemmern? Es waere doch ganz billig, wann ich auch wuesste,
worauf Sie daechten. Eine blinde Henne findet auch manchmal ein
Koernchen, und vielleicht koennte ich Ihnen--
Damis. Schweig!
Anton. Die Antwort war noch kuerzer. Wenn sie stufenweise so abnimmt,
so will ich einmal sehen, was uebrigbleiben wird.--Was zaehlen Sie denn
an den Fingern? Was hat Ihnen denn der arme Nagel getan, dass Sie ihn
so zerreissen? (Er wird Lisetten gewahr.)--Und, zum Henker, was ist
denn das fuer ein Affe? Koemmst du von Sinnen?
Lisette. Halt dein Maul!
Anton. Um des Himmels willen geh! Wann mein Herr aus seinem Schlafe
erwacht und dich sieht--
Lisette. Schweig!
Anton. Willst du mich oder meinen Herrn zum besten haben? So sehen
Sie doch einmal hinter sich, Herr Damis!
Damis (geht einigemal tiefsinnig auf und nieder; Lisette in gleichen
Stellungen hinter ihm her; und wann er sich umwendet, schleicht sie
sich hurtig herum, dass er sie nicht gewahr wird). Meiner
Hochzeitfackel Brand Sei von mir jetzt selbst gesungen!
Anton. Ho! ho! Sie machen Verse? Komm, Lisette, nun muessen wir ihn
allein lassen. Bei solcher Gelegenheit hat er mich selbst schon, mehr
als einmal, aus der Stube gestossen. Komm nur; er ruft uns gewiss
selbst wieder, sobald er fertig ist, und vielleicht das ganze Haus
dazu.
Lisette (indem sich Damis umwendet, bleibt sie starr vor ihm stehen
und nimmt seinen Ton an). Meiner Hochzeitfackel Brand Sei von mir
jetzt selbst gesungen!
(Damis tut, als ob er sie nicht gewahr wuerde, und stoesst auf sie.)
Damis. Was ist das?
Lisette. Was ist das?
(Beide, als ob sie zu sich selbst kaemen.)
Damis. Unwissender, niedertraechtiger Kerl! habe ich dir nicht oft
genug gesagt, keine Seele in meine Stube zu lassen als aufs hoechste
meinen Vater? Was will denn die hier?
Lisette. Unwissender, niedertraechtiger Kerl! hast du mir es nicht oft
genug gesagt, dass ich mich aus der Stube fortmachen soll? Kannst du
dir denn aber nicht einbilden, dass die, welche im Kabinette hat sein
duerfen, auch Erlaubnis haben werde, in der Stube zu sein? Unwissender,
niedertraechtiger Kerl!
Anton. Wem soll ich nun antworten?
Damis. Gleich stosse sie zur Stube hinaus!
Anton. Stossen? mit Gewalt?
Damis. Wenn sie nicht in gutem gehen will--
Anton. Lisette, geh immer in gutem--
Lisette. Sobald es mir gelegen sein wird.
Damis. Stoss sie heraus, sag ich!
Anton. Komm, Lisette, gib mir die Hand; ich will dich ganz ehrbar
herausfuehren.
Lisette. Grobian, wer wird denn ein Frauenzimmer mit der blossen Hand
fuehren wollen?
Anton. O ich weiss auch zu leben!--In Ermanglung eines Handschuhs
also--(er nimmt den Zipfel von der Weste)--werde ich die Ehre haben--
Damis. Ich seh wohl, ich soll mich selbst ueber sie machen--(Geht auf
sie los.)
Lisette. Ha! ha! ha! so weit wollte ich Sie nur gern bringen. Adieu!
Funfzehnter Auftritt
Anton. Damis.
Damis. Nun sind alle Gedanken wieder fort! Das Feuer ist verraucht;
die Einbildungskraft ist zerstreut. Der Gott, der uns begeistern muss,
hat mich verlassen--Verdammte Kreatur! was fuer Verdruss hat sie mir
heute nicht schon gemacht! wie spoettisch ist sie mit mir umgegangen!
Himmel! in meiner Tiefsinnigkeit mir alles so laecherlich nachzuaeffen.
Anton. Sie sahen es ja aber nicht.
Damis. Ich sah es nicht?
Anton. Ja? ist's moeglich? und Sie stellten sich nur so?
Damis. Schweig, Idiote!--Ich will sehen, ob ich mich wieder in die
Entzueckung setzen kann--
Anton. Tun Sie das lieber nicht; die Verse koennen unmoeglich geraten,
wobei man so finster aussieht.--Darf man aber nicht wissen, was es
werden wird? ein Abendlied oder ein Morgenlied?
Damis. Dummkopf!
Anton. Ein Busslied?
Damis. Einfaltspinsel!
Anton. Ein Tischlied? auch nicht?--Ein Sterbelied werden Sie doch
nicht machen? So wahr ich ehrlich bin, wenn ich auch noch so ein
grosser Poet waere, das bliebe von mir ungemacht. Sterben ist der
abgeschmackteste Streich, den man sich selbst spielt. Er verdient
nicht einen Vers, geschweige ein Lied.
Damis. Ich muss Mitleiden mit deiner Unwissenheit haben. Du kennst
keine andre Arten von Gedichten, als die du im Gesangbuche gefunden
hast.
Anton. Es wird gewiss noch andre geben? So lassen Sie doch hoeren, was
Sie machen.
Damis. Ich mache--ein Epithalamium--
Anton. Ein Epithalamium? Potz Stern, das ist ein schwer Ding! Damit
koennen Sie wirklich zurechte kommen? Da gehoert Kunst dazu--Aber, Herr
Damis, im Vertrauen, was ist denn das ein Epith--pitha--thlamium?
Damis. Wie kannst du es denn schwer nennen, wenn du noch nicht weisst,
was es ist?
Anton. Ei nun, das Wort ist ja schon schwer genug. Sagen Sie mir nur
ein wenig mit einem andern Namen, was es ist.
Damis. Ein Epithalamium ist ein Thalassio.
Anton. So, so! nun versteh ich's; ein Epithalamium ist ein--wie hiess
es?--
Damis. Thalassio.
Anton. Ein Thalassio; und das koennen Sie machen? Wenigstens werden
Sie viel Zeit dazu brauchen--Aber, hoeren Sie doch, wenn mich nun
jemand fragt, was ein Thalassio ist, was muss ich ihm wohl antworten?
Damis. Auch das weisst du nicht, was ein Thalassio ist?
Anton. Ich fuer mein Teil weiss es wohl. Ein Thalassio ist ein--wie
hiess das vorige Wort?
Damis. Epithalamium.
Anton. Ist ein Epithalamium. Und ein Epithalamium ist ein Thalassio.
Nicht wahr, ich habe es gut behalten? Aber das moechte nur andern
Leuten nicht deutlich sein, welche beide Worte nicht verstehen.
Damis. Je nun, so sage ihnen, Thalassio sei ein Hymenaeus.
Anton. Zum Henker! das heisst Leute vexieren. Ein Epithalamium ist
ein Thalassio, und ein Thalassio ist ein Hymenaeus. Und so umgekehrt,
ein Hym--Hym--Die Namen mag sonst einer merken!
Damis. Recht! recht! ich sehe doch, dass du anfaengst einen Begriff von
Sachen zu bekommen.
Anton. Ich einen Begriff hiervon? so wahr ich ehrlich bin! Sie irren
sich. Der Kobold muesste mir's eingeblasen haben, wenn ich wuesste, was
die kauderwelschen Worte heissen sollen. Sagen Sie mir doch ihren
deutschen Namen; oder haben sie keinen?
Damis. Sie haben zwar einen, allein er ist lange nicht von der
Annehmlichkeit und dem Nachdrucke der griechischen oder lateinischen.
Sage einmal selbst, ob ein Hochzeitgedichte nicht viel kahler klingt
als ein Epithalamium, ein Hymenaeus, ein Thalassio.
Anton. Mir nicht; wahrhaftig mir nicht! denn jenes versteh ich und
dieses nicht. Ein Hochzeitgedichte haben Sie also machen wollen?
Warum sagten Sie das nicht gleich?--Oh! in Hochzeitgedichten habe ich.
eine Belesenheit, die erstaunend ist. Ich muss Ihnen nur sagen, wie
ich dazu gekommen bin. Mein weiland seliger Vater hatte einen
Vetter--und gewissermassen war es also auch mein Vetter--
Damis. Was wird das fuer ein Gewaesche werden?
Anton. Sie wollen es nicht abwarten? Gut! Der Schade ist Ihre.
--Weiter also: Verse auf eine Hochzeit wollten Sie machen? aber auf
was denn fuer eine?
Damis. Welche Frage! auf meine eigne.
Anton. Sie heiraten also Julianen noch? Der Alte will es ja nicht?--
Damis. Ah der!
Anton. Es ist schon wahr; was hat sich ein Sohn um den Vater zu
bekuemmern? Aber sagen Sie mir doch: schickt es sich denn, dass man auf
seine eigne Hochzeit Verse macht?
Damis. Gewoehnlich ist es freilich nicht; aber desto besser! Geister
wie ich lieben das Besondre.
Anton (beiseite). St! jetzt will ich ihm einen Streich spielen!
--(Laut.) Hoeren Sie nur, Herr Damis, ich werde es selbst gern sehen,
wenn Sie Julianen heiraten.
Damis. Wieso?
Anton. Ich weiss nicht, ob ich mich unterstehen darf, es Ihnen zu
sagen. Ich habe--ich habe selbst--
Damis. Nur heraus mit der Sprache!
Anton. Ich habe selbst versucht, Verse auf Ihre Hochzeit zu machen,
und deswegen wollte ich nun nicht gern, dass meine Muehe verloren waere.
Damis. Das wird etwas Schoenes sein!
Anton. Freilich! denn das ist mein Fehler; ich mache entweder etwas
Rechtes oder gar nichts.
Damis. Gib doch her! vielleicht kann ich deine Reime verbessern, dass
sie alsdenn mir und dir Ehre machen.
Anton. Hoeren Sie nur, ich will sie Ihnen vorlesen. (Er sucht einen
Zettel aus der Tasche.) Ganz bin ich noch nicht fertig, muss ich Ihnen
sagen. Der Anfang aber, aus dem auch allenfalls das Ende werden kann,
klingt so--Ruecken Sie mir doch das Licht ein wenig naeher!--Du, o edle
Fertigkeit, Zu den vorgesetzten Zwecken Tuecht'ge Mittel--
Damis. Halt! du bist ein elender Stuemper! Ha! ha! ha! Das du o
steht ganz vergebens. Edle Fertigkeit sagt nichts weniger, und Du, o
edle Fertigkeit nichts mehr. Deleatur ergo du o! Damit aber nicht
zwei Silben fehlen, so verstaerke das Beiwort edel, nach Art der
Griechen, und sage ueberedel. Ich weiss zwar wohl, ueberedel ist ein
neues Wort; aber ich weiss auch, dass neue Woerter dasjenige sind, was
die Poesie am meisten von der Prose unterscheiden muss. Solche
Vorteilchen merke dir! Du musst dich durchaus bestreben, etwas
Unerhoertes, etwas Ungesagtes zu sagen. Verstehst du mich, dummer
Teufel?
Anton. Ich will es hoffen.
Damis. Also heisst dein erster Vers
ueberedle Fertigkeit
usw. Nun lies weiter!
Anton. Zu den vorgesetzten Zwecken Tuecht'ge Mittel zu entdecken Und
sich dann zur rechten Zeit Ihrer Kraefte zu bedienen, Wirst, so lange,
bis die Welt In ihr erstes Cha- Cha- Chaos faellt, Wie die Pappelbaeume
gruenen.
Aber, Herr Damis, koennen Sie mir nicht sagen, was ich hier muss gedacht
haben? Verflucht! das ist schoen; ich verstehe mich selbst nicht mehr.
Das erste Cha--Chaos;--ich daechte, ich haette das Wort noch nie in
meinen Mund genommen, so fuerchterlich klingt es mir.
Damis. Zeige doch--
Anton. Warten Sie, warten Sie! ich will es Ihnen noch einmal vorlesen.
Damis. Nein, nein; weise mir nur den Zettel her.
Anton. Sie koennen es unmoeglich lesen. Ich habe gar zu schlecht
geschrieben; kein Buchstabe steht gerade; sie hocken einer auf den
andern, als ob sie Junge hecken wollten.
Damis. O so gib her!
Anton (gibt ihm den Zettel mit Zittern). Zum Henker, es ist seine
eigne Hand!
Damis (betrachtet ihn einige Zeit). Was soll das heissen? (Steht
zornig auf.) Verfluchter Verraeter, wo hast du dieses Blatt her?
Anton. Nicht so zornig; nicht so zornig!
Damis. Wo hast du es her?
Anton. Wollen Sie mich denn erwuergen?
Damis. Wo hast du das Blatt her, frag ich?
Anton. Lassen Sie nur erst nach.
Damis. Gesteh!
Anton. Aus--aus Ihrer--Westentasche.
Damis. Ungelehrte Bestie! ist das deine Treue? Das ist ein Diebstahl;
ein Plagium.
Anton. Zum Henker! des Quarks wegen mich zu einem Diebe zu machen?
Damis. Des Quarks wegen? was? den Anfang eines philosophischen
Lehrgedichts einen Quark zu nennen?
Anton. Sie sagten ja selbst, es tauge nichts.
Damis. Ja, insofern es ein Hochzeitkarmen vorstellen sollte und du
der Verfasser davon waerest. Gleich schaffe die andern Manuskripte,
die du mir sonst entwandt hast, auch herbei! Soll ich meine Arbeit in
fremden Haenden sehen? Soll ich zugeben, dass sich eine haessliche Dohle
mit meinen praechtigen Pfauenfedern ausschmuecke? Mach bald! oder ich
werde andre Massregeln ergreifen.
Anton. Was wollen Sie denn? Ich habe nicht einen Buchstaben mehr von
Ihnen.
Damis. Gleich wende alle Taschen um!
Anton. Warum auch nicht? Wenn ich sie umwende, so faellt ja alles
heraus, was ich darin habe.
Damis. Mach und erzuerne mich nicht!
Anton. Ich will ein Schelm sein, wenn Sie nur ein Staeubchen Papier
bei mir finden. Damit Sie aber doch Ihren Willen haben;--hier ist die
eine; da ist die andre--Was sehen Sie?--Da ist die dritte; die ist
auch leer.--Nun kommt die vierte--(Indem er sie umwendet, fallen die
Briefe heraus.)--Zum Henker, die verfluchten Briefe! die hatte ich
ganz vergessen--(Er will sie geschwind wieder aufheben.)
Damis. Gib her, gib her! was fiel da heraus? Ganz gewiss wird es
wieder etwas von mir sein.
Anton. So wahr ich lebe, es ist nichts von Ihnen. An Sie koennte es
eher noch etwas sein.
Damis. Halte mich nicht auf; ich habe mehr zu tun.
Anton. Halten Sie mich nur nicht auf. Sie wissen ja, dass ich nun
bald wieder auf die Post gehen muss. Ich weiss, es sind Briefe da.
Damis. Nun so geh, so geh! Aber durchaus zeige mir erst, was du so
eilfertig aufhobst. Ich muss es sehen.
Anton. Zum Henker! wenn das ist, so brauche ich nicht auf die Post zu
gehen.
Damis. Wieso?
Anton. Nu, nu! da haben Sie es. Ich will hurtig gehen. (Er gibt ihm
den Brief und will fortlaufen.)
Damis (indem er ihn besieht). Je, Anton, Anton! das ist ja eben der
Brief aus Berlin, welchen ich erwarte. Ich kenn ihn an der Aufschrift.
Anton. Es kann wohl sein, dass er es ist. Aber, Herr Damis, werden
Sie nur--nur nicht ungehalten. Ich hatte es, bei meiner armen Seele!
ganz vergessen--
Damis. Was hast du denn vergessen?
Anton. Dass ich den Brief, beinahe schon eine halbe Stunde, in der
Tasche trage. Mit dem verdammten Plaudern!--
Damis. Weil er nun da ist, so will ich dir den dummen Streich
verzeihen.--Aber, allerliebster Anton, was muessen hierin fuer
unvergleichliche, fuer unschaetzbare Nachrichten stehen! Wie wird sich
mein Vater freuen! Was fuer Ehre, was fuer Lobsprueche!--O Anton!--ich
will dir ihn gleich vorlesen--(Bricht ihn hastig auf.)
Anton. Nur sachte, sonst zerreissen Sie ihn gar. Nun da! sagte ich's
nicht?
Damis. Es schadet nichts; er wird doch noch zu lesen sein.--Vor allen
Dingen muss ich dir sagen, was er betrifft. Du weisst, oder vielmehr du
weisst nicht, dass die Preussische Akademie auf die beste Untersuchung
der Lehre von den Monaden einen Preis gesetzt hat. Es kam mir noch
ganz spaet ein, unsern Philosophen diesen Preis vor dem Maule
wegzufangen. Ich machte mich also geschwind darueber und schrieb eine
Abhandlung, die noch gleich zur rechten Zeit muss gekommen sein.--Eine
Abhandlung, Anton--ich weiss selbst nicht, wo ich sie hergenommen habe,
so gelehrt ist sie. Nun hat die Akademie vor acht Tagen ihr Urteil
ueber die eingeschickten Schriften bekanntgemacht, welches notwendig zu
meiner Ehre muss ausgefallen sein. Ich, ich muss den Preis haben und
kein andrer. Ich habe es einem von meinen Freunden daselbst heilig
eingebunden, mir sogleich Nachricht davon zu geben. Hier ist sie; nun
hoere zu.
"Mein Herr,
"Wie nahe koennen Sie einem Freunde das Antworten legen! Sie drohen mir
mit dem Verluste Ihrer Liebe, wenn Sie nicht von mir die erste
Nachricht erhielten, ob Sie oder ein anderer den akademischen Preis
davongetragen haetten. Ich muss Ihnen also in aller Eil' melden, dass
Sie ihn nicht--(stotternd) bekommen haben und auch--(immer
furchtsamer) nicht haben--bekommen koennen.--"
Was? ich nicht? und wer denn? und warum denn nicht?--
"Erlauben Sie mir aber, dass ich als ein Freund mit Ihnen reden darf."
So rede, Verraeter!
"Ich habe Ihnen unmoeglich den schlimmen Dienst erweisen koennen, Ihre
Abhandlung zu uebergeben.--"
Du hast sie also nicht uebergeben, Treuloser? Himmel, was fuer ein
Donnerschlag!--So soll mich deine Nachlaessigkeit, unwuerdiger Freund,
um die verdienteste Belohnung bringen?--Wie wird er sich entschuldigen,
der Nichtswuerdige?
"Wenn ich es frei gestehen soll, so scheinen Sie etwas ganz anders
getan zu haben, als die Akademie verlangt hat. Sie wollte nicht
untersucht wissen, was das Wort Monas grammatikalisch bedeute? wer es
zuerst gebraucht habe? was es bei dem Xenokrates anzeige? ob die
Monaden des Pythagoras die Atomi des Moschus gewesen? usw. Was ist
ihr an diesen kritischen Kleinigkeiten gelegen, und besonders alsdann,
wann die Hauptsache dabei aus den Augen gesetzt wird? Wie leicht
haette man Ihren Namen mutmassen koennen, und Sie wuerden vielleicht
Spoettereien sein ausgesetzt worden, dergleichen ich nur vor wenig
Tagen in einer gelehrten Zeitung ueber Sie gefunden habe.--"
Was lese ich? kann ich meinen Augen trauen? Ah, verfluchtes Papier!
verfluchte Hand, die dich schrieb! (Wirft den Brief auf die Erde und
tritt mit den Fuessen darauf.)
Anton. Der arme Brief! man muss ihn doch vollends auslesen! (Hebt ihn
auf.) Das Beste koemmt vielleicht noch, Herr Damis. Wo blieben Sie?
Da, da! hoeren Sie nur!
"... gelehrten Zeitung gefunden habe.--Man nennt Sie ein junges
Gelehrtchen, welches ueberall gern glaenzen moechte und dessen
Schreibesucht--"
Damis (reisst ihm den Brief aus der Hand). Verdammter Korrespondent!
--Das ist der Lohn, den dein Brief verdient! (Er zerreisst ihn.) Du
zerreissest mein Herz, und ich zerreisse deine unverschaemte Neuigkeiten.
Wollte Gott, dass ich ein gleiches mit deinem Eingeweide tun koennte!
Aber--(zu Anton) du nichtswuerdige, unwissende Bestie! An alledem bist
du schuld!
Anton. Ich, Herr Damis?
Damis. Ja du! wie lange hast du nicht den Brief in der Tasche
behalten?
Anton. Herr, meine Tasche kann weder schreiben noch lesen: wenn Sie
etwa denken, dass ihn die anders gemacht hat--
Damis. Schweig! Und solche Beschimpfungen kann ich ueberleben?--O ihr
dummen Deutschen! ja freilich, solche Werke, als die meinigen sind,
gehoerig zu schaetzen, dazu werden andre Genies erfordert! Ihr werdet
ewig in eurer barbarischen Finsternis bleiben und ein Spott eurer
witzigen Nachbarn sein!--Ich aber will mich an euch raechen und von nun
an aufhoeren, ein Deutscher zu heissen. Ich will mein undankbares
Vaterland verlassen. Vater, Anverwandte und Freunde, alle, alle
verdienen es nicht, dass ich sie laenger kenne, weil sie Deutsche sind;
weil sie aus dem Volke sind, das ihre groessten Geister mit Gewalt von
sich ausstoesst. Ich weiss gewiss, Frankreich und Engeland werden meine
Verdienste erkennen--
Anton. Herr Damis, Herr Damis, Sie fangen an zu rasen. Ich bin nicht
sicher bei Ihnen; ich werde jemand rufen muessen.
Damis. Sie werden es schon empfinden, die dummen Deutschen, was sie
an mir verloren haben! Morgen will ich Anstalt machen, dieses
unselige Land zu verlassen--
Sechzehnter Auftritt
Chrysander. Damis. Anton.
Anton. Gott sei Dank, dass jemand koemmt!
Chrysander. Das verzweifelte Maedel, die Lisette! Und (zu Anton) du,
du Spitzbube! du sollst dein Brieftraegerlohn auch bekommen, Mich so zu
hintergehen? schon gut!--Mein Sohn, ich habe mich besonnen; du hast
recht; ich kann dir Julianen nun nicht wieder nehmen. Du sollst sie
behalten.
Damis. Schon wieder Juliane? Jetzt, da ich ganz andre Dinge zu
beschliessen habe--Hoeren Sie nur auf damit; ich mag sie nicht.
Chrysander. Es wuerde unrecht sein, wenn ich dir laenger widerstehen
wollte. Ich lasse jedem seine Freiheit; und ich sehe wohl, Juliane
gefaellt dir--
Damis. Mir? eine dumme Deutsche?
Chrysander. Sie ist ein huebsches, tugendhaftes, aufrichtiges Maedchen;
sie wird dir tausend Vergnuegen machen.
Damis. Sie moegen sie loben oder schelten; mir gilt alles gleich. Ich
weiss mich nach Ihrem Willen zu richten, und dieser ist, nicht an sie
zu gedenken.
Chrysander. Nein, nein; du sollst dich ueber meine Haerte nicht
beklagen duerfen.
Damis. Und Sie sich noch weniger ueber meinen Ungehorsam.
Chrysander. Ich will dir zeigen, dass du einen guetigen Vater hast, der
sich mehr nach deinem als nach seinem eignen Willen richtet.
Damis. Und ich will Ihnen zeigen, dass Sie einen Sohn haben, der Ihnen
in allen die schuldige Untertaenigkeit leistet.
Chrysander. Ja, ja; nimm Julianen! Ich gebe dir meinen Segen.
Damis. Nein, nein; ich werde Sie nicht so erzuernen--
Chrysander. Aber was soll denn das Widersprechen? Dadurch erzuernst
du mich!
Damis. Ich will doch nicht glauben, dass Sie sich im Ernste schon zum
drittenmal anders besonnen haben?
Chrysander. Und warum das nicht?
Damis. Oh, dem sei nun, wie ihm wolle! Ich habe mich gleichfalls
geaendert und fest entschlossen, ganz und gar nicht zu heiraten. Ich
muss auf Reisen gehen, und ich werde mich, je eher, je lieber,
davonmachen.
Chrysander. Was? du willst ohne meine Erlaubnis in die Welt laufen?
Anton. Das geht lustig! Der dritte Mann fehlt noch, und den will ich
gleich holen. Damis will Julianen nicht, vielleicht fischt sie Valer.
(Gehet ab.)
Siebzehnter Auftritt
Chrysander. Damis.
Damis. Ja, ja; in zweimal vierundzwanzig Stunden muss ich schon
unterwegens sein.
Chrysander. Aber was ist dir denn in den Kopf gekommen?
Damis. Ich bin es laengst ueberdruessig gewesen, laenger in Deutschland
zu bleiben; in diesem nordischen Sitze der Grobheit und Dummheit; wo
es alle Elemente verwehren, klug zu sein; wo kaum alle hundert Jahr
ein Geist meinesgleichen geboren wird--
Chrysander. Hast du vergessen, dass Deutschland dein Vaterland ist?
Damis. Was Vaterland!
Chrysander. Du Boesewicht, sprich doch lieber gar: was Vater! Aber
ich will dir es zeigen: du musst Julianen nehmen; du hast ihr dein Wort
gegeben und sie dir das ihrige.
Damis. Sie hat das ihrige zurueckgenommen wie ich jetzt das meinige;
also--
Chrysander. Also!--also!--Kurz von der Sache zu reden, glaubst du,
dass ich vermoegend bin, dich zu enterben, wann du mir nicht folgest?
Damis. Tun Sie, was Sie wollen. Nur, wann ich bitten darf, lassen
Sie mich jetzt allein. Ich muss vor meiner Abreise noch zwei Schriften
zustande bringen, die ich meinen Landsleuten, aus Barmherzigkeit, noch
zuruecklassen will. Ich bitte nochmals, lassen Sie mich--
Chrysander. Willst du mich nicht lieber gar zur Tuer hinausstossen?
Achtzehnter Auftritt
Valer. Anton. Chrysander. Damis.
Valer. Wie, Damis? ist es wahr, dass Sie wieder zu sich selbst
gekommen sind?--dass Sie von Julianen abstehen?
Chrysander. Ach, Herr Valer, Sie koennten mir nicht ungelegener kommen.
Bestaerken Sie ihn fein in seinem Trotze. So? Sie verdienten es
wohl, dass ich mich nach Ihrem Wunsche bequemte? Mich auf eine so
gottlose Art hintergehen zu wollen?--Mein Sohn, widersprich mir nicht
laenger, oder--
Damis. Ihre Drohungen sind umsonst. Ich muss mich fremden Laendern
zeigen, die sowohl ein Recht auf mich haben als das Vaterland. Und
Sie verlangen doch nicht, dass ich eine Frau mit herumfuehren soll?
Valer. Damis hat recht, dass er auf das Reisen dringt. Nichts kann
ihm, in seinen Umstaenden, nuetzlicher sein. Lassen Sie ihm seinen
Willen, und mir lassen Sie Julianen, die Sie mir so heilig versprochen
haben.
Chrysander. Was versprochen? Betruegern braucht man sein Wort nicht
zu halten.
Valer. Ich habe es Ihnen schon beschworen, dass einzig und allein
Lisette diesen Betrug hat spielen wollen, ohne die wir von dem
Dokumente gar nichts wissen wuerden.--Wie gluecklich, wann es nie zum
Vorschein gekommen waere! Es ist das grausamste Glueck, das Julianen
hat treffen koennen. Wie gern wuerde sie es aufopfern, wenn sie dadurch
die Freiheit ueber ihr Herz erhalten koennte.
Chrysander. Aufopfern? Herr Valer, bedenken Sie, was das sagen will.
Wir Handelsleute fassen einander gern bei dem Worte.
Valer. Oh, tun Sie es auch hier! Mit Freuden tritt Ihnen Juliane das
Dokument ab. Fangen Sie den Prozess an, wenn Sie wollen; der Vorteil
davon soll ganz Ihnen gehoeren. Juliane haelt dieses fuer das kleinste
Zeichen ihrer Dankbarkeit. Sie glaubt Ihnen noch weit mehr schuldig
zu sein.--
Chrysander. Nu, nu, sie ist mir immer ganz erkenntlich
vorgekommen--Aber was wuerden Sie denn, Valer, als ihr kuenft'ger Mann,
zu dieser Dankbarkeit sagen?
Valer. Denken Sie besser von mir. Ich habe Julianen geliebt, da sie
zu nichts Hoffnung hatte. Ich liebe sie auch noch, ohne die geringste
eigennuetzige Absicht. Und ich bitte Sie: was schenkt man denn einem
ehrlichen Manne, wenn man ihm einen schweren Prozess schenkt?
Chrysander. Valer, ist das Ihr Ernst?
Valer. Fordern Sie noch mehr als das Dokument; mein halbes Vermoegen
ist Ihre.
Chrysander. Da sei Gott vor, dass ich von Ihrem Vermoegen einen Heller
haben wollte! Sie muessen mich nicht fuer so eigennuetzig ansehen.--Wir
sind gute Freunde, und es bleibt bei dem alten: Juliane ist Ihre! Und
wenn das Dokument meine soll, so ist sie um so viel mehr Ihre.
Valer. Kommen Sie, Herr Chrysander, bekraeftigen Sie ihr dieses selbst!
Wie angenehm wird es ihr sein, uns beide vergnuegt machen zu koennen.
Chrysander. Wenn das ist, Damis; so kannst du meinetwegen noch heute
die Nacht fortreisen. Ich will Gott danken, wenn ich dich Narren
wieder aus dem Hause los bin.
Damis. Gehen Sie doch nur, und lassen Sie mich allein.
Valer. Damis, und endlich muss ich Ihnen doch noch mein Glueck
verdanken? Ich tue es mit der aufrichtigsten Zaertlichkeit, ob ich
schon weiss, dass ich die Ursache Ihrer Veraenderung nicht bin.
Damis. Aber die wahre Ursache?--(Zu Anton.) Verfluchter Kerl, hast du
dein Maul nicht halten koennen?--Gehen Sie nur, Valer--
(Indem Chrysander und Valer abgeben wollen, haelt Anton Valeren zurueck.)
Anton (sachte). Nicht so geschwind! Wie steht es mit Lisettens
Ausstattung, Herr Valer? und mit--
Valer. Seid ohne Sorgen; ich werde mehr halten, als ich versprochen
habe.
Anton. Juchhe! nun war die Taube gefangen.
Letzter Auftritt
Damis (an seinem Tische). Anton.
Anton. Noch ein Wort, Herr Damis, habe ich mit Ihnen zu reden.
Damis. Und?--
Anton. Sie wollen auf Reisen gehen?--
Damis. Zur Sache! es ist schon mehr als ein Wort.
Anton. Je nun! meinen Abschied.
Damis. Deinen Abschied? Du denkst vielleicht, dass ich dich
ungelehrten Esel mitnehmen wuerde?
Anton. Nicht? und ich habe also meinen Abschied? Gott sei Dank!
empfangen Sie nun auch den Ihrigen, welcher in einer kleinen Lehre
bestehen soll. Ich habe Ihre Torheiten nun laenger als drei Jahr
angesehen und selber alber genug dabei getan, weil ich weiss, dass ein
Bedienter, wenn sein Herr auch noch so naerrisch ist--
Damis. Unverschaemter Idiote, wirst du mir aus den Augen gehen?
Anton. Je nun! wem nicht zu raten steht, dem steht auch nicht zu
helfen. Bleiben Sie zeitlebens der gelehrte Herr Damis! (Gehet ab.)
Damis. Geh, sag ich, oder!--
(Er wirft ihm sein Buch nach, und das Theater faellt zu.)
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der junge Gelehrte, von Gotthold
Ephraim Lessing.
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER JUNGE GELEHRTE ***
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*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*
Release Date: November, 2005 [EBook #9369]
[This file was first posted on September 25, 2003]
Edition: 10
Language: German
Character set encoding: US-ASCII
*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER JUNGE GELEHRTE ***
E-text prepared by Delphine Lettau and Mike Pullen
This Etext is in German.
We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format,
known as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email--
and one in 8-bit format, which includes higher order characters--
which requires a binary transfer, or sent as email attachment and
may require more specialized programs to display the accents.
This is the 7-bit version.
This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.
Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE"
zur Verfuegung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.
Der junge Gelehrte
Ein Lustspiel in drei Aufzuegen
Gotthold Ephraim Lessing
Verfertigt im Jahre 1747
Personen:
Chrysander, ein alter Kaufmann Damis, der junge Gelehrte, Chrysanders
Sohn Valer Juliane Anton, Bedienter des Damis Lisette
Der Schauplatz ist die Studierstube des Damis.
Erster Aufzug
Erster Auftritt
Damis (am Tische unter Buechern). Anton.
Damis. Die Post also ist noch nicht da?
Anton. Nein.
Damis. Noch nicht? Hast du auch nach der rechten gefragt? Die Post
von Berlin--
Anton. Nun ja doch; die Post von Berlin; sie ist noch nicht da! Wenn
sie aber nicht bald koemmt, so habe ich mir die Beine abgelaufen. Tun
Sie doch, als ob sie Ihnen, wer weiss was, mitbringen wuerde! Und ich
wette, wenn's hoch koemmt, so ist es eine neue Scharteke oder eine
Zeitung oder sonst ein Wisch.--
Damis. Nein, mein guter Anton; dasmal moechte es etwas mehr sein. Ah!
wann du es wuesstest--
Anton. Will ich's denn wissen? Es wuerde mir weiter doch nichts
helfen, als dass ich einmal wieder ueber Sie lachen koennte. Das ist mir
gewiss etwas Seltnes?--Haben Sie mich sonst noch wohin zu schicken?
Ich habe ohnedem auf dem Ratskeller eine kleine Verrichtung;
vielleicht ist's ein Gang? Nu?
Damis (erzuernt). Nein, Schurke!
Anton. Da haben wir's! Er hat alles gelesen, nur kein
Komplimentierbuch.--Aber besinnen Sie sich. Etwa in den Buchladen?
Damis. Nein, Schurke!
Anton. Ich muss das Schurke so oft hoeren, dass ich endlich selbst
glauben werde, es sei mein Taufname.--Aber zum Buchbinder?
Damis. Schweig, oder--
Anton. Oder zum Buchdrucker? Zu diesen dreien, Gott sei Dank! weiss
ich mich, wie das Faerbepferd um die Rolle.
Damis. Sieht denn der Schlingel nicht, dass ich lese? Will er mich
noch laenger stoeren?
Anton (beiseite). St! Er ist im Ernste boese geworden. Lenk ein,
Anton.--Aber, sagen Sie mir nur, was lesen Sie denn da fuer ein Buch?
Potz Stern, was das fuer Zeug ist! Das verstehen Sie? Solche
Krakelfuesse, solche fuerchterliche Zickzacke, die kann ein Mensch lesen?
Wann das nicht wenigstens Fausts Hoellenzwang ist--Ach, man weiss es ja
wohl, wie's den Leuten geht, die alles lernen wollen. Endlich
verfuehrt sie der boese Geist, dass sie auch hexen lernen.--
Damis (nimmt sein muntres Wesen wieder an). Du guter Anton! Das ist
ein Buch in hebraeischer Sprache.--Des Ben Maimon Jad chasaka.
Anton. Ja doch; wer's nur glauben wollte! Was Hebraeisch ist, weiss
ich endlich auch. Ist es nicht mit der Grundsprache, mit der
Textsprache, mit der heiligen Sprache einerlei? Die warf unser Pfarr,
als ich noch in die Schule ging, mehr als einmal von der Kanzel. Aber
so ein Buch, wahrhaftig! hatte er nicht; ich habe alle seine Buecher
beguckt; ich musste sie ihm einmal von einem Boden auf den andern
raeumen helfen.
Damis. Ha! ha! ha! das kann wohl sein. Es ist Wunders genug, wenn
ein Geistlicher auf dem Lande nur den Namen davon weiss. Zwar, im
Vertrauen, mein lieber Anton, die Geistlichen ueberhaupt sind schlechte
Helden in der Gelehrsamkeit.
Anton. Nu, nu, bei allen trifft das wohl nicht ein. Der Magister in
meinem Dorfe wenigstens gehoert unter die Ausnahme. Versichert! der
Schulmeister selber hat mir es mehr als einmal gesagt, dass er ein sehr
gelehrter Mann waere. Und dem Schulmeister muss ich das glauben; denn
wie mir der Herr Pfarr oft gesagt hat, so ist er keiner von den
schlechten Schulmeistern; er versteht ein Wort Latein und kann davon
urteilen.
Damis. Das ist lustig! Der Schulmeister also lobt den Pfarr, und der
Pfarr, nicht unerkenntlich zu sein, lobt den Schulmeister. Wenn mein
Vater zugegen waere, so wuerde er gewiss sagen: Manus manum lavat. Hast
du ihm die alberne Gewohnheit nicht angemerkt, dass er bei aller
Gelegenheit ein lateinisches Spruechelchen mit einflickt? Der alte
Idiote denkt, weil er so einen gelehrten Sohn hat, muesse er doch auch
zeigen, dass er einmal durch die Schule gelaufen sei.
Anton. Hab ich's doch gedacht, dass es etwas Albernes sein muesse; denn
manchmal mitten in der Rede murmelt er etwas her, wovon ich kein Wort
verstehe.
Damis. Doch schliesse nur nicht daraus, dass alles albern sei, was du
nicht verstehst. Ich wuerde sonst viel albernes Zeug wissen.--Aber, o
himmlische Gelehrsamkeit, wieviel ist dir ein Sterblicher schuldig,
der dich besitzt! Und wie bejammernswuerdig ist es, dass dich die
wenigsten in deinem Umfange kennen! Der Theolog glaubt dich bei einer
Menge heiliger Sprueche, fuerchterlicher Erzaehlungen und einiger uebel
angebrachten Figuren zu besitzen. Der Rechtsgelehrte bei einer
unseligen Geschicklichkeit, unbrauchbare Gesetze abgestorbner Staaten,
zum Nachteile der Billigkeit und Vernunft, zu verdrehen und die
fuerchterlichsten Urtel in einer noch fuerchterlichern Sprache
vorzutragen. Der Arzt endlich glaubt sich wirklich deiner bemaechtiget
zu haben, wann er durch eine Legion barbarischer Woerter die Gesunden
krank und die Kranken noch kraenker machen kann. Aber, o betrogene
Toren! die Wahrheit laesst euch nicht lange in diesem sie schimpfenden
Irrtume. Es kommen Gelegenheiten, wo ihr selbst erkennet, wie
mangelhaft euer Wissen sei; voll tollen Hochmuts beurteilet ihr
alsdann alle menschliche Erkenntnis nach der eurigen und ruft wohl gar
in einem Tone, welcher alle Sterbliche zu bejammern scheinet, aus:
Unser Wissen ist Stueckwerk! Nein, glaube mir, mein lieber Anton: der
Mensch ist allerdings einer allgemeinen Erkenntnis faehig. Es leugnen,
heisst ein Bekenntnis seiner Faulheit oder seines maessigen Genies
ablegen. Wenn ich erwaege, wieviel ich schon nach meinen wenigen
Jahren verstehe, so werde ich von dieser Wahrheit noch mehr ueberzeugt.
Lateinisch, Griechisch, Hebraeisch, Franzoesisch, Englisch,
Italienisch--das sind sechs Sprachen, die ich alle vollkommen besitze:
und bin erst zwanzig Jahr alt!
Anton. Sachte! Sie haben eine vergessen; die deutsche--
Damis. Es ist wahr, mein lieber Anton; das sind also sieben Sprachen;
und ich bin erst zwanzig Jahr alt!
Anton. Pfui doch, Herr! Sie haben mich oder sich selbst zum besten.
Sie werden doch das, dass Sie Deutsch koennen, nicht zu Ihrer
Gelehrsamkeit rechnen? Es war ja mein Ernst nicht.--
Damis. Und also denkst du wohl selber Deutsch zu koennen?
Anton. Ich? ich? nicht Deutsch! Es waere ein verdammter Streich, wenn
ich Kalmuckisch redete und wuesste es nicht.
Damis. Unter koennen und koennen ist ein Unterschied. Du kannst
Deutsch, das ist: du kannst deine Gedanken mit Toenen ausdruecken, die
einem Deutschen verstaendlich sind; das ist, die ebendie Gedanken in
ihm erwecken, die du bei dir hast. Du kannst aber nicht Deutsch, das
ist: du weisst nicht, was in dieser Sprache gemein oder niedrig, rauh
oder annehmlich, undeutlich oder verstaendlich, alt oder gebraeuchlich
ist; du weisst ihre Regeln nicht; du hast keine gelehrte Kenntnis von
ihr.
Anton. Was einem die Gelehrten nicht weismachen wollen! Wenn es nur
auf Ihr "das ist" ankaeme, ich glaube, Sie stritten mir wohl gar noch
ab, dass ich essen koennte.
Damis. Essen? Je nun wahrhaftig, wenn ich es genau nehmen will, so
kannst du es auch nicht.
Anton. Ich? ich nicht essen? Und trinken wohl auch nicht?
Damis. Du kannst essen, das ist: du kannst die Speisen zerschneiden,
in Mund stecken, kauen, herunterschlucken und so weiter. Du kannst
nicht essen, das ist: du weisst die mechanischen Gesetze nicht, nach
welchen es geschiehet; du weisst nicht, welches das Amt einer jeden
dabei taetigen Muskel ist; ob der Digastrikus oder der Masseter, ob der
Pterygoideus internus oder externus, ob der Zygomatikus oder der
Platysmamyodes, ob--
Anton. Ach ob, ob! Das einzige Ob, worauf ich sehe, ist das, ob mein
Magen etwas davon erhaelt und ob mir's bekoemmt.--Aber wieder auf die
Sprache zu kommen. Glauben Sie wohl, dass ich eine verstehe, die Sie
nicht verstehen?
Damis. Du, eine Sprache, die ich nicht verstuende?
Anton. Ja; raten Sie einmal.
Damis. Kannst du etwa Koptisch?
Anton. Foptisch? Nein, das kann ich nicht.
Damis. Chinesisch? Malabarisch? Ich wuesste nicht woher.
Anton. Wie Sie herumraten. Haben Sie meinen Vetter nicht gesehn? Er
besuchte mich vor vierzehn Tagen. Der redete nichts als diese Sprache.
Damis. Der Rabbi, der vor kurzen zu mir kam, war doch wohl nicht dein
Vetter?
Anton. Dass ich nicht gar ein Jude waere! Mein Vetter war ein Wende;
ich kann Wendisch; und das koennen Sie nicht.
Damis (nachsinnend). Er hat recht.--Mein Bedienter soll eine Sprache
verstehen, die ich nicht verstehe? Und noch dazu eine Hauptsprache?
Ich erinnere mich, dass ihre Verwandtschaft mit der hebraeischen sehr
gross sein soll. Wer weiss, wieviel Stammwoerter, die in dieser verloren
sind, ich in jener entdecken koennte!--Das Ding faengt mir an, im Kopfe
herumzugehen!
Anton. Sehen Sie!--Doch wissen Sie was? Wenn Sie mir meinen Lohn
verdoppeln, so sollen Sie bald so viel davon verstehen als ich selbst.
Wir wollen fleissig miteinander wendisch parlieren, und--Kurz,
ueberlegen Sie es. Ich vergesse ueber dem verdammten Plaudern meinen
Gang auf den Ratskeller ganz und gar. Ich bin gleich wieder zu Ihren
Diensten.
Damis. Bleib itzt hier; bleib hier.
Anton. Aber Ihr Herr Vater koemmt. Hoeren Sie? Wir koennten doch nicht
weiterreden. (Geht ab.)
Damis. Wenn mich doch mein Vater ungestoert lassen wollte. Glaubt er
denn, dass ich so ein Muessiggaenger bin wie er?
Zweiter Auftritt
Damis. Chrysander.
Chrysander. Immer ueber den verdammten Buechern! Mein Sohn, zuviel ist
zuviel. Das Vergnuegen ist so noetig als die Arbeit.
Damis. O Herr Vater, das Studieren ist mir Vergnuegens genug. Wer
neben den Wissenschaften noch andere Ergoetzungen sucht, muss die wahre
Suessigkeit derselben noch nicht geschmeckt haben.
Chrysander. Das sage nicht! Ich habe in meiner Jugend auch studiert;
ich bin bis auf das Mark der Gelehrsamkeit gekommen. Aber dass ich
bestaendig ueber den Buechern gelegen haette, das ist nicht wahr. Ich
ging spazieren; ich spielte; ich besuchte Gesellschaften; ich machte
Bekanntschaft mit Frauenzimmern. Was der Vater in der Jugend getan
hat, kann der Sohn auch tun; soll der Sohn auch tun. A bove majori
discat arare minor! wie wir Lateiner reden. Besonders das
Frauenzimmer lass dir, wie wir Lateiner reden, de meliori empfohlen
sein! Das sind Narren, die einen jungen Menschen vor das Frauenzimmer
aerger als vor Skorpionen warnen; die es ihm, wie wir Lateiner reden,
cautius sanguine viperino zu fliehen befehlen.--
Damis. Cautius sanguine viperino? Ja, das ist noch Latein! Aber wie
heisst die ganze Stelle?
Cur timet flavum Tiberim tangere? cur olivum Sanguine viperino Cautius
vitat?--
Oh, ich hoere schon, Herr Vater, Sie haben auch nicht aus der Quelle
geschoepft! Denn sonst wuerden Sie wissen, dass Horaz in ebender Ode die
Liebe als eine sehr nachteilige Leidenschaft beschreibt, und das
Frauenzimmer--
Chrysander. Horaz! Horaz! Horaz war ein Italiener und meinet das
italienische Frauenzimmer. Ja vor dem italienischen warne ich dich
auch! das ist gefaehrlich! Ich habe einen guten Freund, der in seiner
Jugend--Doch still! man muss kein Aergernis geben.--Das deutsche
Frauenzimmer hingegen, o das deutsche! mit dem ist es ganz anders
beschaffen.--Ich wuerde der Mann nicht geworden sein, der ich doch bin,
wenn mich das Frauenzimmer nicht vollends zugestutzt haette. Ich
daechte, man saehe mir's an. Du hast tote Buecher genug gelesen; guck
einmal in ein lebendiges!
Damis. Ich erstaune--
Chrysander. O du wirst noch mehr erstaunen, wenn du erst tiefer
hineingehen wirst. Das Frauenzimmer, musst du wissen, ist fuer einen
jungen Menschen eine neue Welt, wo man so viel anzugaffen, so viel zu
bewundern findet--
Damis. Hoeren Sie mich doch! Ich erstaune, will ich sagen, Sie eine
Sprache fuehren zu hoeren, in der wahrhaftig diejenigen Vorschriften
nicht ausgedruckt waren, die Sie mir mit auf die hohe Schule gaben.
Chrysander. Quae, qualis, quanta! Jetzt und damals! Tempora
mutantur! wie wir Lateiner sagen.
Damis. Tempora mutantur? Ich bitte Sie, legen Sie doch die
Vorurteile des Poebels ab. Die Zeiten aendern sich nicht. Denn lassen
Sie uns einmal sehen: was ist die Zeit?--
Chrysander. Schweig! die Zeit ist ein Ding, das ich mir mit deinem
unnuetzen Geplaudre nicht will verderben lassen. Meine damaligen
Vorschriften waren nach dem damaligen Masse deiner Erfahrung und deines
Verstandes eingerichtet. Nun aber traue ich dir von beiden so viel zu,
dass du Ergoetzlichkeiten nicht zu Beschaeftigungen machen wirst. Aus
diesem Grunde rate ich dir also--
Damis. Ihre Reden haben einigen Schein der Wahrheit. Allein ich
dringe tiefer. Sie werden es gleich sehen. Der Status Controversiae
ist--
Chrysander. Ei, der Status Controversiae mag meinetwegen in Barbara
oder in Celarent sein. Ich bin nicht hergekommen mit dir zu
disputieren, sondern--
Damis. Die Kunstwoerter des Disputierens zu lernen? Wohl! Sie muessen
also wissen, dass weder Barbara noch Celarent den Statum--
Chrysander. Ich moechte toll werden! Bleib Er mir, Herr Informator,
mit den Possen weg, oder--
Damis. Possen? diese seltsamen Benennungen sind zwar Ueberbleibsel der
scholastischen Philosophie, das ist wahr; aber doch solche
Ueberbleibsel--
Chrysander. Ueber die ich die Geduld verlieren werde, wann du mich
nicht bald anhoerst. Ich komme in der ernsthaftesten Sache von der
Welt zu dir,--denn was ist ernsthafter als heiraten?--und du--
Damis. Heiraten? Des Heiratens wegen zu mir? zu mir?
Chrysander. Ha! ha! Macht dich das aufmerksam? Also ausculta et
perpende!
Damis. Ausculta et perpende? ausculta et perpende? Ein gluecklicher
Einfall--
Chrysander. Oh, ich habe Einfaelle--
Damis. Den ich da bekomme!
Chrysander. Du?
Damis. Ja, ich. Wissen Sie, wo sich dieses ausculta et perpende
herschreibt? Eben mache ich die Entdeckung; aus dem Homer. O was
finde ich nicht alles in meinem Homer?
Chrysander. Du und dein Homer, ihr seid ein paar Narren!
Damis. Ich und Homer? Homer und ich? wir beide? Hi! hi! hi! Gewiss,
Herr Vater? O ich danke, ich danke. Ich und Homer! Homer und ich!
--Aber hoeren Sie nur: sooft Homer--er war wirklich kein Narr, so wenig
wie ich--sooft er, sag ich, seine Helden den Soldaten zur Tapferkeit
ermuntern oder in dem Kriegsrate eine Beratschlagung anheben laesst;
sooft ist auch der Anfang ihrer Rede: Hoeret, was ich vortragen werde,
und ueberlegt es! Zum Exempel in der Odyssee:
"Keklute dae nun meu, Ithakhsioi, oti ken eipo." [Greek]
Und darauf folgt denn auch oft:
"Oy eiath' oi d' ara tau mala men chluon, aed' epithonto," [Greek]
das ist: so sprach er, und sie gehorchten dem, was sie gehoeret hatten.
Chrysander. Gehorchten sie ihm? Nu, das ist vernuenftig! Homer mag
doch wohl kein Narr sein. Sieh zu, dass ich von dir auch widerrufen
kann. Denn wieder zur Sache: ich kenne, mein Sohn--
Damis. Einen kleinen Augenblick Geduld, Herr Vater. Ich will mich
nur hinsetzen und diese Anmerkung aufschreiben.
Chrysander. Aufschreiben? was ist hier aufzuschreiben? Wem liegt
daran, ob das Spruechelchen aus dem Homer oder aus dem Gesangbuche ist?
Damis. Der gelehrten Welt liegt daran; meiner und Homers Ehre lieget
daran! Denn ein Halbhundert solche Anmerkungen machen einen
Philologen. Und sie ist neu, muss ich Ihnen sagen, sie ist ganz neu.
Chrysander. So schreib sie ein andermal auf.
Damis. Wenn sie mir aber wieder entfiele? Ich wuerde untroestlich sein.
Haben Sie wenigstens die Guetigkeit, mich wieder daran zu erinnern.
Chrysander. Gut, das will ich tun; hoere mir nur jetzt zu. Ich kenne,
mein Sohn, ein recht allerliebstes Frauenzimmer; und ich weiss, du
kennst es auch. Haettest du wohl Lust--
Damis. Ich soll ein Frauenzimmer, ein liebenswuerdiges Frauenzimmer
kennen? Oh, Herr Vater, wenn das jemand hoerte, was wuerde er von
meiner Gelehrsamkeit denken?--Ich ein liebenswuerdiges Frauenzimmer?--
Chrysander. Nun wahrhaftig; ich glaube nicht, dass ein Gastwirt so
erschrecken kann, wenn man ihm schuld gibt, er kenne den oder jenen
Spitzbuben, als du erschrickst, weil du ein Frauenzimmer kennen sollst.
Ist denn das ein Schimpf?
Damis. Wenigstens ist es keine Ehre, besonders fuer einen Gelehrten.
Mit wem man umgeht, dessen Sitten nimmt man nach und nach an. Jedes
Frauenzimmer ist eitel, hoffaertig, geschwaetzig, zaenkisch und
zeitlebens kindisch, es mag so alt werden, als es will. Jedes
Frauenzimmer weiss kaum, dass es eine Seele hat, um die es unendlich
mehr besorgt sein sollte als um den Koerper. Sich ankleiden,
auskleiden und wieder anders ankleiden; vor dem Spiegel sitzen, seinen
eignen Reiz bewundern; auf ausgekuenstelte Mienen sinnen; mit
neugierigen Augen muessig an dem Fenster liegen: unsinnige Romane lesen
und aufs hoechste zum Zeitvertreibe die Nadel zur Hand nehmen: das sind
seine Beschaeftigungen; das ist sein Leben. Und Sie glauben, dass ein
Gelehrter, ohne Nachteil seines guten Namens, solche naerrische
Geschoepfe weiter als ihrer aeusserlichen Gestalt nach kennen duerfe?
Chrysander. Mensch, Mensch! deine Mutter kehrt sich im Grabe um.
Bedenke doch, dass sie auch ein Frauenzimmer war! Bedenke doch, dass
die Dinger von Natur nun einmal nicht anders sind! Obschon, wie wir
Lateiner zu reden pflegen, nulla regula sine exceptione. Und so eine
Exzeption ist sicherlich das Maedchen, das ich jetzt im Kopfe habe und
das du kennst.--
Damis. Nein, nein! ich schwoere es Ihnen zu; unsere Muhmen ausgenommen
und Julianen--
Chrysander. Und Julianen? bene!--
Damis. Und ihr Maedchen ausgenommen, kenne ich kein einziges Weibsbild.
Ja, der Himmel soll mich strafen, wenn ich mir jemals in den Sinn
kommen lasse, mehrere kennenzulernen!
Chrysander. Je nun, auch das! wie du willst! Genug, Julianen, die
kennst du.
Damis. Leider!
Chrysander. Und eben Juliane ist es, ueber die ich deine Gedanken
vernehmen moechte.--
Damis. Ueber Julianen? meine Gedanken ueber Julianen? O Herr Vater,
wenn Sie noch meine Gedanken ueber Erinnen oder Korinnen, ueber
Telesillen oder Praxillen verlangten--
Chrysander. Schocktausend! was sind das fuer Illen? Den Augenblick
schwur er, er kenne kein Frauenzimmer, und nun nennt er ein halb
Dutzend Menscher.--
Damis. Menscher? Herr Vater!
Chrysander. Ja, Herr Sohn, Menscher! Die Endung gibt's gewiss nicht?
Netrix, Lotrix, Meretrix.--
Damis. Himmel, Menscher! griechische beruehmte Dichterinnen Menscher
zu nennen!--
Chrysander. Ja, ja, Dichterinnen! das sind mir eben die rechten.
Lotrix, Meretrix, Poetrix--
Damis. Poetrix? O wehe, meine Ohren! Poetria muessten Sie sagen: oder
Poetris--
Chrysander. Is oder ix, Herr Buchstabenkraemer!
Dritter Auftritt
Chrysander. Damis. Lisette.
Lisette. Hurtig herunter in die Wohnstube, Herr Chrysander! Man will
Sie sprechen.
Chrysander. Nun, was fuer ein Narr muss mich jetzo stoeren? Wer ist es
denn?
Lisette. Soll ich alle Narren kennen?
Chrysander. Was sagst du? Du hast ein unglueckliches Maul, Lisette.
Einen ehrlichen Mann einen Narren zu schimpfen? Denn ein ehrlicher
Mann muss es doch sein; was wollte er sonst bei mir?
Lisette. Nu, nu; verzeihen Sie immer meinem Maule den Fehler des
Ihrigen.
Chrysander. Den Fehler des meinigen?
Lisette. O gehen Sie doch! der ehrliche Mann wartet.
Chrysander. Lass ihn warten. Habe ich doch den Narren nicht kommen
heissen.--Ich werde gleich wieder da sein, mein Sohn.
Lisette (beiseite). Ich muss doch sehen, ob ich aus dem wunderlichen
Einfall meiner Jungfer etwas machen kann.
Vierter Auftritt
Lisette. Damis.
Damis. Nun? geht Lisette nicht mit?
Lisette. Ich bin Ihre gehorsamste Dienerin. Wenn Sie befehlen, so
werde ich gehorchen. Aber nur eines moechte ich erst wissen. Sagen
Sie mir, um des Himmels willen, wie koennen Sie bestaendig so allein
sein? Was machen Sie denn den ganzen Tag auf Ihrer Studierstube?
Werden Ihnen denn nicht alle Augenblicke zu Stunden?
Damis. Ach, was nutzen die Fragen? Fort! fort!
Lisette. Ueber den Buechern koennen Sie doch unmoeglich die ganze Zeit
liegen. Die Buecher, die toten Gesellschafter! Nein, ich lobe mir das
Lebendige; und das ist auch Mamsell Julianens Geschmack. Zwar dann
und wann lesen wir auch; einen irrenden Ritter, eine Banise, und so
etwas Gutes; aber laenger als eine Stunde halten wir es hintereinander
nicht aus. Ganze Tage damit zuzubringen wie Sie, hilf Himmel! in den
ersten dreien waeren wir tot. Und vollends nicht ein Wort dabei zu
reden wie Sie; das waere unsre Hoelle. Ein Vorzug des ganzen maennlichen
Geschlechts kann es nicht sein, weil ich Mannspersonen kenne, die so
fluechtig und noch fluechtiger sind als wir. Es muessen nur sehr wenig
grosse Geister diese besondere Gaben besitzen.--
Damis. Lisette spricht so albern eben nicht. Es ist schade, dass ein
so guter Mutterwitz nicht durch die Wissenschaften ausgebessert wird.
Lisette. Sie machen mich schamrot. Bald duerfte ich mich dafuer raechen
und Ihnen die Lobeserhebungen nacheinander erzaehlen, die Ihnen von der
gestrigen Gartengesellschaft gemacht wurden. Doch ich will Ihre
Bescheidenheit nicht beleidigen. Ich weiss, die Gelehrten halten auf
diese Tugend allzuviel.
Damis. Meine Lobeserhebungen? meine?
Lisette. Ja, ja, die Ihrigen.
Damis. O besorge Sie nichts, meine liebe Lisette. Ich will sie als
die Lobeserhebungen eines andern betrachten, und so kann meine
Bescheidenheit zufrieden sein. Erzaehle Sie mir sie nur. Bloss wegen
Ihrer lebhaften und ungekuenstelten Art, sich auszudruecken, wuensche ich
sie zu hoeren.
Lisette. O meine Art ist wohl keine von den besten. Es hat mir ein
Lehrmeister wie Sie gefehlt. Doch ich will Ihrem Befehle gehorchen.
Sie wissen doch wohl, wer die Herren waren, die gestern bei Ihrem
Herrn Vater im Garten schmauseten?
Damis. Nein, wahrhaftig nicht. Weil ich nicht dabeisein wollte, so
habe ich mich auch nicht darum bekuemmert. Hoffentlich aber werden es
Leute gewesen sein, die selbst lobenswuerdig sind, dass man sich also
auf ihr Lob etwas einbilden kann.
Lisette. Das sind sie so ziemlich. Was wuerde es Ihnen aber
verschlagen, wenn sie es auch nicht waeren? Sie wollen ja Ihre
Lobeserhebungen aus Bescheidenheit als fremde betrachten. Und haengt
denn die Wahrheit von dem Munde desjenigen ab, der sie vortraegt?
Hoeren Sie nur--
Damis. Himmel! ich hoere meinen Vater wiederkommen. Um Gottes willen,
liebe Lisette, dass er nicht merkt, dass Sie sich so lange bei mir
aufgehalten hat. Geh Sie hurtig unterdessen in das Kabinett.
Fuenfter Auftritt
Damis. Chrysander.
Chrysander. Der verzweifelte Valer! er haette mir zu keiner
ungelegnern Zeit kommen koennen. Muss ihn denn der Henker eben heute
von Berlin zurueckfuehren? Und muss er sich denn eben gleich bei mir
anmelden lassen? Hui dass--Nein, Herr Valer, damit kommen Sie zu spaet.
--Nun mein Sohn--(Damis steht zerstreut, als in tiefen Gedanken.)
Hoerst du, mein Sohn?
Damis. Ich hoere; ich hoere alles.
Chrysander. Kurz, du merkst doch, wo ich vorhin hinauswollte? Einem
Klugen sind drei Worte genug. Sapienti sat! sagen wir Lateiner.
--Antworte doch--
Damis (noch immer als in Gedanken). Was ist da zu antworten?--
Chrysander. Was da zu antworten ist?--Das will ich dir sagen.
--Antworte, dass du mich verstanden; dass dir mein Antrag lieb ist; dass
dir Juliane gefaellt; dass du mir in allem gehorchen willst.--Nun,
antwortest du das?--
Damis. Ich will gleich sehn--(Indem er in der angenommenen
Zerstreuung nach einem Buche greift.)
Chrysander. Was kann in dem Buche davon stehen?--Antworte aus dem
Herzen und nicht aus dem Buche.--Ex libro doctus quilibet esse potest;
sagen wir Lateiner.--
Damis (als ob er in dem Buche laese). Vollkommen recht! Aber nun wie
weiter?--
Chrysander. Das weitere gibt sich, wie 's Griechische. Du sagst ja;
sie sagt ja; damit wird Verloebnis; und bald darauf wird Hochzeit; und
alsdenn--Du wirst schon sehen, wie's alsdenn weitergeht.--
Damis. Wenn nun aber diese Voraussetzung--(Immer noch als ob er laese.)
Chrysander. Ei, ich setze nichts voraus, was im geringsten
zweifelhaft waere. Juliane ist eine Waise; ich bin ihr Vormund; ich
bin dein Vater; was muss mir angelegner sein, als euch beide gluecklich
zu machen? Ihr Vater war mein Freund und war ein ehrlicher Mann,
obgleich ein Narr. Er haette einen honetten Bankerott machen koennen;
seine Glaeubiger wuerden aufs Drittel mit sich haben akkordieren lassen;
und er war so einfaeltig und bezahlte bis auf den letzten Heller. Wie
ist mir denn? hast du ihn nicht gekannt?
Damis. Von Person nicht. Aber seine Lebensumstaende sind mir ganz
wohl bewusst. Ich habe sie, ich weiss nicht in welcher Biographie,
gelesen'
Chrysander. Gelesen? gedruckt gelesen?
Damis. Ja, ja; gelesen. Er ward gegen die Mitte des vorigen
Jahrhunderts geboren und ist, etwa vor zwanzig Jahren, als
Generalsuperintendent in Pommern gestorben. In orientalischen
Sprachen war seine vornehmste Staerke. Allein seine Buecher sind nicht
alle gleich gut. Dieses ist noch eines von den besten. Eine
besondere Gewohnheit soll der Mann an sich gehabt haben--
Chrysander. Von wem sprichst denn du?
Damis. Sie fragen mich ja, ob mir der Verfasser dieses Buchs bekannt
waere?
Chrysander. Ich glaube, du traeumest; oder es geht gar noch etwas
Aergers in deinem Gehirne vor. Ich frage dich, ob du Julianens Vater
noch gekannt hast?
Damis. Verzeihen Sie mir, wann ich ein wenig zerstreut geantwortet
habe! Ich dachte eben nach,--warum wohl die Rabbinen--das Schurek
M'lo Pum heissen.
Chrysander. Mit dem verdammten Schurek! Gib doch auf das acht, was
der Vater mit dir spricht!--(Er nimmt ihm das Buch aus der Hand.) Du
hast ihn also nicht gekannt? Ich besinne mich; es ist auch nicht wohl
moeglich. Als er starb, war Juliane noch sehr jung. Ich nahm sie
gleich nach seinem Tode in mein Haus, und Gott sei Dank! sie hat viel
Wohltaten hier genossen. Sie ist schoen, sie ist tugendhaft; wem
sollte ich sie also lieber goennen als dir? Was meinst du?--Antworte
doch! Stehst du nicht da, als wenn du schliefest!--
Damis. Ja, ja, Herr Vater. Nur eins ist noch dabei zu erwaegen.--
Chrysander. Du hast recht; freilich ist noch eins dabei zu erwaegen:
ob du dich naemlich geschickt befindest, bald ein oeffentliches Amt
anzunehmen, weil doch--
Damis. Wie? geschickt? geschickt? Sie zweifeln also an meiner
Geschicklichkeit?--Wie ungluecklich bin ich, dass ich Ihnen nicht
sogleich die unwidersprechlichsten Beweise geben kann! Doch es soll
noch diesen Abend geschehen. Glauben Sie mir, noch diesen Abend.--Die
verdammte Post! Ich weiss auch nicht, wo sie bleibt.
Chrysander. Beruhige dich nur, mein Sohn. Die Frage geschahe eben
aus keinem Misstrauen, sondern bloss weil ich glaube, es schicke sich
nicht, eher zu heiraten, als bis man ein Amt hat; so wie es sich,
sollte ich meinen, auch nicht wohl schickt, eher ein Amt anzunehmen,
als bis man weiss, woher man die Frau bekommen will.
Damis. Ach, was heiraten? was Frau? Erlauben Sie mir, dass ich Sie
allein lasse. Ich muss ihn gleich wieder auf die Post schicken. Anton!
Anton! Doch es ist mit dem Schlingel nichts anzufangen; ich muss nur
selbst gehen.
Sechster Auftritt
Anton. Chrysander.
Anton. Rufte mich nicht Herr Damis? Wo ist er? was soll ich?
Chrysander. Ich weiss nicht, was ihm im Kopfe steckt. Er ruft dich;
er will dich auf die Post schicken; er besinnt sich, dass mit dir
Schlingel nichts anzufangen ist, und geht selber. Sage mir nur,
willst du zeitlebens ein Esel bleiben?
Anton. Gemach, Herr Chrysander! ich nehme an den Torheiten Ihres
Sohnes keinen Teil. Mehr als zwoelfmal habe ich ihm heute schon auf
die Post laufen muessen. Er verlangt Briefe von Berlin. Ist es meine
Schuld, dass sie nicht kommen?
Chrysander. Der wunderliche Heilige! Du bist aber nun schon so lange
um ihn; solltest du nicht sein Gemuet, seine Art zu denken ein wenig
kennen?
Anton. Ha! ha! das koemmt darauf hinaus, was wir Gelehrten die
Kenntnis der Gemueter nennen? Darin bin ich Meister; bei meiner Ehre!
Ich darf nur ein Wort mit einem reden; ich darf ihn nur ansehen: husch,
habe ich den ganzen Menschen weg! Ich weiss sogleich, ob er
vernuenftig oder eigensinnig, ob er freigebig oder ein Knicker--
Chrysander. Ich glaube gar, du zeigst auf mich?
Anton. O kehren Sie sich an meine Haende nicht!--Ob er--
Chrysander. Du sollst deine Kunst gleich zeigen! Ich habe meinem
Sohne eine Heirat vorgeschlagen: nun sage einmal, wenn du ihn kennst,
was wird er tun?
Anton. Ihr Herr Sohn? Herr Damis? Verzeihen Sie mir, bei dem geht
meine Kunst, meine sonst so wohl versuchte Kunst, betteln.
Chrysander. Nu, Schurke, so geh mit und prahle nicht!
Anton. Die Gemuetsart eines jungen Gelehrten kennen wollen und etwas
daraus schliessen wollen, ist unmoeglich; und was unmoeglich ist, Herr
Chrysander--das ist unmoeglich.
Chrysander. Und wieso?
Anton. Weil er gar keine hat.
Chrysander. Gar keine?
Anton. Nein, nicht gar keine; sondern alle Augenblicke eine andre.
Die Buecher und die Exempel, die er liest, sind die Winde, nach welchen
sich der Wetterhahn seiner Gedanken richtet. Nur bei dem Kapitel vom
Heiraten stehenzubleiben, weil das einmal auf dem Tapete ist, so
besinne ich mich, dass--Denn vor allen Dingen muessen Sie wissen, dass
Herr Damis nie etwas vor mir verborgen hat. Ich bin von jeher sein
Vertrauter gewesen und von jeher der, mit dem er sich immer am
liebsten abgegeben hat. Ganze Tage, ganze Naechte haben wir manchmal
auf der Universitaet miteinander disputiert. Und ich weiss nicht, er
muss doch so etwas an mir finden; etwa eine Eigenschaft, die er an
andern nicht findet--
Chrysander. Ich will dir sagen, was das fuer eine Eigenschaft ist:
deine Dummheit! Es ergoetzt ihn, wenn er sieht, dass er gelehrter ist
als du. Bist du nun vollends ein Schalk und widersprichst ihm nicht
und lobst ihn ins Gesicht und bewunderst ihn--
Anton. Je verflucht! da verraten Sie mir ja meine ganze Politik! Wie
schlau ein alter Kaufmann nicht ist!
Chrysander. Aber vergiss das Hauptwerk nicht! Vom Heiraten--
Anton. Ja darueber hat er schon Teufelsgrillen im Kopfe gehabt. Zum
Exempel: ich weiss die Zeit, da er gar nicht heiraten wollte.
Chrysander. Gar nicht? so muss ich noch heiraten. Ich werde doch
meinen Namen nicht untergehen lassen? Der Boesewicht! Aber warum denn
nicht?
Anton. Darum: weil es einmal Gelehrte gegeben hat, die geglaubt haben,
der ehelose Stand sei fuer einen Gelehrten der schicklichste. Gott
weiss, ob diese Herren allzu geistlich oder allzu fleischlich sind
gesinnt gewesen! Als ein kuenftiger Hagestolz hatte er sich schon auf
verschiedene sinnreiche Entschuldigungen gefasst gemacht.--
Chrysander. Auf Entschuldigungen? kann sich so ein ruchloser Mensch,
der dieses heilige Sakrament--Denn im Vorbeigehen zu sagen, ich bin
mit unsern Theologen gar nicht zufrieden, dass sie den Ehestand fuer
kein Sakrament wollen gelten lassen--der, sage ich, dieses heilige
Sakrament verachtet, kann der sich noch unterstehen, seine
Gottlosigkeit zu entschuldigen? Aber, Kerl, ich glaube, du machst mir
etwas weis; denn nur vorhin schien er ja meinen Vorschlag zu billigen.
Anton. Das ist unmoeglich richtig zugegangen. Wie stellte er sich
dabei an? Lassen Sie sehen; stand er etwa da, als wenn er vor den
Kopf geschlagen waere? sahe er etwa steif auf die Erde? legte er etwa
die Hand an die Stirne? griff er etwa nach einem Buche, als wenn er
darin lesen wollte? liess er Sie etwa ungestoert fortreden?
Chrysander. Getroffen! du malst ihn, als ob du ihn gesehen haettest.
Anton. O da sieht es windig aus! Wann er es so macht, will er haben,
dass man ihn fuer zerstreut halten soll. Ich kenne seine Mucken. Er
hoert alsdenn alles, was man ihm sagt; allein die Leute sollen glauben,
er habe es vor vielem Nachsinnen nicht gehoert. Er antwortet zuweilen
auch; wenn man ihm aber seine Antwort wieder vorlegt, so wird er
nimmermehr zugestehen, dass sie auf das gegangen sei, was man von ihm
hat wissen wollen.
Chrysander. Nun, wer noch nicht gestehen will, dass zu viel
Gelehrsamkeit den Kopf verwirre, der verdient es selber zu erfahren.
Gott sei Dank, dass ich in meiner Jugend gleich das rechte Mass zu
treffen wusste! Omne nimium vertitur in vitulum: sagen wir Lateiner
sehr spasshaft.--Aber Gott sei dem Boesewichte gnaedig, wann er auf dem
Vorsatze verharret! Wann er behauptet, es sei nicht noetig, zu
heiraten und Kinder zu zeugen, will er mir damit nicht zu verstehn
geben, es sei auch nicht noetig gewesen, dass ich ihn gezeugt habe? Der
undankbare Sohn!
Anton. Es ist wahr, kein groesster Undank kann unter der Sonne sein,
als wenn ein Sohn die viele Muehe nicht erkennen will, die sein Vater
hat ueber sich nehmen muessen, um ihn in die Welt zu setzen.
Chrysander. Nein; gewiss, an mir soll der heilige Ehestand seinen
Verteidiger finden!
Anton. Der Wille ist gut; aber lauter solche Verteidiger wuerden die
Konsumtionsakzise ziemlich geringe machen.
Chrysander. Wieso?
Anton. Bedenken Sie es selbst! drei Weiber, und von der dritten kaum
einen Sohn.
Chrysander. Kaum? was willst du mit dem, kaum' sagen, Schlingel?
Anton. Hui, dass Sie etwas Schlimmers darunter verstehn als ich.
Chrysander. Zwar im Vertrauen, Anton: wenn die Weiber vor zwanzig
Jahren so gewesen waeren, wie die Weiber jetzo sind, ich wuerde auf
wunderbare Gedanken geraten. Er hat gar zu wenig von mir! Doch die
Weiber vor zwanzig Jahren waren so frech noch nicht wie die jetzigen;
so treulos noch nicht, wie sie heutzutage sind; so luestern noch nicht--
Anton. Ist das gewiss? Nun wahrhaftig, so hat man meiner Mutter
unrecht getan, die vor 33 Jahren von ihrem Manne, der mein Vater nicht
sein wollte, geschieden wurde! Doch das ist ein Punkt, woran ich
nicht gern denke. Die Grillen Ihres Herrn Sohns sind lustiger.
Chrysander. Aergerlicher, sprich! Aber sage mir, was waren denn
seine Entschuldigungen?
Anton. Seine Entschuldigungen waren Einfaelle, die auf seinem Miste
nicht gewachsen waren. Er sagte zum Exempel, solange er unter vierzig
Jahren sei und ihn jemand um die Ursache fragen wuerde, warum er nicht
heirate, wolle er antworten, er sei zum Heiraten noch zu jung. Waere
er aber ueber vierzig Jahr, so wolle er sprechen, nunmehr sei er zum
Heiraten zu alt. Ich weiss nicht, wie der Gelehrte hiess, der auch so
soll gesagt haben.--Ein anderer Vorwand war der: er heiratete deswegen
nicht, weil er alle Tage willens waere, ein Moench zu werden; und wuerde
deswegen kein Moench, weil er alle Tage gedaechte zu heiraten.
Chrysander. Was? nun will er auch gar ein Moench werden? Da sieht man,
wohin so ein boeses Gemuet, das keine Ehrfurcht fuer den heiligen
Ehestand hat, verfallen kann! Das haette ich nimmermehr in meinem
Sohne gesucht!
Anton. Sorgen Sie nicht! bei Ihrem Sohne ist alles nur ein Uebergang.
Er hatte den Einfall in der Lebensbeschreibung eines Gelehrten gelesen;
er hatte Geschmack daran gefunden und sogleich beschlossen, ihn bei
Gelegenheit als den seinen anzubringen. Bald aber ward die Grille von
einer andern verjagt, so wie etwann, so wie etwann--Schade, dass ich
kein Gleichnis dazu finden kann! Kurz, sie ward verjagt. Er wollte
nunmehr heiraten, und zwar einen rechten Teufel von einer Frau.
Chrysander. Wenn doch den Einfall mehr Narren haben wollten, damit
andre ehrliche Maenner mit boesen Weibern verschont blieben.
Anton. Ja, meinte er: es wuerde doch huebsch klingen, wenn es einmal
von ihm heissen koennte: unter die Zahl der Gelehrten, welche der Himmel
mit boesen Weibern gestraft hat, gehoeret auch der beruehmte Damis;
gleichwohl kann sich die gelehrte Welt nicht ueber ihn beklagen, dass
ihn dieses Hauskreuz nur im geringsten abgehalten haette, ihr mit
unzaehlbaren gelehrten Schriften zu dienen.
Chrysander. Mit Schriften! ja, die mir am teuersten zu stehen kommen.
Was fuer Rechnungen habe ich nicht schon an die Buchdrucker bezahlen
muessen! Der Boesewicht!
Anton. Geduld! er hat auch erst angefangen zu schreiben! Es wird
schon besser kommen.
Chrysander. Besser? vielleicht damit man ihn endlich einmal auch
unter die zaehlen kann, die ihren Vater arm geschrieben haben!
Anton. Warum nicht? wenn es ihm Ehre braechte--
Chrysander. Die verdammte Ehre!
Anton. Um die tut ein junger Gelehrter alles! Wann es auch nach
seinem Tode heissen sollte: unter diejenigen Gelehrten, die zum Teufel
gefahren sind, gehoert auch der beruehmte Damis! was schadet das? Genug,
er heisst gelehrt; er heisst beruehmt--
Chrysander. Kerl, du erschreckst mich! Aber du, der du weit aelter
bist als er, kannst du ihn nicht dann und wann zurechte weisen?--
Anton. Oh, Herr Chrysander! Sie wissen wohl, dass ich keinen Gehalt
als Hofmeister bekomme. Und dazu meine Dummheit--
Chrysander. Ja, die du annimmst, um ihn desto duemmer zu machen.
Anton (beiseite). St! der kennt mich.--Aber glauben Sie, dass ihm mit
der boesen Frau ein Ernst war? Nichts weniger! Eine Stunde darauf
wollte er sich eine gelehrte Frau aussuchen.
Chrysander. Nun, das waere doch noch etwas Kluges!
Anton. Etwas Kluges? Nach meiner unvorgreiflichen Meinung ist es
gleich der duemmste Einfall, den er hat haben koennen. Eine gelehrte
Frau! bedenken Sie doch! eine gelehrte Frau; eine Frau wie Ihr Herr
Sohn! Zittern und Entsetzen moechte einem ehrlichen Kerl ankommen.
Wahrhaftig! ehe ich mir eine Gelehrte aufhaengen liess'--
Chrysander. Narre, Narre! sie gehen unter andern Leuten, als du bist,
reissend weg. Wann ihrer nur viel waeren, wer weiss, ob ich mir nicht
selbst eine waehlte.
Anton. Kennen Sie Karlinen?
Chrysander. Karlinen? Nein.
Anton. Meinen ehemaligen Kameraden? meinen guten Freund? kennen Sie
den nicht?
Chrysander. Nein doch, nein.
Anton. Er trug ein hechtgraues Kleid mit roten Aufschlaegen und auf
seiner Sonntagsmontur rote und blaue Achselbaender. Sie muessen ihn bei
mir gesehen haben. Er hatte eine etwas lange Nase. Sie war ein
Erbstueck; denn er wollte aus der Geschichte wissen, dass schon sein
Ururaeltervater, der ehedem einem gewissen Turnier als Stallknecht
beigewohnt, eine ebenso lange gehabt habe. Sein einziger Fehler war,
dass er etwas krumme Beine hatte. Besinnen Sie sich nun?
Chrysander. Soll ich denn alle das Lumpengesindel kennen, das du
kennst? Und was willst du denn mit ihm?
Anton. Sie kennen ihn also im Ernste nicht? Oh! da kennen Sie einen
sehr grossen Geist weniger. Ich will Sie zu seiner Bekanntschaft
verhelfen; ich gelte etwas bei ihm.
Chrysander. Ich glaube, du schwaermst manchmal so gut als mein Sohn.
Wie koemmst du denn auf die Possen?
Anton. Eben der Karlin, will ich sagen--Oh! es ist aergerlich, dass Sie
ihn nicht kennen.--Eben der Karlin, sage ich, hat einmal bei einem
Herrn gedient, der eine gelehrte Frau hatte. Der verzweifelte
Vogel--er sah gut aus, und wie nun der Appetit sich nach dem Stande
nicht richtet--kurz, er musste sie naeher gekannt haben. Wo haette er
sonst so viel Verstand her? Endlich merkte es auch sein Herr, dass er
bei der Frau in die Schule ging. Er bekam seinen Abschied, ehe er
sich's versah. Die arme Frau!
Chrysander. Ach schweig! ich mag weder deine noch meines Sohnes
Grillen laenger mit anhoeren.
Anton. Noch eine hoeren Sie; und zwar die, welche zuletzt seine
Leibgrille ward: er wollte mehr als eine Frau heiraten.
Chrysander. Aber eine nach der andern.
Anton. Nein, wenigstens ein halb Dutzend auf einmal. Der Bibel, der
Obrigkeit und dem Gebrauche zum Trutze! Er las damals gleich ein
Buch--
Chrysander. Die verdammten Buecher! Kurz, ich will nicht weiter hoeren.
Es soll ihm schon vergehen, mehr als eine zu nehmen, wenn er nur
erst die genommen hat, die ich jetzt fuer ihn im Kopfe habe. Und was
meinest du wohl, Anton? quid putas? wie wir Lateiner reden; wird er's
tun?
Anton. Vielleicht; vielleicht nicht. Wenn ich wuesste, was er fuer ein
Buch zuletzt gelesen haette, und wenn ich dieses Buch selbst lesen
koennte, und wenn--
Chrysander. Ich sehe schon, ich werde deine Hilfe noetig haben. Du
bist zwar ein Gauner, aber ich weiss auch, man koemmt jetzt mit
Betruegern weiter als mit ehrlichen Leuten.
Anton. Ei, Herr Chrysander, fuer was halten Sie mich?
Chrysander. Ohne Komplimente, Herr Anton! ich verspreche dir eine
Belohnung, die deinen Verdiensten gemaess sein soll, wenn du meinen Sohn
quovis modo, wie wir Lateiner reden, durch Wahrheiten oder durch Luegen,
durch Ernst oder durch Schraubereien, vel sic vel aliter, wie wir
Lateiner reden, Julianen zu heiraten bereden kannst.
Anton. Wen? Julianen?
Chrysander. Julianen; illam ipsam.
Anton. Unsere Mamsell Juliane? Ihr Muendel? Ihre Pflegetochter?
Chrysander. Kennst du eine andre?
Anton. Das ist unmoeglich, oder das, was ich von ihr gehoert habe, muss
nicht wahr sein.
Chrysander. Gehoert? so? hast du etwas von ihr gehoert? doch wohl
nichts Boeses.
Anton. Nichts Gutes war es freilich nicht.
Chrysander. Ei! ich habe auf das Maedchen so grosse Stuecken gehalten.
Sie wird doch nicht etwa mit einem jungen Kerl--he?
Anton. Wann es nichts mehr waere! so ein klein Fehlerchen entschuldigt
die Mode. Aber, es ist noch etwas weit Aergers fuer eine gute Jungfer,
die gerne nicht laenger Jungfer sein moechte.
Chrysander. Noch etwas weit Aergers? ich versteh dich nicht.
Anton. Und Sie sind gleichwohl ein Kaufmann?
Chrysander. Noch etwas weit Aergers? Ich habe immer geglaubt,
Eingezogenheit und gute Sitten waeren das Vornehmste--
Anton. Nicht mehr! nicht mehr! vor zwanzig Jahren wohl, wie Sie
vorher selbst weislich erinnerten.
Chrysander. Nun so erklaere dich deutlicher. Ich habe nicht Lust,
deine naerrischen Gedanken zu erraten.
Anton. Und nichts ist doch leichter. Mit einem Worte: sie soll kein
Geld haben. Man hat mir gesagt, in Ansehung ihres Vaters, der Ihr
guter Freund gewesen waere, haetten Sie Julianen, von ihrem neunten
Jahre an, zu sich genommen und aus Barmherzigkeit erzogen.
Chrysander. Da hat man dir nun wohl keine Luegen gesagt; gleichwohl
aber soll sie doch kein andrer haben als mein Sohn, wann nur er--Denn
sieh, Anton, ich muss dir das ganze Raetsel erklaeren.--Es liegt nur an
mir, Julianen in kurzer Zeit reich zu machen.
Anton. Ja, durch Ihr eigen Geld; und auf diese Art koennten Sie auch
mich wohl reich machen. Wollen Sie so gut sein?
Chrysander. Nein, nicht durch mein eigen Geld.--Kannst du schweigen?
Anton. Versuchen Sie es.
Chrysander. Hoere also; mit Julianens Vermoegen steht es so: ihr Vater
kam durch einen Prozess, den er endlich doch musste liegenlassen, kurz
vor seinem Tode um alle das Seine. Jetzt nun ist mir ein gewisses
Dokument in die Haende gefallen, das er lange vergebens suchte und das
dem ganzen Handel ein ander Ansehen gibt. Es koemmt nur darauf an, dass
ich so viel Geld hergebe, den Prozess wieder anzufangen. Das Dokument
selbst habe ich bereits an meinen Advokaten nach Dresden geschickt.--
Anton. Gott sei Dank! dass Sie wieder zum Kaufmanne werden! Vorhin
haette ich bald nicht gewusst, was ich aus Ihnen machen sollte.--Aber
Julianens Einwilligung haben Sie doch schon?
Chrysander. Oh! das gute Kind will mir, wie es spricht, in allem
gehorchen. Unterdessen hat sich doch schon Valer auf sie gespitzt.
Er hat mir vor einiger Zeit auch seine Gedanken deshalb eroeffnet. Ehe
ich das Dokument bekam--
Anton. Ja, da war uns an Julianen so viel nicht gelegen. Sie machten
ihm also Hoffnung?
Chrysander. Freilich! Er ist heute von Berlin wieder zurueckgekommen
und hat sich auch schon bei mir melden lassen. Ich besorge, ich
besorge--Doch wenn mein Sohn nur will--Und diesen, Anton, du
verstehest mich--Ein Narr ist auf viel Seiten zu fassen; und ein Mann
wie du kann auf viel Seiten fassen.--Du wirst sehen, dass ich
erkenntlich bin.
Anton. Und Sie, dass ich ganz zu Ihren Diensten bin, zumal wenn mich
die Erkenntlichkeit zuerst herausfordert und--
Siebenter Auftritt
Anton. Chrysander. Juliane.
Juliane. Kommen Sie doch, Herr Chrysander, kommen Sie doch hurtig
herunter. Herr Valer ist schon da, Ihnen seine Aufwartung zu machen.
Chrysander. Tut Sie doch ganz froehlich, mein Jungferchen!
Anton (sachte zu Chrysandern). Hui! dass Valer schon den Vogel
gefangen hat.
Chrysander. Das waere mir gelegen.
(Anton und Chrysander gehen ab.)
Achter Auftritt
Juliane. Lisette.
Lisette (guckt aus dem Kabinett). Bst! bst! bst!
Juliane. Nun, wem gilt das? Lisette? bist du's? Was machst du denn
hier?
Lisette. Ja, das werden Sie wohl nimmermehr glauben, dass ich und
Damis schon so weit miteinander gekommen sind, dass er mich verstecken
muss. Schon kann ich ihn um einen Finger wickeln! Noch eine
Unterredung wie vorhin, so habe ich ihn im Sacke.
Juliane. Und also haette ich wohl, in allem Scherze, einen recht guten
Einfall gehabt? Wollte doch der Himmel, dass die Verbindung, die sein
Vater zwischen uns--
Lisette. Ach, sein Vater! der Schalk, der Geizhals! Jetzt habe ich
ihn kennenlernen.
Juliane. Was gibst du ihm fuer Titel? Seine Guetigkeit ist nur gar zu
gross. Seine Wohltaten vollkommen zu machen, traegt er mir die Hand
seines Sohnes und mit ihr sein ganzes Vermoegen an. Aber wie
ungluecklich bin ich dabei!--Dankbarkeit und Liebe, Liebe gegen den
Valer, und Dankbarkeit--
Lisette. Noch vor einer Minute, war ich in ebendem Irrtume. Aber
glauben Sie mir nur, ich weiss es nunmehr aus seinem Munde: nicht aus
Freundschaft fuer Sie, sondern aus Freundschaft fuer Ihr Vermoegen will
er diese Verbindung treffen.
Juliane. Fuer mein Vermoegen? du schwaermst. Was habe ich denn, das ich
nicht von ihm haette?
Lisette. Kommen Sie, kommen Sie. Hier ist der Ort nicht, viel zu
schwatzen. Ich will Ihnen alles erzaehlen, was ich gehoert habe.
Zweiter Aufzug
Erster Auftritt
Lisette. Valer. Juliane.
Lisette (noch innerhalb der Szene). Nur hier herein; Herr Damis ist
ausgegangen. Sie koennen hier schon ein Woertchen miteinander im
Vertrauen reden.
Juliane. Ja, Valer, mein Entschluss ist gefasst. Ich bin ihm zu viel
schuldig; er hat durch seine Wohltaten das groesste Recht ueber mich
erhalten. Es koste mir, was es wolle; ich muss die Heirat eingehen,
weil es Chrysander verlangt. Oder soll ich etwa die Dankbarkeit der
Liebe aufopfern? Sie sind selbst tugendhaft, Valer, und Ihr Umgang
hat mich edler denken gelehrt. Mich Ihrer wert zu zeigen, muss ich
meine Pflicht, auch mit dem Verluste meines Glueckes, erfuellen.
Lisette. Eine wunderbare Moral! wahrhaftig!
Valer. Aber wo bleiben Versprechung, Schwur, Treue? Ist es erlaubt,
um eine eingebildete Pflicht zu erfuellen, einer andern, die uns
wirklich verbindet, entgegen zu handeln?
Juliane. Ach, Valer, Sie wissen es besser, was zu solchen
Versprechungen gehoert. Missbrauchen Sie meine Schwaeche nicht. Die
Einwilligung meines Vaters war nicht dabei.
Valer. Was fuer eines Vaters?--
Juliane. Desjenigen, dem ich fuer seine Wohltaten diese Benennung
schuldig bin. Oder halten Sie es fuer keine Wohltaten, der Armut und
allen ihren unseligen Folgen entrissen zu werden? Ach, Valer, ich
wuerde Ihr Herz nicht besitzen, haette nicht Chrysanders Sorgfalt mich
zur Tugend und Anstaendigkeit bilden lassen.
Valer. Wohltaten hoeren auf, Wohltaten zu sein, wenn man sucht, sich
fuer sie bezahlt zu machen. Und was tut Chrysander anders, da er Sie,
allzu gewissenhafte Juliane, nur deswegen mit seinem Sohne verbinden
will, weil er ein Mittel sieht, Ihnen wieder zu dem groessten Teile
Ihres vaeterlichen Vermoegens zu verhelfen?
Juliane. Fussen Sie doch auf eine so wunderbare Nachricht nicht. Wer
weiss, was Lisette gehoert hat?
Lisette. Nichts, als was sich vollkommen mit seiner uebrigen
Auffuehrung reimt. Ein Mann, der seine Wohltaten schon ausposaunet,
der sie einem jeden auf den Fingern vorzurechnen weiss, sucht etwas
mehr als das blosse Gotteslohn. Und waere es etwa die erste Traene, die
Ihnen aus Verdruss, von einem so eigennuetzig freigebigen Manne
abzuhaengen, entfahren ist?
Valer. Lisette hat recht!--Aber ich empfinde es leider; Juliane liebt
mich nicht mehr.
Juliane. Sie liebt Sie nicht mehr? Dieser Verdacht fehlte noch,
ihren Kummer vollkommen zu machen. Wann Sie wuessten, wieviel es ihr,
gegen die Ratschlaege der Liebe taub zu sein, koste; wann Sie wuessten,
Valer--ach, die misstrauischen Mannspersonen!
Valer. Legen Sie die Furcht eines Liebhabers, dessen ganzes Glueck auf
dem Spiele steht, nicht falsch aus. Sie lieben mich also noch? und
wollen sich einem andern ueberlassen?
Juliane. Ich will? Koennten Sie mich empfindlicher martern? Ich
will?--Sagen Sie: ich muss.
Valer. Sie muessen?--Noch ist nie ein Herz gezwungen worden als
dasjenige, dem es lieb ist, den Zwang zu seiner Entschuldigung machen
zu koennen--
Juliane. Ihre Vorwuerfe sind so fein, so fein! dass ich Sie vor Verdruss
verlassen werde.
Valer. Bleiben Sie, Juliane; und sagen Sie mir wenigstens, was ich
dabei tun soll?
Juliane. Was ich tue; dem Schicksale nachgeben.
Valer. Ach, lassen Sie das unschuldige Schicksal aus dem Spiele!
Juliane. Das unschuldige? und ich werde also wohl die Schuldige sein?
Halten Sie mich nicht laenger--
Lisette. Wann ich mich nun nicht bald dazwischenlege, so werden sie
sich vor lauter Liebe zanken.--Was Sie tun sollen, Herr Valer? eine
grosse Frage! Himmel und Hoelle rege machen, damit die gute Jungfer
nicht muss! Den Vater auf andre Gedanken bringen; den Sohn auf Ihre
Seite ziehen.--Mit dem Sohne zwar hat es gute Wege; den ueberlassen Sie
nur mir. Der gute Damis! Ich bin ohne Zweifel das erste Maedchen, das
ihm schmeichelt, und hoffe dadurch auch das erste zu werden, das von
ihm geschmeichelt wird. Wahrhaftig; er ist so eitel, und ich bin so
geschickt, dass ich mich wohl noch zu seiner Frau an ihm loben wollte,
wenn der verzweifelte Vater nicht waere!--Sehen Sie, Herr Valer, der
Einfall ist von Mamsell Julianen! Erfinden Sie nun eine Schlinge fuer
den Vater--
Juliane. Was sagst du, Lisette? von mir? O Valer, glauben Sie solch
rasendes Zeug nicht! Habe ich dir etwas anders befohlen, als ihm
einen schlechten Begriff von mir beizubringen?
Lisette. Ja, recht; einen schlechten von Ihnen--und wenn es moeglich
waere, einen desto bessern von mir.
Juliane. Nein, es ist mit euch nicht auszuhalten--
Valer. Erklaeren Sie wenigstens, liebste Juliane--
Juliane. Erklaeren? und was? Vielleicht, dass ich Ihnen in die Arme
rennen will und wann ich auch alle Tugenden beleidigen sollte? dass ich
mich mit einer Begierde, mit einem Eifer die Ihrige zu werden bemuehen
will, die mich in Ihren Augen notwendig einmal veraechtlich machen
muessen? Nein, Valer--
Lisette. Hoeren Sie denn nicht, dass sie uns gern freie Hand lassen
will? Sie macht es wie die schoene Aspasia--oder wie hiess die
Prinzessin in dem dicken Romane? Zwei Ritter machten auf sie Anspruch.
Schlagt euch miteinander, sagte die schoene Aspasia; wer den andern
ueberwindet, soll mich haben. Gleichwohl aber war sie dem Ritter in
der blauen Ruestung guenstiger als dem andern--
Juliane. Ach, die Naerrin, mit ihrem blauen Ritter--(Reisst sich los
und geht ab.)
Zweiter Auftritt
Lisette. Valer.
Lisette. Ha! ha! ha!
Valer. Mir ist nicht laecherlich, Lisette.
Lisette. Nicht? Ha! ha! ha!
Valer. Ich glaube, du lachst mich aus.
Lisette. Oh, so lachen Sie mit! Oder ich muss noch einmal darueber
lachen, dass Sie nicht lachen wollen. Ha! ha! ha!
Valer. Ich moechte verzweifeln! In der Ungewissheit, ob sie mich noch
liebt--
Lisette. Ungewissheit? Sind denn alle Mannspersonen so schwer zu
ueberreden? Werden sie denn alle zu solchen aengstlichen Zweiflern,
sobald sie die Liebe ein wenig erhitzt? Lassen Sie Ihre Grillen
fahren, Herr Valer, oder ich lache aufs neue. Spannen Sie vielmehr
Ihren Verstand an, etwas auszusinnen, um den alten Chrysander--
Valer. Chrysander traut mir nicht und kann mir nicht trauen. Er
kennt meine Neigung zu Julianen. Alle mein Zureden wuerde umsonst sein;
er wuerde den Eigennutz, die Quelle davon, gar bald entdecken. Und
wenn ich auch eine voellige Anwerbung tun wollte; was wuerde es helfen?
Er ist deutsch genug, mir gerade ins Gesicht zu sagen, dass ich seinem
Sohne hier nachstehen muesse, welcher wegen der Wohltaten des Vaters
das groesste Recht auf Julianen habe.--Was soll ich also anfangen?
Lisette. Mit den wunderlichen Leuten, die nur ueberall den ebenen Weg
gehen wollen! Hoeren Sie, was mir eingefallen ist. Das Dokument, oder
wie der Quark heisst, ist das einzige, was Chrysandern zu dieser Heirat
Lust macht, so dass er es schon an seinen Advokaten geschickt hat. Wie
wenn man von diesem Advokaten einen Brief unterschieben koennte, in
welchem--in welchem--
Valer. In welchem er ihm die Gueltigkeit des Dokuments verdaechtig
macht; willst du sagen? Der Einfall ist so unrecht nicht! Aber--wenn
ihm nun einmal der Advokate ganz das Gegenteil schreibt, so ist ja
unser Betrug am Tage.
Lisette. Was fuer ein Einwurf! Freilich muessen Sie ihn stimmen. Es
ist von jeher gebraeuchlich gewesen, dass es sich ein Liebhaber etwas
muss kosten lassen.
Valer. Wenn nun aber der Advokat ehrlich ist?
Lisette. Tun Sie doch, als ob Sie seit vier Wochen erst in der Welt
waeren. Wie die Geschenke so ist der Advokat. Kommen gar keine, so
ist der niedertraechtigste Betrueger der redlichste Mann. Kommen welche,
aber nur kleine, so haelt das Gewissen noch so ziemlich das
Gleichgewicht. Es steigen alsdenn wohl Versuchungen bei ihm auf;
allein die kleinste Betrachtung schlaegt sie wieder nieder. Kommen
aber nur recht ansehnliche, so ist gar bald der ehrlichste Advokat
nicht mehr der ehrlichste. Er legt die Ehrlichkeit mit den
geschenkten Goldstuecken in den Schatz, wo jene eher zu rosten anfaengt
als diese. Ich kenne die Herren!
Valer. Dein Urteil ist zu allgemein. Nicht alle Personen von
einerlei Stande sind auf einerlei Art gesinnet. Ich kenne
verschiedene alte rechtschaffene Sachwalter--
Lisette. Was wollen Sie mit Ihren alten? Es ist eben, als wenn Sie
sagten, die grossen runden Aufschlaege, die kleinen spitzen Knoepfe, die
erschrecklichen Halskrausen, aus welchen man Schiffssegel machen
koennte, die viereckigten breiten Schuhe, die tiefen Taschen, kurz, die
ganze Tracht, wie sich etwa Ihre Paten an Ehrentagen moegen
ausstaffiert haben, waeren noch jetzt Mode, weil man noch manchmal hier
und da einige gebueckte zitternde Maennerchen ueber die Gassen so
schleichen sieht. Lassen Sie nur noch die und Ihr paar alte
rechtschaffene Advokaten sterben; die Mode und die Redlichkeit werden
einen Weg nehmen.
Valer. Man hoert doch gleich, wenn das Frauenzimmer am beredtesten ist!
Lisette. Sie meinen etwa, wenn es ans Laestern geht? O wahrhaftig!
des blossen Laesterns wegen habe ich so viel nicht geplaudert. Meine
vornehmste Absicht war, Ihnen beizubringen, wieviel ueberall das Geld
tun koenne und was fuer ein vortreffliches Spiel ein Liebhaber in den
Haenden hat, wenn er gegen alle freigebig ist, gegen die Gebieterin,
gegen den Advokaten und--Dero Dienerin. (Sie macht eine Verbeugung.)
Valer. Verlass dich auf meine Erkenntlichkeit. Ich verspreche dir
eine recht ansehnliche Ausstattung, wenn wir gluecklich sind--
Lisette. Ei, wie fein! Eine Ausstattung? Sie hoffen doch wohl nicht,
dass ich uebrigbleiben werde?
Valer. Wann du das befuerchtest, so verspreche ich dir den Mann darzu.
--Doch komm nur; Juliane wird ohne Zweifel auf uns warten. Wir wollen
gemeinschaftlich unsre Sachen weiter ueberlegen.
Lisette. Gehen Sie nur voran; ich muss noch hier verziehen, um meinem
jungen Gelehrten--
Valer. Er wird vielleicht schon unten bei dem Vater sein.
Lisette. Wir muessen uns alleine sprechen. Gehen Sie nur! Sie haben
ihn doch wohl noch nicht gesprochen?
Valer. Was wollte ich nicht darum geben, wenn ich es ganz und gar
ueberhoben sein koennte! Seinetwegen wuerde ich dieses Haus fliehen,
aerger als ein Tollhaus, wenn nicht ein angenehmerer Gegenstand--
Lisette. So gehen Sie doch, und lassen Sie den angenehmern Gegenstand
nicht laenger auf sich warten.
(Valer geht ab.)
Dritter Auftritt
Anton. Lisette.
Anton. Nu? was will die! in meines Herrn Studierstube? Jetzt ging
Valer heraus; vor einer Weile Juliane; und du bist noch da? Ich
glaube gar, ihr habt eure Zusammenkuenfte hier. Warte, Lisette! das
will ich meinem Herrn sagen. Ich will mich schon raechen; noch fuer das
Gestrige; besinnst du dich?
Lisette. Ich glaube, du keifst? Was willst du mit deinem Gestrigen?
Anton. Eine Maulschelle vergisst sich wohl bei dem leicht, der sie
gibt, aber der, dem die Zaehne davon gewackelt haben, der denkt eine
Zeitlang daran. Warte nur! warte!
Lisette. Wer heisst dich, mich kuessen?
Anton. Potz Stern, wie gemein wuerden die Maulschellen sein; wenn alle
die welche bekommen sollten, die euch kuessen wollen.--Jetzt soll dich
mein Herr dafuer wacker--
Lisette. Dein Herr? der wird mir nicht viel tun.
Anton. Nicht? Wievielmal hat er es nicht gesagt, dass so ein heiliger
Ort, als eine Studierstube ist, von euch unreinen Geschoepfen nicht
muesse entheiliget werden? Der Gott der Gelehrsamkeit--warte, wie
nennt er ihn?--Apollo--koenne kein Weibsbild leiden. Schon der Geruch
davon waere ihm zuwider. Er fliehe davor wie der Stoesser vor den Tauben.
--Und du denkst, mein Herr wuerde es so mit ansehen, dass du ihm den
lieben Gott von der Stube treibest?
Lisette. Ich glaube gar, du Narre denkst, der liebe Gott sei nur bei
euch Mannspersonen? Schweig, oder--
Anton. Ja, so eine wie gestern vielleicht?
Lisette. Noch eine bessre! der Pinsel haette gestern mehr als eine
verdient. Er koemmt zu mir; es ist finster; er will mich kuessen; ich
stosse ihn zurueck, er koemmt wieder; ich schlage ihn aufs Maul, es tut
ihm weh; er laesst nach; er schimpft; er geht fort--Ich moechte dir
gleich noch eine geben, wenn ich daran gedenke.
Anton. Ich haette es also wohl abwarten sollen, wie oft du deine
Karesse haettest wiederholen wollen?
Lisette. Gesetzt, es waeren noch einige gefolgt, so wuerden sie doch
immer schwaecher und schwaecher geworden sein. Vielleicht haetten sich
die letztern gar--doch so ein dummer Teufel verdient nichts.
Anton. Was hoer ich? ist das dein Ernst, Lisette? Bald haette ich Lust,
die Maulschelle zu vergessen und mich wieder mit dir zu vertragen.
Lisette. Halte es, wie du willst. Was ist mir jetzt an deiner Gunst
gelegen? Ich habe ganz ein ander Wildbret auf der Spur.
Anton. Ein anders? au weh, Lisette! Das war wieder eine Ohrfeige,
die ich so bald nicht vergessen werde! Ein anders? Ich daechte, du
haettest an einem genug, das dir selbst ins Netz gelaufen ist.
Lisette. Und drum eben ist nichts dran.--Aber sage mir, wo bleibt
dein Herr?
Anton. Danke du Gott, dass er so lange bleibt; und mache, dass du hier
fortkoemmst. Wann er dich trifft, so bist du in Gefahr,
herausgepruegelt zu werden.
Lisette. Dafuer lass mich sorgen! Wo ist er denn? ist er von der Post
noch nicht wieder zurueck?
Anton. Woher weisst du denn, dass er auf die Post gegangen ist?
Lisette. Genug, ich weiss es. Er wollte dich erst schicken. Aber wie
kam es denn, dass er selbst ging? Ha! ha! ha! "Es ist mit dem
Schlingel nichts anzufangen." Wahrhaftig, das Lob macht mich ganz
verliebt in dich.
Anton. Wer Henker muss dir das gesagt haben?
Lisette. O niemand; sage mir nur, ist er wieder da?
Anton. Schon laengst; unten ist er bei seinem Vater.
Lisette. Und was machen sie miteinander?
Anton. Was sie machen? sie zanken sich.
Lisette. Der Sohn will gewiss den Vater von seiner Geschicklichkeit
ueberfuehren?
Anton. Ohne Zweifel muss es so etwas sein. Damis ist ganz ausser sich:
er laesst den Alten kein Wort aufbringen: er rechnet ihm tausend Buecher
her, die er gesehen; tausend, die er gelesen hat; andere tausend, die
er schreiben will, und hundert kleine Buecherchen, die er schon
geschrieben hat. Bald nennt er ein Dutzend Professores, die ihm sein
Lob schriftlich, mit untergedrucktem Siegel, nicht umsonst, gegeben
haetten; bald ein Dutzend Zeitungsschreiber, die eine vortreffliche
Posaune fuer einen jungen Gelehrten sind, wenn man ein silbernes
Mundstueck darauf steckt; bald ein Dutzend Journalisten, die ihn alle
zu ihrem Mitarbeiter flehentlich erbeten haben. Der Vater sieht ganz
erstaunt; er ist um die Gesundheit seines Sohnes besorgt; er ruft
einmal ueber das andre: Sohn, erhitze dich doch nicht so! schone deine
Lunge! ja doch, ich glaub es! gib dich zufrieden! es war so nicht
gemeint!
Lisette. Und Damis?--
Anton. Und Damis laesst nicht nach. Endlich greift sich der Vater an;
er ueberschreit ihn mit Gewalt und besaenftiget ihn mit einer Menge
solcher Lobsprueche, die in der Welt niemand verdient hat, verdient,
noch verdienen wird. Nun wird der Sohn wieder vernuenftig, und nun--ja
nun schreiten sie zu einem andern Punkte, zu einer andern Sache,--zu--
Lisette. Wozu denn?
Anton. Gott sei Dank, mein Maul kann schweigen!
Lisette. Du willst mir es nicht sagen?
Anton. Nimmermehr! ich bin zwar sonst ein schlechter Kerl; aber wenn
es auf die Verschwiegenheit ankoemmt--
Lisette. Lerne ich dich so kennen?
Anton. Ich daechte, das sollte dir lieb sein, dass ich schweigen kann;
und besonders von Heiratssachen oder was dem anhaengig ist--
Lisette. Weisst du nichts mehr? O das habe ich laengst gewusst.
Anton. Wie schoen sie mich ueber den Toelpel stossen will. Also waere es
ja nicht noetig, dass ich dir es sagte?--
Lisette. Freilich nicht! aber mich fuer dein schelmisches Misstrauen zu
raechen, weiss ich schon, was ich tun will. Du sollst es gewiss nicht
mehr wagen, gegen ein Maedchen von meiner Profession verschwiegen zu
sein! Besinnst du dich, wie du von deinem Herrn vor kurzem gesprochen
hast?
Anton. Besinnen? ein Mann, der in Geschaeften sitzt, der einen Tag
lang so viel zu reden hat wie ich, soll sich der auf allen Bettel
besinnen?
Lisette. Seinen Herrn verleumden, ist etwas mehr, sollte ich meinen.
Anton. Was? verleumden?
Lisette. Ha, ha! Herr Mann, der in Geschaeften sitzt, besinnen Sie
sich nun? Was haben Sie vorhin gegen seinen Vater von ihm geredt?
Anton. Das Maedel muss den Teufel haben, oder der verzweifelten Alte
hat geplaudert. Aber hoere, Lisette, weisst du es gewiss, was ich gesagt
habe? Was war es denn? Lass einmal hoeren.
Lisette. Du sollst alles hoeren, wenn ich es deinem Herrn erzaehlen
werde.
Anton. O wahrhaftig, ich glaube, du machst Ernst daraus. Du wirst
mir doch meinen Kredit bei meinem Herrn nicht verderben wollen? Wenn
du wirklich etwas weisst, so sei keine Naerrin!--Dass ihr Weibsvolk doch
niemals Spass versteht! Ich habe dir eine Ohrfeige vergeben, und du
willst dich, einer kleinen Neckerei wegen, raechen? Ich will dir ja
alles sagen.
Lisette. Nun so sage--
Anton. Aber du sagst doch nichts?--
Lisette. Je mehr du sagen wirst, je weniger werde ich sagen.
Anton. Was wird es sonst viel sein, als dass der Vater dem Sohne
nochmals die Heirat mit Julianen vorschlug? Damis schien ganz
aufmerksam zu sein, und--weiter kann ich dir nichts sagen.
Lisette. Weiter nichts? Gut, gut, dein Herr soll alles erfahren.
Anton. Um des Himmels willen, Lisette; ich will dir es nur gestehn.
Lisette. Nun so gesteh!
Anton. Ich will dir es nur gestehen, dass ich wahrhaftig nichts mehr
gehoert habe. Ich wurde eben weggeschickt. Nun weisst du wohl, wenn
man nicht zugegen ist, so kann man nicht viel hoeren--
Lisette. Das versteht sich. Aber was meinst du, wird Damis sich dazu
entschlossen haben?
Anton. Wenn er sich noch nicht dazu entschlossen hat, so will ich
mein Aeusserstes anwenden, dass er es noch tut. Ich soll fuer meine Muehe
bezahlt werden, Lisette; und du weisst wohl, wenn ich bezahlt werde,
dass alsdenn auch du--
Lisette. Ja, ja, auch ich verspreche dir's; du sollst redlich bezahlt
werden!--Unterstehe dich!--
Anton. Wie?
Lisette. Habe einmal das Herz!--
Anton. Was?
Lisette. Dummkopf! meine Jungfer will deinen Damis nicht haben--
Anton. Was tut das?--
Lisette. Folglich ist mein Wille, dass er sie auch nicht bekommen soll.
Anton. Folglich, wenn sie mein Herr wird haben wollen, so wird mein
Wille sein muessen, dass er sie bekommen soll.
Lisette. Hoere doch! du willst mein Mann werden und einen Willen fuer
dich haben? Buerschchen, das lass dir nicht einkommen! Dein Wille muss
mein Wille sein, oder--
Anton. St! potz Element! er koemmt; hoerst du? er koemmt! Nun sieh ja,
wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. Verstecke dich wenigstens;
verstecke dich! Er bringt sonst mich und dich um.
Lisette (beiseite). Halt, ich will beide betruegen!--Wo denn aber hin?
wohin? in das Kabinett?
Anton. Ja, ja, nur unterdessen hinein. Vielleicht geht er bald
wieder fort.--Und ich, ich will mich geschwind hieher setzen--(Er
setzt sich an den Tisch, nimmt ein Buch in die Hand und tut, als ob er
den Damis nicht gewahr wuerde.)
Vierter Auftritt
Anton. Damis.
Anton (vor sich). Ja, die Gelehrten--wie gluecklich sind die Leute
nicht!--Ist mein Vater nicht ein Esel gewesen, dass er mich nicht auch
auf ihre Profession getan hat! Zum Henker, was muss es fuer eine Lust
sein, wenn man alles in der Welt weiss, so wie mein Herr!--Potz Stern,
die Buecher alle zu verstehn!--Wenn man nur darunter sitzt, man mag
darin lesen oder nicht, so ist man schon ein ganz andrer Mensch!--Ich
fuehl's, wahrhaftig ich fuehl's, der Verstand duftet mir recht daraus
entgegen.--Gewiss, er hat recht; ohne die Gelehrsamkeit ist man nichts
als eine Bestie.--Ich dumme Bestie!--(Beiseite.) Nun, wie lange wird
er mich noch schimpfen lassen?--Wir sind doch naerrisch gepaaret, ich
und mein Herr!--Er gibt dem Gelehrtesten und ich dem Ungelehrtesten
nichts nach.--Ich will auch noch heute anfangen zu lesen.--Wenn ich
ein Loch von achtzig Jahren in die Welt lebe, so kann ich schon noch
ein ganzer Kerl werden.--Nur frisch angefangen! Da sind Buecher genug!
--Ich will mir das kleinste aussuchen; denn anfangs muss man sich nicht
uebernehmen.--Ha! da finde ich ein allerliebstes Buechelchen.--In so
einem muss es sich mit Lust studieren lassen.--Nur frisch angefangen,
Anton!--Es wird doch gleichviel sein, ob hinten oder vorne?--Wahrhaftig,
es waere eine Schande fuer meinen so erstaunlich, so erschrecklich, so
abscheulich gelehrten Herrn, wenn er laenger einen so dummen Bedienten
haben sollte--
Damis (indem er sich ihm vollends naehert). Ja freilich waere es eine
Schande fuer ihn.
Anton. Hilf Himmel! mein Herr--
Damis. Erschrick nur nicht! Ich habe alles gehoert--
Anton. Sie haben alles gehoert?--ich bitte tausendmal um Verzeihung,
wenn ich etwas Unrechtes gesprochen habe.--Ich war so eingenommen, so
eingenommen von der Schoenheit der Gelehrsamkeit--verzeihen Sie mir
meinen dummen Streich--, dass ich selbst noch gelehrt werden wollte.
Damis. Schimpfe doch nicht selbst den kluegsten Einfall, den du
zeitlebens gehabt hast.
Anton. Vor zwanzig Jahren moechte er klug genug gewesen sein.
Damis. Glaube mir, noch bist du zu den Wissenschaften nicht zu alt.
Wir koennen in unsrer Republik schon mehrere aufweisen, die sich
gleichfalls den Musen nicht eher in die Arme geworfen haben.
Anton. Nicht in die Arme allein, ich will mich ihnen in den Schoss
werfen.--Aber in welcher Stadt sind die Leute?
Damis. In welcher Stadt?
Anton. Ja; ich muss hin, sie kennenzulernen. Sie muessen mir sagen,
wie sie es angefangen haben.--
Damis. Was willst du mit der Stadt?
Anton. Sie denken etwa, ich weiss nicht, was eine Republik
ist?--Sachsen, zum Exempel--Und eine Republik hat ja mehr wie eine
Stadt? nicht?
Damis. Was fuer ein Idiote! Ich rede von der Republik der Gelehrten.
Was geht uns Gelehrten Sachsen, was Deutschland, was Europa an? Ein
Gelehrter, wie ich bin, ist fuer die ganze Welt; er ist ein Kosmopolit:
er ist eine Sonne, die den ganzen Erdball erleuchten muss--
Anton. Aber sie muss doch wo liegen, die Republik der Gelehrten.
Damis. Wo liegen? dummer Teufel! die gelehrte Republik ist ueberall.
Anton. Ueberall? und also ist sie mit der Republik der Narren an
einem Orte? Die, hat man mir gesagt, ist auch ueberall.
Damis. Ja freilich sind die Narren und die Klugen, die Gelehrten und
die Ungelehrten ueberall untermengt, und zwar so, dass die letztern
immer den groessten Teil ausmachen. Du kannst es an unserm Hause sehen.
Mit wieviel Toren und Unwissenden findest du mich nicht hier umgeben?
Einige davon wissen nichts, und wissen es, dass sie nichts wissen.
Unter diese gehoerst du. Sie wollten aber doch gern etwas lernen, und
deswegen sind sie noch die ertraeglichsten. Andre wissen nichts und
wollen auch nichts wissen; sie halten sich bei ihrer Unwissenheit fuer
gluecklich; sie scheuen das Licht der Gelehrsamkeit--
Anton. Das Eulengeschlecht!
Damis. Noch andre aber wissen nichts und glauben doch etwas zu wissen;
sie haben nichts, gar nichts gelernt, und wollen doch den Schein
haben, als haetten sie etwas gelernt. Und diese sind die
allerunertraeglichsten Narren, worunter, die Wahrheit zu bekennen, auch
mein Vater gehoert.
Anton. Sie werden doch Ihren Vater, bedenken Sie doch, Ihren Vater,
nicht zu einem Erznarren machen?
Damis. Lerne distinguieren! Ich schimpfe meinen Vater nicht,
insofern er mein Vater ist, sondern insofern ich ihn als einen
betrachten kann, der den Schein der Gelehrsamkeit unverdienterweise an
sich reissen will. Insofern verdient er meinen Unwillen. Ich habe es
ihm schon oft zu verstehen gegeben, wie aergerlich er mir ist, wenn er,
als ein Kaufmann, als ein Mann, der nichts mehr als gute und schlechte
Waren, gutes und falsches Geld kennen darf und hoechstens das letzte
fuer das erste wegzugeben wissen soll; wenn der, sage ich, mit seinen
Schulbrocken, bei welchen ich doch noch immer etwas erinnern muss, so
prahlen will. In dieser Absicht ist er ein Narr, er mag mein Vater
sein, oder nicht.
Anton. Schade! ewig schade! dass ich das insofern und in Absicht nicht
als ein Junge gewusst habe. Mein Vater haette mir gewiss nicht so viel
Pruegel umsonst geben sollen. Er haette sie alle richtig wiederbekommen;
nicht insofern als mein Vater, sondern insofern als einer, der mich
zuerst geschlagen haette. Es lebe die Gelehrsamkeit!--
Damis. Halt! ich besinne mich auf einen Grundsatz des natuerlichen
Rechts, der diesem Gedanken vortrefflich zustatten koemmt. Ich muss
doch den Hobbes nachsehen!--Geduld! daraus will ich gewiss eine schoene
Schrift machen!
Anton. Um zu beweisen, dass man seinen Vater wiederpruegeln duerfe?--
Damis. Certo respectu allerdings. Nur muss man sich wohl in acht
nehmen, dass man, wenn man ihn schlaegt, nicht den Vater, sondern den
Aggressor zu schlagen sich einbildet; denn sonst--
Anton. Aggressor? Was ist das fuer ein Ding?
Damis. So heisst der, welcher ausschlaegt--
Anton. Ha, ha! nun versteh ich's. Zum Exempel; Ihnen, mein Herr,
stiesse wieder einmal eine kleine gelehrte Raserei zu, die sich meinem
Buckel durch eine Tracht Schlaege empfindlich machte: so waeren Sie--wie
heisst es?--der Aggressor; und ich, ich wuerde berechtiget sein, mich
ueber den Aggressor zu erbarmen, und ihm--
Damis. Kerl, du bist toll!--
Anton. Sorgen Sie nicht; ich wollte meine Gedanken schon so zu
richten wissen, dass der Herr unterdessen beiseite geschafft wuerde--
Damis. Nun wahrhaftig, das waere ein merkwuerdiges Exempel, in was fuer
verderbliche Irrtuemer man verfallen kann, wenn man nicht weiss, aus
welcher Disziplin diese oder jene Wahrheit zu entscheiden ist. Die
Pruegel, die ein Bedienter von seinem Herrn bekommt, gehoeren nicht in
das Recht der Natur, sondern in das buergerliche Recht. Wenn sich ein
Bedienter vermietet, so vermietet er auch seinen Buckel mit. Diesen
Grundsatz merke dir.
Anton. Aus dem buergerlichen Rechte ist er? O das muss ein garstiges
Recht sein. Aber ich sehe es nun schon! die verzweifelte
Gelehrsamkeit, sie kann ebenso leicht zu Pruegeln verhelfen als dafuer
schuetzen. Was wollte ich nicht darum geben, wenn ich mich auf alle
ihre waechserne Nasen so gut verstuende als Sie--O Herr Damis, erbarmen
Sie sich meiner Dummheit!
Damis. Nun wohl, wenn es dein Ernst ist, so greife das Werk an. Es
erfreut mich, der Gelehrsamkeit durch mein Exempel einen Proselyten
gemacht zu haben. Ich will dich redlich mit meinem Rate und meinen
Lehren unterstuetzen. Bringst du es zu etwas, so verspreche ich dir,
dich in die gelehrte Welt selbst einzufuehren und mit einem besondern
Werke dich ihr anzukuendigen. Vielleicht ergreife ich die Gelegenheit,
etwas de Eruditis sero ad literas admissis oder de Opsimathia oder
auch de studio senili zu schreiben, und so wirst du auf einmal beruehmt.
--Doch lass einmal sehen, ob ich mir von deiner Lehrbegierde viel zu
versprechen habe? Welch Buch hattest du vorhin in Haenden?
Anton. Es war ein ganz kleines--
Damis. Welches denn?--
Anton. Es war so allerliebst eingebunden, mit Golde auf dem Ruecken
und auf dem Schnitte. Wo legte ich's doch hin? Da! da!
Damis. Das hattest du? das?
Anton. Ja, das!
Damis. Das?
Anton. Bin ich an das unrechte gekommen? weil es so huebsch klein war--
Damis. Ich haette dir selbst kein bessres vorschlagen koennen.
Anton. Das dacht' ich wohl, dass es ein schoen Buch sein muesse. Wuerde
es wohl sonst einen so schoenen Rock haben?
Damis. Es ist ein Buch, das seinesgleichen nicht hat. Ich habe es
selbst geschrieben. Siehst du?--Auctore Damide!
Anton. Sie selbst? Nu, nu, habe ich's doch immer gehoert, dass man die
leiblichen Kinder besser in Kleidung haelt als die Stiefkinder. Das
zeugt von der vaeterlichen Liebe.
Damis. Ich habe mich in diesem Buche, so zu reden, selbst uebertroffen.
Sooft ich es wieder lese, sooft lerne ich auch etwas Neues daraus.
Anton. Aus Ihrem eignen Buche?
Damis. Wundert dich das?--Ach verdammt! nun erinnere ich mich erst:
mein Gott, das arme Maedchen! Sie wird doch nicht noch in dem
Kabinette stecken (Er geht darauf los.)
Anton. Um Gottes willen, wo wollen Sie hin?
Damis. Was fehlt dir? ins Kabinett. Hast du Lisetten gesehen?
Anton. Nun bin ich verloren!--Nein, Herr Damis, nein; so wahr ich
lebe, sie ist nicht drinne.
Damis. Du hast sie also sehen herausgehen? Ist sie schon lange fort?
Anton. Ich habe sie, so wahr ich ehrlich bin, nicht sehen hereingehen.
Sie ist nicht drinne; glauben Sie mir nur, sie ist nicht drinne--
Fuenfter Auftritt
Lisette. Damis. Anton.
Lisette. Allerdings ist sie noch drinne--
Anton. O das Rabenaas!
Damis. So lange hat Sie sich hier versteckt gehalten? Arme Lisette!
das war mein Wille gar nicht. Sobald mein Vater aus der Stube gewesen
waere, haette Sie immer wieder herausgehen koennen.
Lisette. Ich wusste doch nicht, ob ich recht taete. Ich wollte also
lieber warten, bis mich der, der mich versteckt hatte, selbst wieder
hervorkommen hiess--
Anton. Zum Henker, von was fuer einem Verstecken reden die? (Sachte
zu Lisetten.) So, du feines Tierchen? hat dich mein Herr selbst schon
einmal versteckt? Nun weiss ich doch, wie ich die gestrige Ohrfeige
auslegen soll. Du Falsche!
Lisette. Schweig; sage nicht ein Wort, dass ich zuvor bei dir gewesen
bin, oder--du weisst schon--
Damis. Was schwatzt ihr denn beide da zusammen? Darf ich es nicht
hoeren?
Lisette. Es war nichts; ich sagte ihm bloss, er solle heruntergehen,
dass, wenn meine Jungfer nach mir fragte, er unterdessen sagen koennte,
ich sei ausgegangen. Juliane ist misstrauisch; sie suchte mich doch
wohl hier, wenn sie mich brauchte.
Damis. Das ist vernuenftig. Gleich, Anton, geh!
Anton. Das verlangst du im Ernste, Lisette?
Lisette. Freilich; fort, lass uns allein.
Damis. Wirst du bald gehen?
Anton. Bedenken Sie doch selbst, Herr Damis; wann Sie nun ihr
Geplaudre werden ueberdruessig sein, und das wird gar bald geschehen,
wer soll sie Ihnen denn aus der Stube jagen helfen, wenn ich nicht
dabei bin?
Lisette. Warte, ich will dein Laestermaul--
Damis. Lass dich unbekuemmert! Wann sie mir beschwerlich faellt, wird
sie schon selbst so vernuenftig sein und gehen.
Anton. Aber betrachten Sie nur: ein Weibsbild in Ihrer Studierstube!
Was wird Ihr Gott sagen? Er kann ja das Ungeziefer nicht leiden.
Lisette. Endlich werde ich dich wohl zur Stube hinausschmeissen muessen?
Anton. Das waere mir gelegen.--Die verdammten Maedel! auch bei dem
Teufel koennen sie sich einschmeicheln. (Geht ab.)
Sechster Auftritt
Lisette. Damis
Damis. Und wo blieben wir denn vorhin?
Lisette. Wo blieben wir? bei dem, was ich allezeit am liebsten hoere
und wovon ich allezeit am liebsten rede, bei Ihrem Lobe. Wenn es nur
nicht eine so gar kitzliche Sache waere, einen ins Gesicht zu loben!
--Ich kann Ihnen unmoeglich die Marter antun.
Damis. Aber ich beteure Ihr nochmals, Lisette: es ist mir nicht um
mein Lob zu tun! Ich moechte nur gern hoeren, auf was fuer verschiedene
Art verschiedene Personen einerlei Gegenstand betrachtet haben.
Lisette. Jeder lobte dasjenige an Ihnen, was er an sich
Lobenswuerdiges zu finden glaubte. Zum Exempel, der kleine dicke Mann
mit der ernsthaften Miene, der so selten lacht, der aber, wenn er
einmal zu lachen anfaengt, mit dem erschuetterten Bauche den ganzen
Tisch ueber den Haufen wirft--
Damis. Und wer ist das? Aus Ihrer Beschreibung, Lisette, kann ich es
nicht erraten--O es ist mit den Beschreibungen eine kitzliche Sache!
Es gehoert nicht wenig dazu, sie so einzurichten, dass man, gleich bei
dem ersten Anblicke, das Beschriebene erkennen kann. Ueber nichts
aber muss ich mehr lachen, als wenn ich bei diesem und jenem grossen
Philosophen, wahrhaftig bei Maennern, die schon einer ganzen Sekte
ihren Namen gegeben haben, oefters Beschreibungen anstatt Erklaerungen
antreffe. Das macht, die guten Herren haben mehr Einbildungskraft als
Beurteilung. Bei der Erklaerung muss der Verstand in das Innere der
Dinge eindringen; bei der Beschreibung aber darf man bloss auf die
aeusserlichen Merkmale, auf das--
Lisette. Wir kommen von unsrer Sache, Herr Damis. Ihr Lob--
Damis. Jawohl; fahr Sie nur fort, Lisette. Von wem wollte Sie vorhin
reden?
Lisette. Je, sollten Sie denn den kleinen Mann nicht kennen? Er
blaeset immer die Backen auf--
Damis. Sie meint vielleicht den alten Ratsherrn?
Lisette. Ganz recht, aber seinen Namen--
Damis. Was liegt an dem?--
Lisette. "Ja, Herr Chrysander", sagte also der Ratsherr, an dessen
Namen nichts gelegen ist, "Ihr Herr Sohn kann einmal der beste
Ratsherr von der Welt werden, wenn er sich nur darauf applizieren will."
Es gehoert ein aufgeweckter Geist dazu; den hat er: eine fixe Zunge;
die hat er: eine tiefe Einsicht in die Staatskunst; die hat er: eine
Geschicklichkeit, seine Gedanken zierlich auf das Papier zu bringen;
die hat er: eine verschlagne Aufmerksamkeit auf die geringsten
Bewegungen unruhiger Buerger; die hat er: und wenn er sie nicht hat--o
die Uebung--die Uebung! Ich weiss ja, wie mir es anfangs ging. Freilich
kann man die Geschicklichkeit zu einem so schweren Amte nicht gleich
mit auf die Welt bringen--
Damis. Der Narr! es ist zwar wahr, dass ich alle diese
Geschicklichkeiten besitze; allein mit der Haelfte derselben koennte ich
Geheimter Rat werden, und nicht bloss--
Siebenter Auftritt
Anton. Lisette. Damis.
Damis. Nun, was willst du schon wieder?
Anton. Mamsell Juliane weiss es nun, dass Lisette ausgegangen ist.
Fuerchten Sie sich nur nicht; sie wird uns nicht ueberraschen--
Damis. Wer hiess dich denn wiederkommen?
Anton. Sollte ich wohl meinen Herrn allein lassen? Und dazu, es
ueberfiel mich auf einmal so eine Angst, so eine Bangigkeit; die Ohren
fingen mir an zu klingen und besonders das linke--Lisette! Lisette!
Lisette. Was willst du denn?
Anton (sachte zu Lisetten). Was habt ihr denn beide allein gemacht?
Was gilt's, es ging auf meine Unkosten!
Lisette. O pack dich--Ich weiss nicht, was der Narre will.
Damis. Fort, Anton! es ist die hoechste Zeit; du musst wieder auf die
Post sehen. Ich weiss auch gar nicht, wo sie so lange bleibt.--Wird's
bald?
Anton. Lisette, komm mit!
Damis. Was soll denn Lisette mit?
Anton. Und was soll sie denn bei Ihnen?
Damis. Unwissender!
Anton. Ja freilich ist es mein Unglueck, dass ich es nicht weiss.
(Sachte zu Lisetten.) Rede nur wenigstens ein wenig laut, damit ich
hoere, was unter euch vorgeht--Ich werde horchen--(Gehet ab.)
Achter Auftritt
Lisette. Damis.
Lisette. Lassen Sie uns ein wenig sachte reden. Sie wissen wohl, man
ist vor dem Horcher nicht sicher.
Damis. Jawohl; fahr Sie also nur sachte fort.
Lisette. Sie kennen doch wohl des Herrn Chrysanders Beichtvater?
Damis. Beichtvater? soll ich denn alle solche Handwerksgelehrte
kennen?
Lisette. Wenigstens schien er Sie sehr wohl zu kennen. "Ein guter
Prediger", fiel er der dicken Rechtsgelehrsamkeit ins Wort, "sollte
Herr Damis gewiss auch werden. Eine schoene Statur; eine starke
deutliche Stimme; ein gutes Gedaechtnis; ein feiner Vortrag; eine
anstaendige Dreistigkeit; ein reifer Verstand, der ueber seine Meinungen
tuerkenmaessig zu halten weiss: alle diese Eigenschaften glaube ich, in
einem ziemlich hohen Grade, bei ihm bemerkt zu haben. Nur um einen
Punkt ist mir bange. Ich fuerchte, ich fuerchte, er ist auch ein wenig
von der Freigeisterei angesteckt."--"Ei, was Freigeisterei?" schrie
der schon halb trunkene Medikus. "Die Freigeister sind brave Leute!
Wird er deswegen keinen Kranken kurieren koennen? Wenn es nach mir
geht, so muss er ein Medikus werden. Griechisch kann er, und
Griechisch ist die halbe Medizin. (Indem sie allmaehlich wieder lauter
spricht.) Freilich das Herz, das dazu gehoert, kann sich niemand geben.
Doch das koemmt von sich selbst, wenn man erst eine Weile praktiziert
hat."--"Nu", fiel ihm ein alter Kaufmann in die Rede, "so muss es mit
den Herrn Medizinern wohl sein wie mit den Scharfrichtern. Wenn die
zum ersten Male koepfen, so zittern und beben sie; je oefter sie aber
den Versuch wiederholen, desto frischer geht es."--Und auf diesen
Einfall ward eine ganze Viertelstunde gelacht; in einem fort, in einem
fort; sogar das Trinken ward darueber vergessen.
Neunter Auftritt
Lisette. Damis. Anton.
Anton. Herr, die Post wird heute vor neun Uhr nicht kommen. Ich habe
gefragt; Sie koennen sieh darauf verlassen.
Damis. Musst du uns aber denn schon wieder stoeren, Idiote?
Anton. Es soll mir recht lieb sein, wann ich Sie nur noch zur rechten
Zeit gestoert habe.
Damis. Was willst du mit deiner rechten Zeit?
Anton. Ich will mich gegen Lisetten schon deutlicher erklaeren. Darf
ich ihr etwas ins Ohr sagen?
Lisette. Was wirst du mir ins Ohr zu sagen haben?
Anton. Nur ein Wort. (Sachte.) Du denkst, ich habe nicht gehorcht?
Sagtest du nicht: du haettest nicht Herz genug dazu? doch wenn du nur
erst das Ding eine Weile wuerdest praktizierst haben--O ich habe alles
gehoert--Kurz, wir sind geschiedne Leute! Du Unverschaemte, Garstige--
Lisette. Sage nur, was du willst?
Damis. Gleich, geh mir wieder aus den Augen! Und komme mir nicht
wieder vors Gesicht, bis ich dich rufen werde oder bis du mir Briefe
von Berlin bringst!--Ich kann sie kaum erwarten. So macht es die
uebermaessige Freude! Zwar sollte ich Hoffnung sagen, weil jene nur auf
das Gegenwaertige und diese auf das Zukuenftige geht. Doch hier ist das
Zukuenftige schon so gewiss als das Gegenwaertige. Ich brauche die
Sprache der Propheten, die ihrer Sachen doch unmoeglich so gewiss sein
konnten.--Die ganze Akademie muesste blind sein.--Nun, was stehst du
noch da? Wirst du gehen?
Zehnter Auftritt
Lisette. Damis.
Lisette. Da sehen Sie! so lobten Sie die Leute.
Damis. Ah, wann die Leute nicht besser loben koennen, so moechten sie
es nur gar bleiben lassen. Ich will mich nicht ruehmen, aber doch so
viel kann ich mir ohne Hochmut zutrauen: ich will meiner Braut die
Wahl lassen, ob sie lieber einen Doktor der Gottesgelahrtheit oder der
Rechte oder der Arzneikunst zu ihrem Manne haben will. In allen drei
Fakultaeten habe ich disputiert; in allen dreien habe ich--
Lisette. Sie sprechen von einer Braut? heiraten Sie denn wirklich?
Damis. Hat Sie denn auch schon davon gehoert, Lisette?
Lisette. Koemmt denn wohl ohn' unsereiner irgend in einem Hause eine
Heirat zustande? Aber eingebildet haette ich mir es nimmermehr, dass
Sie sich fuer Julianen entschliessen wuerden! fuer Julianen!
Damis. Groesstenteils tue ich es dem Vater zu Gefallen, der auf die
ausserordentlichste Weise deswegen in mich dringt. Ich weiss wohl, dass
Juliane meiner nicht wert ist. Allein soll ich einer solchen
Kleinigkeit wegen, als eine Heirat ist, den Vater vor den Kopf stossen?
Und dazu habe ich sonst einen Einfall, der mir ganz wohl lassen wird.
Lisette. Freilich ist Juliane Ihrer nicht wert; und wenn nur alle
Leute die gute Mamsell so kennten als ich--
Eilfter Auftritt
Anton. Damis. Lisette.
Anton (vor sich). Ich kann die Leute unmoeglich so alleine lassen.
--Herr Valer fragt, ob Sie in Ihrer Stube sind? Sind Sie noch da,
Herr Damis?
Damis. Sage mir nur, Unwissender, hast du dir es denn heute recht
vorgesetzt, mir beschwerlich zu fallen?
Lisette. So lassen Sie ihn nur da, Herr Damis. Er bleibt doch nicht
weg--
Anton. Ja, jetzt soll ich dableiben; jetzt, da es schon vielleicht
vorbei ist, was ich nicht hoeren und sehen sollte.
Damis. Was soll denn vorbei sein?
Anton. Das werden Sie wohl wissen.
Lisette (sachte). Jetzt, Anton, hilf mir, Julianen bei deinem Herrn
recht schwarz machen. Willst du?
Anton. Ei ja doch! zum Danke vielleicht--
Lisette. So schweig wenigstens.--Notwendig, Herr Damis, muessen Sie
mit Julianen uebel fahren. Ich bedaure Sie im voraus. Der ganze
Erdboden traegt kein aergeres Frauenzimmer--
Anton. Glauben Sie es nicht, Herr Damis; Juliane ist ein recht gut
Kind. Sie koennen mit keiner in der Welt besser fahren. Ich wuensche
Ihnen im voraus Glueck.
Lisette. Wahrhaftig! du musst gegen deinen Herrn sehr redlich gesinnt
sein, dass du ihm eine so unertraegliche Plage an den Hals schwatzen
willst.
Anton. Noch weit redlicher musst du gegen deine Mamsell sein, dass du
ihr einen so guten Ehemann, als Herr Damis werden wird, missgoennest.
Lisette. Einen guten Ehemann? Nun wahrhaftig, ein guter Ehemann, das
ist auch alles, was sie sich wuenscht. Ein Mann, der alles gut sein
laesst--
Anton. Ho! ho! alles? Hoeren Sie, Herr Damis, fuer was Sie Lisette
ansieht? Aus der Ursache moechtest du wohl selbst gern seine Frau
sein? Alles? ei! unter das alles, gehoert wohl auch--? du verstehst
mich doch?
Damis. Aber im Ernste, Lisette; glaubt Sie wirklich, dass Ihre Jungfer
eine recht boese Frau werden wird? Hat sie in der Tat viel schlimme
Eigenschaften?
Lisette. Viel? Sie hat sie alle, die man haben kann; auch nicht die
ausgenommen, die einander widersprechen.
Damis. Will Sie mir nicht ein Verzeichnis davon geben?
Lisette. Wo soll ich anfangen?--Sie ist albern--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Und ich sage: Luegen!
Lisette. Sie ist zaenkisch--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Und ich sage: Luegen!
Lisette. Sie ist eitel--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Luegen! sag ich.
Lisette. Sie ist keine Wirtin--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Luegen!
Lisette. Sie wird Sie durch uebertriebenen Staat, durch bestaendige
Ergoetzlichkeiten und Schmausereien, um alle das Ihrige bringen--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Luegen!
Lisette. Sie wird Ihnen die Sorge um eine Herde Kinder auf den Hals
laden--
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Das tun die besten Weiber am ersten!
Lisette. Aber um Kinder, die aus der rechten Quelle nicht geholt sind.
Damis. Kleinigkeit!
Anton. Und zwar Kleinigkeit nach der Mode!
Lisette. Kleinigkeit? aber was denken Sie denn, Herr Damis?
Damis. Ich denke, dass Juliane nicht arg genug sein kann. Ist sie
albern? ich bin desto klueger; ist sie zaenkisch? ich bin desto
gelassener; ist sie eitel? ich bin desto philosophischer gesinnt;
vertut sie? sie wird aufhoeren, wenn sie nichts mehr hat; ist sie
fruchtbar? so mag sie sehen, was sie vermag, wann sie es mit mir um
die Wette sein will. Ein jedes mache sich ewig, womit es kann; das
Weib durch Kinder, der Mann durch Buecher.
Anton. Aber merken Sie denn nicht, dass Lisette ihre Ursachen haben
muss, Julianen so zu verleumden?
Damis. Ach freilich merk ich es. Sie goennt mich ihr und beschreibt
sie mir also vollkommen nach meinem Geschmacke. Sie hat es ohne
Zweifel geschlossen, dass ich ihre Mamsell nur eben deswegen, weil sie
das unertraeglichste Frauenzimmer ist, heiraten will.
Lisette. Nur deswegen? nur deswegen? und das haette ich geschlossen?
Ich muesste Sie fuer irre im Kopfe gehalten haben. Ueberlegen Sie doch
nur--
Damis. Das geht zu weit, Lisette! Traut Sie mir keine Ueberlegung zu?
Was ich gesagt habe, ist die Frucht einer nur allzu scharfen
Ueberlegung. Ja, es ist beschlossen: ich will die Zahl der ungluecklich
scheinenden Gelehrten, die sich mit boesen Weibern vermaehlt haben,
vermehren. Dieser Vorsatz ist nicht von heute.
Anton. Nein, wahrhaftig!--Was aber der Teufel nicht tun kann! Wer
haette es sich jetzt sollen traeumen lassen, jetzt da es Ernst werden
soll? Ich muss lachen; Lisette wollte ihn von der Heirat abziehen und
hat ihm nur mehr dazu beredt; und ich, ich wollte ihn dazu bereden und
haette ihn bald davon abgezogen.
Damis. Einmal soll geheiratet sein. Auf eine recht gute Frau darf
ich mir nicht Rechnung machen; also waehle ich mir eine recht schlimme.
Eine Frau von der gemeinen Art, die weder kalt noch warm, weder recht
gut noch recht schlimm ist, taugt fuer einen Gelehrten nichts, ganz und
gar nichts! Wer wird sich nach seinem Tode um sie bekuemmern?
Gleichwohl verdient er es doch, dass sein ganzes Haus mit ihm
unsterblich bleibe. Kann ich keine Frau haben, die einmal ihren Platz
in einer Abhandlung de bonis Eruditorum uxoribus findet, so will ich
wenigstens eine haben, mit welcher ein fleissiger Mann seine Sammlung
de malis Eruditorum uxoribus vermehren kann. Ja, ja; ich bin es
ohnehin meinem Vater, als der einzige Sohn, schuldig, auf die
Erhaltung seines Namens mit der aeussersten Sorgfalt bedacht zu sein.
Lisette. Kaum kann ich mich von meinem Erstaunen erholen--Ich habe
Sie, Herr Damis, fuer einen so grossen Geist gehalten--
Damis. Und das nicht mit Unrecht. Doch eben hierdurch glaube ich den
staerksten Beweis davon zu geben.
Lisette. Ich moechte platzen!--Ja, ja, den staerksten Beweis, dass
niemand schwerer zu fangen ist als ein junger Gelehrter; nicht sowohl
wegen seiner Einsicht und Verschlagenheit als wegen seiner Narrheit.
Damis. Wie, so naseweis, Lisette? Ein junger Gelehrter?--ein junger
Gelehrter?--
Lisette. Ich will Ihnen die Verweise ersparen. Valer soll gleich von
allem Nachricht bekommen. Ich bin Ihre Dienerin.
Zwoelfter Auftritt
Anton. Damis.
Anton. Da sehen Sie! Nun laeuft sie fort, da Sie nach ihrer Pfeife
nicht tanzen wollen.--
Damis. Mulier non Homo! bald werde ich auch dieses Paradoxon fuer wahr
halten. Wodurch zeigt man, dass man ein Mensch ist? Durch den
Verstand. Wodurch zeigt man, dass man Verstand hat? Wann man die
Gelehrten und die Gelehrsamkeit gehoerig zu schaetzen weiss. Dieses kann
kein Weibsbild, und also hat es keinen Verstand, und also ist es kein
Mensch. Ja, wahrhaftig ja; in diesem Paradoxo liegt mehr Wahrheit als
in zwanzig Lehrbuechern.
Anton. Wie ist mir denn? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie Herr
Valer gesucht hat? Wollen Sie nicht gehen und ihn sprechen?
Damis. Valer? ich will ihn erwarten. Die Zeiten sind vorbei, da ich
ihn hochschaetzte. Er hat seit einigen Jahren die Buecher beiseite
gelegt; er hat sich das Vorurteil in den Kopf setzen lassen, dass man
sich vollends durch den Umgang und durch die Kenntnis der Welt
geschickt machen muesse, dem Staate nuetzliche Dienste zu leisten. Was
kann ich mehr tun als ihn bedauern? Doch ja, endlich werde ich mich
auch seiner schaemen muessen. Ich werde mich schaemen muessen, dass ich
ihn ehemals meiner Freundschaft wert geschaetzt habe. O wie ekel muss
man in der Freundschaft sein! Doch was hat geholfen, dass ich es bis
auf den hoechsten Grad gewesen bin? Umsonst habe ich mich vor der
Bekanntschaft aller mittelmaessigen Koepfe gehuetet; umsonst habe ich mich
bestrebt, nur mit Genies, nur mit originellen Geistern umzugehen:
dennoch musste mich Valer, unter der Larve eines solchen, hintergehen.
O Valer! Valer!
Anton. Laut genug, wenn er es hoeren soll.
Damis. Ich haette ueber sein kaltsinniges Kompliment bersten moegen!
Von was unterhielt er mich? von nichtswuerdigen Kleinigkeiten. Und
gleichwohl kam er von Berlin, und gleichwohl haette er mir die
allerangenehmste Neuigkeit zuerst berichten koennen. O Valer! Valer!
Anton. St! wahrhaftig er koemmt. Sehen Sie, dass er sich nicht dreimal
rufen laesst?
Dreizehnter Auftritt
Damis. Valer. Anton.
Valer. Verzeihen Sie, liebster Freund, dass ich Sie in Ihrer gelehrten
Ruhe stoere--
Anton. Wenn er doch gleich sagte, Faulheit.
Damis. Stoeren? Ich sollte glauben, dass Sie mich zu stoeren kaemen?
Nein, Valer, ich kenne Sie zu wohl; Sie kommen, mir die angenehmsten
Neuigkeiten zu hinterbringen, die der Aufmerksamkeit eines Gelehrten,
der seine Belohnung erwartet, wuerdig sind.--Einen Stuhl, Anton!
--Setzen Sie sich.
Valer. Sie irren sich, liebster Freund. Ich komme, Ihnen die
Unbestaendigkeit Ihres Vaters zu klagen; ich komme, eine Erklaerung von
Ihnen zu verlangen, von welcher mein ganzes Glueck abhaengen wird.--
Damis. Oh! ich konnte es Ihnen gleich ansehen, dass Sie vorhin die
Gegenwart meines Vaters abhielt, sich mit mir vertraulicher zu
besprechen und mir Ihre Freude ueber die Ehre zu bezeigen, die mir der
billige Ausspruch der Akademie--
Valer. Nein, allzu gelehrter Freund; lassen Sie uns einen Augenblick
von etwas minder Gleichgueltigem reden.
Damis. Von etwas minder Gleichgueltigem? Also ist Ihnen meine Ehre
gleichgueltig? Falscher Freund!--
Valer. Ihnen wird diese Benennung zukommen, wann Sie mich laenger von
dem, was fuer ein zaertliches Herz das wichtigste ist, abbringen werden.
Ist es wahr, dass Sie Julianen heiraten wollen? dass Ihr Vater dieses
allzu zaertliche Frauenzimmer durch Bande der Dankbarkeit binden will,
in seiner Wahl minder frei zu handeln? Habe ich Ihnen jemals aus
meiner Neigung gegen Julianen ein Geheimnis gemacht? Haben Sie mir
nicht von jeher versprochen, meiner Liebe behilflich zu sein?
Damis. Sie ereifern sich, Valer; und vergessen, dass ein Weibsbild die
Ursache ist. Schlagen Sie sich diese Kleinigkeit aus dem Sinne--Sie
muessen in Berlin gewesen sein, da die Akademie den Preis auf dieses
Jahr ausgeteilet hat. Die Monaden sind die Aufgabe gewesen. Sollten
Sie nicht etwa gehoert haben, dass die Devise--
Valer. Wie grausam sind Sie, Damis! So antworten Sie mir doch!
Damis. Und Sie wollen mir nicht antworten? Besinnen Sie sich; sollte
nicht die Devise Unum est necessarium sein gekroent worden? Ich
schmeichle mir wenigstens--
Valer. Bald schmeichle ich mir nun mit nichts mehr, da ich Sie so
ausschweifend sehe. Bald werde ich nun auch glauben muessen, dass die
Nachricht, die ich fuer eine Spoetterei von Lisetten gehalten habe,
gegruendet sei. Sie halten Julianen fuer Ihrer unwert, Sie halten sie
fuer die Schande ihres Geschlechts, und eben deswegen wollen Sie sie
heiraten? Was fuer ein ungeheurer Einfall!
Damis. Ha! ha! ha!
Valer. Ja, lachen Sie nur, Damis, lachen Sie nur! Ich bin ein Tor,
dass ich einen Augenblick solchen Unsinn von Ihnen habe glauben koennen.
Sie haben Lisetten zum besten gehabt oder Lisette mich. Nein, nur in
ein zerruettetes Gehirn kann ein solcher Entschluss kommen! Ihn zu
verabscheuen braucht man nur vernuenftig zu denken und lange nicht edel,
wie Sie doch zu denken gewohnt sind. Aber loesen Sie mir, ich bitte
Sie, dieses marternde Raetsel!
Damis. Bald werden Sie mich, Valer, auf Ihr Geschwaetze aufmerksam
gemacht haben. So verlangen Sie doch in der Tat, dass ich meinen Ruhm
Ihrer toerichten Neigung nachsetzen soll? Meinen Ruhm!--Doch
wahrhaftig, ich will vielmehr glauben, dass Sie scherzen. Sie wollen
versuchen, ob ich in meinen Entschliessungen auch wankelhaft bin.
Valer. Ich scherzen? der Scherz sei verflucht, der mir hier in den
Sinn kommt!--
Damis. Desto lieber ist mir es, wann Sie endlich ernsthaft reden
wollen. Was ich Ihnen sage: die Schrift mit der Devise Unum est
necessarium--
Vierzehnter Auftritt
Chrysander. Damis. Valer. Anton.
Chrysander (mit einem Zeitungsblatte in der Hand). Nun, nicht wahr,
Herr Valer? mein Sohn ist nicht von der Heirat abzubringen? Sehen Sie,
dass nicht sowohl ich als er auf diese Heirat dringt?
Damis. Ich? ich auf die Heirat dringen?
Chrysander. St! st! st!
Damis. Ei was st, st? Meine Ehre leidet hierunter. Koennte man nicht
auf die Gedanken kommen, wer weiss was mir an einer Frau gelegen sei?
Chrysander. St! st! st!
Valer. Oh! brauchen Sie doch keine Umstaende. Ich sehe es ja wohl;
Sie sind mir beide entgegen. Was fuer ein Unglueck hat mich in dieses
Haus fuehren muessen! Ich muss eine liebenswuerdige Person antreffen; ich
muss ihr gefallen und muss doch endlich, nach vieler Hoffnung, alle
Hoffnung verlieren. Damis, wenn ich jemals einiges Recht auf Ihre
Freundschaft gehabt habe--
Damis. Aber, nicht wahr, Valer? einer Sache wegen muss man auf die
Berlinische Akademie recht boese sein? Bedenken Sie doch, sie will
kuenftig die Aufgaben zu dem Preise zwei Jahr vorher bekanntmachen.
Warum denn zwei Jahr? war es nicht an einem genug? Haelt sie denn die
Deutschen fuer so langsame Koepfe? Seit ihrer Erneuerung habe ich jedes
Jahr meine Abhandlung mit eingeschickt; aber, ohne mich zu ruehmen,
laenger als acht Tage habe ich ueber keine zugebracht.
Chrysander. Wisst ihr denn aber auch, ihr lieben Leute, was in den
Niederlanden vorgegangen ist? Ich habe hier eben die neuste Zeitung.
Sie haben sich die Koepfe wacker gewaschen. Doch die Alliierten, ich
bin in der Tat recht boese auf sie. Haben sie nicht wieder einen
wunderbaren Streich gemacht!--
Anton. Nun, da reden alle drei etwas anders! Der spricht von der
Liebe; der von seinen Abhandlungen; der vom Kriege. Wenn ich auch
etwas Besonders reden soll, so werde ich vom Abendessen reden. Vom
Mittage an bis auf den Abend um sechs Uhr zu fasten sind keine
Narrenspossen.
Valer. Unglueckliche Liebe!
Damis. Die unbesonnene Akademie!
Chrysander. Die dummen Alliierten!
Anton. Die vierte Stimme fehlt noch: die langsamen Bratenwender!
Funfzehnter Auftritt
Lisette. Damis. Valer. Chrysander. Anton.
Lisette. Nun, Herr Chrysander? ich glaubte, Sie haetten die Herren zu
Tische rufen wollen? Ich sehe aber, Sie wollen selbst gerufen sein.
Es ist schon aufgetragen.
Anton. Das war die hoechste Zeit! dem Himmel sei Dank!
Chrysander. Es ist wahr; es ist wahr; ich haette es bald vergessen.
Der Zeitungsmann hielt mich auf der Treppe auf. Kommen Sie, Herr
Valer; wir wollen die jetzigen Staatsgeschaefte ein wenig miteinander
bei einem Glaeschen ueberlegen. Schlagen Sie sich Julianen aus dem
Kopfe. Und du, mein Sohn, du magst mit deiner Braut schwatzen. Du
wirst gewiss eine wackre Frau an ihr haben; nicht so eine Xanthippe
wie--
Damis. Xanthippe? wie verstehen Sie das? Sind Sie etwa auch noch in
dem poebelhaften Vorurteile, dass Xanthippe eine boese Frau gewesen sei?
Chrysander. Willst du sie etwa fuer eine gute halten? Du wirst doch
nicht die Xanthippe verteidigen? Pfui! das heisst einen Abc-Schnitzer
machen. Ich glaube, ihr Gelehrten, je mehr ihr lernt, je mehr vergesst
ihr.
Damis. Ich behaupte aber, dass man kein einzig tuechtiges Zeugnis fuer
Ihre Meinung anfuehren kann. Das ist das erste, was die ganze Sache
verdaechtig macht; und zum andern--
Lisette. Das ewige Geplaudre!
Chrysander. Lisette hat recht! Mein Sohn, contra principia negantem,
non est disputandum. Kommt! Kommt!
(Chrysander, Damis und Anton gehen ab.)
Valer. Nun ist alles fuer mich verloren, Lisette. Was soll ich
anfangen?
Lisette. Ich weiss keinen Rat; wann nicht der Brief--
Valer. Dieser Betrug waere zu arg, und Juliane will ihn nicht zugeben.
Lisette. Ei, was Betrug? Wenn der Betrug nuetzlich ist, so ist er
auch erlaubt. Ich sehe es wohl, ich werde es selbst tun muessen.
Kommen Sie nur fort, und fassen Sie wieder Mut.
Dritter Aufzug
Erster Auftritt
Lisette. Anton.
Lisette. So warte doch, Anton.
Anton. Ei, lass mich zufrieden. Ich mag mit dir nichts zu tun haben.
Lisette. Wollen wir uns also nicht wieder versoehnen? Willst du nicht
tun, was ich dich gebeten habe?
Anton. Dir sollte ich etwas zu Gefallen tun?
Lisette. Anton, lieber Anton, goldner Anton, tu es immer. Wie leicht
kannst du nicht dem Alten den Brief geben und ihm sagen, der
Posttraeger habe ihn gebracht?
Anton. Geh! du Schlange! Wie sie nun schmeicheln kann!--Halte mich
nicht auf. Ich soll meinem Herrn ein Buch bringen. Lass mich gehen.
Lisette. Deinem Herrn ein Buch? Was will er denn mit dem Buche bei
Tische?
Anton. Die Zeit wird ihm lang; und will er nicht muessige Weile haben,
so muss er sich doch wohl etwas zu tun machen.
Lisette. Die Zeit wird ihm lang? bei Tische? Wenn es noch in der
Kirche waere. Reden sie denn nichts?
Anton. Nicht ein Wort. Ich bin ein Schelm, wenn es auf einem
Totenmahle so stille zugehen kann.
Lisette. Wenigstens wird der Alte reden.
Anton. Der redt, ohne zu reden. Er isst und redt zugleich; und ich
glaube, er gaebe wer weiss was darum, wenn er noch dazu trinken koennte,
und das alles dreies auf einmal. Das Zeitungsblatt liegt neben dem
Teller; das eine Auge sieht auf den und das andre auf jenes. Mit dem
einen Backen kaut er, und mit dem andern redt er. Da kann es freilich
nun nicht anders sein, die Worte muessen auf dem Gekauten sitzenbleiben,
sodass man ihn mit genauer Not noch murmeln hoert.
Lisette. Was machen aber die uebrigen?
Anton. Die uebrigen? Valer und Juliane sind wie halb tot. Sie essen
nicht und reden nicht; sie sehen einander an; sie seufzen; sie
schlagen die Augen nieder; sie schielen bald nach dem Vater, bald nach
dem Sohne; sie werden weiss; sie werden rot. Der Zorn und die
Verzweiflung sieht beiden aus den Augen.--Aber juchhe! so recht!
Siehst du, dass es nicht nach deinem Kopfe gehen muss? Mein Herr soll
Julianen haben, und wenn--
Lisette. Ja, dein Herr! Was macht aber der?
Anton. Lauter dumme Streiche. Er kritzelt mit der Gabel auf dem
Teller; haengt den Kopf; bewegt das Maul, als ob er mit sich selbst
redte; wackelt mit dem Stuhle; stoesst einmal ein Weinglas um; laesst es
liegen; tut, als wenn er nichts merkte, bis ihm der Wein auf die
Kleider laufen will; nun faehrt er auf und spricht wohl gar, ich haette
es umgegossen.--Doch genug geplaudert; er wird auf mich fluchen, wo
ich ihm das Buch nicht bald bringe. Ich muss es doch suchen. Auf dem
Tische, zur rechten Hand, soll es liegen. Ja zur rechten Hand; welche
rechte Hand meint er denn? Trete ich so, so ist das die rechte Hand;
trete ich so, so ist sie das; trete ich so, so ist sie das; und das
wird sie, wenn ich so trete. (Tritt an alle vier Seiten des Tisches.)
Sage mir doch, Lisette, welches ist denn die rechte rechte Hand?
Lisette. Das weiss ich so wenig als du. Schade auf das Buch; er mag
es selbst holen. Aber Anton, wir vergessen das Wichtigste; den Brief--
Anton. Koemmst du mir schon wieder mit deinem Briefe? Denkt doch;
deinetwegen soll ich meinen Herrn betruegen?
Lisette. Es soll aber dein Schade nicht sein.
Anton. So? ist es mein Schade nicht, wann ich das, was mir Chrysander
versprochen hat, muss sitzenlassen?
Lisette. Dafuer aber verspricht dich Valer schadlos zu halten.
Anton. Wo verspricht er mir es denn?
Lisette. Wunderliche Haut! ich verspreche es dir an seiner Statt.
Anton. Und wenn du es auch an seiner Statt halten sollst, so werde
ich viel bekommen. Nein, nein; ein Sperling in der Hand ist besser
als eine Taube auf dem Dache.
Lisette. Wann du die Taube gewiss fangen kannst, so wird sie doch
besser sein als der Sperling?
Anton. Gewiss fangen! als wenn sich alles fangen liesse! Nicht wahr,
wann ich die Taube haschen will, so muss ich den Sperling aus der Hand
fliegen lassen?
Lisette. So lass ihn fliegen.
Anton. Gut! und wann sich nun die Taube auch davonmacht? Nein, nein,
Jungfer, so dumm ist Anton nicht.
Lisette. Was du fuer kindische Umstaende machst! Bedenke doch, wie
gluecklich du sein kannst.
Anton. Wie denn? lass doch hoeren.
Lisette. Valer hat versprochen, mich auszustatten. Was sind so einem
Kapitalisten tausend Taler?
Anton. Auf die machst du dir Rechnung?
Lisette. Wenigstens. Dich wuerde er auch nicht leer ausgehen lassen,
wann du mir behilflich waerest. Ich haette alsdenn Geld; du haettest
auch Geld: koennten wir nicht ein allerliebstes Paar werden?
Anton. Wir? ein Paar? Wenn dich mein Herr nicht versteckt haette.
Lisette. Tust du nicht recht albern! Ich habe dir ja alles erzaehlt,
was unter uns vorgegangen ist. Dein Herr, das Buecherwuermchen!
Anton. Ja, auch das sind verdammte Tiere, die Buecherwuermer. Es ist
schon wahr, ein Maedel wie du, mit tausend Talern, die ist wenigstens
tausend Taler wert; aber nur das Kabinett--das Kabinett--
Lisette. Hoere doch einmal auf, Anton, und lass dich nicht so lange
bitten.
Anton. Warum willst du aber dem Alten den Brief nicht selbst geben?
Lisette. Ich habe dir ja gesagt, was darin steht. Wie leicht koennte
Chrysander nicht argwoehnen--
Anton. Ja, ja, mein Aeffchen, ich merk es schon; du willst die
Kastanien aus der Asche haben und brauchst Katzenpfoten dazu.
Lisette. Je nun, mein liebes Katerchen, tu es immer!
Anton. Wie sie es einem ans Herze legen kann! Liebes Katerchen! Gib
nur her, den Brief; gib nur!
Lisette. Da, mein unvergleichlicher Anton--
Anton. Aber es hat doch mit der Ausstattung seine Richtigkeit?--
Lisette. Verlass dich drauf--
Anton. Und mit meiner Belohnung obendrein?--
Lisette. Desgleichen.
Anton. Nun wohl, der Brief ist uebergeben!
Lisette. Aber so bald als moeglich--
Anton. Wenn du willst, jetzt gleich. Komm!--Potz Stern! wer
koemmt?--Zum Henker, es ist Damis.
Zweiter Auftritt
Damis. Anton. Lisette.
Damis. Wo bleibt denn der Schlingel mit dem Buche?
Anton. Ich wollte gleich, ich wollte--Lisette und--Kurz, ich kann es
nicht finden, Herr Damis.
Damis. Nicht finden? Ich habe dir ja gesagt, auf welcher Hand es
liegt.
Anton. Auf der rechten, haben Sie wohl gesagt; aber nicht auf welcher
rechten? Und das wollte ich Sie gleich fragen kommen.
Damis. Dummkopf, kannst du nicht so viel erraten, dass ich von der
Seite rede, an welcher ich sitze?
Anton. Es ist auch wahr, Lisette; und darueber haben wir uns den Kopf
zerbrochen! Herr Damis ist doch immer klueger als wir! (Indem er ihm
hinterwaerts einen Moench sticht.) Nun will ich es wohl finden. Weiss
eingebunden, roten Schnitt, nicht? Gehen Sie nur, ich will es gleich
bringen.
Damis. Ja, nun ist es Zeit, da wir schon vom Tische aufgestanden sind.
Anton. Schon aufgestanden? Zum Henker, ich bin noch nicht satt.
Sind sie schon alle, alle aufgestanden?
Damis. Mein Vater wird noch sitzen und die Zeitung auswendig lernen,
damit er morgen in seinem Kraenzchen den Staatsmann spielen kann. Geh
geschwind, wenn du glaubst, von seinen politischen Brocken satt zu
werden. Was will aber Lisette hier?
Lisette. Bin ich jetzt nicht ebensowohl zu leiden als vorhin?
Damis. Nein, wahrhaftig nein. Vorhin glaubte ich, Lisette haette
wenigstens so viel Verstand, dass ihr Plaudern auf eine Viertelstunde
ertraeglich sein koennte; aber ich habe mich geirrt. Sie ist so dumm
wie alle uebrige im Hause.
Lisette. Ich habe die Ehre, mich im Namen aller uebrigen zu bedanken.
Anton. Verzweifelt! das geht ja jetzt aus einem ganz andern Tone!
Gott gebe, dass sie sich recht zanken! Aber zuhoeren mag ich
nicht--Lisette, ich will immer gehen.
Lisette (sachte). Den Brief vergiss nicht; geschwind!
Damis. So! hast du Lisetten um Urlaub zu bitten? Ich befehle dir:
bleib da. Ich wuesste nicht, wohin du zu gehen haettest.
Anton. Auf die Post, Herr Damis; auf die Post!
Damis. Doch, es ist wahr; nun so geh! geh!
Dritter Auftritt
Damis. Lisette.
Damis. Lisette kann sich nur auch gleich mit fortmachen. Will denn
meine Stube heute gar nicht leer werden? Bald ist der da, bald jener;
bald die, bald jene. Soll ich denn nicht einen Augenblick allein
sein? (Setzt sich an seinen Tisch.) Die Musen verlangen Einsamkeit,
und nichts verjagt sie eher als der Tumult. Ich habe so viele und
wichtige Verrichtungen, dass ich nicht weiss, wo ich zuerst anfangen
soll; und gleichwohl stoert man mich. Mit der Heirat, mit einer so
nichtswuerdigen Sache, ist der groesste Teil des Nachmittags
daraufgegangen; soll mir denn auch der Abend durch das ewige Hin- und
Wiederlaufen entrissen werden? Ich glaube, dass in keinem Hause der
Muessiggang so herrschen kann als in diesem.
Lisette. Und besonders auf dieser Stube.
Damis. Auf dieser Stube? Ungelehrte! Unwissende!
Lisette. Ist das geschimpft oder gelobt?
Damis. Was fuer eine niedertraechtige Seele! die Unwissenheit, die
Ungelehrsamkeit fuer keinen Schimpf zu halten! fuer keinen Schimpf? So
moechte ich doch die Begriffe wissen, die eine so unsinnige Schwaetzerin
von Ehre und Schande hat. Vielleicht, dass bei ihr die Gelehrsamkeit
ein Schimpf ist?
Lisette. Wahrhaftig, wann sie durchgaengig von dem Schlage ist wie bei
Ihnen--
Damis. Nein, das ist sie nicht. Die wenigsten haben es so weit
gebracht--
Lisette. Dass man nicht unterscheiden kann, ob sie naerrisch oder
gelehrt sind?--
Damis. Ich moechte aus der Haut fahren--
Lisette. Tun Sie das, und fahren Sie in eine kluegere.
Damis. Wie lange soll ich noch den Beleidigungen der nichtswuerdigsten
Kreatur ausgesetzt sein?--Tausend wuerden sich gluecklich preisen, wenn
sie nur den zehnten Teil meiner Verdienste haetten. Ich bin erst
zwanzig Jahr alt; und wie viele wollte ich finden, die dieses Alter
beinahe dreimal auf sich haben und gleichwohl mit mir--Doch ich rede
umsonst. Was kann es mir fuer Ehre bringen, eine Unsinnige von meiner
Geschicklichkeit zu ueberfuehren? Ich verstehe sieben Sprachen
vollkommen und bin erst zwanzig Jahr alt. In dem ganzen Umfange der
Geschichte und in allen mit ihr verwandten Wissenschaften bin ich ohne
gleichem--
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Wie stark ich in der Weltweisheit bin, bezeugt die hoechste
Wuerde, die ich schon vor drei Jahren darin erhalten habe. Noch
unwidersprechlicher wird es die Welt jetzt aus meiner Abhandlung von
den Monaden erkennen.--Ach, die verwuenschte Post!--
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Von meiner mehr als demosthenischen Beredsamkeit kann meine
satirische Lobrede auf den Nix der Nachwelt eine ewige Probe geben.
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Freilich! Auch in der Poesie darf ich meine Hand nach dem
unvergaenglichsten Lorbeer ausstrecken. Gegen mich kriecht Milton, und
Haller ist gegen mich ein Schwaetzer. Meine Freunde, welchen ich sonst
zum oeftern meine Versuche, wie ich sie zu nennen belieben vorgelesen
habe, wollen jetzt gar nichts mehr davon hoeren und versichern mich
allezeit auf das aufrichtigste, dass sie schon genugsam von meiner mehr
als goettlichen Ader ueberzeugt waeren.
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt!
Damis. Kurz, ich bin ein Philolog, ein Geschichtskundiger, ein
Weltweiser, ein Redner, ein Dichter--
Lisette. Und Sie sind erst zwanzig Jahr alt! Ein Weltweiser ohne
Bart und ein Redner, der noch nicht muendig ist! schoene Raritaeten!
Damis. Fort! den Augenblick aus meiner Stube!
Lisette. Den Augenblick? Ich moechte gar zu gern die schoene Ausrufung:
und Sie sind erst zwanzig Jahr alt! noch einmal anbringen. Haben Sie
nichts mehr an sich zu ruehmen? O noch etwas! Wollen Sie nicht? Nun
so will ich es selbst tun. Hoeren Sie recht zu, Herr Damis: Sie sind
noch nicht klug und sind schon zwanzig Jahr alt!
Damis. Was? wie? (Steht zornig auf.)
Lisette. Leben Sie wohl! Leben Sie wohl!
Damis. Himmel! was muss man von den ungelehrten Bestien erdulden! Ist
es moeglich von einem unwissenden Weibsbilde--
Vierter Auftritt
Chrysander. Anton. Damis.
Chrysander. Das ist ein verfluchter Brief, Anton! Ei! ei! mein Sohn,
mein Sohn, post coenam stabis, vel passus mille meabis. Du wirst doch
nicht schon wieder sitzen?
Damis. Ein andrer, der nichts zu tun hat, mag sich um dergleichen
barbarische Gesundheitsregeln bekuemmern. Wichtige Beschaeftigungen--
Chrysander. Was willst du von wichtigen Beschaeftigungen reden?
Damis. Ich nicht, Herr Vater? Die meisten von den Buechern, die Sie
hier auf dem Tische sehen, warten teils auf meine Noten, teils auf
meine Uebersetzung, teils auf meine Widerlegung, teils auf meine
Verteidigung, teils auch auf mein blosses Urteil.
Chrysander. Lass sie warten! Jetzt--
Damis. Jetzt kann ich freilich nicht alles auf einmal verrichten.
Wann ich nur erst mit dem Wichtigsten werde zustande sein. Sie
glauben nicht, was mir hier eine gewisse Untersuchung fuer Nachschlagen
und Kopfbrechen kostet. Noch eine einzige Kleinigkeit fehlt mir, so
habe ich es bewiesen, dass sich Kleopatra die Schlangen an den Arm, und
nicht an die Brust, gesetzt hat--
Chrysander. Die Schlangen taugen nirgends viel. Mir waere beinahe
jetzt auch eine in Busen gekrochen; aber noch ist es Zeit. Hoere
einmal, mein Sohn; hier habe ich einen Brief bekommen, der mich--
Damis. Wie? einen Brief? einen Brief? Ach, lieber Anton! einen
Brief? Liebster Herr Vater, einen Brief? von Berlin? Lassen Sie mich
nicht laenger warten; wo ist er? Nicht wahr, nunmehr werden Sie
aufhoeren an meiner Geschicklichkeit zu zweifeln? Wie gluecklich bin
ich! Anton, weisst du es auch schon, was darin steht?
Chrysander. Was schwaermst du wieder? Der Brief ist nicht von Berlin;
er ist von meinem Advokaten aus Dresden, und nach dem, was er schreibt,
kann aus deiner Heirat mit Julianen nichts werden.
Damis. Nichtswuerdiger Kerl! so bist du noch nicht wieder auf der Post
gewesen?
Anton. Ich habe es Ihnen ja gesagt, dass vor neun Uhr fuer mich auf der
Post nichts zu tun ist.
Damis. Ah, verberabilissime, non fur, sed trifur! Himmel! dass ich
vor Zorn sogar des Plautus Schimpfwoerter brauchen muss. Wird dir denn
ein vergebner Gang gleich den Hals kosten?
Anton. Schimpften Sie mich? Weil ich es nicht verstanden habe, so
mag es hingehen.
Chrysander. Aber sage mir nur, Damis; nicht wahr, du hast doch einen
kleinen Widerwillen gegen Julianen? Wenn das ist, so will ich dich
nicht zwingen. Du musst wissen, dass ich keiner von den Vaetern bin--
Damis. Ist die Heirat schon wieder auf dem Tapete? Wann Sie doch
wegen meines Widerwillens unbesorgt sein wollten. Genug, ich heirate
sie--
Chrysander. Das heisst so viel, du wolltest dich meinetwegen zwingen?
Das will ich durchaus nicht. Wenn du gleich mein Sohn bist, so bist
du doch ein Mensch; und jeder Mensch wird frei geboren; er muss machen
koennen, was er will; und--kurz--ich gebe dir dein Wort wieder zurueck.
Damis. Wieder zurueck? und vor einigen Stunden konnte ich mich nicht
hurtig genug entschliessen? Wie soll ich das verstehen?
Chrysander. Das sollst du so verstehen, dass ich es ueberlegt habe und
dass, weil dir Juliane nicht gefaellt, sie mir auch nicht ansteht; dass
ich ihre wahren Umstaende in diesem Briefe wieder gefunden habe und
dass--Du siehst es ja, dass ich den Brief nur jetzt gleich bekommen habe.
Ich weiss zwar wahrhaftig nicht, was ich davon denken soll? Die Hand
meines Advokaten ist es nicht--
(Damis setzt sich wieder an den Tisch.)
Anton. Nicht? oh! die Leutchen muessen mehr als eine Hand zu schreiben
wissen.
Chrysander. Zu geschwind ist es beinahe auch. Kaum sind es acht Tage,
dass ich ihm geschrieben habe. Sollte er das Ding in der kurzen Zeit
schon haben untersuchen koennen? Von wem hast du denn den Brief
bekommen, Anton?
Anton. Von Lisetten.
Chrysander. Und Lisette?
Anton. Von dem Brieftraeger, ohne Zweifel.
Chrysander. Aber warum bringt denn der Kerl die Briefe nicht mir
selbst?
Anton. Sie werden sich doch in den Haenden, wodurch sie gehen, nicht
veraendern koennen?
Chrysander. Man weiss nicht--Gleichwohl aber lassen sich die Gruende,
die er anfuehrt, hoeren. Ich muss also wohl den sichersten Weg nehmen
und dir, mein Sohn--Aber, ich glaube gar, du hast dich wieder an den
Tisch gesetzt und studierst?
Damis. Mein Gott! ich habe zu tun, ich habe sogar viel zu tun.
Chrysander. Drum mit einem Worte, damit ich dich nicht um die Zeit
bringe: die Heirat mit Julianen war nichts als ein Gedanke, den du
wieder vergessen kannst. Wann ich es recht ueberlege, so hat doch
Valer das groesste Recht auf sie.
Damis. Sie betruegen sich, wenn Sie glauben, dass ich nunmehr davon
abgehen werde.--Ich habe alles wohl ueberleget, und ich muss es Ihnen
nur mit ganz trocknen Worten sagen, dass eine boese Frau mir helfen soll,
meinen Ruhm unsterblich zu machen; oder vielmehr, dass ich eine boese
Frau, an die man nicht denken wuerde, wann sie keinen Gelehrten gehabt
haette, mit mir zugleich unsterblich machen will. Der Charakter eines
solchen Eheteufels wird auf den meinigen ein gewisses Licht werfen--
Chrysander. Nun wohl, wohl; so nimm dir eine boese Frau; nur aber eine
mit Gelde, weil an einer solchen die Bosheit noch ertraeglich ist. Von
der Gattung war meine erste selige Frau. Um die zwanzigtausend Taler,
die ich mit ihr bekam, haette ich des boesen Feindes Schwester heiraten
wollen--Du musst mich nur recht verstehen: ich meine es nicht nach den
Worten.--Wann sie aber boese sein soll, deine Frau, was willst du mit
Julianen?--Hoere, ich kenne eine alte Witwe, die schon vier Maenner ins
Grab gezankt hat; sie hat ihr feines Auskommen: ich daechte, das waere
deine Sache; nimm die! Ich habe dir das Maul einmal waessrig gemacht,
ich muss dir also doch etwas darein geben. Wann es einmal eine
Xanthippe sein soll, so kannst du keine bessre finden.
Damis. Mit Ihrer Xanthippe! ich habe es Ihnen ja schon mehr als
einmal gesagt, dass Xanthippe keine boese Frau gewesen ist. Haben Sie
meine Beweisgruende schon wieder vergessen?
Chrysander. Ei was? mein Beweis ist das Abc-Buch. Wer so ein Buch
hat schreiben koennen, das so allgemein geworden ist, der muss es gewiss
besser verstanden haben als du. Und kurz, mir liegt daran, dass
Xanthippe eine boese Frau gewesen ist. Ich koennte mich nicht
zufriedengeben, wenn ich meine erste Frau so oft sollte gelobt haben.
Schweig also mit deinen Narrenspossen; ich mag von dir nicht besser
unterrichtet sein.
Damis. So wird uns gedankt, wenn wir die Leute aus ihren Irrtuemern
helfen wollen.
Chrysander. Seit wenn ist denn das Ei klueger als die Henne? he? Herr
Doktor, vergess Er nicht, dass ich Vater bin und dass es auf den Vater
ankoemmt, wenn der Sohn heiraten soll. Ich will an Julianen nicht mehr
gedacht wissen--
Damis. Und warum nicht?
Chrysander. Soll ich meinem einzigen Sohne ein armes Maedchen
aufhaengen? Du bist nicht wert, dass ich fuer dich so besorgt bin. Du
weisst ja, dass sie nichts im Vermoegen hat.
Damis. Hatte sie vorhin, da ich sie heiraten sollte, mehr als jetzt?
Chrysander. Das verstehst du nicht. Ich wusste wohl, was ich vorhin
tat: aber ich weiss auch, was ich jetzt tue.
Damis. Gut, desto besser ist es, wann sie kein Geld hat. Man wird
mir also nicht nachreden koennen, die boese Frau des Geldes wegen
genommen zu haben; man wird es zugestehen muessen, dass ich keine andere
Absicht gehabt als die, mich in den Tugenden zu ueben, die bei
Erduldung eines solchen Weibes noetig sind.
Chrysander. Eines solchen Weibes! Wer hat dir denn gesagt, dass
Juliane eine boese Frau werden wird?
Damis. Wenn ich nicht, wie wir Gelehrten zu reden pflegen, a priori
davon ueberfuehrt waere, so wuerde ich es schon daraus schliessen koennen,
weil Sie daran zweifeln.
Chrysander. Fein naseweis, mein Sohn! fein naseweis! Ich habe
Julianen auferzogen; sie hat viel Wohltaten bei mir genossen; ich habe
ihr alles Gute beigebracht: wer von ihr Uebels spricht, der spricht es
zugleich von mir. Was? ich sollte nicht ein Frauenzimmer zu ziehen
wissen? Ich sollte ein Maedchen, das unter meiner Aufsicht gross
geworden ist, nicht so weit gebracht haben, dass es einmal eine
rechtschaffne wackre Frau wuerde? Reich habe ich sie freilich nicht
machen koennen; ich bin der Wohltat selbst noch benoetigt. Aber dass ich
sie nicht tugendhaft, nicht verstaendig gemacht haette, das kann mir nur
einer nachreden, der so dumm ist als du, mein Sohn. Nimm mir es nicht
uebel, dass ich mit der Sprache herausruecke. Du bist so ein
eingemachter Narre, so ein Stockfisch--nimm mir's nicht uebel, mein
Sohn--so ein ueberstudierter Pickelhering--aber nimm mir's nicht uebel--
Damis (beiseite). Bald sollte ich glauben, dass sein erster Handel mit
eingesalznen Fischen gewesen sei.--Schon gut, Herr Vater; von
Julianens Tugend will ich nichts sagen; die Tugend ist oft eine Art
von Dummheit. Aber was ihren Verstand anbelangt, von dem werden Sie
mir erlauben, dass ich ihn noch immer in Zweifel ziehe. Ich bin nun
schon eine ziemliche Zeit wieder hier; ich habe mir auch manchmal die
Muehe genommen, ein paar Worte mit ihr zu sprechen: hat sie aber wohl
jemals an meine Gelehrsamkeit gedacht? Ich mag nicht gelobt sein; so
eitel bin ich nicht; nur muss man den Leuten ihr Recht widerfahren
lassen--
Fuenfter Auftritt
Chrysander. Damis. Valer.
Chrysander. Gut, gut, Herr Valer, Sie kommen gleich zur rechten
Stunde.
Damis. Was will der unertraegliche Mensch wieder?
Valer. Ich komme, Abschied von Ihnen beiden zu nehmen--
Chrysander. Abschied? so zeitig? warum denn?
Valer. Ich glaube nicht, dass Sie im Ernste fragen.
Chrysander. Gott weiss es, Herr Valer; in dem allerernstlichstem
Ernste. Ich lasse Sie wahrhaftig nicht.
Valer. Um mich noch empfindlicher zu martern? Sie wissen, wie lieb
mir die Person allezeit gewesen ist, die Sie mir heute entreissen.
Doch das Unglueck waere klein, wenn es mich nur allein traefe. Sie
wollen noch dazu diese geliebte Person mit einem verbinden, der sie
ebenso sehr hasst, als ich sie verehre? Meine ganze Seele ist voller
Verzweiflung, und von nun an werde ich weder hier noch irgendswo in
der Welt wieder ruhig werden. Ich gehe, um mich--
Chrysander. Nicht gehen, Herr Valer, nicht gehen! Dem Uebel ist
vielleicht noch abzuhelfen.
Valer. Abzuhelfen? Sie beschimpfen mich, wenn Sie glauben, dass ich
jemals diesen Streich ueberwinden werde. Er wuerde fuer ein minder
zaertliches Herz, als das meinige ist, toedlich sein.
Damis. Was fuer ein Gewaesche! (Setzt sich an seinen Tisch.)
Valer. Wie gluecklich sind Sie, Damis! Lernen Sie wenigstens Ihr
Glueck erkennen; es ist der geringste Dank, den Sie dem Himmel schuldig
sind. Juliane wird die Ihrige--
Chrysander. Ei, wer sagt denn das? Sie soll noch zeitig genug die
Ihrige werden, Herr Valer, nur Geduld!
Valer. Halten Sie inne mit Ihren kalten Verspottungen--
Chrysander. Verspottungen? Sie muessen mich schlecht kennen. Was ich
sage, das sag ich. Ich habe die Sache nun besser ueberlegt; ich sehe,
Juliane schickt sich fuer meinen Sohn nicht und er sich noch viel
weniger fuer Julianen. Sie lieben sie; Sie haben laengst bei mir um sie
angehalten; wer am ersten koemmt, der muss am ersten mahlen. Ich habe
eben mit meinem Sohne davon geredt--Sie kennen ihn ja--
Valer. Himmel, was hoer ich? Ist es moeglich? welche glueckliche
Veraenderung! Erlauben Sie, dass ich Sie tausendmal umfange. Soll ich
also doch noch gluecklich sein? O Chrysander! o Damis!
Chrysander. Reden Sie mit ihm und setzen Sie ihm den Kopf ein wenig
zurechte. Ich will zu Julianen gehen und ihr meinen veraenderten
Entschluss hinterbringen. Sie wird mir es doch nicht uebelnehmen?
Valer. Uebel? Sie werden ihr das Leben wiedergeben, so wie Sie es
mir wiedergegeben haben.
Chrysander. Ei, kann ich das? (Geht ab.)
Sechster Auftritt
Damis. Valer. Anton.
Valer. Und in welchem Tone soll ich nun mit Ihnen reden, liebster
Freund? Das erneuerte Versprechen Ihres Vaters berechtigte mich, Sie
ganz und gar zu uebergehen. Ich habe gewonnen, sobald Chrysander
Julianen zu zwingen aufhoert. Doch wie angenehm soll es mir sein, wann
ich ihren Besitz zum Teil auch Ihnen werde verdanken koennen.
Damis. Anton!
Anton (koemmt). Was soll der? ist Ihnen die Post wieder eingefallen?
Damis. Gleich geh! sie muss notwendig da sein.
Anton. Aber ich sage Ihnen, dass sie bei so uebeln Wetter vor zehn Uhr
nicht kommen kann.
Damis. Gibst du abermals eine Stunde zu? Kurz, geh! und koemmst du
leer wieder, so sieh dich vor!
Anton. Wenn ich diese Nacht nicht sanft schlafe, so glaube ich
zeitlebens nicht mehr, dass die Muedigkeit etwas dazu helfen kann.
(Gehet ab.)
Siebenter Auftritt
Damis. Valer.
Valer. So? anstatt zu antworten, reden Sie mit dem Bedienten?
Damis. Verzeihen Sie, Valer; Sie haben also mit mir gesprochen? Ich
habe den Kopf so voll; es ist mir unmoeglich, auf alles zu hoeren.
Valer. Und Sie wollen sich auch bei mir verstellen? Ich weiss die
Zeit noch sehr wohl, da ich in ebendem wunderbaren Wahne stand, es
liesse gelehrt, so zerstreut als moeglich und auf nichts als auf sein
Buch aufmerksam zu tun. Doch glauben Sie nur, der muss sehr einfaeltig
sein, den Sie mit diesen Gaukeleien hintergehen wollen.
Damis. Und Sie muessen noch einfaeltiger sein, dass Sie glauben koennen,
ein jeder Kopf sei so gedankenleer als der Ihrige. Und verdient denn
Ihr Geschwaetz, dass ich darauf hoere? Sie haben ja gewonnen, sobald
Chrysander Julianen zu zwingen aufhoert; Sie sind ja berechtiget, mich
zu uebergehen--
Valer. Das muss doch eine besondere Art der Zerstreuung sein, in
welcher man des andern Reden gleichwohl so genau hoeret, dass man sie
von Wort zu Wort wiederholen kann.
Damis. Ihre Spoetterei ist sehr trocken. (Sieht wieder auf sein Buch.)
Valer. Doch aber zu empfinden?--Was fuer eine Marter ist es, mit einem
Menschen von Ihrer Art zu tun zu haben? Es gibt deren wenige--
Damis. Das sollte ich selbst glauben.
Valer. Es wuerden sich aber mehrere finden, wenn selbst--
Damis. Ganz recht; wenn die wahre Gelehrsamkeit nicht so schwer zu
erlangen, die natuerliche Faehigkeit dazu gemeiner und ein unermuedeter
Fleiss nicht so etwas Beschwerliches waeren--
Valer. Ha! ha! ha!
Damis. Das Lachen eines wahren Idioten!
Valer. Sie reden von Ihrer Gelehrsamkeit, und ich, mit Vergebung,
wollte von Ihrer Torheit reden. Hierin, meinte ich, wuerden Sie
mehrere Ihresgleichen finden, wenn selbst diese Torheit ihren Sklaven
nicht zur Last werden muesste.
Damis. Verdienen Sie also, dass ich Ihnen antworte? (Sieht wieder in
sein Buch.)
Valer. Und verdienen Sie wohl, dass ich noch Freundes genug bin, mit
Ihnen ohne Verstellung zu reden? Glauben Sie mir, Sie werden Ihre
Torheiten bei mehreren Verstande bereuen--
Damis. Bei mehreren Verstande? (Spoettisch.)
Valer. Werden Sie darueber ungehalten? Das ist wunderbar! Ihr Koerper
kann, Ihren Jahren nach, noch nicht ausgewachsen haben, und Sie
glauben, dass Ihre Seele gleichwohl schon zu ihrer moeglichen
Vollkommenheit gelanget sei? Ich wuerde den fuer meinen Feind halten,
welcher mir den Vorzug, taeglich zu mehrerm Verstande zu kommen,
streitig machen wollte.
Damis. Sie!
Valer. Sie werden so spoettisch, mein Herr Nebenbuhler--Doch da ist
sie selbst! (Laeuft ihr entgegen.) Ah, Juliane--
Achter Auftritt
Juliane. Damis. Valer.
Juliane. Ach, Valer, welche glueckliche Veraenderung!--
Damis (indem er sich auf dem Stuhle umwendet). Die Ehre, Sie hier zu
sehen, Mademoiselle, habe ich ohne Zweifel einem Irrtume zu danken?
Sie glauben vielleicht, in Ihr Schlafzimmer zu kommen--
Juliane. Dieser Irrtum waere unvergeblich! Nein! mein Herr, es
geschieht auf Befehl Ihres Herrn Vaters, dass ich diesen heiligen Ort
betrete. Ich komme, Ihnen einen Kauf aufzusagen und mich bei Ihrer
Muse zu entschuldigen, dass ich beinahe in die Gefahr gekommen waere,
ihr einen so liebenswuerdigen Geist abspenstig zu machen.
Valer. O wie entzueckt bin ich, schoenste Juliane, Sie auf einmal
wieder in Ihrer Heiterkeit zu sehen.
Damis. Wenn ich das Gewaesche eines Frauenzimmers recht verstehe, so
kommen Sie, ein Paktum aufzuheben, welches doch alle Requisita hat,
die zu einem unumstoesslichen Pakto erfordert werden.
Juliane. Und wann ich das Galimathias eines jungen Gelehrten
verstehen darf, so haben Sie es getroffen.
Damis. Mein Vater ist ein Idiote. Koemmt es denn nur auf ihn oder auf
Sie, Mademoiselle, an, einen Vertrag, der an meinem Teil fest bestehet,
ungueltig zu machen?--Es wird sich alles zeigen; nur wollte ich bitten,
mich jetzt ungestoert zu lassen--(Wendet sich wieder an den Tisch.)
Valer. Was fuer ein Bezeigen! hat man jemals einem Frauenzimmer, auf
dessen Besitz man Anspruch macht, so begegnet?
Damis. Und ist man jemals einem beschaeftigten Gelehrten so ueberlaestig
gewesen? Diese verdriessliche Gesellschaft loszuwerden, muss ich nur
selbst meine vier Waende verlassen. (Geht ab.)
Neunter Auftritt
Valer. Juliane.
Juliane. Und wir lachen ihm nicht nach?
Valer. Nein, Juliane; eine bessere Freude mag uns jetzt erfuellen; und
beinahe gehoert eine Art von Grausamkeit dazu, sich ueber einen so
klaeglichen Toren lustig zu machen. Wie soll ich Ihnen die Regungen
meines Herzens beschreiben, jetzt, da man ihm alle seine
Glueckseligkeit wiedergegeben hat? Ich beschwoere Sie, Juliane, wann
Sie mich lieben, so verlassen Sie noch heute mit mir dieses
gefaehrliche Haus. Setzen Sie sich nicht laenger der Ungestuemigkeit
eines veraenderlichen Alten, der Raserei eines jungen Pedanten und der
Schwaeche Ihrer eignen allzu zaertlichen Denkungsart aus. Sie sind mir
in einem Tage genommen und wiedergegeben worden; lassen Sie ihn den
ersten und den letzten sein, der so grausam mit uns spielen darf!
Juliane. Fassen Sie sich, Valer. Wir wollen lieber nichts tun, was
uns einige Vorwuerfe von Chrysandern zuziehen koennte. Sie sehen, er
ist auf dem besten Wege, und ich liebe ihn ebensosehr, als ich den
Damis verachte. Durch das Misstrauen, wodurch ich mich auf einmal
seiner Vorsorge entzoege, wuerde ich ihm fuer seine Wohltaten schlecht
danken--
Valer. Noch immer reden Sie von Wohltaten? Ich werde nicht eher
ruhig, als bis ich Sie von diesen gefaehrlichen Banden befreiet habe.
Erlauben Sie mir, dass ich sie sogleich gaenzlich vernichte und dem
alten Eigennuetzigen--
Juliane. Nennen Sie ihn anders, Valer; er ist das nicht; und schon
seine Veraenderung zeigt es, dass Lisette falsch gehoert oder uns
hintergangen hat. Zwar weiss ich nicht, wem ich diese Veraenderung
zuschreiben soll--(Nachsinnend.)
Valer. Warum auf einmal so in Gedanken? Die Ursache, die ihn bewogen
hat, mag sein, welche es will; ich weiss doch gewiss, dass es eine Fuegung
des Himmels ist.
Juliane. Des Himmels oder Lisettens. Auf einmal faellt mir ein, was
Sie mir von einem Briefe gesagt haben. Sollte wohl Lisettens allzu
grosse Dienstfertigkeit--
Valer. Welche Einbildung, liebste Juliane! Sie weiss es ja, dass Ihre
Tugend in diesen kleinen Betrug nicht willigen wollen.
Juliane. Gleichwohl, je mehr ich nachdenke--
Valer. Wenn es nun auch waere, wollten Sie denn deswegen--
Juliane. Wann es nun auch waere? wie?
Zehnter Auftritt
Lisette. Valer. Juliane.
Juliane. Du koemmst als gerufen, Lisette.
Lisette. Nun, gehen meine Sachen nicht vortrefflich? Wollen Sie es
nicht unten mit anhoeren, wie sich Damis und Chrysander zanken? "Du
sollst sie nicht bekommen; ich muss sie bekommen: ich bin Vater; Sie
haben mir sie versprochen: ich habe mich anders besonnen; ich aber
nicht: so muss es noch geschehen; das ist unmoeglich: unmoeglich oder
nicht; kurz, ich geh nicht ab, ich will es Ihnen aus Buechern beweisen,
dass Sie mir Wort halten muessen: du kannst mit deinen Buechern an den
Galgen gehen."--Was wiederhole ich viel ihre naerrische Reden? Der
Vater hat recht; er handelt klug: er wuerde aber gewiss nicht so klug
handeln, wenn ich nicht vorher so klug gewesen waere.
Juliane. Wie verstehst du das, Lisette?
Lisette. Ich lobe mich nicht gerne selbst. Kurz, meine liebe Mamsell,
Ihr Schutzengel, der bin ich!
Juliane. Der bist du? und wie denn?
Lisette. Dadurch, dass ich einen Betrueger mit seiner Muenze bezahlt
habe. Der alte haessliche--
Juliane. Und also hast du Chrysandern betrogen?
Lisette. Ei, sagen Sie doch das nicht; einen Betrueger betruegt man
nicht, sondern den hintergeht man nur. Hintergangen hab ich ihn.
Valer. Und wie?
Lisette. Schlecht genug, dass Sie es schon wieder vergessen haben.
Ich sollte meinen, erkenntlich zu sein, brauche man ein besser
Gedaechtnis.
Juliane. Du hast ihm also wohl gar den falschen Brief untergeschoben?
Lisette. Behuete Gott! ich habe ihn bloss durch einen erdichteten Brief
auf andere Gedanken zu bringen gesucht; und das ist mir gelungen.
Juliane. Das hast du getan? Und ich sollte mein Glueck einer
Betruegerin zu danken haben? Es mag mir gehen, wie es will; Chrysander
soll es den Augenblick erfahren--
Lisette. Was soll denn das heissen? Ist das mein Dank?
Valer. Besinnen Sie sich, Juliane; verziehen Sie!
Juliane. Unmoeglich, Valer; lassen Sie mich. (Juliane geht ab.)
Eilfter Auftritt
Valer. Lisette.
Valer. Himmel, nun ist alles wieder aus!
Lisette. So mag sie es haben! Gift und Galle moechte ich speien, so
toll bin ich! Fuer meinen guten Willen mich eine Betruegerin zu heissen?
Ich hoffte, sie wuerde mir vor Freuden um den Hals fallen.--Wie wird
der Alte auf mich losziehen! Er jagt mich und Sie zum Hause heraus.
Was wollen Sie nun anfangen?
Valer. Ja, was soll ich nun anfangen, Lisette?
Lisette. Ich glaube, Sie antworten mir mit meiner eignen Frage? Das
ist bequem. Mein guter Rat hat ein Ende. Ich will mich bald wieder
in so etwas mengen!
Valer. Zu was fuer einer ungelegnen Zeit kamst du aber auch, Lisette?
Ich hatte dir es gesagt, dass Juliane in diesen Streich nicht willigen
wollte. Haettest du nicht noch einige Zeit schweigen koennen?
Lisette. Konnte ich denn vermuten, dass sie so uebertrieben eigensinnig
sein wuerde? Sie koennen sich leicht einbilden, wie es mit unsereiner
ist: ich haette nicht wieviel nehmen und es gegen sie laenger verbergen
wollen, wem sie ihr Glueck zu danken habe. Die Freude ist schwatzhaft,
und--Ach, ich moechte gleich--
Zwoelfter Auftritt
Anton. Valer. Lisette.
Anton (mit Briefen in der Hand). Ha! ha! haltet ihr wieder Konferenz!
Wenn es mein Herr wuesste, dass in seiner eignen Stube die schlimmsten
Anschlaege wider ihn geschmiedet werden, er wuerde dich, Lisette--Aber,
wie steht ihr denn da beisammen? Herr Valer scheint betruebt: du bist
erhitzt, erhitzt wie ein Zinshahn. Habt ihr euch geschlagen, oder
habt ihr euch sonst eine Motion gemacht? Ei, ei, Lisette!
hoere--(sachte zu Lisetten) du hast dich doch der Ausstattung wegen mit
ihm nicht ueberworfen? Hat er sein Wort etwa zurueckgezogen? Das waere
ein verfluchter Streich. (Laut.) Nein, nein, Herr Valer, was man
verspricht, das muss man halten. Sie hat Ihnen redlich gedienet und
ich auch. Zum Henker! glauben Sie denn, dass es einmal einer ehrlichen
Seele keine Gewissensbisse verursachen muss, wenn sie ihre Herrschaft
fuer null und nichts betrogen hat? Ich lasse mich nicht vexieren; und
meine Forderung wenigstens--Hol' mich dieser und jener! ich nehm einen
Advokaten an, einen rechten Bullenbeisser von einem Advokaten, der
Ihnen gewiss so viel soll zu schaffen machen--
Lisette. Ach Narre, schweig!
Valer. Was will er denn? Mit wem sprichst du denn?
Anton. Potz Stern! mit unserm Schuldmanne sprech ich. Das koennen Sie
ja wohl am Tone hoeren.
Valer. Wer ist denn dein Schuldmann?
Anton. Kommt es nun da heraus, dass Sie die Schuld leugnen wollen?
Hoeren Sie: mein Advokat bringt Sie zum Schwur--
Valer. Lisette, weisst denn du, was er will?
Lisette. Der Schwaermer! ich brauchte ihn vorhin zu Ueberbringung des
Briefes und versprach ihm, wenn die Sache gut ausfallen sollte, eine
Belohnung von Ihnen.
Valer. Weiter ist es nichts?
Anton. Ich daechte doch, das waere genug. Und wie haelt es denn mit
Lisettens Ausstattung? Ich muss mich um ihr Vermoegen so gut als um das
meinige bekuemmern, weil es doch meine werden soll.
Valer. Seid unbesorgt; wenn ich mein Glueck mache, so will ich das
eurige gewiss nicht vergessen.
Anton. Gesetzt aber, Sie machten es nicht? Und was versprochen ist,
ist doch versprochen.
Valer. Auch alsdenn will ich euern Eifer nicht unbelohnt lassen.
Anton. Ach, das sind Komplimente, Komplimente!
Lisette. So hoer einmal auf!
Anton. Bist du nicht eine Naerrin; ich rede ja fuer dich mit.
Lisette. Es ist aber ganz unnoetig.
Anton. Unnoetig? habt ihr euch denn nicht gezankt?
Lisette. Warum nicht gar?
Anton. Hat er sein Versprechen nicht zurueckgezogen?
Lisette. Nein doch.
Anton. O so verzeihen Sie mir, Herr Valer. Die Galle kann einem
ehrlichen Manne leicht ueberlaufen. Ich bin ein wenig hitzig, zumal in
Geldsachen. Fuerchten Sie sich fuer den Advokaten nur nicht--
Valer. Und ich kann in einer so marternden Ungewissheit hier noch
verziehen? Ich muss sie sprechen; vielleicht hat sie es noch nicht
getan--
Lisette. Hat sie es aber getan, so kommen Sie dem Alten ja nicht zu
nahe!
Valer. Ich habe von dem ganzen Handel nichts gewusst.
Lisette. Desto schlimmer alsdenn fuer mich. Gehen Sie nur.
Dreizehnter Auftritt
Anton. Lisette.
Anton. Desto schlimmer fuer dich? Was ist denn desto schlimmer fuer
dich? Warum soll er denn dem Alten nicht zu nahe kommen? Was habt
ihr denn wieder!
Lisette. Je, der verfluchte Brief!
Anton. Was fuer ein Brief?
Lisette. Den ich dir vorhin gab.
Anton. Was ist denn mit dem?
Lisette. Es ist alles umsonst; meine Muehe ist vergebens.
Anton. Wie denn so? So wahr ich lebe, ich habe ihn richtig bestellt.
Mache keine Possen und schiebe die Schuld etwa auf mich!
Lisette. Richtig uebergeben ist er wohl; er tat auch schon seine
Wirkung. Aber Juliane hat uns selbst einen Strich durch die Rechnung
gemacht. Sie will es durchaus entdecken, dass es ein falscher Brief
gewesen sei, und hat es vielleicht auch schon getan.
Anton. Was zum Henker, sie selbst? Da werden wir ankommen! Siehst
du; nun ist der Sperling und die Taube weg. Und was das schlimmste ist:
da ich die Taube habe fangen wollen, so bin ich darueber mit der Nase
ins Weiche gefallen. Oder deutlicher und ohne Gleichnis mit dir zu
reden: die versprochene Belohnung bei dem Alten hab ich verloren, die
eingebildete bei Valeren entgeht mir auch, und aller Profit, den ich
dabei machen werde, ist, nebst einem gnaedigen Rippenstosse, ein Pack
dich zum Teufel!--Will Sie mich alsdenn noch, Jungfer Lisette?--Oh,
Sie muss mich. Ich will Sie die Leute lehren ungluecklich machen--
Lisette. Es wird mir gewiss besser gehen? Wir wandern miteinander,
und wenn wir nur einmal ein Paar sind, so magst du sehen, wie du mich
ernaehrest.
Anton. Ich dich ernaehren? bei der teuren Zeit? Wenn ich noch koennte
mit dir herumziehen, wie der mit dem grossen Tiere, das ein Horn auf
der Nase hat.
Lisette. Sorge nicht, in ein Tier mit einem Horne will ich dich bald
verwandeln. Es wird alsdenn doch wohl einerlei sein, ob du mit mir
oder ich mit dir herumziehe.
Anton. Nu wahrhaftig, mit dir weiss man doch noch, woran man ist.
--Aber, damit wir nicht eins ins andre reden, wo ist denn nun mein
Herr? Da sind endlich seine verdammten Briefe!
Lisette. Siehst du ihn?
Anton. Nein; aber wo mir recht ist, jetzt hoer ich ihn.
Lisette. Lass ihn nur kommen; toll will ich ihn noch machen, zu guter
Letzt.
Vierzehnter Auftritt
Anton. Lisette. Damis (koemmt ganz tiefsinnig; Lisette schleicht
hinter ihm her und macht seine Grimassen nach).
Anton. Halt! ich will ihn noch ein wenig zappeln lassen und ihm die
Briefe nicht gleich geben. (Steckt sie ein.) Wie so tiefsinnig, Herr
Damis? was steckt Ihnen wieder im Kopfe?
Damis. Halt dein Maul!
Anton. Kurz geantwortet! Aber soll sich denn ein Bedienter nicht um
seinen Herrn bekuemmern? Es waere doch ganz billig, wann ich auch wuesste,
worauf Sie daechten. Eine blinde Henne findet auch manchmal ein
Koernchen, und vielleicht koennte ich Ihnen--
Damis. Schweig!
Anton. Die Antwort war noch kuerzer. Wenn sie stufenweise so abnimmt,
so will ich einmal sehen, was uebrigbleiben wird.--Was zaehlen Sie denn
an den Fingern? Was hat Ihnen denn der arme Nagel getan, dass Sie ihn
so zerreissen? (Er wird Lisetten gewahr.)--Und, zum Henker, was ist
denn das fuer ein Affe? Koemmst du von Sinnen?
Lisette. Halt dein Maul!
Anton. Um des Himmels willen geh! Wann mein Herr aus seinem Schlafe
erwacht und dich sieht--
Lisette. Schweig!
Anton. Willst du mich oder meinen Herrn zum besten haben? So sehen
Sie doch einmal hinter sich, Herr Damis!
Damis (geht einigemal tiefsinnig auf und nieder; Lisette in gleichen
Stellungen hinter ihm her; und wann er sich umwendet, schleicht sie
sich hurtig herum, dass er sie nicht gewahr wird). Meiner
Hochzeitfackel Brand Sei von mir jetzt selbst gesungen!
Anton. Ho! ho! Sie machen Verse? Komm, Lisette, nun muessen wir ihn
allein lassen. Bei solcher Gelegenheit hat er mich selbst schon, mehr
als einmal, aus der Stube gestossen. Komm nur; er ruft uns gewiss
selbst wieder, sobald er fertig ist, und vielleicht das ganze Haus
dazu.
Lisette (indem sich Damis umwendet, bleibt sie starr vor ihm stehen
und nimmt seinen Ton an). Meiner Hochzeitfackel Brand Sei von mir
jetzt selbst gesungen!
(Damis tut, als ob er sie nicht gewahr wuerde, und stoesst auf sie.)
Damis. Was ist das?
Lisette. Was ist das?
(Beide, als ob sie zu sich selbst kaemen.)
Damis. Unwissender, niedertraechtiger Kerl! habe ich dir nicht oft
genug gesagt, keine Seele in meine Stube zu lassen als aufs hoechste
meinen Vater? Was will denn die hier?
Lisette. Unwissender, niedertraechtiger Kerl! hast du mir es nicht oft
genug gesagt, dass ich mich aus der Stube fortmachen soll? Kannst du
dir denn aber nicht einbilden, dass die, welche im Kabinette hat sein
duerfen, auch Erlaubnis haben werde, in der Stube zu sein? Unwissender,
niedertraechtiger Kerl!
Anton. Wem soll ich nun antworten?
Damis. Gleich stosse sie zur Stube hinaus!
Anton. Stossen? mit Gewalt?
Damis. Wenn sie nicht in gutem gehen will--
Anton. Lisette, geh immer in gutem--
Lisette. Sobald es mir gelegen sein wird.
Damis. Stoss sie heraus, sag ich!
Anton. Komm, Lisette, gib mir die Hand; ich will dich ganz ehrbar
herausfuehren.
Lisette. Grobian, wer wird denn ein Frauenzimmer mit der blossen Hand
fuehren wollen?
Anton. O ich weiss auch zu leben!--In Ermanglung eines Handschuhs
also--(er nimmt den Zipfel von der Weste)--werde ich die Ehre haben--
Damis. Ich seh wohl, ich soll mich selbst ueber sie machen--(Geht auf
sie los.)
Lisette. Ha! ha! ha! so weit wollte ich Sie nur gern bringen. Adieu!
Funfzehnter Auftritt
Anton. Damis.
Damis. Nun sind alle Gedanken wieder fort! Das Feuer ist verraucht;
die Einbildungskraft ist zerstreut. Der Gott, der uns begeistern muss,
hat mich verlassen--Verdammte Kreatur! was fuer Verdruss hat sie mir
heute nicht schon gemacht! wie spoettisch ist sie mit mir umgegangen!
Himmel! in meiner Tiefsinnigkeit mir alles so laecherlich nachzuaeffen.
Anton. Sie sahen es ja aber nicht.
Damis. Ich sah es nicht?
Anton. Ja? ist's moeglich? und Sie stellten sich nur so?
Damis. Schweig, Idiote!--Ich will sehen, ob ich mich wieder in die
Entzueckung setzen kann--
Anton. Tun Sie das lieber nicht; die Verse koennen unmoeglich geraten,
wobei man so finster aussieht.--Darf man aber nicht wissen, was es
werden wird? ein Abendlied oder ein Morgenlied?
Damis. Dummkopf!
Anton. Ein Busslied?
Damis. Einfaltspinsel!
Anton. Ein Tischlied? auch nicht?--Ein Sterbelied werden Sie doch
nicht machen? So wahr ich ehrlich bin, wenn ich auch noch so ein
grosser Poet waere, das bliebe von mir ungemacht. Sterben ist der
abgeschmackteste Streich, den man sich selbst spielt. Er verdient
nicht einen Vers, geschweige ein Lied.
Damis. Ich muss Mitleiden mit deiner Unwissenheit haben. Du kennst
keine andre Arten von Gedichten, als die du im Gesangbuche gefunden
hast.
Anton. Es wird gewiss noch andre geben? So lassen Sie doch hoeren, was
Sie machen.
Damis. Ich mache--ein Epithalamium--
Anton. Ein Epithalamium? Potz Stern, das ist ein schwer Ding! Damit
koennen Sie wirklich zurechte kommen? Da gehoert Kunst dazu--Aber, Herr
Damis, im Vertrauen, was ist denn das ein Epith--pitha--thlamium?
Damis. Wie kannst du es denn schwer nennen, wenn du noch nicht weisst,
was es ist?
Anton. Ei nun, das Wort ist ja schon schwer genug. Sagen Sie mir nur
ein wenig mit einem andern Namen, was es ist.
Damis. Ein Epithalamium ist ein Thalassio.
Anton. So, so! nun versteh ich's; ein Epithalamium ist ein--wie hiess
es?--
Damis. Thalassio.
Anton. Ein Thalassio; und das koennen Sie machen? Wenigstens werden
Sie viel Zeit dazu brauchen--Aber, hoeren Sie doch, wenn mich nun
jemand fragt, was ein Thalassio ist, was muss ich ihm wohl antworten?
Damis. Auch das weisst du nicht, was ein Thalassio ist?
Anton. Ich fuer mein Teil weiss es wohl. Ein Thalassio ist ein--wie
hiess das vorige Wort?
Damis. Epithalamium.
Anton. Ist ein Epithalamium. Und ein Epithalamium ist ein Thalassio.
Nicht wahr, ich habe es gut behalten? Aber das moechte nur andern
Leuten nicht deutlich sein, welche beide Worte nicht verstehen.
Damis. Je nun, so sage ihnen, Thalassio sei ein Hymenaeus.
Anton. Zum Henker! das heisst Leute vexieren. Ein Epithalamium ist
ein Thalassio, und ein Thalassio ist ein Hymenaeus. Und so umgekehrt,
ein Hym--Hym--Die Namen mag sonst einer merken!
Damis. Recht! recht! ich sehe doch, dass du anfaengst einen Begriff von
Sachen zu bekommen.
Anton. Ich einen Begriff hiervon? so wahr ich ehrlich bin! Sie irren
sich. Der Kobold muesste mir's eingeblasen haben, wenn ich wuesste, was
die kauderwelschen Worte heissen sollen. Sagen Sie mir doch ihren
deutschen Namen; oder haben sie keinen?
Damis. Sie haben zwar einen, allein er ist lange nicht von der
Annehmlichkeit und dem Nachdrucke der griechischen oder lateinischen.
Sage einmal selbst, ob ein Hochzeitgedichte nicht viel kahler klingt
als ein Epithalamium, ein Hymenaeus, ein Thalassio.
Anton. Mir nicht; wahrhaftig mir nicht! denn jenes versteh ich und
dieses nicht. Ein Hochzeitgedichte haben Sie also machen wollen?
Warum sagten Sie das nicht gleich?--Oh! in Hochzeitgedichten habe ich.
eine Belesenheit, die erstaunend ist. Ich muss Ihnen nur sagen, wie
ich dazu gekommen bin. Mein weiland seliger Vater hatte einen
Vetter--und gewissermassen war es also auch mein Vetter--
Damis. Was wird das fuer ein Gewaesche werden?
Anton. Sie wollen es nicht abwarten? Gut! Der Schade ist Ihre.
--Weiter also: Verse auf eine Hochzeit wollten Sie machen? aber auf
was denn fuer eine?
Damis. Welche Frage! auf meine eigne.
Anton. Sie heiraten also Julianen noch? Der Alte will es ja nicht?--
Damis. Ah der!
Anton. Es ist schon wahr; was hat sich ein Sohn um den Vater zu
bekuemmern? Aber sagen Sie mir doch: schickt es sich denn, dass man auf
seine eigne Hochzeit Verse macht?
Damis. Gewoehnlich ist es freilich nicht; aber desto besser! Geister
wie ich lieben das Besondre.
Anton (beiseite). St! jetzt will ich ihm einen Streich spielen!
--(Laut.) Hoeren Sie nur, Herr Damis, ich werde es selbst gern sehen,
wenn Sie Julianen heiraten.
Damis. Wieso?
Anton. Ich weiss nicht, ob ich mich unterstehen darf, es Ihnen zu
sagen. Ich habe--ich habe selbst--
Damis. Nur heraus mit der Sprache!
Anton. Ich habe selbst versucht, Verse auf Ihre Hochzeit zu machen,
und deswegen wollte ich nun nicht gern, dass meine Muehe verloren waere.
Damis. Das wird etwas Schoenes sein!
Anton. Freilich! denn das ist mein Fehler; ich mache entweder etwas
Rechtes oder gar nichts.
Damis. Gib doch her! vielleicht kann ich deine Reime verbessern, dass
sie alsdenn mir und dir Ehre machen.
Anton. Hoeren Sie nur, ich will sie Ihnen vorlesen. (Er sucht einen
Zettel aus der Tasche.) Ganz bin ich noch nicht fertig, muss ich Ihnen
sagen. Der Anfang aber, aus dem auch allenfalls das Ende werden kann,
klingt so--Ruecken Sie mir doch das Licht ein wenig naeher!--Du, o edle
Fertigkeit, Zu den vorgesetzten Zwecken Tuecht'ge Mittel--
Damis. Halt! du bist ein elender Stuemper! Ha! ha! ha! Das du o
steht ganz vergebens. Edle Fertigkeit sagt nichts weniger, und Du, o
edle Fertigkeit nichts mehr. Deleatur ergo du o! Damit aber nicht
zwei Silben fehlen, so verstaerke das Beiwort edel, nach Art der
Griechen, und sage ueberedel. Ich weiss zwar wohl, ueberedel ist ein
neues Wort; aber ich weiss auch, dass neue Woerter dasjenige sind, was
die Poesie am meisten von der Prose unterscheiden muss. Solche
Vorteilchen merke dir! Du musst dich durchaus bestreben, etwas
Unerhoertes, etwas Ungesagtes zu sagen. Verstehst du mich, dummer
Teufel?
Anton. Ich will es hoffen.
Damis. Also heisst dein erster Vers
ueberedle Fertigkeit
usw. Nun lies weiter!
Anton. Zu den vorgesetzten Zwecken Tuecht'ge Mittel zu entdecken Und
sich dann zur rechten Zeit Ihrer Kraefte zu bedienen, Wirst, so lange,
bis die Welt In ihr erstes Cha- Cha- Chaos faellt, Wie die Pappelbaeume
gruenen.
Aber, Herr Damis, koennen Sie mir nicht sagen, was ich hier muss gedacht
haben? Verflucht! das ist schoen; ich verstehe mich selbst nicht mehr.
Das erste Cha--Chaos;--ich daechte, ich haette das Wort noch nie in
meinen Mund genommen, so fuerchterlich klingt es mir.
Damis. Zeige doch--
Anton. Warten Sie, warten Sie! ich will es Ihnen noch einmal vorlesen.
Damis. Nein, nein; weise mir nur den Zettel her.
Anton. Sie koennen es unmoeglich lesen. Ich habe gar zu schlecht
geschrieben; kein Buchstabe steht gerade; sie hocken einer auf den
andern, als ob sie Junge hecken wollten.
Damis. O so gib her!
Anton (gibt ihm den Zettel mit Zittern). Zum Henker, es ist seine
eigne Hand!
Damis (betrachtet ihn einige Zeit). Was soll das heissen? (Steht
zornig auf.) Verfluchter Verraeter, wo hast du dieses Blatt her?
Anton. Nicht so zornig; nicht so zornig!
Damis. Wo hast du es her?
Anton. Wollen Sie mich denn erwuergen?
Damis. Wo hast du das Blatt her, frag ich?
Anton. Lassen Sie nur erst nach.
Damis. Gesteh!
Anton. Aus--aus Ihrer--Westentasche.
Damis. Ungelehrte Bestie! ist das deine Treue? Das ist ein Diebstahl;
ein Plagium.
Anton. Zum Henker! des Quarks wegen mich zu einem Diebe zu machen?
Damis. Des Quarks wegen? was? den Anfang eines philosophischen
Lehrgedichts einen Quark zu nennen?
Anton. Sie sagten ja selbst, es tauge nichts.
Damis. Ja, insofern es ein Hochzeitkarmen vorstellen sollte und du
der Verfasser davon waerest. Gleich schaffe die andern Manuskripte,
die du mir sonst entwandt hast, auch herbei! Soll ich meine Arbeit in
fremden Haenden sehen? Soll ich zugeben, dass sich eine haessliche Dohle
mit meinen praechtigen Pfauenfedern ausschmuecke? Mach bald! oder ich
werde andre Massregeln ergreifen.
Anton. Was wollen Sie denn? Ich habe nicht einen Buchstaben mehr von
Ihnen.
Damis. Gleich wende alle Taschen um!
Anton. Warum auch nicht? Wenn ich sie umwende, so faellt ja alles
heraus, was ich darin habe.
Damis. Mach und erzuerne mich nicht!
Anton. Ich will ein Schelm sein, wenn Sie nur ein Staeubchen Papier
bei mir finden. Damit Sie aber doch Ihren Willen haben;--hier ist die
eine; da ist die andre--Was sehen Sie?--Da ist die dritte; die ist
auch leer.--Nun kommt die vierte--(Indem er sie umwendet, fallen die
Briefe heraus.)--Zum Henker, die verfluchten Briefe! die hatte ich
ganz vergessen--(Er will sie geschwind wieder aufheben.)
Damis. Gib her, gib her! was fiel da heraus? Ganz gewiss wird es
wieder etwas von mir sein.
Anton. So wahr ich lebe, es ist nichts von Ihnen. An Sie koennte es
eher noch etwas sein.
Damis. Halte mich nicht auf; ich habe mehr zu tun.
Anton. Halten Sie mich nur nicht auf. Sie wissen ja, dass ich nun
bald wieder auf die Post gehen muss. Ich weiss, es sind Briefe da.
Damis. Nun so geh, so geh! Aber durchaus zeige mir erst, was du so
eilfertig aufhobst. Ich muss es sehen.
Anton. Zum Henker! wenn das ist, so brauche ich nicht auf die Post zu
gehen.
Damis. Wieso?
Anton. Nu, nu! da haben Sie es. Ich will hurtig gehen. (Er gibt ihm
den Brief und will fortlaufen.)
Damis (indem er ihn besieht). Je, Anton, Anton! das ist ja eben der
Brief aus Berlin, welchen ich erwarte. Ich kenn ihn an der Aufschrift.
Anton. Es kann wohl sein, dass er es ist. Aber, Herr Damis, werden
Sie nur--nur nicht ungehalten. Ich hatte es, bei meiner armen Seele!
ganz vergessen--
Damis. Was hast du denn vergessen?
Anton. Dass ich den Brief, beinahe schon eine halbe Stunde, in der
Tasche trage. Mit dem verdammten Plaudern!--
Damis. Weil er nun da ist, so will ich dir den dummen Streich
verzeihen.--Aber, allerliebster Anton, was muessen hierin fuer
unvergleichliche, fuer unschaetzbare Nachrichten stehen! Wie wird sich
mein Vater freuen! Was fuer Ehre, was fuer Lobsprueche!--O Anton!--ich
will dir ihn gleich vorlesen--(Bricht ihn hastig auf.)
Anton. Nur sachte, sonst zerreissen Sie ihn gar. Nun da! sagte ich's
nicht?
Damis. Es schadet nichts; er wird doch noch zu lesen sein.--Vor allen
Dingen muss ich dir sagen, was er betrifft. Du weisst, oder vielmehr du
weisst nicht, dass die Preussische Akademie auf die beste Untersuchung
der Lehre von den Monaden einen Preis gesetzt hat. Es kam mir noch
ganz spaet ein, unsern Philosophen diesen Preis vor dem Maule
wegzufangen. Ich machte mich also geschwind darueber und schrieb eine
Abhandlung, die noch gleich zur rechten Zeit muss gekommen sein.--Eine
Abhandlung, Anton--ich weiss selbst nicht, wo ich sie hergenommen habe,
so gelehrt ist sie. Nun hat die Akademie vor acht Tagen ihr Urteil
ueber die eingeschickten Schriften bekanntgemacht, welches notwendig zu
meiner Ehre muss ausgefallen sein. Ich, ich muss den Preis haben und
kein andrer. Ich habe es einem von meinen Freunden daselbst heilig
eingebunden, mir sogleich Nachricht davon zu geben. Hier ist sie; nun
hoere zu.
"Mein Herr,
"Wie nahe koennen Sie einem Freunde das Antworten legen! Sie drohen mir
mit dem Verluste Ihrer Liebe, wenn Sie nicht von mir die erste
Nachricht erhielten, ob Sie oder ein anderer den akademischen Preis
davongetragen haetten. Ich muss Ihnen also in aller Eil' melden, dass
Sie ihn nicht--(stotternd) bekommen haben und auch--(immer
furchtsamer) nicht haben--bekommen koennen.--"
Was? ich nicht? und wer denn? und warum denn nicht?--
"Erlauben Sie mir aber, dass ich als ein Freund mit Ihnen reden darf."
So rede, Verraeter!
"Ich habe Ihnen unmoeglich den schlimmen Dienst erweisen koennen, Ihre
Abhandlung zu uebergeben.--"
Du hast sie also nicht uebergeben, Treuloser? Himmel, was fuer ein
Donnerschlag!--So soll mich deine Nachlaessigkeit, unwuerdiger Freund,
um die verdienteste Belohnung bringen?--Wie wird er sich entschuldigen,
der Nichtswuerdige?
"Wenn ich es frei gestehen soll, so scheinen Sie etwas ganz anders
getan zu haben, als die Akademie verlangt hat. Sie wollte nicht
untersucht wissen, was das Wort Monas grammatikalisch bedeute? wer es
zuerst gebraucht habe? was es bei dem Xenokrates anzeige? ob die
Monaden des Pythagoras die Atomi des Moschus gewesen? usw. Was ist
ihr an diesen kritischen Kleinigkeiten gelegen, und besonders alsdann,
wann die Hauptsache dabei aus den Augen gesetzt wird? Wie leicht
haette man Ihren Namen mutmassen koennen, und Sie wuerden vielleicht
Spoettereien sein ausgesetzt worden, dergleichen ich nur vor wenig
Tagen in einer gelehrten Zeitung ueber Sie gefunden habe.--"
Was lese ich? kann ich meinen Augen trauen? Ah, verfluchtes Papier!
verfluchte Hand, die dich schrieb! (Wirft den Brief auf die Erde und
tritt mit den Fuessen darauf.)
Anton. Der arme Brief! man muss ihn doch vollends auslesen! (Hebt ihn
auf.) Das Beste koemmt vielleicht noch, Herr Damis. Wo blieben Sie?
Da, da! hoeren Sie nur!
"... gelehrten Zeitung gefunden habe.--Man nennt Sie ein junges
Gelehrtchen, welches ueberall gern glaenzen moechte und dessen
Schreibesucht--"
Damis (reisst ihm den Brief aus der Hand). Verdammter Korrespondent!
--Das ist der Lohn, den dein Brief verdient! (Er zerreisst ihn.) Du
zerreissest mein Herz, und ich zerreisse deine unverschaemte Neuigkeiten.
Wollte Gott, dass ich ein gleiches mit deinem Eingeweide tun koennte!
Aber--(zu Anton) du nichtswuerdige, unwissende Bestie! An alledem bist
du schuld!
Anton. Ich, Herr Damis?
Damis. Ja du! wie lange hast du nicht den Brief in der Tasche
behalten?
Anton. Herr, meine Tasche kann weder schreiben noch lesen: wenn Sie
etwa denken, dass ihn die anders gemacht hat--
Damis. Schweig! Und solche Beschimpfungen kann ich ueberleben?--O ihr
dummen Deutschen! ja freilich, solche Werke, als die meinigen sind,
gehoerig zu schaetzen, dazu werden andre Genies erfordert! Ihr werdet
ewig in eurer barbarischen Finsternis bleiben und ein Spott eurer
witzigen Nachbarn sein!--Ich aber will mich an euch raechen und von nun
an aufhoeren, ein Deutscher zu heissen. Ich will mein undankbares
Vaterland verlassen. Vater, Anverwandte und Freunde, alle, alle
verdienen es nicht, dass ich sie laenger kenne, weil sie Deutsche sind;
weil sie aus dem Volke sind, das ihre groessten Geister mit Gewalt von
sich ausstoesst. Ich weiss gewiss, Frankreich und Engeland werden meine
Verdienste erkennen--
Anton. Herr Damis, Herr Damis, Sie fangen an zu rasen. Ich bin nicht
sicher bei Ihnen; ich werde jemand rufen muessen.
Damis. Sie werden es schon empfinden, die dummen Deutschen, was sie
an mir verloren haben! Morgen will ich Anstalt machen, dieses
unselige Land zu verlassen--
Sechzehnter Auftritt
Chrysander. Damis. Anton.
Anton. Gott sei Dank, dass jemand koemmt!
Chrysander. Das verzweifelte Maedel, die Lisette! Und (zu Anton) du,
du Spitzbube! du sollst dein Brieftraegerlohn auch bekommen, Mich so zu
hintergehen? schon gut!--Mein Sohn, ich habe mich besonnen; du hast
recht; ich kann dir Julianen nun nicht wieder nehmen. Du sollst sie
behalten.
Damis. Schon wieder Juliane? Jetzt, da ich ganz andre Dinge zu
beschliessen habe--Hoeren Sie nur auf damit; ich mag sie nicht.
Chrysander. Es wuerde unrecht sein, wenn ich dir laenger widerstehen
wollte. Ich lasse jedem seine Freiheit; und ich sehe wohl, Juliane
gefaellt dir--
Damis. Mir? eine dumme Deutsche?
Chrysander. Sie ist ein huebsches, tugendhaftes, aufrichtiges Maedchen;
sie wird dir tausend Vergnuegen machen.
Damis. Sie moegen sie loben oder schelten; mir gilt alles gleich. Ich
weiss mich nach Ihrem Willen zu richten, und dieser ist, nicht an sie
zu gedenken.
Chrysander. Nein, nein; du sollst dich ueber meine Haerte nicht
beklagen duerfen.
Damis. Und Sie sich noch weniger ueber meinen Ungehorsam.
Chrysander. Ich will dir zeigen, dass du einen guetigen Vater hast, der
sich mehr nach deinem als nach seinem eignen Willen richtet.
Damis. Und ich will Ihnen zeigen, dass Sie einen Sohn haben, der Ihnen
in allen die schuldige Untertaenigkeit leistet.
Chrysander. Ja, ja; nimm Julianen! Ich gebe dir meinen Segen.
Damis. Nein, nein; ich werde Sie nicht so erzuernen--
Chrysander. Aber was soll denn das Widersprechen? Dadurch erzuernst
du mich!
Damis. Ich will doch nicht glauben, dass Sie sich im Ernste schon zum
drittenmal anders besonnen haben?
Chrysander. Und warum das nicht?
Damis. Oh, dem sei nun, wie ihm wolle! Ich habe mich gleichfalls
geaendert und fest entschlossen, ganz und gar nicht zu heiraten. Ich
muss auf Reisen gehen, und ich werde mich, je eher, je lieber,
davonmachen.
Chrysander. Was? du willst ohne meine Erlaubnis in die Welt laufen?
Anton. Das geht lustig! Der dritte Mann fehlt noch, und den will ich
gleich holen. Damis will Julianen nicht, vielleicht fischt sie Valer.
(Gehet ab.)
Siebzehnter Auftritt
Chrysander. Damis.
Damis. Ja, ja; in zweimal vierundzwanzig Stunden muss ich schon
unterwegens sein.
Chrysander. Aber was ist dir denn in den Kopf gekommen?
Damis. Ich bin es laengst ueberdruessig gewesen, laenger in Deutschland
zu bleiben; in diesem nordischen Sitze der Grobheit und Dummheit; wo
es alle Elemente verwehren, klug zu sein; wo kaum alle hundert Jahr
ein Geist meinesgleichen geboren wird--
Chrysander. Hast du vergessen, dass Deutschland dein Vaterland ist?
Damis. Was Vaterland!
Chrysander. Du Boesewicht, sprich doch lieber gar: was Vater! Aber
ich will dir es zeigen: du musst Julianen nehmen; du hast ihr dein Wort
gegeben und sie dir das ihrige.
Damis. Sie hat das ihrige zurueckgenommen wie ich jetzt das meinige;
also--
Chrysander. Also!--also!--Kurz von der Sache zu reden, glaubst du,
dass ich vermoegend bin, dich zu enterben, wann du mir nicht folgest?
Damis. Tun Sie, was Sie wollen. Nur, wann ich bitten darf, lassen
Sie mich jetzt allein. Ich muss vor meiner Abreise noch zwei Schriften
zustande bringen, die ich meinen Landsleuten, aus Barmherzigkeit, noch
zuruecklassen will. Ich bitte nochmals, lassen Sie mich--
Chrysander. Willst du mich nicht lieber gar zur Tuer hinausstossen?
Achtzehnter Auftritt
Valer. Anton. Chrysander. Damis.
Valer. Wie, Damis? ist es wahr, dass Sie wieder zu sich selbst
gekommen sind?--dass Sie von Julianen abstehen?
Chrysander. Ach, Herr Valer, Sie koennten mir nicht ungelegener kommen.
Bestaerken Sie ihn fein in seinem Trotze. So? Sie verdienten es
wohl, dass ich mich nach Ihrem Wunsche bequemte? Mich auf eine so
gottlose Art hintergehen zu wollen?--Mein Sohn, widersprich mir nicht
laenger, oder--
Damis. Ihre Drohungen sind umsonst. Ich muss mich fremden Laendern
zeigen, die sowohl ein Recht auf mich haben als das Vaterland. Und
Sie verlangen doch nicht, dass ich eine Frau mit herumfuehren soll?
Valer. Damis hat recht, dass er auf das Reisen dringt. Nichts kann
ihm, in seinen Umstaenden, nuetzlicher sein. Lassen Sie ihm seinen
Willen, und mir lassen Sie Julianen, die Sie mir so heilig versprochen
haben.
Chrysander. Was versprochen? Betruegern braucht man sein Wort nicht
zu halten.
Valer. Ich habe es Ihnen schon beschworen, dass einzig und allein
Lisette diesen Betrug hat spielen wollen, ohne die wir von dem
Dokumente gar nichts wissen wuerden.--Wie gluecklich, wann es nie zum
Vorschein gekommen waere! Es ist das grausamste Glueck, das Julianen
hat treffen koennen. Wie gern wuerde sie es aufopfern, wenn sie dadurch
die Freiheit ueber ihr Herz erhalten koennte.
Chrysander. Aufopfern? Herr Valer, bedenken Sie, was das sagen will.
Wir Handelsleute fassen einander gern bei dem Worte.
Valer. Oh, tun Sie es auch hier! Mit Freuden tritt Ihnen Juliane das
Dokument ab. Fangen Sie den Prozess an, wenn Sie wollen; der Vorteil
davon soll ganz Ihnen gehoeren. Juliane haelt dieses fuer das kleinste
Zeichen ihrer Dankbarkeit. Sie glaubt Ihnen noch weit mehr schuldig
zu sein.--
Chrysander. Nu, nu, sie ist mir immer ganz erkenntlich
vorgekommen--Aber was wuerden Sie denn, Valer, als ihr kuenft'ger Mann,
zu dieser Dankbarkeit sagen?
Valer. Denken Sie besser von mir. Ich habe Julianen geliebt, da sie
zu nichts Hoffnung hatte. Ich liebe sie auch noch, ohne die geringste
eigennuetzige Absicht. Und ich bitte Sie: was schenkt man denn einem
ehrlichen Manne, wenn man ihm einen schweren Prozess schenkt?
Chrysander. Valer, ist das Ihr Ernst?
Valer. Fordern Sie noch mehr als das Dokument; mein halbes Vermoegen
ist Ihre.
Chrysander. Da sei Gott vor, dass ich von Ihrem Vermoegen einen Heller
haben wollte! Sie muessen mich nicht fuer so eigennuetzig ansehen.--Wir
sind gute Freunde, und es bleibt bei dem alten: Juliane ist Ihre! Und
wenn das Dokument meine soll, so ist sie um so viel mehr Ihre.
Valer. Kommen Sie, Herr Chrysander, bekraeftigen Sie ihr dieses selbst!
Wie angenehm wird es ihr sein, uns beide vergnuegt machen zu koennen.
Chrysander. Wenn das ist, Damis; so kannst du meinetwegen noch heute
die Nacht fortreisen. Ich will Gott danken, wenn ich dich Narren
wieder aus dem Hause los bin.
Damis. Gehen Sie doch nur, und lassen Sie mich allein.
Valer. Damis, und endlich muss ich Ihnen doch noch mein Glueck
verdanken? Ich tue es mit der aufrichtigsten Zaertlichkeit, ob ich
schon weiss, dass ich die Ursache Ihrer Veraenderung nicht bin.
Damis. Aber die wahre Ursache?--(Zu Anton.) Verfluchter Kerl, hast du
dein Maul nicht halten koennen?--Gehen Sie nur, Valer--
(Indem Chrysander und Valer abgeben wollen, haelt Anton Valeren zurueck.)
Anton (sachte). Nicht so geschwind! Wie steht es mit Lisettens
Ausstattung, Herr Valer? und mit--
Valer. Seid ohne Sorgen; ich werde mehr halten, als ich versprochen
habe.
Anton. Juchhe! nun war die Taube gefangen.
Letzter Auftritt
Damis (an seinem Tische). Anton.
Anton. Noch ein Wort, Herr Damis, habe ich mit Ihnen zu reden.
Damis. Und?--
Anton. Sie wollen auf Reisen gehen?--
Damis. Zur Sache! es ist schon mehr als ein Wort.
Anton. Je nun! meinen Abschied.
Damis. Deinen Abschied? Du denkst vielleicht, dass ich dich
ungelehrten Esel mitnehmen wuerde?
Anton. Nicht? und ich habe also meinen Abschied? Gott sei Dank!
empfangen Sie nun auch den Ihrigen, welcher in einer kleinen Lehre
bestehen soll. Ich habe Ihre Torheiten nun laenger als drei Jahr
angesehen und selber alber genug dabei getan, weil ich weiss, dass ein
Bedienter, wenn sein Herr auch noch so naerrisch ist--
Damis. Unverschaemter Idiote, wirst du mir aus den Augen gehen?
Anton. Je nun! wem nicht zu raten steht, dem steht auch nicht zu
helfen. Bleiben Sie zeitlebens der gelehrte Herr Damis! (Gehet ab.)
Damis. Geh, sag ich, oder!--
(Er wirft ihm sein Buch nach, und das Theater faellt zu.)
Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Der junge Gelehrte, von Gotthold
Ephraim Lessing.
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK, DER JUNGE GELEHRTE ***
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